TE OGH 1970/2/10 8Ob30/70

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.1970
beobachten
merken

Norm

Außerstreitgesetz §9

Kopf

SZ 43/36

Spruch

Der wegen Geisteskrankheit beschränkt Entmundigte hat gegen die Genehmigung des Verkaufes einer sein einziges Vermögen darstellenden Liegenschaft ein Rekursrecht

OGH 10. Februar 1970, 8 Ob 30/70 (OLG Wien 4 R 167/69; LGZ Wien 47 Nc 140/69)

Text

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. September 1964 wurde Gertrude W beschränkt entmundigt. Zum Beistand wurde der Rechtsanwalt Dr H bestellt.

Das Landesgericht für ZRS Wie n genehmigte mit Beschluß vom 29. August 1969 den Beschlußentwurf des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. Juli 1969, mit dem auf Antrag des Beistandes der Verkauf der der Entmundigten gehörenden Liegenschaft EZ 1007 KG K (Einheitswert 86.000 S, Schätzwert 212.960 S) um 280.000 S und gegen Einräumung eines lebenslänglichen Wohnrechtes an die Entmundigte in zwei Räumen des Hauses genehmigt werden solle.

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht gab dem Rekurs der Gertrude W nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revisionsrekurse der Gertrude W zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Frage anlangt, ob Gertrude W berechtigt ist, ohne ihren Beistand selbständig ein Rechtsmittel einzubringen, ist zu sagen, daß nach der ständigen neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes einem beschränkt Geschäftsfähigen im außerstreitigen Verfahren die Rechtsmittelbefugnis dann zugebilligt wird, wenn er durch Handlungen seines gesetzlichen Vertreters (Beistandes) oder durch Entscheidungen des Pflegschaftsgerichtes eine erhebliche Verletzung seiner Interessen befürchtet (6 Ob 63/68). Wenn der Verkauf der Liegenschaft auch in den Rahmen der dem Beistand der beschränkt Entmundigten zustehenden Vermögensverwaltung fällt, in welchen Angelegenheiten dem beschränkt Entmundigten in der Regel kein selbständiges Rekursrecht zusteht (8 Ob 10/67), muß der Verkauf der Liegenschaft, des einzigen Vermögens der beschränkt Entmundigten, doch als eine für sie sehr bedeutende und einschneidende Maßnahme angesehen werden. In einer besonders wichtigen Angelegenheit ist aber auch dem infolge Entmündigung beschränkt Geschäftsfähigen ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes zuzubilligen (6 Ob 63/68). Gertrude W konnte daher den Beschluß des Rekursgerichtes selbständig anfechten.

Grundsätzlich kann aber ein Rechtsmittel nur in einem Schriftsatz eingebracht werden (EvBl 1959/223 u a). Die nach dem Revisionsrekurs vom 27. Oktober 1969, auch wenn dieser nur als "Ankündigung" eines Revisionsrekurses bezeichnet wird, von der Rechtsmittelwerberin eingebrachten weiteren Schriftsätze sind daher aus diesem Gründe unzulässig gewesen und mußten zurückgewiesen werden.

Da es sich bei dem eingebrachten Rechtsmittel um einen Revisionsrekurs gegen einen dem erstgerichtlichen Beschluß bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes handelt, ist das Rechtsmittel ein sogenannter außerordentlicher Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG, der nur dann zulässig ist, wenn einer der im § 16 AußStrG genannten Gründe, nämlich Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbare Gesetzwidrigkeit vorliegt.

Das Vorbringen der Rekurswerberin, man "habe sie vorher nicht gefragt", kann als Rüge einer unterlaufenen Nichtigkeit aufgefaßt werden. Die Nichtigkeit ist aber nicht gegeben, denn aus dem Akt geht hervor, daß Gertrude W vor der Beschlußfassung durch das Erstgericht zum Gegenstande (Abschluß des Kaufvertrages) einvernommen worden ist.

Eine Aktenwidrigkeit wird nicht geltend gemacht, sie liegt auch nach der Aktenlage nicht vor.

Ebenso kann nicht gesagt werden, daß die angefochtene Entscheidung an einer offenbaren Gesetzwidrigkeit leidet. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und wenn trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 23/161 u a) oder wenn die Entscheidung sich mit den Grundprinzipien des Rechtes in Widerspruch setzt (SZ 23/289). Bei der Entscheidung der Frage, ob der Kaufvertrag über die Liegenschaft der Pflegebefohlenen deren Interessen entspricht oder widerstreitet, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche Entscheidung kann aber schon begrifflich keine offenbare Gesetzwidrigkeit darstellen (SZ 27/159 u v a). Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Entscheidung mit irgendwelchen Grundprinzipien des Rechtes im Widerspruch stunde.

Da somit keiner der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgrunde vorliegt, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

Z43036

Schlagworte

Entmundigter, Rekursrecht des beschränkt - gegen Genehmigung des, Verkaufes seiner Liegenschaft, Rekursrecht der beschränkt Entmundigten gegen Genehmigung des Verkaufes, seiner Liegenschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0080OB00030.7.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19700210_OGH0002_0080OB00030_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten