TE OGH 1970/7/8 5Ob131/70

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Veröffentlicht am 08.07.1970
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Norm

ABGB §1295
ABGB §1304

Kopf

SZ 43/127

Spruch

Verschuldensteilung bei einem Kollisionsunfall zweier Skifahrer; Bedeutung der von verschiedenen Institutionen ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Skiläufer

OGH 8. Juli 1970, 5 Ob 131/70 (OLG Innsbruck 2 R 38/70; LG Feldkirch 2 Cg 460/68)

Text

Es ist unbestritten, daß es am 25. Februar 1967 um etwa 12 Uhr 30 unterhalb der Bergstation des Sebliga-Schleppliftes im Gebiet des Hochjochs (Ortsgebiet von Schruns) zwischen den Streitteilen, die als Schifahrer unterwegs waren, zu einem Zusammenstoß kam, bei dem die Klägerin schwer und der Beklagte leichter verletzt wurden.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten Schadenersatz, u zw nach der letzten Klagsänderung:

an Schmerzengeld                                          45.000.-

S, für die erlittene Verunstaltung

5.000.-  S, an Krankenhauskosten in Österreich

11.297.50 S, für den Aufenthalt der Mutter der Klägerin in Rankweil

1.260.-  S, für weitere Auslagen der Klägerin im Zusammenhang mit

dem Unfall                                                   381.30

S und für Telefongespräche

70.50 S ------------ zusammen     63.009.30 S. ferner: an

Krankenhauskosten in Deutschland                         839.55 DM

an weiteren Krankenhauskosten in Deutschland                278.55

DM an Telefonspesen

19.40 DM an Fahrtspesen der Mutter der Klägerin

139.80 DM für die Beschädigung der Schiausrüstung der Klägerin

102.60 DM und für die Behandlung der Klägerin in Schruns

3.10 DM ----------- zusammen 1.383.- DM.

(Infolge eines offenbaren Rechenfehlers ging das Erstgericht davon aus, daß die Summe der zuletzt genannten Forderung der Klägerin 1373 DM betrage).

Die Klägerin beantragte die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung der vorgenannten Beträge u zw des DM-Betrages in Schilling zum Prämienmittelkurs der Oesterreichischen Nationalbank am Zahlungstag samt 4% Zinsen seit 2. Juni 1967.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 46.026.88 S und 951 DM je samt 4% Zinsen seit 1. Februar 1968, das Mehrbegehren von 16.982.42 S und von 422 DM s A wurde abgewiesen. Der Klägerin wurde ferner ein Teil ihrer Prozeßkosten zuerkannt.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Unfall der Streitteile ereignete sich oberhalb der Bergstation der Hochjoch-Seilbahn, unweit der Trasse des Sebliga-Schleppliftes, in einer Höhe von 2300 m auf einer Schipiste, die für einen im Rahmen der österreichischen alpinen Schimeisterschaften tags zuvor durchgeführten Abfahrtslauf der Herren präpariert und in einem die Fahrt entsprechend beschleunigenden Zustand gebracht worden war. In dem bei der Beurteilung des vorliegenden Unfalles maßgeblichen etwa 200 m langen Pistenstücks wies die Rennstrecke eine Breite von durchschnittlich 20 m auf. An ihren Rändern war sie durch in den Schnee gesteckte Fähnchen und Tannenzweige für jedermann deutlich sichtbar gemacht und gegen das übrige Gelände hin gleichsam abgegrenzt worden. An dem dem Unfallstag vorangehenden Renntag war die Piste für Nichtrennfahrer gesperrt. Für den Unfallstag selbst bestanden aber keinerlei Sperrmaßnahmen mehr. Die erwähnte Pistenbegrenzung war aber am Unfallstag im wesentlichen noch unverändert erhalten geblieben. Die Rennpiste verlief im hier interessierenden Teilstück in etwa ostwestlicher Richtung und in einem von Schifahrern wenig benutzten Geländeabschnitt. Das oberhalb der Hochjoch-Seilbahn-Bergstation befindliche Schigebiet ist jedoch durch technische Einrichtungen für den Schibetrieb günstig aufgeschlossen. Weiter südlich dieses Rennpistenstückes befindet sich der Sennigrat-Sessellift und nördlich desselben der Sebliga-Schlepplift. Der Schibetrieb im Bereich des letztgenannten Schleppliftes wickelt sich im oberen Teile nördlich der Lifttrasse ab. Die Trasse des Schleppliftes verläuft, von der Talstation aus bergwärts gesehen, nach Südosten. Ihr bergseitiger Endpunkt befindet sich etwa 50 m südöstlich der in der folge beschriebenen Stelle Punkt B. Das Gelände südlich des maßgeblichen Teilstückes der Rennpiste steigt ziemlich steil zu einer felsigen Partie an, die das Schifahren hier unmöglich macht. Das Gelände ist an dieser Stelle von solcher Beschaffenheit, daß mit dem Einfahren oder Zufahren von Schiläufern aus südlicher Richtung auf die Rennpiste in diesem oberen Teil nicht gerechnet werden kann. Im übrigen ist dieser Geländeteil vom P B aus uneingeschränkt einzusehen.

Einige Zeit vor dem Unfall waren einerseits der Beklagte und Alois K mit dem Sennigrat-Sessellift und andererseits die Klägerin mit dem Sebliga-Schlepplift emporgefahren. Der Beklagte, ein geübter und erfahrener Schifahrer, der schon öfters mit Schirennfahrern "unterwegs" war, beabsichtigte mit seinem Begleiter die vortägige Rennstrecke zu befahren. Er fuhr daher mit K zunächst von der Bergstation des Sennigrat-Sesselliftes zur Bergstation des Sebliga-Schleppliftes und von dort aus weiter talwärts bis zur Höhe der zweitobersten Stütz dieses Liftes. Hier nahmen der Beklagte und K an einer Stelle etwa 10 m nördlich dieser Stütze Aufstellung. An dieser in Beil II mit P B bezeichneten Stelle hielten sich der Beklagte und K etwa 5 Minuten lang auf. Dieser Aufenthalt diente in erster Linie als kleine Rastpause, gleichzeitig wurde das Gelände in der weiteren Umgebung der Rennpiste beobachtet.

Bevor der Beklagte und K zum P B kamen, war die Klägerin auf der normalen Abfahrt nördlich der Sebliga-Schlepplifttrasse ein Stück weit abgefahren, überquerte die Lifttrasse und fuhr - allein - in etwa südlicher Richtung quer durch das Gelände in Richtung auf die Rennpiste zu. Hiebei gelangte sie an einen Punkt der etwa 15 m nördlich der nachmaligen Zusammenstoßstelle liegt. Hier blieb die Klägerin gleichfalls etwa 5 Minuten, aber doch geringfügig länger als der Beklagte in P B, stehen. Diesen Standort der Klägerin konnte der Beklagte weder vom P B aus noch auf seiner Fahrtstrecke dorthin einsehen.

Die Strecke, die der Beklagte vom P B bis zur Unfallstelle zurücklegte, beträgt zirka 150 m. Sie fällt in ihrem obersten, östlichsten Stück über die ersten zirka 50 m in einem etwa 50% betragenden Gefälle ab. Diese Strecke ist vom P B aus mit Ausnahme eines etwa 10 m langen Teilstückes, das etwa 30 m westlich des P B beginnt, gut einzusehen. Im Anschluß an dieses oberste steilste Stück folgt in einer mäßigen Linkskurve ein flacheres Teilstück in einer Länge von zirka 30 m. Sodann verläuft die Piste für den sich talwärts zu bewegenden Betrachter über eine Länge von etwa 50m in einer Geländemulde, die bei tiefverschneiten winterlichen Verhältnissen allerdings wesentlich abgeschwächter in Erscheinung tritt. Nördlich des in der Mulde verlaufenden Teilstückes macht die Piste einen beachtlichen Knick, um sich über eine Strecke von etwa 30 m talwärts zu mit etwa 40% Gefälle fortzusetzen. Etwa 5 bis 10 m unterhalb dieses Knickes liegt in der Pistenmitte die Unfallstelle. Während der in P B stehende Beobachter gute Sicht auf eine am Unfallsort stehende Person hat, schwindet diese Sicht nach etwa 50 m, um sodann bei weiterer Talwärtsbewegung schließlich in einer Entfernung von etwa 30 bis 20 m vor der Unfallstelle wieder gegeben zu sein. Vom P B aus ist die Sicht auf einen sich von der Unfallstelle nach Norden zu bewegenden Fußgänger stark eingeschränkt. Der nach Norden zu Gehende entschwindet wenige Meter nach dem Verlassen der Piste aus dem Gesichtskreis des Beobachters und wird erst nach Zurücklegung eines Weges von 20 m Länge im Gelände wieder sichtbar.

Der Beklagte fuhr vom P B im Rennfahrerstil los, nachdem er sich überzeugt hatte, daß auf der Rennstrecke keine Hindernisse im Wege stehen. Er erreichte in wenigen Sekunden eine Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h. Fast gleichzeitig oder kurz zuvor setzte sich auch die Klägerin, die bis dahin durch mehrere Minuten an einer Stelle gestanden war, an der sie vom P B aus nicht sichtbar war, ebenfalls in Bewegung. Sie fuhr langsam in südlicher Richtung auf die Piste zu, auf der der Beklagte in Schußfahrt herunterkam. Als der Beklagte etwa die Hälfte der Piste vom Startplatz bis zur Unfallstelle zurückgelegt hatte, war die Klägerin in ihrer Querfahrt gerade im Bereich des Nordrandes der Piste in jenes Gebiet gelangt, wo sie von dem im P B zurückgebliebenen Alois K zunächst mit dem Kopf und dann auch mit dem Oberkörper auf die Fahrlinie des Beklagten zufahrend wahrgenommen werden konnte und auch wahrgenommen wurde. Die Klägerin blickte auf ihrer Querfahrt nicht auf das oberhalb von ihr gelegene Gelände, sie war auch für den Beklagten zunächst nicht sichtbar. Erst bei weiterer Annäherung des Beklagten konnte dieser aus einer Entfernung von 30 oder weniger Metern die Klägerin sehen. Er stieß einen Angstschrei aus, war aber außerstande durch Abschwingen, Hinausfahren über den Pistenrand in der einen oder anderen Richtung oder dadurch, daß er sich fallen gelassen hätte, einen Zusammenstoß mit der Klägerin zu verhindern. Er fuhr vielmehr mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Klägerin zu und stieß frontal an deren linke Körperseite, wobei beide Streitteile zum Sturz kamen.

Zur Zeit des Unfalles waren im Gelände südlich der Trasse des Sebliga-Schiliftes zwischen dem P B und der Unfallstelle sowie darüber hinaus talwärts keine weiteren Menschen. In dem tiefen Schnee außerhalb der Rennpiste verliefen allerdings manche Schispuren. Unweit der Unfallstelle hatten sich tags zuvor eine größere Zahl von Zuschauern des Abfahrtslaufes aufgehalten. Seither war bis zum Unfall kein Schnee gefallen.

Die Klägerin erlitt durch den Zusammenstoß eine Gehirnerschütterung, einen Schlüsselbein- und Schulterblattbruch links, einen Querbruch des linken Oberschenkels und eine Nierenprellung. Nach dem ihr in Schruns erste Hilfe geleistet worden war, befand sich die Klägerin zunächst vom 25. Februar bis 3. April 1967 in stationärer Behandlung der Unfallstation Valduna in Rankweil. Dort wurde am 8. März 1967 eine Oberschenkelmarknagelung durchgeführt. Während der stationären Behandlung wurden der Klägerin Antibiotika, schmerzstillende Mittel, Infusionen, eine Blutkonserve und Beruhigungsmittel verabreicht. Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung in der Valduna begab sich die Klägerin in ihre Heimat nach K, wo sie an der Chirurgisch-orthopädischen Klinik Dr L weiter behandelt wurde. Sie blieb in dieser Zeit voll arbeitsunfähig und hatte erhebliche Schmerzen. Am 31. Mai 1967 wurde die Klägerin in der Klinik Dr L zur stationären Behandlung aufgenommen und blieb dort bis zum 10. Juni 1967. In dieser Zeit wurde der in der Valduna angelegte Nagel entfernt und eine neuerliche Nagelung durchgeführt. In der Zeit vom 26. Jänner 1968 bis 5. Februar 1968 war die Klägerin neuerlich in stationärer Behandlung der Klinik Dr L. In dieser Zeit wurde der zuletzt eingesetzte Nagel entfernt.

Auf Grund der Unfallsverletzungen war die Klägerin bis einschließlich 6. August 1967 außerstande, ihrer gewohnten beruflichen Tätigkeit als Buchhändlerin, die sie zuletzt vor ihrem Unfall in München ausgeübt hatte, nachzugehen. Am 7. August 1967 nahm die Klägerin ihre Berufstätigkeit wieder auf. Ihre Arbeitsfähigkeit war jedoch während des restlichen Teiles des Monats August 1967 noch um die Hälfte herabgesetzt. In der weiteren Folge nahm diese Beeinträchtigung ihrer Arbeitsfähigkeit soweit ab, daß sie ab Ende Dezember 1967 voll arbeitsfähig war. Der letzte stationäre Krankenhausaufenthalt der Klägerin vom 26. Jänner bis 5. Februar 1968 hatte neuerdings eine Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von zwei Wochen zur Folge. Ab Mitte Februar 1968 war die Klägerin beschwerdefrei und in der Ausübung ihrer Berufsarbeit, die sie in der Folge in der Schweiz versah, nicht mehr beeinträchtigt. Die Klägerin hatte infolge des Unfalles an einem Tag sehr starke, durch drei Wochen starke Schmerzen, durch sechs Wochen mittelstarke Schmerzen und durch sechs Monate leichte Schmerzen zu ertragen.

Als Unfallsfolge sind bei der Klägerin zwei größere Narben zurückgeblieben, uzw eine an der Außenseite des linken Oberschenkels, die reaktionslos ist, vertikal verläuft und eine Länge von 16 cm und eine Breite bis zu 0.15 cm aufweist. Die zweite Narbe befindet sich im linken Hüftgelenk, hat eine Länge von 6 cm und eine Breite von 0.5 cm und zeigt verschiedene Nahtnarben. Die beiden Narben sind beim Tragen normaler Kleidung nicht sichtbar. Die größere Narbe nimmt ihren Anfang etwa 12 cm oberhalb des linken Knies und verläuft entlang der Oberschenkelaußenseite. Sie fällt nur beim Tragen üblicher Badebekleidung auf und wirkt dann erheblich störend. Die kleinere Narbe, die im Bereich des linken Oberschenkelkopfes zurückgeblieben ist, kann sich außerhalb der Badezeit nur noch im privaten Leben im engsten Sinne und im intimen Umgang nachteilig auswirken. Sonstige Dauerfolgen des strittigen Unfalles sind bei der Klägerin nicht zurückgeblieben.

Das gegen beide Streitteile anhängig gewesene Strafverfahren wurde rücksichtlich der Klägerin gemäß § 90 StPO eingestellt, der Beklagte wurde jedoch rechtskräftig mit Urteil des Bezirksgerichtes M vom 10. Oktober 1967 der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 355 StG schuldig erkannt, weil er trotz gehinderter Sicht in unzulässigem Renntempo gefahren sei. Er wurde zur Strafe des Arrestes in der Dauer von zwei Wochen und zur Zahlung von 500 S an die Klägerin verurteilt, der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 2 Jahren vorläufig aufgeschoben.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht wie folgt: Obwohl man die Grundsätze des Straßenverkehrsrechtes nicht auf den Schisport übertragen könne und das Verhalten der am Schisport Beteiligten unter Bedachtnahme auf die natürlichen Rechtsgrundsätze nach eigenen Regeln des Schilaufes zu beurteilen sei, müsse sich doch jeder Schifahrer so verhalten, daß er keinen anderen gefährdet, beschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert und belästigt. Es müsse daher jeder Schifahrer sein Verhalten seinem Können, der Schwierigkeit des Geländes, der Schneebeschaffenheit und dem Vorhandensein anderer Personen anpassen. Er sei verpflichtet, das vor ihm liegende Gelände zu beobachten und einen drohenden Zusammenstoß mit anderen auch dadurch zu verhindern oder abzuschwächen, daß er sich rechtzeitig hinwerfe. Bei unübersichtlichen Strecken müsse der Schiläufer seine Fahrweise und Geschwindigkeit so einrichten, daß kein Zusammenstoß erfolgt, wenn andere Wegbenützer oder gestürzte Schifahrer seine Weiterfahrt behindern. Andererseits dürfe sich niemand an unübersichtlichen Stellen aufhalten. Wer in eine Abfahrtpiste einfahre oder sie überquere, sei verpflichtet, sich darüber zu orientieren, ob dies gefahrlos möglich sei. Im vorliegenden Fall sei eine gewisse Tragik unverkennbar, weil sich beide Streitteile nach einer relativ langen Beobachtungszeit und in einem Gelände, wo sich sonst weit und breit keine anderen Schiläufer aufhielten, von einer uneingesehenen Stelle nahezu gleichzeitig aufeinander zubewegten. Obwohl beide Streitteile nach den besonderen Verhältnissen kaum mit einer Begegnung rechnen mußten, hätten doch beide ein solches Verhalten an den Tag gelegt, das eine Gefährdung und Beschädigung eines anderen nicht zu verhindern oder auszuschließen geeignet gewesen sei. Der Klägerin müsse zur Last gelegt werden, daß sie ihren letzten Beobachtungspunkt so ungünstig wählte und von dieser Stelle aus sich zur Überquerung des als unbelebt zu bezeichnenden Schigeländes entschloß, ohne sich in der entscheidenden letzten Phase zu vergewissern, ob nicht andere Schifahrer ihren Weg kreuzten.

Daß den Beklagten ein Verschulden am vorliegenden Unfall treffe, ergebe sich aus der Bindung des Zivilgerichtes an das verurteilende Erkenntnis des Strafgerichts. Dem Beklagten falle zur Last, daß er beim Befahren der relativ schmalen und steilen, in keiner Weise gesicherten und für jedermann frei zugängigen Abfahrtsstrecke nicht mit der Möglichkeit rechnete, daß ein mehr oder weniger geübter Schiläufer auf die Rennpiste komme. Weiters gereiche es dem Beklagten zum Verschulden, daß er im Rennfahrerstil mit einer solchen Geschwindigkeit zu Tal fuhr, die es ihm unmöglich machte, im Falle des Auftauchens eines anderen Schiläufers irgend eine unfallverhindernde oder die Folgen eines etwaigen Zusammenstoßes mindernde Reaktion zu setzen. Es sei verantwortungslos gewesen, in der Hoffnung, es werde eine Gefahr nicht auftauchen, die Abfahrt zu Unternehmen. In Anwendung der Bestimmungen des § 1304 ABGB sei eine Verschuldensaufteilung im Verhältnis 1:3 zu Lasten des Beklagten vorzunehmen.

Hinsichtlich der einzelnen Ansprüche der Klägerin meinte das Erstgericht: Das angesprochene Schmerzensgeld (45.000 S) sowie der für die Verunstaltung begehrte Entschädigungsbetrag (5000 S), erscheine nach den erhobenen Umständen angemessen. Bezüglich des zuletzt genannten Betrages sei zu bedenken, daß es sich bei der Klägerin um ein hübsches weibliches Wesen handle, sodaß die bleibenden Narben doch Nachteile im Privatleben der Klägerin bedeuten könnten, die über seelische Schmerzen hinausgehen. Die von der Klägerin behauptete Verminderung ihrer Heiratsfähigkeit sei freilich nicht leicht in Geld einzuschätzen, weil konkrete Heiratspläne nicht bestunden und auf dieser Ebene bereits eingetretene Nachteile nicht einmal behauptet worden seien.

Von den nachgewiesenen Krankenhauskosten der Klägerin im Betrag von 11.297.50 S bzw 839.55 DM und 278.55 DM sei zu Lasten der Klägerin ein Haushaltsersparnis von je 30 S bzw 5 DM pro Tag des Krankenhausaufenthaltes abzuziehen. Die angesprochenen Beträge verringerten sich daher auf 10.157.50 S und 779.55 DM sowie 223.55

DM.

Nach dem Unfall der Klägerin sei deren Mutter für die Zeit vom 2. März bis 20. März 1967 nach Rankweil gekommen, um die Klägerin in der Unfallstation Valduna besuchen zu können. Dieser Besuch habe den Heilungsverlauf der Klägerin günstig beeinflußt. Während dieser Zeit sei die Mutter der Klägerin in einem Gasthaus in Rankweil in Halbpension untergebracht gewesen, wofür sie täglich 70 S zu bezahlen hatte. Weil darüber hinaus noch der Aufwand für eine weitere Hauptmahlzeit täglich entstanden sei, deren Ersatz nicht angesprochen werde, sei keine Haushaltsersparnis in Abzug zu bringen. Der für den Besuch der Mutter der Klägerin angesprochene Betrag von 1260 S und die Fahrtspesen der Mutter von 139.80 DM seien ein unfallbedingter und von der Klägerin mit Recht geltend gemachter Mehraufwand. Ebenso könne die Klägerin den Ersatz weiterer Auslagen für Telefongespräche, Krankentransportkosten, Taxifahrten, Kleiderreinigung von zusammen 381.30 S und 70.50 S sowie 19.40 DM fordern, ferner für die Beschädigung ihrer Schiausrüstung 102.60 DM und für restliche Arztkosten 3.10 DM. Die Klägerin habe somit einen Schaden von zusammen 61.869.30 S und 1268 DM nachgewiesen.

Vom Schillingbetrag seien die der Klägerin im Strafverfahren zugesprochenen 500 S abzuziehen. Vom Restbetrag von 61.369.30 S sowie vom genannten DM-Betrag gebühre der Klägerin unter Bedachtnahme auf den ihr zur Last fallenden Mitverschuldensanteil 3/4, somit 46.026.88 S und 961 (richtig: 951) DM.

Gegen dieses Urteil erhoben die Klägerin hinsichtlich der Abweisung ihres Mehrbegehrens und der Beklagte insoweit Berufung, als ihm ein 15.922.82 S (bzw ein 13.862.33 S und 317 DM) übersteigender Betrag auferlegt wurde. Im einzelnen anerkannte der Beklagte im Berufungsverfahren einen Mitverschuldensanteil von 1/4 und bekämpfte lediglich den Zuspruch für die Verunstaltung der Klägerin sowie die Zuerkennung eines 320 S übersteigenden Betrages für den Aufenthalt der Mutter der Klägerin in Rankweil. Bezüglich des letztgenannten Anspruches der Klägerin meinte der Beklagte, daß statt eines 18 tägigen Aufenthaltes der Mutter in Rankweil ihr Besuch in der Dauer von sechs Tagen genügt hätte, weshalb der Klägerin nur 1/4 des begehrten Betrages von 1260 S, somit der Betrag von 320 S (offenbar gemeint: 420 S), gebühre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Auf Grund der Berufung des Beklagten wurde das Urteil der ersten Instanz jedoch dahin abgeändert, daß dem Beklagten die Bezahlung von 14.092.32 S und 317 DM samt 4% Zinsen seit 1. Februar 1968 auferlegt und das Mehrbegehren abgewiesen wurde. Die Kostenentscheidung wurde gleichfalls dahin abgeändert, daß die Klägerin schuldig erkannt wurde, dem Beklagten einen Teil der Prozeßkosten zu ersetzen. Weiters wurde der Klägerin der Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Da beide Streitteile das Ersturteil nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung anfochten, legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung die Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde. Es billigte auch die grundsätzlichen Erwägungen des Erstgerichtes über die im Schilauf einzuhaltenden Vorsichtsmaßnahmen. Im einzelnen war das Berufungsgericht jedoch der Ansicht, daß der Beklagte nach seinem Aufenthalt im Punkt B für fünf Minuten es zwar nicht ausschließen konnte, daß sich jemand in dem von ihm nicht einsehbaren Teil der Piste befinde, daß aber diese Möglichkeit äußerst unwahrscheinlich gewesen sei. Denn der Beklagte habe erwarten können, daß niemand auf diesem uneinsehbaren Teil der Piste eine Rast einlegen werde, daß aber ein in diesem Bereich der Piste zum Sturz gekommener Schifahrer kaum fünf Minuten lang an der Sturzstelle verbleiben werde, außer dieser Schifahrer hätte sich beim Sturz ungewöhnlich schwer verletzt. Im übrigen sei der Unfall nicht in diesem Teil der Piste geschehen, weshalb dem Beklagten nicht zur Last gelegt werden könne, daß er auf einer teilweise nicht eingesehenen Piste abgefahren sei. Andererseits habe es der Beklagte auch nicht völlig ausschließen können, daß sich jemand, wie hier die Klägerin, von der nur 20 m breiten nicht einsehbaren Stelle neben der Piste aus auf diese zu bewege und beim Einfahren in die Piste auf einen darauf abfahrenden Schifahrer keine Rücksicht nehme. Der Beklagte habe damit rechnen können, daß sich kein Schifahrer an dieser nicht einsehbaren Stelle länger aufhalte. Auch bei langsamster Fahrt hätte ein Schifahrer das im toten Winkel liegende Gelände in wenigen Sekunden überquert. Der Beklagte habe deshalb angesichts seiner vorausgegangenen Wartezeit im Punkt B auch kaum damit rechnen müssen, daß während seiner Abfahrt am späteren Unfallsort ein Hindernis auftauche. Es sei daher die Meinung des Erstgerichtes nicht zu teilen, daß der Beklagte unbekümmert und letztlich verantwortungslos abgefahren sei. Der Beklagte habe die Klägerin erstmals 30 m vor dem Zusammenstoß gesehen. Ihm müsse die einem Kraftfahrer üblicherweise zugebilligte Reaktionszeit von einer Sekunde gleichfalls zugebilligt werden. Bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h habe er in dieser Zeit eine Strecke von rund 20 m zurückgelegt. Es sei ihm daher vor dem Zusammenstoß vom Auftauchen der Klägerin an nur eine halbe Sekunde bzw eine 10 m lange Wegstrecke zu Abwehrreaktionen zur Verfügung gestanden. Das Erstgericht habe mit Recht angenommen, daß der Beklagte in dieser Zeit keine wirksamen Maßnahmen zur Verhinderung des Zusammenstoßes ergreifen konnte. Dagegen sei die von der Klägerin gewählte Zufahrtsstrecke zur Unfallstelle ungewöhnlich gewesen. Sie habe nicht bloß die Schlepplifttrasse, sondern auch ein tief verschneites Gelände überqueren müssen, in dem sich nur einzelne Schispuren gezeigt hätten. Die Klägerin, die von sich selbst behaupte, eine geübte Schifahrerin zu sein und es sich sogar zutraute, selbst auf der Rennstrecke zu Tal zu fahren, hätte aus dem Zustand der für den allgemeinen Schibetrieb freigegebenen Piste erkennen müssen, daß sich hier Schifahrer im Rennläuferstil versuchen. Darauf hätte sie ihre Fahrweise einstellen müssen. Dagegen habe sie ihren letzten Standort so gewählt, daß sie die Rennpiste in ihrem oberen Teil nicht überblicken konnte, selbst auf dem letzten Teil ihrer Zufahrtsstrecke habe die Klägerin nur ein 30 m langes Stück der Rennpiste (bergwärts) einsehen können. Daher hätte sie ganz besondere Vorsicht beim Einfahren in die Rennpiste anwenden müssen. Die Außerachtlassung dieser Vorsicht falle ihr erheblich schwerer zur Last als dem Beklagten dessen unfallskausales Verhalten, wobei sein Verschulden im Hinblick auf das Urteil des Strafgerichtes bindend feststehe. Unter Bedachtnahme auf alle hier gegebenen Umstände sei das Verschulden der Streitteile im Verhältnis 1:3 zu Lasten der Klägerin zu teilen. Der Beklagte habe daher der Klägerin nur ein Viertel ihres durch den Unfall entstandenen Schadens zu ersetzen.

Zu den im Berufungsverfahren noch strittigen Ansprüchen der Klägerin führte das Berufungsgericht aus: Die Klägerin habe zwar durch den Unfall eine Entstellung erlitten, doch könnte ihr hiefür ein besonderer Entschädigungsanspruch nach § 1326 ABGB nur dann zuerkannt werden, wenn sie wegen dieser Verunstaltung in ihrem besseren Fortkommen und insbesondere in ihrer Heiratsfähigkeit beeinträchtigt worden wäre. Eine Behinderung ihres beruflichen Fortkommens oder auch nur die Möglichkeit einer solchen Behinderung sei nicht einmal von der Klägerin behauptet worden. Es komme daher nur die Verminderung der Heiratsaussichten der Klägerin in Frage. Eine solche halte das Berufungsgericht aber für ausgeschlossen. Die Klägerin habe auch keine konkreten Umstände behauptet, aus denen sich das Gegenteil ergebe. Der der Klägerin vom Erstgericht zugesprochene Betrag sei daher um den entsprechenden Anteil von 5000 S zu kürzen. Dagegen sei die Berufung insoweit unbegrundet, als der Beklagte den Zuspruch der Aufenthaltskosten der Mutter der Klägerin in Rankweil für eine längere Dauer als sechs Tage bekämpfe. Es entspreche der Judikatur, der Klägerin aus dem Titel der Heilungskosten die zum Zwecke des Besuches ihrer Mutter im Krankenhaus aufgewendeten Kosten zu ersetzen. Dagegen wende sich der Beklagte auch gar nicht. Mit Rücksicht auf die notwendige weite Anreise der Mutter der Klägerin von K nach Rankweil wäre der schwerverletzten Klägerin bei einem nur sechs Tage dauernden Besuch der Mutter nur wenig geholfen gewesen. Es könnte daher nichts dagegen eingewendet werden, wenn die Mutter der Klägerin noch ein zweites Mal zu Besuchszwecken nach Rankweil gekommen wäre. Da die Reisekosten aber allein 139.80 DM betrugen, wären in einem solchen Fall eher noch höhere Kosten entstanden. Der Beklagte könne sich daher nicht gegen den Zuspruch der Kosten für einen achtzehntägigen Aufenthalt der Mutter in Rankweil beschweren. Die Klägerin habe somit einen Gesamtschaden von 56.369.30 S und 1268 DM nachgewiesen. Hiervon gebühre ihr zufolge ihres Mitverschuldens ein Viertel, das sind 14.092.32 S und 317 DM s. A. Da keine der Parteien Einwendungen gegen die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines DM-Betrages statt des in der Klage geforderten entsprechenden und nach dem "Prämienkurs der Oesterreichischen Nationalbank" errechneten Schillingbetrages erhoben habe, müsse es bei dem vom Erstgericht gewählten Zahlungsmodus bleiben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin teilweise Folge. Er änderte das Urteil des Berufungsgerichtes, das hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von 10 DM s A als unbekämpft unberührt blieb, dahin ab, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betrag von 15.342.32 S und 317 DM je samt 4% Zinsen seit 1. Februar 1968 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von weiteren 47.666.98 S und 1056 DM wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechtsrüge der Revision richtet sich gegen die Meinung der Untergerichte, daß die Klägerin am Unfall überhaupt ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden treffe, sowie gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Klägerin keine Entschädigung nach § 1326 ABGB gebühre.

Hinsichtlich des zuletzt genannten Anspruches der Klägerin vermag sich der erkennende Senat der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht anzuschließen.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter Verunstaltung im Sinne des §

1326 ABGB jede wesentliche nachteilige Veränderung in der äußeren

Erscheinung des Verletzten zu verstehen. Es kommen nicht

medizinische Begriffe, sondern die Anschauungen des Lebens in

Betracht. Es ist nicht notwendig, daß der Verletzte mitleidige oder

abstoßende Gefühle zu erregen vermag, es kommt auch nicht darauf an,

ob die Verletzung beim normal gekleideten Menschen sichtbar ist

(Wolff in Klang Komm[2] VI 145, SZ 1/50, SZ 24/41, ZVR 1959/64). Der Verletzte kann nach § 1326 ABGB Ersatz verlangen, wenn durch die Verunstaltung sein besseres Fortkommen verhindert werden kann. Es genügt also dazu bereits die Möglichkeit eines Schadens (vgl. SZ 35/100, SZ 36/37). Wie bereits ausgesprochen wurde, ist allerdings nicht jede denkbare, sondern nur die wenigstens geringgradig wahrscheinliche Möglichkeit einer Behinderung des Fortkommens in Betracht zu ziehen (2 Ob 462/59 = JBl 1960, 192). Diesfalls kann nun zwar nicht angenommen werden, daß die Klägerin durch die infolge des Unfalles erlittene Verunstaltung ihres Körpers besondere berufliche Aufstiegschancen einbüßte, es erscheint aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht zweifelhaft, daß die Heiratsaussichten der Klägerin, die, wie festgestellt wurde, ein hübsches Mädchen (nach dem Inhalt der Strafakten: geboren 1943) ist, durch die entstellende Narbe an ihrem Oberschenkel beeinträchtigt wurden. Auch beim Ersatz wegen verminderter Heiratsaussicht genügt der Nachweis der Möglichkeit eines Schadens (Wolff in Klang[2] VI/146). Mit Rücksicht auf die bescheidene Höhe des hiefür angesprochenen Betrages von 5000 S bestehen keine Bedenken gegen dessen Angemessenheit.

Der von der Klägerin nachgewiesene Schaden beträgt somit abzüglich des ihr bereits im Strafverfahren zugesprochenen Betrages von 500 S 61.369.30 S und 1268 DM.

Darüber hinaus erscheint die Rechtsrüge der Revision nicht begrundet.

Die Klägerin bekämpft nicht die grundsätzlichen Erwägungen der Untergerichte, nach denen das Verhalten der am Schisport Beteiligten im Falle einer Kollision zweier oder mehrerer Schifahrer zu beurteilen ist. Es bedarf im vorliegenden Fall auch keiner Auseinandersetzung mit dem Problem, ob derjenige, der sich bei einer Sportausübung bewußt einer sonst vermeidbaren Gefahr aussetzt, im Falle seiner Verletzung, die er durch Mitwirkung eines anderen erlitten hat, überhaupt von diesem Schadenersatz begehren könne (in diesem Sinne veneinend zB RGZ 141, 262, Schnell NJW 1961, 102, LGZ Wien in EvBl 1965/237), weil die zivilrechtliche Haftung des Beklagten für den Schaden der Klägerin dem Gründe nach infolge des in seiner Berufung erklärten Anerkenntnisses einer Mitschuld im Ausmaß von einem Viertel nicht mehr strittig ist. Es ist daher nur zu untersuchen, ob die Klägerin überhaupt ein Mitverschulden trifft und bejahendenfalls, wie die Verschuldensteilung vorzunehmen ist.

Die von verschiedenen Institutionen ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer (zB die "Eigenregeln des Schilaufs", veröffentlicht vom Österreichischen BM für Unterricht vom 15. Dezember 1965, die "FIS"-Regeln aus dem Jahre 1967, die "Skipistenordnung" des österreichischen Kuratoriums für Sicherung vor Berggefahren, sämtliche siehe Pichler, Pisten, Paragraphen, Skiunfälle, Orac 1970, 36 ff und Anhang F) sind weder gültige Rechtsnormen noch können sie als Gewohnheitsrecht angesprochen werden. Dennoch kommt ihnen insbesondere dort, wo eine wesentliche Übereinstimmung dieser Regeln festzustellen ist, erhebliche Bedeutung zu, weil eben diese Regeln die Sorgfaltsgrundsätze zusammenfassen, die bei Ausübung des Schisportes im Interesse aller Beteiligten einzuhalten sind. Obwohl diese Regeln in erster Linie für das Verhalten der Schiläufer auf Schipisten, das heißt auf Abfahrtsstrecken oder Übungshängen, die allgemein und regelmäßig von zahlreichen Schifahrern benutzt werden, gelten, weil dort die Gefahr von Unfällen durch Kollision zweier oder mehrerer Schifahrer erheblich größer ist, so hat doch auch der Tourenfahrer im freien Gelände die in diesen Regeln niedergelegten natürlichen Verhaltensgrundsätze zu beachten. Der in sämtlichen Verhaltensvorschriften für Schiläufer mehr oder weniger deutlich geprägte oberste Grundsatz ist, daß sich jeder Schifahrer so zu verhalten hat, daß er keinen anderen gefährdet, beschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt. Daraus folgt schon die Verpflichtung des Schitouristen, der sich im freien Gelände auf eine Schipiste zu bewegt, besondere Vorsicht auf den Verkehr innerhalb der Piste zu üben. So normiert z B Punkt 5 der "FIS"-Regeln, daß jeder Schifahrer, der in eine Abfahrtsstrecke einfahren oder ein Schigelände überqueren will, sich nach oben und unten vergewissern müsse, daß er dies ohne Gefahr für sich und andere tun könne. Dasselbe gelte auch nach jedem Anhalten. Dieser Regel hat die Klägerin in gröblicher Weise zuwidergehandelt. Sie hat, wie die Untergerichte feststellten, an einem Geländepunkt angehalten, von wo sie den oberen Teil der vom Beklagten benützten Piste nicht überblicken konnte und wo sie auch selbst von dort aus nicht gesehen werden konnte. Dies stellt zwar noch kein Verschulden der Klägerin dar, weil sie sich ja nicht auf einer Piste befand, und nur auf einer solchen das unnötige Verweilen an unübersichtlichen Stellen verboten ist. Umsomehr war die Klägerin aber verpflichtet, ihre Aufmerksamkeit auf den Verkehr innerhalb dieser Piste zu konzentrieren, nachdem sie ihren von oben nicht einsehbaren Warteplatz verlassen hatte und sich der Piste näherte. Daß sich die Klägerin über den Charakter der noch vom Vortag deutlich ausgesteckten Rennabfahrtspiste nicht im klaren gewesen sei, wurde nicht behauptet. Die Klägerin mußte daher bei Annäherung an die Piste damit rechnen, daß auf dieser Abfahrtsstrecke ein Schiläufer zu Tal fahre. Sämtliche Schiregeln stimmen darin überein, daß in einem solchen Fall der auf der Piste zu Tal fahrende Schifahrer den "Vorrang" hat, daß heißt, daß derjenige Schifahrer, der in die Piste einfährt oder sie überqueren will, den anderen in der Talfahrt nicht behindern dürfe. Er muß deshalb seine Fahrweise so einrichten, daß es zu keiner Kollision kommt. Dazu hat er den oberen Teil der Piste genau zu beobachten und falls wie hier der Verlauf der Piste streckenweise nicht überblickt werden kann, solange zu warten, bis mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß sich kein abfahrender Schifahrer in dem nicht einsehbaren Streckenteil befindet. Unmittelbar am Ende eines längeren unübersichtlichen Teiles der Abfahrtsstrecke ("Kanonenrohr") darf deshalb in die Piste überhaupt nicht eingefahren werden, bzw darf niemand an einer solchen Stelle die Piste überqueren. Alle diese Grundsätze hat die Klägerin außer acht gelassen, da sie nach den Feststellungen der Untergerichte von einer Stelle aus, in der sie vom Punkt B nicht gesehen werden konnte, auf die Piste zu und in diese einfuhr, ohne sich zu vergewissern, ob jemand auf der Piste zu Tal fährt, ja ohne überhaupt dem bergwärts gelegenen Gelände Beachtung zu schenken. Damit hat die Klägerin, wie beide Untergerichte zutreffend erkannten, die Kollision mit dem Beklagten schuldhaft mitverursacht.

Demgegenüber ist dem Beklagten als Verschulden anzurechnen, daß er auf der am Unfallstag nicht mehr nach außen abgesicherten Rennstrecke nicht "auf Sicht" fuhr, wozu er grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre. Seine unmittelbar vor dem Unfall eingehaltene Geschwindigkeit war somit überhöht und entsprach nicht dem Gelände. In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß sein Verschulden hinter jenes der Klägerin zurücktrete, kann keine unrichtige Beurteilung erblickt werden, weil der Beklagte vom Punkt B aus seine gesamte Abfahrtsstrecke mit Ausnahme eines hier unwesentlichen Abschnittes im ersten Drittel überblicken konnte und er sich auch überzeugt hatte, daß am späteren Unfallspunkt kein Hindernis vorhanden war. Der Beklagte konnte sich daher darauf verlassen, daß niemand in der kurzen Zeit, die er zum Durchfahren des während der Fahrt nicht einsehbaren Teiles der Piste benötigen werde, plötzlich vor der Mundung des "Kanonenrohres" die Piste betreten werde. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung entspricht somit auch nach Auffassung des erkennenden Senates der Sach- und Rechtslage. Im Hinblick auf das vom Berufungsgericht somit richtig ausgemessene Mitverschulden der Klägerin gebührt ihr ein Viertel des nachgewiesenen restlichen Schadens im oben angegebenen Ausmaß von 61.369.30 S und 1268 DM, das sind 15.342.32 S und 317 DM. Hingegen war das Mehrbegehren der Klägerin, soweit sie dessen Abweisung nicht bereits im Berufungsverfahren unbekämpft gelassen hatte (10 DM), abzuweisen. Die Revision der Klägerin erweist sich somit nur hinsichtlich eines Betrages von 1250 S sA als begrundet und war das Urteil des Berufungsgerichtes in der Hauptsache in diesem Sinne abzuändern.

Anmerkung

Z43127

Schlagworte

Mitverschulden, Skiunfall, , Skiunfall, Skiregeln, Skiunfall, Verschuldensteilung, Verhaltensvorschriften für Skifahrer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0050OB00131.7.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19700708_OGH0002_0050OB00131_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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