TE OGH 1970/10/27 4Ob89/70

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Veröffentlicht am 27.10.1970
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Norm

ABGB §152
ABGB §246
ABGB §861

Kopf

SZ 43/188

Spruch

Wenn eine Partei den ihr von ihrem Vertragspartner vorgelegten Entwurf einer Abrechnung der gegenseitigen Ansprüche nur unter dem Vorbehalt einer Überprüfung unterschreibt, kommt mangels Willensübereinstimmung noch kein Vertrag zustande

OGH 27. Oktober 1970, 4 Ob 89/70 (KG Krems 2 Cg 9/70; ArbG Waidhofen/Thaya Cr 4/70)

Text

Der Kläger begehrte vom Beklagten zuletzt den Betrag von 16.015 S s A an zuviel bezahltem Lohn, da der Beklagte sich im November 1968 zur Rückzahlung dieses Betrages in monatlichen Raten von 1000 S verpflichtet habe.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er wendete ein, er habe sich wegen seiner Minderjährigkeit nicht rechtswirksam verpflichten können, die Abrechnung sei unrichtig, er habe Gegenforderungen und habe die vom Kläger erbrachten Teilzahlungen gutgläubig verbraucht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der am 6. August 1948 geborene Beklagte war in der Zeit vom April 1965 bis 31. März 1968 im Zimmereibetrieb des Klägers als Hilfsarbeiter beschäftigt. Er erhielt während dieser Zeit keinen Wochen- oder Monatslohn, sondern in verschiedenen langen Intervallen verschieden hohe Beträge,

im Jahre 1965 insgesamt       6.400 S 1966

32.000 S 1967                         26.000 S 1968

10.000 S -------- 74.400 S

Eine Verrechnung dieser Zahlungen mit den Lohnansprüchen des Beklagten fand während der Dienstzeit nicht statt. In der Zeit vom 1. April 1968 bis 31. Dezember 1968 leistete der Beklagte seinen Präsenzdienst und nahm anschließend seine Arbeit beim Kläger nicht mehr auf. Im November 1968, also während seiner Präsenzdienstzeit, kam der damals noch minderjährige Beklagte über Einladung des Klägers zu diesem. Der Kläger verfaßte dabei die im Akt erliegende Beilage /B, welche die Abrechnung der Akontozahlungen des Klägers mit den Ansprüchen des Beklagten darstellt. Nach dieser Aufstellung ergibt sich, daß der Kläger dem Beklagten 16.015 S zuviel bezahlt habe. Der Beklagte erklärte mit seiner Unterschrift, daß er den Betrag von 16.015 S in Monatsraten von 1000 S an den Kläger zurückzahle, ob er nun beim Kläger wieder eingestellt werde oder nicht.

Zwischen den Streitteilen wurde keine Vereinbarung über die Höhe des Lohnes getroffen. Bei der Auszahlung der einzelnen Teilbeträge pflegte der Kläger zu äußern: "Da hast du dein GeldÜ" oder "da hast du einen VorschußÜ" Eine Abrechnung hatte der Kläger mit der Begründung immer wieder aufgeschoben, daß er keine Zeit habe. Der Beklagte gab sich damit zufrieden, unternahm keine ernstlichen Schritte gegen diese Vorgangsweise und beschied sich mit den erhaltenen Beträgen. Beide Teile waren der Meinung, daß die Summe der bezahlten Beträge etwa dem Lohnanspruch des Beklagten entspreche. Dem damals noch minderjährigen Beklagten war die Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes nicht bekannt und er hoffte insgeheim, daß er bei einer Abrechnung noch etwas bekommen werde. Mit der Möglichkeit einer Überzahlung durch den Dienstgeber rechnete keiner der Streitteile. Der Beklagte stand während der Zeit seiner Beschäftigung beim Kläger in Verpflegung seiner Eltern und verfügte über kein Nebeneinkommen. Sein Sparbuch hatte nur einen Einlagestand von wenigen hundert Schilling. Der Beklagte verfügt über kein nennenswertes Privatvermögen. Ende Oktober 1968 (während seiner Präsenzdienstzeit) erwarb der Beklagte einen PKW, zu dessen Kaufpreis er 3000 S bis 4000 S aus eigenem beisteuerte, während den Rest von 15.000 S sein Vater bezahlte. Das vom Kläger erhaltene Entgelt verbrauchte der Beklagte für seine über die Wohnung und Verpflegung im elterlichen Haushalt hinausgehenden persönlichen Bedürfnisse. Als der Beklagte im November 1968 die Verpflichtungserklärung Beilage /B unterfertigte, erklärte er sogleich, die Abrechnung noch überprüfen zu lassen. Einige Tage später erschien er mit seinem Vater beim Kläger und erhob Einwendungen gegen die Abrechnung. Eine Genehmigung der Verpflichtungserklärung durch den Vater erfolgte nie, auch keine nachträgliche Sanktionierung durch den nach der Klagseinbringung großjährig gewordenen Beklagten.

In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Meinung, daß der Minderjährige im November 1968 keine gültige Verpflichtung eingehen konnte. Bei einem monatlichen Durchschnittslohn von etwa 2000 S stelle der Betrag von 16.015 S ein 3/4-Jahreseinkommen dar, die Monatsraten einen halben Monatslohn. Eine derartige Verpflichtung des Minderjährigen stehe in keinem angemessenen Verhältnis zur Höhe seines Einkommens und seiner Bedürfnisse. Ohne Mitwirkung seines Vaters sei die Vereinbarung vom November 1968 daher nicht rechtswirksam geworden. Das Arbeitsverhältnis des Beklagten sei durch die Ableistung der Präsenzdienstzeit nicht beendet worden, sondern ruhte nur. Mit Rücksicht auf das Jud 33 neu könnte auch ein allfälliger Überbezug des Beklagten nicht zurückgefordert werden. Der Beklagte habe die Teilzahlungen gutgläubig in Empfang genommen, weil doch der Kläger selbst der Meinung gewesen sei, die ausbezahlten Teilbeträge entsprächen in ihrer Summe dem Lohnanspruch des Beklagten. Die insgesamt bezahlten Beträge von 74.400 S ergäben einen monatlichen Durchschnittslohn von 2000 S. Dabei könnte nicht von einem auffallend überhöhten Lohn für einen Hilfsarbeiter gesprochen werden. Nach den ortsüblichen Sätzen im Sprengel des Erstgerichtes ergebe sich bei Vollbeschäftigung ohne Überstunden ein Monatslohn von 2500 S. Auch die einmalige Zahlung in Höhe von 8000 S am 22. August 1966 sei nicht auffallend, weil die nächste Zahlung erst wieder am 12. Dezember 1966, also fast vier Monate später, erfolgte. Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung.

Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGerG von neuem und gab der Berufung nicht Folge. Es traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und einige ergänzende Feststellungen.

In rechtlicher Beziehung ließ sich das Berufungsgericht im wesentlichen von denselben Erwägungen wie das Erstgericht leiten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht befaßt sich mit der Verpflichtungsfähigkeit des zur Zeit der Unterfertigung der Verpflichtungserklärung laut Beilage/B noch minderjährigen Beklagten, dann auch noch mit der Frage, ob der Beklagte den angeblichen Überbezug an Arbeitslohn gutgläubig verbrauchte. Das Berufungsgericht verneinte die Verpflichtungsfähigkeit des Beklagten und war auch der Ansicht, daß dieser einen allfälligen Überbezug an Lohn gutgläubig verbraucht und deshalb nicht rückzuerstatten habe.

Für die Beurteilung der Verpflichtungsfähigkeit des Beklagten ist gemäß den §§ 152, 246 ABGB zunächst zu prüfen, ob der Minderjährige außer der Verpflegung der Eltern stand. Dies ist im Hinblick auf den vom Beklagten zur Zeit der Unterfertigung der Verpflichtungserklärung laut Beilage /B abgeleisteten Präsenzdienst beim Bundesheer zu bejahen (vgl. auch Klang[2] I/2, 92 bei FN 40).

Der Beklagte stand damals noch in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger

(§ 3 ArbPlatzSichG) und konnte auf weitere Beschäftigung nach

Beendigung des Wehrdienstes rechnen. Der Kläger bemängelt nun in der

Revision, daß nicht festgestellt wurde, welchen Lohn der Beklagte in der für die Erfüllung des Vergleiches vorgesehenen Zeit gehabt haben würde. Hiezu ist zu sagen, daß im Hinblick auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Streitparteien und den erst für die Zeit nach Arbeitsaufnahme vorgesehenen Beginn der Ratenzahlungen eine Verpflichtung zur Rückzahlung durch den Minderjährigen hätte eingegangen werden können, wenn das zu erwartende Arbeitseinkommen in einem angemessenen Verhältnis zu den von dem Beklagten übernommenen Verpflichtungen stand (Klang[2] I/2, 93 bei FN 49 bis 51). Die Höhe des erzielbaren Abeitseinkommens des damals noch minderjährigen Beklagten steht allerdings nicht fest, sodaß die Frage der Verpflichtungsfähigkeit des Beklagten nicht abschließend beantwortet werden kann.

Aber auch wenn der Beklagte verpflichtungsfähig gewesen wäre, ist für den Kläger nichts gewonnen. Der Beklagte brachte schon im vorbereitenden Schriftsatz ONr 3 vor, daß er vom Kläger gefordert habe, daß er die Abrechnung durch die Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter überprüfen lassen könne. Die Untergerichte stellten in diesem Zusammenhange fest, daß der Beklagte, als er die Erklärung Beilage /B unterfertigte, sogleich sagte, er wolle die Abrechnung noch überprüfen lassen und daß er tatsächlich einige Tage später Einwendungen gegen die Abrechnung erhob. Wenn dagegen der Kläger in der Revision vorbringt, diese Feststellung sei aktenwidrig und hiezu auf die Aussage des Beklagten selbst verweist, der als Partei vernommen nur erklärt habe, diesen Vorbehalt wahrscheinlich gemacht zu haben, während der Kläger dies bestritt, so greift er die Beweiswürdigung der Untergerichte an. Denn es ist eine Beweisfrage, ob aus einer Erklärung, daß ein Vorgang wahrscheinlich gewesen sei abgeleitet wird, daß er Tatsache geworden ist. Wenn die Untergerichte zu dieser Überzeugung gelangten, dann liegt eine im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbare Tatsachenfeststellung vor.

Gemäß § 861 ABGB kommt ein Vertrag durch den übereinstimmenden Willen beider Teile zustande. Der vom Beklagten bei der Annahme des Vertragsentwurfes laut Beilage /B gemachte Vorbehalt der künftigen Überprüfung hinderte das Zustandekommen eines Vertrages (Klang[2] IV/1, 56 und 66). Denn es war nach dieser Erklärung des Beklagten noch völlig offen, welche Einwendungen er gegen die Abrechnung erheben werde. Daß der Beklagte schon im vorhinein die Urkunde unterfertigte, ist bedeutungslos (vgl Klang[2] IV/1 269 bei FN 25). Die Klage beruht ausschließlich auf der angeblich vom Beklagten im Vergleiche laut Beilage /B übernommenen Verpflichtung. Da eine solche Verpflichtung nicht zustandekam, ist das Klagebegehren unberechtigt.

Anmerkung

Z43188

Schlagworte

Abrechnung, gegenseitige, Unterfertigung unter Vorbehalt der, Überprüfung, keine Willensübereinstimmung, Minderjähriger, Verpflichtungsfähigkeit, Verpflichtungsfähigkeit eines Minderjährigen, Vorbehalt der Überprüfung einer gegenseitigen Abrechnung, keine, Willensübereinstimmung, Willensübereinstimmung, keine - bei Unterfertigung einer gegenseitigen, Abrechnung unter Vorbehalt der Überprüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0040OB00089.7.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19701027_OGH0002_0040OB00089_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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