TE OGH 1970/1/7 6Ob317/69

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Veröffentlicht am 07.01.1970
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Norm

ABGB §167

Kopf

SZ 43/2

Spruch

Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Entbindung nach § 167 ABGB vermindert sich um einen allfälligen Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger

OGH 7. Jänner 1970, 6 Ob 317/69 (LGZ Graz 2 R 40/69; BGZ Graz 25 C 2028/68)

Text

Die Klägerin brachte am 19. November 1967 außer der Ehe das Kind Elisabeth zur Welt, als dessen außerehelicher Vater der Beklagte rechtskräftig festgestellt wurde.

Nunmehr begehrt die Klägerin Zahlung von 1600 S s A, wovon der Teilbetrag von 750 S s A auf Erstattung des von ihr in der Zeit vom 19. November 1967 bis 2. Februar 1968 geleisteten Unterhaltes entfällt, der Teilbetrag von 850 S auf die Erstattung der Entbindungskosten gem § 167 ABGB.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von 750 S s A statt, wenn man von einem Zinsenmehrbegehren absieht und wies den Anspruch auf Erstattung der Entbindungskosten im Betrag von 850 S s A ab.

Der dem Klagebegehren stattgebende Teil des Spruches erwuchs unangefochten in Rechtskraft, wogegen die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 850 S s A von der Klägerin mit Berufung bekämpft wurde. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht den in Beschwerde gezogenen Teil des Urteils erster Instanz unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Sache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Hinsichtlich des rekursverfangenen Anspruches auf Ersatz der Entbindungskosten stellte das Erstgericht fest, daß die Klägerin zur Zeit ihrer Niederkunft am 19. November 1967 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte krankenversichert war. Sie befand sich in der Zeit vom 19. November bis zum 26. November 1967 im Entbindungsheim der Hebamme Theresia F in H. Für diesen Aufenthalt stellte die Hebamme den Betrag von 850 S in Rechnung, den die Klägerin auch bezahlte.

Alle weiteren Ausführungen der Vorinstanzen zu diesem Anspruch stellen sich als rechtliche Erwägungen dar. Das Berufungsgericht vertrat im angefochtenen Beschluß die Ansicht, daß die Kosten des Aufenthaltes in einem Entbindungsheim als Entbindungskosten im Sinne des § 167 ABGB insbesondere dann zugesprochen werden könnten, wenn sie angemessen seien und die Mutter nicht krankenversichert sei und also die Leistungen einer Krankenversicherungsanstalt aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft nicht in Anspruch nehmen könne. Es könne mit dem Wesen der Ansprüche nach § 167 ABGB deren Last für den Vater billigerweise auf das notwendigste Maß einzuschränken sei, nicht vereinbart werden, daß der Mutter die Kosten des Aufenthaltes in einem privaten Entbindungsheim auch dann zugesprochen werden, wenn sie die ihr gegenüber dem Krankenversicherer aus dem Gründe der Mutterschaft zustehende Leistung der Pflege in einer Krankenanstalt (Entbindungsheim) nicht in Anspruch nehme, ohne dafür berechtigte Gründe zu haben. In einem solchen Falle könnten die Kosten des Aufenthaltes in einer privaten Entbindungsanstalt nicht im Rahmen des § 167 ABGB zugesprochen werden. Das Berufungsgericht sprach aus, daß nach den bisherigen Ergebnissen des erstgerichtlichen Verfahrens noch nicht verläßlich beurteilt werden könne, welcher Fall hier vorliege. Die Feststellung, daß die Klägerin zur Zeit ihrer Niederkunft krankenversichert gewesen sei, reiche nicht aus, um daraus den Schluß ziehen zu könne, daß sie bei ihrer Niederkunft die für den Versicherungsfall der Mutterschaft vorgesehenen Leistungen der Anstalt in Anspruch nehmen konnte, weil diese im allgemeinen nur gewährt werden, wenn der Versicherungsfall während der Versicherung eingetreten sei. Der Versicherungsfall der Mutterschaft gelte im allgemeinen mit dem Beginn der 6. Woche vor der voraussichtlichen bzw tatsächlichen Entbindung als eingetreten. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Niederkunft, sondern ob sie im Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles krankenversichert gewesen sei. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsfalles der Mutterschaft krankenversichert gewesen sei und also bei ihrer Entbindung die für diesen Fall vorgesehenen Leistungen beanspruchen konnte, werde mit den Parteien die Frage zu erörtern sein, warum die Klägerin diese Leistungen nicht in Anspruch genommen habe und ob sie berechtigte Gründe für ihr tatsächliches Verhalten gehabt habe. Sollte letzteres zutreffen, dann werde auch festzustellen sein, in welchem Ausmaße der Klägerin die von ihr aufgewendeten Entbindungskosten von ihrer Krankenversicherung zu ersetzen seien.

Wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt als in tatsächlicher Hinsicht nicht genügend geklärt beurteilt, so kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten. Bei Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ist also nur zu untersuchen, ob die vom Berufungsgericht als aufklärungsbedürftig beurteilten Tatfragen bei richtiger rechtlicher Beurteilung für den Streit entscheidend sind.

Die Klägerin wendet sich hauptsächlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, es komme darauf an, ob die Klägerin die Entbindungskosten gegen ihren Sozialversicherungsträger geltend machen könnte. Entgegen der Meinung der Klägerin ist diese Frage tatsächlich von entscheidender Bedeutung. Richtig ist allerdings, daß es für die Ansprüche nach § 167 ABGB nicht auf die Bedürftigkeit der Mutter ankommt, doch gehen die diesbezüglichen an sich zutreffenden Ausführungen im Rekurs am Kern der Sache vorbei. Die Mutter kann vom Erzeuger des unehelichen Kindes den Ersatz der für die Entbindung aufgewendeten notwendigen Kosten verlangen. Wenn Wentzel und Plessl in Klang[2] I/2, 204 die Auffassung vertreten, daß die Mutter soviel verlangen könne, als sie selbst bezahlt (ausgelegt) habe, so kann dieser Meinung nur mit dem Vorbehalt beigepflichtet werden, daß der wirklich gemachte Aufwand die Obergrenze dessen darstellt, was der außereheliche Vater zu ersetzen haben könnte. Es kann aber nicht darauf verzichtet werden, den Kostenbegriff als solchen zu definieren. Als Kosten im Sinne des § 167 ABGB kann nur die reine Einbuße an eigenem Vermögen angesehen werden, die die Mutter durch den wirklichen Aufwand für die Entbindung erlitten hat. Ein allfälliger Anspruch öffentlichen Rechts gegen den Sozialversicherungsträger - er mag geltend gemacht worden sein oder noch aufrecht bestehen - bedeutet einen Vermögenszuwachs der Mutter, der den Vermögensverlust durch den wirklichen Aufwand je nach der Höhe der Beträge ganz oder teilweise ausgleicht. Die Klägerin verkennt die Rechtslage dadurch, daß sie den Kostenbegriff unrichtig sieht und ihr Argument, die Versicherung diene nicht dem Vorteil des Vaters, sondern jenem der Versicherten, geht daher ins Leere. Wenn die Mutter wegen der Leistungen des Sozialversicherungsträgers keine oder nur geringere Kosten gehabt hat, dann ist dies zwar mittelbar ein Vorteil des Vaters, aber der Anspruch nach § 167 ABGB besteht insoweit nicht, weil der Vater nur die wirklichen Kosten im Sinne einer reinen Vermögenseinbuße zu ersetzen hat.

Der durch die I TN eingeführte § 167 ABGB ist unverkennbar dem § 1715 des Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches nachgebildet, doch dürfen die Unterschiede gerade bei Prüfung der hier vorliegenden grundsätzlichen Frage nicht übersehen werden. Die Heranziehung deutscher Literaturquellen ist deshalb nur sehr bedingt möglich.

Nach Absatz I des § 1715 BGB ist der Vater verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung zu ersetzen und zwar, falls infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen notwendig werden, auch die dadurch entstehenden Kosten. Den gewöhnlichen Betrag der zu ersetzenden Kosten kann die Mutter ohne Rücksicht auf den wirklichen Aufwand verlangen.

Soweit im Einzelfall die Bestimmung des zweiten Satzes der zitierten Gesetzesstelle anzuwenden ist, verneint überwiegend die deutsche Lehre die Anrechenbarkeit der Sozialleistungen zugunsten der Mutter, weil nach diesem zweiten Satz die Mutter den gewöhnlichen Aufwand ohne Rücksicht auf die wirklich entstandenen Kosten ersetzt verlangen kann (Palandt[28] 1349 Anm 1; RGR-K [10, 11] IV 1116 Anm 6; Soergel - Siebert[9] IV 470 Anm 3; Bökelmann - Engler - Göppinger in Staudinger Staudinger[10, 11] IV/3 b Anm 18). Nach dieser Lehre ist der Begriff der "gewöhnlichen Kosten" abstrakt auszulegen (Staudinger IV/3 b Anm 18; Dölle II 438), es kommt also bei Inanspruchnahme des zweiten Satzes leg cit auf den wirklichen Aufwand der Mutter und demgemäß auf allfällige Sozialleistungen nicht an.

Gemäß dem ersten Satz kann aber ein über die gewöhnlichen Kosten hinausgehender "weiterer Aufwand" notwendig geworden sein. Diesen hat der Vater gleichfalls zu ersetzen, doch ist bei Berechnung eines derartigen im Einzelfall weitergehenden Anspruches der Betrag der Kosten konkret zu berechnen, also unter Bedachtnahme auf die gänzliche oder teilweise Deckung durch die Sozialversicherung (Staudinger IV/3 b Anm 21).

Das österreichische Recht ist dem Vorbild des Bürgerlichen Gesetzbuches nur teilweise gefolgt und hat zum Unterschied von diesem den Begriff "gewöhnliche Kosten" als abstrakte Größe nicht eingeführt. Vielmehr kennt das österreichische Recht nur die konkreten Kosten, die im deutschen Recht nur eine von zwei Varianten sind. Geht man von diesem Begriff bei Auslegung des § 167 ABGB aus, dann kann über die gänzliche oder teilweise Deckung des Aufwandes der Mutter durch den Sozialversicherungsträger nicht hinweggesehen werden.

An sich trifft es zu, worauf die deutschen Literaturquellen hinweisen, daß es sich um einen familienrechtlichen Ersatzanspruch und nicht um einen solchen des Schadenersatzrechtes handelt. Er ist somit nicht an die allgemeinen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruches gebunden. Daraus aber abzuleiten, daß der dem Schadenersatzrecht zuzurechnende Begriff der Vorteilsausgleichung hier nicht Platz zu greifen habe, ist nur in dem Sinne richtig, als schadenersatzrechtliche Gedanken hier überhaupt nicht anzustellen sind. Ob rein praktisch die Berechnung der reinen Vermögenseinbuße der Mutter eine äußere Ähnlichkeit mit dem schadenersatzrechtlichen Begriff des damnum emergens hat, ist bei grundsätzlicher Beachtung der verschiedenen rechtlichen Wurzel ohne Bedeutung. Zusammenfassend ergibt sich die Notwendigkeit in erster Instanz zu prüfen, ob die Klägerin für den Aufwand, den sie im Zusammenhang mit ihrer Entbindung notwendigerweise gehabt hat, vollen oder teilweisen Ersatz durch den Sozialversicherungsträger beanspruchen kann (§§ 120 Z 3, 122 Abs 3, 161 Abs 1 ASVG).

Sollte sich erweisen, daß ein Teil des wirklichen Aufwandes der Klägerin durch die Sozialversicherung nicht gedeckt ist und also die Mutter belastet, dann wird im Sinne der rechtlich einwandfreien Erwägungen des Berufungsgerichts zu prüfen sein, ob die Inanspruchnahme eines privaten Entbindungsheimes höhere Kosten verursacht hat, als in einem Heim der Krankenversicherung entstanden wären und ob diese höheren Kosten notwendig waren. Letzteres wird zu bejahen sein, wenn der von der Klägerin gewählte Aufenthalt im Heim einer Hebamme objektiv gerechtfertigt war.

Es erweist sich somit zusammenfassend, daß die Sache hinsichtlich des Ersatzes der Entbindungskosten nicht spruchreif ist, weshalb dem Rekurs der Klägerin ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

Z43002

Schlagworte

Außereheliche Mutter, Entbindungskostenersatz nach § 167 ABGB„ Verminderung um Anspruch gegen Sozialversicherungsträger, Entbindungskostenersatz nach § 167 ABGB, Verminderung um Anspruch gegen, Sozialversicherungsträger, Ersatz der Entbindungskosten nach § 167 ABGB, Verminderung um Anspruch, gegen Sozialversicherungsträger, Kosten der Entbindung, Ersatz nach § 167 ABGB, Verminderung um Anspruch, gegen Sozialversicherungsträger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0060OB00317.69.0107.000

Dokumentnummer

JJT_19700107_OGH0002_0060OB00317_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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