TE OGH 1970/9/23 7Ob149/70

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Veröffentlicht am 23.09.1970
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Norm

ABGB §672

Kopf

SZ 43/162

Spruch

Nach der Auslegungsregel des § 672 ABGB ist der Unterhalt dem Bedachten, solange er lebt, zu leisten. Dies gilt aber grundsätzlich nicht für Vermächtnisnehmer, die wegen ihres niederen Alters noch unversorgte Kinder sind

OGH 23. September 1970, 7 Ob 149/70 (LG Klagenfurt 2 R 176/70; BG Althofen C 65/90)

Text

Der am 13. April 1957 verstorbene Erblasser Alois Z sen hatte mit seiner ersten, in der Folge geschiedenen Frau, Antonia Z geb H, fünf Kinder; eines von ihnen ist der jetzt fünfzigjährige Kläger, ein anderes der Sohn Alois. Der zweiten Ehe, die der Erblasser mit Friederike Z geb G geschlossen hat, entstammen drei Kinder, nämlich Adele, geboren am 26. Mai 1936, Veronika, geboren am 8. September 1944, und Friederike, geboren am 4. Dezember 1947. Die beiden letzteren sind die beklagten Parteien. In seinem Testament vom 12. Februar 1957 hatte der Erblasser, zu dessen Vermögen die Liegenschaft EZ 185 KG A mit Haus und Garten gehörte, den Kläger als Alleinerben eingesetzt und einige seiner übrigen Kinder sowie seine Frau Friederike mit Vermächtnissen bedacht. Danach sollten seine drei Töchter aus der zweiten Ehe je 10.000 S erhalten, u zw Adele, sobald sie heiraten würde, Veronika und Friederike (im Testament genannt "Christl") zwei Jahre nach seinem Ableben, jedoch nicht vor ihrem 21. Lebensjahr, es sei denn, daß sie bereits vorher heirateten. An einer anderen Stelle des Testamentes heißt es u a wörtlich: "Meine Witwe erhält die Möbel und den Hausrat, der sich im Schlafzimmer, im Kinderzimmer und in der Küche befindet. Nach einem Jahr, wenn der Alois die Wohnung räumt, zieht meine Witwe mit ihren Kindern in die Mansarde. Dort kann sie mit ihren Kindern die zwei Zimmer und die Küche sowie die beiden Kammern benützen. Sie erhält ferner den Garten, den jetzt der Alois hat. Von dem jeweils anfallenden Obst hat die Witwe ein Drittel zu erhalten. Sie hat weiters das Recht, ein Schwein und einige Hühner zu halten. Sie hat ferner das Recht, für das Schwein das nötige Gras zu nehmen zur Streu und zum Einheizen hat sie das Recht, die nötigen Hobelspäne zu nehmen. Ihr Brennholz darf sie auf der Kreissäge zerkleinern ohne Bezahlung. Den Lichtstrom sowie den Kaminfeger und den Wasserzins hat der Walter zu bezahlen. Einen Schweinestall und den Hühnerstall sowie die Holzlage kann ebenfalls die Witwe benützen. Weil die große Kredenz der von mir jetzt benützten Küche nicht in die Mansarde befördert werden kann, hat der Walter seine mit ihr zu tauschen. Der Walter hat ferner jeden Samstag der Witwe 250 S zu zahlen, u zw ist dies so gedacht, für meine Witwe jede Woche 100 S und für die Kinder Vroni und Christl 150 S. Außerdem ist die Kinderbeihilfe anzusprechen. Für die beiden Kinder ist die Zahlung bis zu ihrer Selbsterhaltung fortzusetzen, für die Witwe, solang, bis sie einen anderen Mann hat, der für sie sorgt, oder bis sie eventuell von der Gewerbekammer eine Unterstützung erhält. Sollte, wie schon so oft, eine Wertminderung des Geldes eintreten, so sind die ausgesetzten Legate entsprechend zu erhöhen. Das Wohnrecht der Witwe und ihrer Kinder sowie die Zuwendungen für die Kinder sind grundbücherlich einzuverleiben. Auf Grund des Testamentes und seiner bedingten Erbserklärung wurde dem Kläger der Nachlaß seines Vaters eingeantwortet, nachdem darüber und über die vom Kläger an die verschiedenen Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmer zu erbringenden Leistungen zwischen ihm und den übrigen Beteiligten am 14. August 1957 in einer Abhandlungstagsatzung das vom Gerichtskommissär in einer Verhandlungsniederschrift beurkundete Einvernehmen hergestellt worden war. Demgemäß wurde dann das Eigentumsrecht des Klägers an der erblasserischen Liegenschaft einverleibt; desgleichen das Pfandrecht zur Sicherung der je 10.000 S betragenden Legatsforderungen der damals bereits volljährigen Adele und der beiden Minderjährigen Veronika und Friederike (COZ 28), ferner die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten der Witwe und dieser beiden Minderjährigen (COZ 30) und schließlich zugunsten der beiden letzteren auch die Reallast der Leibrente (COZ 31).

Mit dem Hinweis, die Legatsforderungen der Beklagten seien bereits erfüllt, was namentlich auch auf die Dienstbarkeit der Wohnung und die Reallast der Leibrente zutreffe, da ihnen die erstere nur bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres, äußerstenfalls bis zur Erlangung der Großjährigkeit, die letztere aber nur bis zum Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit eingeräumt worden sei, verlangte der Kläger die Verurteilung der Beklagten, auf ihre Kosten die grundbücherliche Löschung der unter COZ 28, 30 und 31 eingetragenen Belastungen innerhalb einer richterlich zu bestimmenden Frist zu bewirken.

Dieses Begehren, das sodann im übrigen teils durch Einschränkung, teils durch Anerkenntnisurteil erledigt wurde, ist derzeit nur noch insoweit umstritten, als es sich um die Löschung des Wohnungsrechtes handelt, von dem die Beklagten behaupten, daß es, zeitlich nicht beschränkt, fortbestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von der Feststellung, daß bei der Abhandlungstagsatzung am 14. August 1957 laut der über sie vom Gerichtskommissär aufgenommenen Niederschrift in der Frage der Dauer des Wohnrechtes der nunmehrigen Beklagten zwar verschiedene Meinungen geäußert wurden, eine Einigung aber nicht erzielt werden konnte und daß der Erblasser in der letzten Zeit seines Lebens öfters davon sprach, die Kinder sollten bei ihrer Mutter, Friedrike Z, bleiben, ist das Erstgericht der Auffassung, daß in dieser Angelegenheit (mangels eines anderweitigen Erbenübereinkommens) ausschließlich der Wille des Erblassers entscheidend sei, wie er im Testament zum Ausdruck komme. Dieses aber lasse die Auslegung zu, daß den Kindern das Wohnrecht bis zum Ableben der Witwe zustehe.

Die zweite Instanz gab der Berufung des Klägers mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt, nicht Folge. Weil die Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten der beiden Beklagten, so führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, "gem dem Inhalt der Abhandlungsschrift vom 14. August 1957, A .../57 bzw des erblasserischen Testaments vom 12. Februar 1957" verbüchert worden sei, wäre es Sache des Klägers gewesen zu beweisen, daß die Voraussetzungen für den Fortbestand jener Servitut weggefallen seien, doch habe er einen solchen Beweis nicht erbracht, denn weder die Niederschrift über die Verlassenschaftsabhandlung noch die letztwillige Verfügung des Erblassers lasse die vom Kläger vorgenommene Auslegung der Dienstbarkeit zu. Das Testament deute auch bei Bedachtnahme auf seine übrigen einschlägigen Formulierungen auf keine Befristung des Wohnrechtes hin, die auf das 18. oder 21. Lebensjahr der Kinder abgestellt wäre. Anders als bei der Festlegung des Auszahlungszeitpunktes für die Bargeldlegate spätestens bis zum 21. Lebensjahr fehle eine entsprechende Bestimmung bezüglich des Wohnrechtes. Auch sei in dem hier zur Erörterung stehenden Teil des Testaments nur von der "Witwe und ihren Kindern" die Rede, ohne daß dabei zwischen den Beklagten einerseits und deren älteren Schwester Adele anderseits unterschieden worden wäre. Indes habe diese auch im Familienverband gelebt und sei zur Zeit der Testamentserrichtung immerhin bereits älter als 18 Jahre und in dem vom Erblasser für den Bezug der Mansardenwohnung bestimmten Zeitpunkt älter als 21 Jahre gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei teilweise Folge und erkannte die beklagten Parteien schuldig, in die Einverleibung der Löschung der im Grundbuch KG A EZ 185 unter COZ 30 zu ihren Gunsten einverleibten Dienstbarkeit der Wohnung einzuwilligen. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, die Kosten der Einverleibung der vorbezeichneten Löschung zu tragen, wurde abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist überwiegend gerechtfertigt.

Was die vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht für richtig gehaltene Testamentsauslegung kennzeichnet, ist der Umstand, daß sie am Wortlaut der umstrittenen letztwilligen Anordnung haften bleibt, indem sie lediglich daraus Schlußfolgerungen zieht, daß zwar in Verbindung mit der Auszahlung der Geldvermächtnisse und mit der Rentenzahlung an die Beklagten, nicht aber mit dem ihnen eingeräumten Wohnrecht von einer Terminisierung die Rede ist und daß weiters, soweit es um das Wohnrecht geht, "die Witwe und ihre Kinder" schlechthin und nicht etwa nur die beiden Beklagten als Begünstigte angeführt werden. Abgesehen davon, daß mit diesen Erwägungen das schriftliche Ausdrucksvermögen sowie Überlegtheit und Sorgfalt des Erblassers bei der Verfassung des Testaments offensichtlich überschätzt werden, wird hiebei auch der fragliche Text, losgelöst von seinem Zusammenhang, beurteilt. Aus letzterem ergibt sich aber, worum es dem Erblasser in dem eingangs wörtlich zitierten Teil seines letzten Willens zu tun war. Dieses Anliegen richtete sich, woran ernstlich nicht gezweifelt werden kann, darauf, seine Witwe und deren Kinder versorgt zu wissen, sodaß sich die letztwillige Verfügung insofern als Unterhaltsvermächtnis darstellt. Nun besagt allerdings die auf ein solches notfalls anzuwendende Auslegungsregel des § 672 ABGB, daß der Unterhalt dem Bedachten, solange er lebt, zu leisten ist. Nach herrschender Auffassung, von der abzugehen auch im vorliegenden Fall kein Grund besteht, gilt dies aber grundsätzlich nicht für Vermächtnisnehmer, die wegen ihres niederen Alters noch unversorgte Kinder sind (Weiß in Klang[2] III, 582 I; Ehrenzweig, II/2 551 V; GlU 5883). Denn es liegt die Annahme durchaus nahe, daß mit einem ihnen ausgesetzten Vermächtnis des Unterhaltes, zu dem auch eine Wohnungsmöglichkeit gehört, nur dem Mangel ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit abgeholfen werden soll. Deren nicht unbedingt an ein bestimmtes Lebensalter gebundener Eintritt aber beseitigt diesen Mangel und damit auch die Voraussetzung für das Unterhaltsvermächtnis. Daß für den Erblasser zu dem von ihm für den Umzug der Witwe und ihrer Kinder in die Mansardenwohnung vorgesehenen Zeitpunkt die Selbsterhaltungsfähigkeit seiner Tochter Adele bereits festgestanden wäre und er ihr gleichwohl das Wohnrecht zugedacht hätte, dafür bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte, wofern der Erblasser die Wohnberechtigung überhaupt auch auf diese Tochter erstrecken wollte, die ja im Rahmen der diesbezüglichen Anordnungen keine ausdrückliche Erwähnung findet. Aus der Art, wie die Verhältnisse der Genannten als Vermächtnisnehmerin vom Erblasser geregelt wurden, läßt sich daher nichts herleiten, was gegen eine Beschränkung des Wohnrechtes der Beklagten auf die Zeit noch nicht bestehender Selbsterhaltungsfähigkeit spräche. Diese war nun aber bereits bei Schluß der mündlichen Streitverhandlung im Falle der Zweitbeklagten Veronika W zweifellos gegeben, da sie, was aktenkundig ist, auch damals schon verheiratet war und ihren Hausstand in Klagenfurt hatte. Aber auch von der Erstbeklagten kann, bezogen auf den Zeitpunkt der Beendigung der Streitverhandlung, nach der Aktenlage ohne weiteres angenommen werden, daß sie, über 21 Jahre alt und von Beruf Schneiderin, bereits imstande war, sich selbst fortzubringen. Daß nach einer in der Revision enthaltenen Behauptung nunmehr auch sie verheiratet sei und den Zunamen S führe, was in der Revisionsbeantwortung insofern bestätigt erscheint, als sie dort wie übrigens auch schon vorher zu wiederholten Malen in diesem Rechtsstreit als "Hausfrau" bezeichnet wird, bildet freilich eine im gegenwärtigen Rechtsmittelverfahren nicht zu beachtende Neuerung. Die Rechtsrüge des Revisionswerbers erweist sich sohin als begrundet, weshalb der Revision im wesentlichen spruchgemäß Folge zu geben war. Nur soweit hat es bei der Klagsabweisung durch die Untergerichte zu verbleiben, als der Kläger auch begehrt, daß die Einverleibung der in Frage stehenden Löschungen auf Kosten der Beklagten zu geschehen habe. In dieser Hinsicht fehlt es nämlich an einem geeigneten Rechtsgrund, auf den sich ein solcher Anspruch stützen ließe.

Die Setzung einer Frist zur Abgabe der den Beklagten obliegenden Erklärungen erübrigt sich (§ 367 Abs 1 EO).

Anmerkung

Z43162

Schlagworte

Kind, Unterhaltsvermächtnis an unversorgtes -, Legat, Unterhalt an unversorgtes Kind, Selbsterhaltungsfähigkeit Selbsterhaltungsfähigkeit„ Unterhaltsvermächtnis an unversorgtes Kind, Unterhalt, Legat an unversorgtes Kind, Unterhalt, Vermächtnis an unversorgtes Kind, Unterhaltsvermächtnis, unversorgtes Kind als Vermächtnisnehmer, Vermächtnis, Unterhalt an unversorgtes Kind

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0070OB00149.7.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19700923_OGH0002_0070OB00149_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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