TE OGH 1970/7/9 2Ob380/69 (2Ob381/69)

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Veröffentlicht am 09.07.1970
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Norm

ABGB §1325
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Arbeitslosenversicherungsgesetz §6
Arbeitslosenversicherungsgesetz §26

Kopf

SZ 43/130

Spruch

Hinsichtlich des Arbeitslosengeldes ist die sachliche Kongruenz als Voraussetzung für den Rechtsübergang auf den Sozialversicherungsträger gem § 332 ASVG gegeben

OGH 9. Juli 1970, 2 Ob 380, 381/69 (OLG Graz 4b R 50, 51/69; LG Klagenfurt 15 Cg 171/67)

Text

Am 20. Juli 1962 ereignete sich auf einer Baustelle der Teerag-Asdag auf der Bundesstraße 17 östlich von V ein Arbeitsunfall. Der Beklagte stieß mit dem LKW seines Dienstgebers, eines Frächters, gegen eine Gruppe von Teerarbeitern der Teerag-Asdag zurück. Während sich die übrigen Teerarbeiter in Sicherheit bringen konnten, geriet Peter J mit der linken Hand in die an der Rückseite des LKWs angebrachte trichterförmige Anhängevorrichtung, wobei die Hand verletzt wurde. Seit dieser Zeit steht Peter J nicht mehr in Arbeit. Gegen den Beklagten erging aus diesem Anlaß eine Strafverfügung wegen Übertretung nach § 335 StG.

Peter J war zur Unfallszeit bei den Klägerinnen pflichtversichert. Die Erstklägerin, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, erbrachte in der Zeit vom 20. Juli 1962 bis Mai 1966 Pflichtleistungen in nicht bestrittenem Betrag von 42.950.35 S, wovon nach Abzug der Leistungen des Haftpflichtversicherers noch 4712.35 S aushaften. Die Zweitklägerin, die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, leistete in der Zeit vom 16. Oktober 1963 bis 31. Dezember 1967 fortlaufend eine Invaliditätspension von zusammen 57.201.45 S, wovon unter Berücksichtigung der Leistungen des Haftpflichtversicherers noch 35.425.45 S offen sind.

Die Erstklägerin begehrte, gestützt auf § 332 ASVG, die Zahlung des noch aushaftenden Betrages und die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr für künftige Pflichtleistungen nach Maßgabe des Deckungsfonds Regreß zu leisten. Hilfsweise stützte sie ihren Anspruch auf § 334 ASVG und stellte ein auf diese Bestimmung abgestelltes Eventualfeststellungsbegehren.

Die Zweitklägerin grundete ihr auf Zahlung des noch offenen Betrages gerichtetes Leistungs- sowie ihr Feststellungsbegehren ausschließlich auf § 332 ASVG.

Das Erstgericht wies beide Klagen ab. Es kam zu dem Ergebnis, daß grobes Verschulden des Beklagten am Unfall nicht anzunehmen, dem Peter J aber ein Mitverschulden von 25% anzulasten sei. Mit größter Wahrscheinlichkeit sei anzunehmen, daß der am 26. Jänner 1909 geborene Peter J ab dem 58. Lebensjahr, somit am 26. Jänner 1966, unfallsunabhängig arbeitsunfähig geworden wäre. Im Hinblick auf die Zeiten der Klagseinbringung (Erstklägerin: 7. Oktober 1966, Zweitklägerin: 27. Dezember 1967) fehlten die Voraussetzungen für die Feststellungsbegehren. Peter J hätte bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wegen seines unfallsunabhängig sich dauernd verschlechternden Gesundheitszustandes jährlich um 12% weniger verdient (§ 273 ZPO). Wegen dieses Gesundheitszustandes habe er überdies jährlich fünf Monate lang Arbeitslosengeld bezogen, das bei Berechnung seines Einkommens außer Betracht zu bleiben habe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände habe der Beklagte - durch die eingangs erwähnten Leistungen des Haftpflichtversicherers - bereits mehr bezahlt, als er zu zahlen verpflichtet gewesen wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil als Teilurteil in Ansehung der Abweisung sämtlicher Feststellungsbegehren sowie in Ansehung der Abweisung eines Teilleistungsbegehrens der Zweitklägerin von 27.708.26 S samt Zinsen. Im übrigen, nämlich bezüglich des gesamten Leistungsbegehrens der Erstklägerin von 4712.35 S samt Zinsen seit 7. Oktober 1966, und eines restlichen Leistungsbegehrens der Zweitklägerin von 7717.19 S samt Zinsen seit 27. Dezember 1967, hob es das Ersturteil mit Rechtskraftvorbehalt auf.

Der Oberste Gerichtshof hat infolge des Rekurses des Beklagten gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß entschieden wie folgt:

1. In Ansehung der Zweitklägerin werden aus Anlaß des Rekurses die Entscheidungen der ersten sowie der zweiten Instanz und das diesen Entscheidungen vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung hinsichtlich des noch offenen Leistungsbegehrens von 7717.19 S samt 4% Zinsen seit 27. Dezember 1967 wegen Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes als nichtig aufgehoben und die Klage insoweit zurückgewiesen.

2. Im übrigen, nämlich in Ansehung der Erstklägerin, wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorerst war die Frage der Zuständigkeit des Prozeßgerichtes zu prüfen.

Diese Prüfung führt hinsichtlich der beiden Klägerinnen zu keinem einheitlichen Ergebnis.

Das Berufungsgericht verwies diesfalls auf die neuere Rechtsprechung zu § 1 Abs 1 Z 2 ArbGG, wonach das Arbeitsgericht für den Rechtsstreit aus einer in Verrichtung gemeinsamer Arbeit begangenen unerlaubten Handlung auch dann zuständig ist, wenn beide Parteien nicht bei demselben Dienstgeber beschäftigt sind (SZ 39/66). Es war jedoch der Ansicht, daß im vorliegenden Fall das Tatbestandsmerkmal der gemeinsamen Arbeit mangle. Es bejahte daher die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofes hinsichtlich beider Klagen.

Der Oberste Gerichtshof hat mit Rücksicht auf die diesfalls nicht einhellige Rechtsprechung diese Frage in jüngster Zeit nach Beschlußfassung i S des § 8 Abs 1 Z 2 OGHG neuerlich geprüft und an der in der zitierten Entscheidung vertretenen Rechtsansicht unter Hinweis auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung festgehalten. Er hat hiezu ausgeführt, daß die gegenteilige, u a in der in EvBl 1962/271 veröffentlichten Entscheidung vertretene Ansicht, wonach § 1 Abs 1 Z 2 ArbGG nur auf Beschäftigte desselben Unternehmens anzuwenden sei, der offenbaren Absicht des Gesetzgebers zuwiderliefe, auch Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitskameraden durch ein Gericht entscheiden zu lassen, dessen Zusammensetzung Verständnis für die Verhältnisse am Arbeitsplatz garantiere. Auf diese Weise werde es vermieden, natürliche Zusammenhänge zu zerreißen, was ansonsten einträte, wem sich ein Anspruch aus gemeinsamer Arbeit gegen Beschäftigte des eigenen und eines anderen Unternehmens richtete, wie es bei der jetzt üblichen Zusammenarbeit mehrerer Unternehmer auf Großbaustellen häufig vorkommen könne (RZ 1970, 127). Von dieser Ansicht abzugehen, besteht im vorliegenden Fall kein Grund.

Der Ansicht, der Unfall habe sich nicht bei gemeinsamer Arbeit des Geschädigten und des Schädigers ereignet, kann nicht beigepflichtet werden. Wenn das Berufungsgericht meint, die beiden hätten nicht den unmittelbar gleichen Arbeitserfolg angestrebt und seien nicht in dieselbe Arbeitsordnung eingefügt gewesen, so ist dieser engen Auslegung des Begriffes "gemeinsame Arbeit" nicht zu folgen. Der Sachverhalt liegt nicht wesentlich anders als in der zuletzt zitierten Entscheidung: Der Unfall ereignete sich auf einer Straßenbaustelle. Peter J war auf dieser als Teerarbeiter einer Arbeitspartie der Fa T beschäftigt, deren Aufgabe darin bestand, die neu zu belegende Fahrbahnhälfte mit Teer zu bespritzen und das Mischgut aufzutragen. Der Beklagte brachte das Mischgut für den Straßenbelag mit dem LKW seines Dienstgebers an die Unfallstelle, um es an die Planiermaschine abzugeben. Diese Feststellungen lassen keinen Zweifel offen, daß die Tätigkeit beider aufeinander abgestimmt war und sich daher als gemeinsame Arbeit darstellt.

Da die Zweitklägerin - wie bereits erwähnt - ihren Anspruch nur auf § 332 ASVG stützte und die Heranziehung des § 334 ASVG zu dessen Begründung ausdrücklich ausschloß, also sogar, ohne hiezu verpflichtet zu sein, den zur Beurteilung vorgelegten Sachverhalt rechtlich qualifizierte, kommt ihr als Legalzessionarin des Peter J der in der Rechtsprechung vertretene Grundsatz nicht zugute, wonach auch dann, wenn ein und derselbe Tatbestand verschiedenen Gesetzesnormen unterstellt werden kann, das angerufene Gericht zuständig ist, sofern es die Zuständigkeit auch nur hinsichtlich einer der anzuwendenden konkurrierenden Normen besitzt (JBl 1937, 240; SZ 25/325).

Zur Entscheidung über den Anspruch der Zweitklägerin ist somit das Arbeitsgericht zuständig. Diese Zuständigkeit war in dritter Instanz von Amtswegen mit dem im Spruch dargestellten Ergebnis wahrzunehmen.

Hingegen war nach der dargestellten Sach- und Rechtslage die Zuständigkeit des Erstgerichtes für den Anspruch der Erstklägerin gegeben. Insoweit ist der Rekurs sachlich zu erledigen.

Die Erstklägerin stellte bei ihrer Klagsbehauptung, daß für ihre Regreßansprüche volle Deckung vorhanden sei, auch das Arbeitslosengeld, das Peter J durchschnittlich vier Monate jährlich bezogen hätte, in Rechnung. Der Beklagte wendete dagegen ein, das Arbeitslosengeld, das Peter J durchschnittlich vier Monate jährlich bezogen sehen. Das Erstgericht ließ es bei Errechnung des fiktiven Verdienstentganges außer Betracht. Hingegen folgte das Berufungsgericht der im Schrifttum (Kunst in der Glosse zur Entscheidung 2 Ob 65/65 ZAS 1968, 12 ff) vertretenen gegenteiligen Ansicht.

Der Rekurs beruft sich, um die Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichtes darzutun, vor allem auf die in SZ 33/140 veröffentlichte Entscheidung. Allein zu der hier zu entscheidenden Frage, ob ein Ersatzanspruch des Verletzten wegen des unfallsbedingten Verlustes der Möglichkeit, Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen, einen Deckungsfonds für die Leistungen des Sozialversicherungsträgers bilden könne, hat die bezogene Entscheidung, die sich vor allem mit der Frage der Vorteilsausgleichung auseinanderzusetzen hatte, nicht Stellung genommen. Wohl wurde dort hervorgehoben, daß die Bezüge an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wie Leistungen aus der Privatversicherung zu behandeln seien. Dies hätte zur Folge daß diese Bezüge kein Erwerbseinkommen des Geschädigten darstellen würden und daß daher die sachliche Kongruenz mit den Leistungen des Sozialversicherungsträgers verneint werden müßte. Dieser Standpunkt kann jedoch nur hinsichtlich der Notstandshilfe aufrechterhalten werden. Der Oberste Gerichtshof bezog sich in diesem Zusammenhang u a auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung. Geigel, Der Haftpflichtprozeß[9], 27 und ebenso Haftpflichtprozeß[14], 198) verweist diesfalls auf die in NJW 1956, 505 und VersR 1956, 118 veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Dort handelte es sich um die Frage der Anrechnung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, also einer Leistung, die der Notstandshilfe i S der §§ 6 lit b, 26 ff AlVG 1958 entspricht. Auf die Leistung der Notstandshilfe besteht kein unbedingter Rechtsanspruch, wie sich insbesondere aus § 26 Abs 1 und 2 lit c AlVG 1958 ergibt, wonach Notstandshilfe auf Antrag gewährt werden kann und Voraussetzung für ihre Gewährung u a Notlage des Arbeitslosen ist.

Hingegen kann hinsichtlich des Arbeitslosengeldes, auf das ein unbedingter Rechtsanspruch besteht (vgl §§ 6 lit a, 7 ff AlVG 1958), der Charakter eines dem Erwerbseinkommen gleichzuhaltenden Bezuges nicht verneint werden. Damit ist aber die sachliche Kongruenz als Voraussetzung für den Rechtsübergang auf den Sozialversicherungsträger gem § 332 ASVG gegeben, sodaß der Ansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten ist.

Da somit das Berufungsgericht mit Recht das Vorhandensein eines Deckungsfonds in diesem Belang angenommen hat, dessen Höhe erst festzustellen ist, erweist sich der Aufhebungsgbeschluß auch insoweit als gerechtfertigt.

Anmerkung

Z43130

Schlagworte

Arbeitslosengeld, sachliche Kongruenz, Deckungsfonds, sachliche Kongruenz bei Arbeitslosengeld, Kongruenz, Arbeitslosengeld, Legalzession, sachliche Kongruenz bei Arbeitslosengeld, Quotenvorrecht, Arbeitslosengeld, Sachliche Kongruenz, Arbeitslosengeld, Sozialversicherungsträger, sachliche Kongruenz bei Arbeitslosengeld

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0020OB00380.69.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19700709_OGH0002_0020OB00380_6900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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