TE OGH 1970/10/28 7Ob176/70

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Veröffentlicht am 28.10.1970
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Norm

Allgemeine Bedingungen für Haushaltsversicherungen Art23 Abs7 Z1

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SZ 43/192

Spruch

Zur Auslegung des Art 23 Abs 7 Z 1 ABH 1965

OGH 28. Oktober 1970, 7 Ob 176/70 (OLG Wien 1 R 100/70; HG Wien 15 Cg 977/69)

Text

Die bei der Beklagten seit dem 25. Februar 1966 gegen das sogenannte Privat- und Sporthaftpflichtrisiko, und zwar im Falle von Sachschäden bis zu einem Höchstbetrag von 120.000 S versicherte Klägerin verschuldete am 21. April 1968 in der Gegend der Hohen Wand einen Waldbrand. Sie wurde deshalb wegen Übertretung nach § 459 StG rechtskräftig verurteilt. Außerdem stellen gegen sie mehrere durch den Brand Geschädigte Schadenersatzforderungen. Im einzelnen verlangen von ihr eine Versicherungsanstalt 52.475.87 S, Franz P 5546.52 S und Franz H 13.040 S. Zwei Tage nach dem Versicherungsfall, am 23. April 1968, richtete die Klägerin an die Beklagte eine Schadensanzeige, in der sie über den Hergang des fraglichen Ereignisses schrieb: "Ich habe ein frisch gefülltes Benzinfeuerzeug zu Ostern geschenkt erhalten und wollte es meiner Begleitung Frl Heidi St zeigen. Beim Anzunden fing das Feuerzeug vermutlich durch ausgelaufenes Benzin samt Etui Feuer, das auf meine Hand übergriff. Ich versuchte durch Wedeln das Feuer zu löschen, da fiel dasselbe zu Boden und dieser fing im Moment Feuer ..." Weiters wird in der Anzeige darauf verwiesen, daß der Gendarmerieposten in Stollhof den Vorfall zu Protokoll genommen habe. Anlaß zu diesem war ein Spaziergang, den die Klägerin mit ihrer Freundin unternahm. In dessen Verlauf kamen sie an einer vom Amt der nö Landesregierung herrührenden, an einem Holzpflock befestigten Tafel vorbei, die die Aufschrift trug: "Schutzgebiet. Bitte nur markierte Wege benützen. Abfälle mitnehmen. Ruhig verhalten. Keine Blumen pflücken. Schutzgebiet." Nach einer Weile kam an der von ihnen benützten Straße wieder eine an einem Pfosten angebrachte Tafel mit der Aufschrift "Schutzgebiet" in Sicht. Unterhalb dieser Tafel befand sich eine kleinere Tafel mit längerem Text, dessen Worte, insbesondere die Warnung "Verhütet Feuer, raucht nicht im Wald und Heide", von der Straße her nicht ausgenommen werden konnte. Nachdem sie noch ein Stück Weges gegangen waren, ließen sich die Klägerin und ihre Freundin auf dem grasigen Boden eines von jungen Fichten und Rotbuchen schütter bestandenen Holzschlages nieder und wollten dort rauchen. Als nun die Klägerin mit einem ihr vor kurzem geschenkten Feuerzeug, das stets einwandfrei funktioniert hatte, ihrer Begleiterin zum Anzunden einer Zigarette Feuer geben wollte und zu diesem Zweck das Feuerzeug betätigte, stand dieses sogleich zur Gänze in Flammen, die die Klägerin vergebens auszublasen versuchte. Hiebei fiel das brennende Feuerzeug zu Boden und verursachte so den Waldbrand. Die Schadhaftigkeit des Feuerzeuges bestand offenbar darin, daß an seiner Außenfläche austretendes Benzin verdampfte und daß sich dadurch im Bereich des Feuerzeuges ein Benzin-Luftgemisch bildete, welches explodierte, als die Klägerin das Feuerzeug in Gebrauch nehmen wollte.

Die Klägerin begehrt sinngemäß die urteilsmäßige Feststellung, daß ihr die Beklagte im Zusammenhang mit dem Brandschaden vom 21. April 1968 bis zu einem Höchstbetrag von 120.000 S, namentlich gegenüber den Schadenersatzansprüchen der Versicherungsanstalt des Franz P und des Franz H Versicherungsschutz zu leisten habe.

Die Beklagte machte demgegenüber Leistungsfreiheit geltend, da, wie sie behauptete, in der Schadensmeldung der Klägerin bewußt falsch angegeben worden sei, diese habe lediglich ihrer Freundin das Feuerzeug zeigen wollen, während sie tatsächlich entgegen der Vorschrift des § 23 ForstbereinigungsG im Wald habe rauchen wollen und dadurch den Brand verursacht habe; außerdem habe sie diesen durch eine Handlung herbeigeführt, deren für sie voraussehbare schädliche Folge sie in Kauf genommen habe.

Das Erstgericht, das angesichts der feststehenden Sachlage die Einwendungen der Beklagten für nicht stichhältig erachtete, erkannte nach dem Klagebegehren.

Die zweite Instanz gab mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteigt, der Berufung der Beklagten nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ihren bereits von den Vorinstanzen zutreffend abgelehnten Standpunkt, die Klägerin habe ihren Anspruch auf Versicherungsschutz auch durch die Verletzung ihrer auf den Schadensfall bezogenen Anzeigepflicht verwirkt (Art 26 Abs 1, Art 27 der Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen/ABH 1965), versucht die Revisionswerberin mit dem Hinweis zu begrunden, laut ihrer Schadensmeldung habe die Klägerin das Feuerzeug lediglich herzeigen wollen, tatsächlich habe sie aber eine Zigarette zu rauchen beabsichtigt. Dieses Rechtsmittelvorbringen ist jedoch aktenwidrig, da es darüber hinweggeht, daß in der Schadensmeldung ja nicht nur vom Herzeigen des Feuerzeuges, sondern auch vom "Anzunden" mittels desselben die Rede ist. Ob dieses Anzunden zum Zweck des Zigarettenrauchens geschah, was freilich aus der Schadensanzeige nicht hervorgeht, ist unerheblich, weil das Feuerzeug sogleich in Flammen stand und es daher zum Anzunden einer Zigarette erst gar nicht gekommen ist, weshalb das Rauchen als Schadensursache außer Betracht bleibt.

Was aber das Verschulden der Klägerin anlangt, so geht das Berufungsgericht mit seinen diesbezüglichen Rechtsausführungen insofern fehl, als es dabei auf § 61 VersVG abstellt und sich demgemäß mit der dann von ihm verneinten Frage befaßt, ob die Klägerin grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Da nämlich die Versicherungsnehmerin den Versicherungsschutz im Zusammenhang mit einer sie treffenden Haftpflicht in Anspruch nimmt, ist nicht § 61, sondern § 152 VersVG maßgeblich, wonach der Versicherer nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Haftpflichtfalles leistungsfrei ist. Allerdings ist die letztere Vorschrift auch abdingbar (VersSlg 135, VersSlg 181), doch kommt solches in der einschlägigen Bestimmung des Art 23 Abs 7 Z 1 ABH 1965 nicht hinreichend erkennbar zum Ausdruck.

Dort heißt es vielmehr: "Dem Vorsatz wird eine Handlung oder Unterlassung gleich gehalten, welche die betreffende Person nicht vermeidet, obwohl sie die wahrscheinlichen schädlichen Folgen voraussehen mußte, diese jedoch in Kauf genommen hat." Abgesehen davon nun, daß man nur in Kauf nehmen kann, was man als möglich auch wirklich vorausgesehen hat und nicht bloß voraussehen mußte, in diesem Belange also die fragliche Versicherungsbedingung gar nicht schlüssig ist, sieht sie im übrigen den Ausschluß der Versicherung nur vor, wenn der Schädiger in Verbindung mit seinem schädigenden Verhalten nicht etwa von dessen schädlichem Erfolg trotz seiner hohen Wahrscheinlichkeit annimmt, er werde schon nicht eintreten, sondern es auf diesen Erfolg geradezu ankommen läßt, ihn also in Kauf nimmt. Das aber ist nicht grobe Fahrlässigkeit, sondern eine Abart des Vorsatzes, nämlich, dolus eventualis. Somit erübrigt es sich zu untersuchen, ob der Klägerin grobe Fahrlässigkeit zum Vorwurf gereicht. Daß aber die Klägerin ihr schadhaftes Feuerzeug selbst auf die Gefahr hin, es könnte dadurch ein Waldbrand entstehen, in Gebrauch genommen hätte, dafür fehlt jeglicher Anhaltspunkt und wurde übrigens auch von der Beklagten nicht behauptet.

Anmerkung

Z43192

Schlagworte

Haushaltsversicherung, Leistungsfreiheit des Versicherers, Leistungsfreiheit des Versicherers, Haushaltsversicherung, Versicherer, Leistungsfreiheit, Haushaltsversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0070OB00176.7.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19701028_OGH0002_0070OB00176_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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