TE OGH 1970/4/14 8Ob88/70

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Veröffentlicht am 14.04.1970
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Norm

ABGB §579

Kopf

SZ 43/74

Spruch

Die Reihenfolge der Erfüllung der einzelnen Gültigkeitserfordernisse eines letzten Willens ist nicht wesentlich, wenn die Einheit des Testieraktes feststeht

OGH 14. April 1970, 8 Ob 88/70 (OLG Innsbruck 2 R 212/69; LG Feldkirch 1 a Cg 120/68)

Text

Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an 448/5408-stel Miteigentumsanteilen der EZ 840 B 3 KG K, mit denen das Wohnungseigentum an einer bestimmten Wohnung untrennbar verbunden sei, und zur Räumung dieser Wohnung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und ging hiebei von folgendem unbestrittenen Sachverhalt aus: Die am 10. Mai 1966 verstorbene Afra L war auf Grund eines Vertrages mit der Gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft m b H Kaufanwärterin einer Eigentumswohnung. Sie hinterließ ein allographes Kodizill vom 16. April 1966, in dem sie der Klägerin das erwähnte Kaufanwartschaftsrecht vermachte. Bei der Errichtung des Kodizills wurde folgender Vorgang eingehalten: Die Erblasserin diktierte im Krankenhaus am 16. April 1966 das Kodizill einer Mitpatientin Agnes W in die Schreibmaschine; dann wurde die Krankenschwester Aloisia W. hereingerufen, der die Erblasserin in Anwesenheit der Agnes W. erklärte, daß es sich um ihren letzten Willen handle. Sowohl Agnes W als auch Aloisia W unterschrieben die letztwillige Verfügung. Am gleichen Tage wurde die Krankenschwester Blanka G von der Erblasserin in deren Zimmer gebeten; ihr wurde - ohne Anwesenheit der früher genannten Agnes W und Aloisia W - von der Erblasserin ebenfalls erklärt, daß es sich um deren Testament handle und sie, Blanka G, dieses als Zeugin unterschreiben möge. Dies geschah auch und zuletzt unterschrieb die Erblasserin in Gegenwart der Blanka G. Diese letztwillige Verfügung wurde von den Geschwistern der Erblasserin Johann L und Adolf L (dem Beklagten) wegen Formmangels nicht anerkannt. Die beiden trafen im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung die Vereinbarung, daß der Beklagte das Anwartschaftsrecht auf die Wohnung allein übernehme und sich verpflichte, hiefür an seinen Bruder Johann L den Betrag von 33.324.50 S zu bezahlen. Johann L starb am 27. Dezember 1967. Der Nachlaß der Afra L wurde dem Beklagten und der Verlassenschaft nach Johann L auf Grund des Gesetzes mit Einantwortungsurkunde vom 30. Mai 1968 eingeantwortet. Der Beklagte wurde auf Grund der mit seinem Bruder Johann L getroffenen Vereinbarung alleiniger Kaufanwärter bezüglich der gegenständlichen Eigentumswohnung. Er schloß mit der eingangs erwähnten Genossenschaft und den übrigen Kaufanwärtern den Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag. Dieser Vertrag wurde verbüchert. Der Beklagte ist also Eigentümer des herausverlangten Miteigentumsanteils und der Eigentumswohnung, in der er bereits wohnt. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die letztwillige Verfügung der Afra L deshalb, weil die Erblasserin nach den Zeugen unterschrieben habe, nicht ungültig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte vertritt entgegen der rechtlichen Beurteilung durch die Untergerichte die Ansicht, daß die letztwillige Verfügung der Afra L vom 16. April 1966 deshalb ungültig sei, weil sie von der Erblasserin erst nach den Zeugen unterschrieben worden sei. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit den in Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage vertretenen uneinheitlichen Auffassungen auseinandergesetzt und sich jener Ansicht angeschlossen, nach der es belanglos ist, ob ein Zeuge die letztwillige Erklärung vor dem Erblasser unterschrieben hat. Dem Revisionswerber kann nicht zugestimmt werden, daß diese Ansicht nur in vereinzelt gebliebenen Entscheidungen vertreten wurde. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. November 1957, SZ 30/66 ist der Grundsatz ausdrücklich ausgesprochen worden, daß die Reihenfolge der Erfüllung der einzelnen Gültigkeitserfordernisse eines letzten Willens nicht wesentlich sei, wenn die Einheit des Testieraktes, das heißt, daß das Testament nicht in der Zwischenzeit verändert wurde, feststehe. In dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 10. Mai 1961, SZ 34/73 zugrunde liegenden Fall hat der Erblasser ein Kondizill offenbar ebenfalls nach den Zeugen unterfertigt; die Gültigkeit des Kodizills wurde ohne weiteres angenommen. Ebenso ist in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 2. Februar 1966, SZ 39/20 ohne nähere Erörterung von der Gültigkeit eines Testamentes, das der Erblasser nach den Zeugen unterfertigt hat, ausgegangen worden. Die neuere Rechtsprechung vertritt daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Ansicht, es sei die Reihenfolge der einzelnen Testierakte nicht wesentlich. Die Ausführungen der Revision bieten keinen Anlaß, von dieser Ansicht abzugehen.

Anmerkung

Z43074

Schlagworte

Gültigkeitserfordernisse eines Testamentes, Reihenfolge der Erfüllung, der - bei Einheit des Testieraktes unwesentlich, Reihenfolge der Erfüllung der Gültigkeitserfordernisse eines, Testamentes bei Einheit des Testieraktes unwesentlich, Testament, Reihenfolge der Erfüllung der Gültigkeitserfordernisse bei, Einheit des Testieraktes unwesentlich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0080OB00088.7.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19700414_OGH0002_0080OB00088_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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