TE OGH 1970/11/26 1Ob282/70

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Veröffentlicht am 26.11.1970
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Norm

JN §1
Notariatsordnung §1
Notariatsordnung §104
Notariatsordnung §179

Kopf

SZ 43/217

Spruch

Die Hinterlegung des Schiedsspruches bei einem Notar begrundet keinen privatrechtlichen Verwahrungsvertrag, sondern ist öffentlichrechtlicher Natur. Für das Begehren des Notars auf Bezahlung der mit dieser Verwahrung verbundenen Gebühren ist der Rechtsweg unzulässig; er hat vielmehr nach § 179 NO vorzugehen

OGH 26. November 1970, 1 Ob 282/70 (LGZ Wien 42 R 229/70; BG Innere Stadt-Wien 27 C 7/70)

Text

Zwischen dem Beklagten und der Versicherungs-Gesellschaft X bestand ein Vertrag über eine Rechtsschutzversicherung, dem die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, Fassung 1960, zugrundelagen. Nach Art 5 Z 5 dieser Bedingungen kann der Versicherte, wenn der Versicherer den Rechtsschutz mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ablehnt, die Einleitung eines Schiedsverfahrens beantragen, in dem zwei von den Vertragspartnern namhaft gemachte Anwälte darüber entscheiden, ob eine hinreichende Aussicht auf Erfolg vorliegt; die Kosten dieses Schiedsverfahrens trägt der unterliegende Teil.

Am 18. September 1962 verunglückte die Gattin des Beklagten tödlich. Der Beklagte stellte Schadenersatzansprüche gegen Josef T, für die die Versicherungs-Gesellschaft mangels entsprechender Erfolgsaussichten zum größten Teil die Tragung des Prozeßkostenrisikos ablehnte. Als Schiedsrichter wurden die Rechtsanwälte Dr S und Dr R namhaft gemacht, die am 11. Jänner 1967 einen Schiedsspruch fällten, in dem sie u a gemäß § 593 ZPO bestimmten, daß die Urschrift des Schiedsspruches beim Kläger, einem Notar, verwahrt werde; die Kosten der Verwahrung sollten weitere Kosten des Schiedsverfahrens bilden und vom Beklagten getragen werden. Die beiden Schiedsrichter übergaben die Urschrift des Schiedsspruches dem Kläger unter Bezugnahme auf § 593 ZPO zur Verwahrung.

Der Kläger begehrte im vorliegenden Prozeß mit der Behauptung, daß das Schiedsgericht nicht in der Lage sei, die Kosten der für das Schiedsgericht einschreitenden Personen festzusetzen und hiefür selbst einen Exekutionstitel zu schaffen, vom Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 2293 S s A für die Errichtung des Protokolles und die entsprechenden weiteren mit der Verwahrung der Urschrift des Schiedsspruches verbundenen Kosten. Der Beklagte wendete mangelnde passive Klagslegitimation ein, da er in keinerlei Rechtsbeziehungen zum Kläger gestanden sei, und bestritt den Anspruch auch der Höhe nach.

Das Erstgericht erklärte das gesamte Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Der Kläger habe als öffentlicher Notar eines der im § 1 NO angeführten Geschäfte getätigt. Die Gebühren hiefür seien nach § 179 Abs 1 NO vom am Sitz der Notariatskammer befindlichen Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen zu bestimmen.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf, trug dem Bezirksgericht Innere Stadt-Wien die Fortsetzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen sei. Aus dem Wortlaut des § 179 Abs 1 NO ergebe sich, daß der Gesetzgeber bei Erlassung dieser Bestimmung nur einen Streit über die Höhe ("Bemessung") der Gebühren im Auge gehabt haben könne. Auch der Hinweis auf die Vermittlung der Notariatskammer lasse erkennen, daß dem Außerstreitrichter nur jene Fälle zugewiesen werden sollten, in denen in der Regel die Notariatskammer einen entscheidenden Beitrag zum Ausgang des Verfahrens liefern werde. Die Verpflichtung zur Bezahlung der Gebühren hänge im Falle der Bestreitung der Zahlungspflicht dem Gründe nach meist von strittigen Rechtsfragen oder von Tatumständen ab, die sich nur durch ein formelles Beweisverfahren klären lassen. Die Rechtsordnung habe aber die Tendenz, die Erörterung streitiger Rechtsfragen oder die Klärung von Tatumständen, die ein formelles Verfahren voraussetzen, dem streitigen Verfahren zuzuweisen. Sei aber die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühren dem Gründe nach bestritten, habe der Streitrichter auch über deren Höhe zu entscheiden, weil die verfahrensmäßige Trennung eines Anspruches dem österreichischen Recht fremd sei. Die Bestimmung des § 179 Abs 1 NO sei aber auch nur anzuwenden, wenn eine der im § 175 NO genannten Personen in Anspruch genommen werde. Der Kläger leite seinen Anspruch aber nicht aus dieser Bestimmung, sondern aus dem Schiedsvertrag ab; insbesondere seien die Schiedsrichter nicht die Vertreter der Parteien des Schiedsvertrages.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Geschäftstätigkeit des Notars und damit die Art seiner Gebühren und Kosten läßt sich in drei große Gruppen gliedern, in die rein notariellen Geschäfte im engeren Sinne, die gerichtskommissionellen Geschäfte und die anwaltlichen Geschäfte (Graschopf in NZ 1934, 76). Die rein notariellen Geschäfte im engeren Sinne sind im § 1 NO aufgezählt und umfassen die Amtstätigkeit des Notars, für die er vom Staate bestellt und öffentlich beglaubigt wurde; die "anwaltlichen" Geschäfte, die der Notar neben seiner Amtstätigkeit ebenfalls ausüben darf, sind hingegen im § 5 NO erwähnt. Zur Amtstätigkeit des Notars gehört auch die Verwahrung von ihm anvertrauten Urkunden, die im V. Abschnitt des V. Hauptstückes der Notariatsordnung (§§ 104 ff) näher geregelt ist (Wagner, NO, Anm 1 vor § 104, 84; Graschopf in NZ 1936, 82). Der Notar kann aber auch eine Urkunde als Parteienbeauftragter im Rahmen eines zivilrechtlichen Verwahrungsvertrages (§§ 957 ff ABGB) in Ausübung seiner "anwaltlichen" Tätigkeit ohne Kontrahierungspflicht übernehmen (vgl Graschopf in NZ 1936, 82 f). Es ist daher im Einzelfalle zu beurteilen, in welcher Eigenschaft der Notar in Anspruch genommen und tätig wurde.

Zu einer Verwahrungsübernahme von Urkunden durch den Notar im Rahmen seiner Amtstätigkeit ist es erforderlich, daß er als Amtsperson um die Vornahme der entsprechenden Amtshandlung ersucht wurde, also ein "notarius rogatus" ist, der dann auch die in der Notariatsordnung vorgeschriebenen Formalitäten zu beobachten hat (Graschopf in NZ 1936, 82).

Im vorliegenden Falle wurde der Kläger von den Schiedsrichtern gemäß § 593 Abs 1 ZPO in Anspruch genommen. Nach dieser Gesetzesstelle haben, falls der Schiedsvertrag keine andere Bestimmung enthält, die Schiedsrichter die Art der Verwahrung der Urschrift des Schiedsvertrages und der Urkunden über die an die Parteien erfolgte Zustellung der Ausfertigungen zu bestimmen. Wenn sie in Beachtung dieser gesetzlichen Vorschrift im vorliegenden Falle bestimmten, daß die Urschrift des Schiedsspruches beim Kläger verwahrt werde, und sodann auch diese Verwahrung verlangten, war der Kläger dann im Sinne des § 104 Abs 1 NO zur Übernahme der Urkunde "berufen" (s Wagner, NO, Fußnote 1 zu § 104 NO, 84). Es bestand für ihn die amtliche Berufspflicht, die entsprechende von ihm verlangte Amtshandlung, wenn ihr keine gesetzlichen Hindernisse entgegenstanden, vorzunehmen. Er übte dabei eine öffentlichrechtliche, behördenähnliche Tätigkeit aus (Graschopf in NZ 1936, 82 f). Der Kläger war sich dessen auch bewußt und übernahm daher die Urschrift des Schiedsspruches auch unter Errichtung des im § 105 Abs 1 NO für die amtliche Verwahrungsübernahme vorgesehenen Protokolls. Zwischen den hinterlegenden Schiedsrichtern, die selbst auch nur in Erfüllung einer durch die Zivilprozeßordnung vorgeschriebenen Verpflichtung handelten und daher nicht die Absicht hatten, selbst oder etwa für die Parteien des Schiedsvertrages in privatrechtliche Beziehungen zum Kläger zu treten, und diesem kam dabei kein privatrechtlicher Verwahrungsvertrag zustande, ebenso wie auch zwischen dem Erlagsgericht (vgl § 1425 ABGB, §§ 284 ff Geo) und den bei diesem hinterlegenden Parteien kein solcher Vertrag, sondern ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zustandekommt (Graschopf in NZ 1936, 82 f, vgl auch Gschnitzer in Klang[2] VI 415).

Entstand aber zwischen dem Kläger und den Hinterlegern bzw den Parteien des Schiedsvertrages, für die die Urschrift des Schiedsspruches als gemeinschaftliche Urkunde zu gelten hat (§ 593 Abs 2 ZPO), kein privatrechtliches Verhältnis, konnte der Kläger auch nicht auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages ein Honorar für seine Tätigkeit beanspruchen oder ein solches vereinbaren (in diesem Sinne auch Winterhalder in NZ 1910, 143, 150). Das Gesetz (§ 171 Abs 1 NO) räumte ihm statt dessen das Recht ein, für seine Amtshandlung die Gebühren selbst nach dem Notariatstarif zu bestimmen. Nur die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 171 ff NO können dann angewendet werden (in diesem Sinne auch Graschopf in NZ 1936, 101). Im § 175 NO ist festgelegt, wer zur Bezahlung der Gebühren - falls nicht eine andere Vereinbarung hierüber mit dem Notar selbst (Winterhalder in NZ 1910, 159) erfolgt - verpflichtet ist, nämlich alle Personen, welche die Vornahme des Geschäftes (der Amtshandlung) verlangt haben oder das (zur Amtshandlung gehörige) Geschäft geschlossen haben, zur ungeteilten Hand. Es ist aber auch bestimmt, was zu geschehen hat, wenn der als Schuldner der Gebühren in Anspruch Genommene diese nicht bezahlt. Es gilt die Regelung des § 179 Abs 1 NO, wonach, wenn eine Partei Widerspruch gegen die von dem Notar vorgenommene Bemessung der Gebühren erhebt (und auch eine gütliche Vermittlung der Notariatskammer ohne Erfolg bleibt oder von den Parteien nicht in Anspruch genommen werden will), die Gebühren über Verlangen ("Anlangen") des Notars oder der Parteien durch den am Sitz der Notariatskammer befindlichen Gerichtshof erster Instanz nach Vernehmung des anderen Teiles und allenfalls nach Einholung eines Gutachtens der Notariatskammer zu bestimmen sind. Der Widerspruch muß hiebei nicht ausdrücklich erhoben oder besonders begrundet worden sein; die einfache Weigerung der in Anspruch genommenen Partei, die notariellen Gebühren zu entrichten, berechtigt vielmehr den Notar bereits, die gerichtliche Bestimmung der Gebühren zu verlangen (E vom 11. April 1878, NZ 1878, 132 = Gesselbauer, Sammlung von Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtshofes zu den Notariatsgesetzen Nr 117; Reich, Notarielles Handbuch, 582). Die Vorschrift des § 179 Abs 1 NO ist insofern zwingendes Recht, als bei Zutreffen der Voraussetzungen ausschließlich das dort geregelte außergerichtliche Verfahren einzuleiten und der Rechtsweg ausgeschlossen ist (Graschopf in NZ 1934, 80; in diesem Sinne auch ZBl 1931/15 und SZ 12/285 durch Umkehrschluß; vgl hiezu auch Fasching, Kommentar zu § 1 JN I, 154).

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes hatte der Kläger damit keine Möglichkeit, seinen Anspruch an Gebühren für die Verwahrung der Urschrift des Schiedsspruches im Rechtswege zu verfolgen. Es kann auch nicht gesagt werden, daß der Kläger einen nicht in den §§ 171 ff NO geregelten Anspruch geltend machen wollte. Er hat vielmehr lediglich die Ansicht vertreten, daß er, da die Schiedsrichter seine Kosten nicht festsetzen könnten, zur Erlangung eines Exekutionstitels zur Klage gezwungen sei.

Der Oberste Gerichtshof vermag auch der Ansicht des Rekursgerichtes, das die Anwendung des § 179 Abs 1 NO auf die Fälle beschränken will, in denen die Person der zahlungspflichtigen Partei eindeutig feststeht und diese sich nur gegen die Bemessung der Höhe der Gebühr ausspricht, nicht beizupflichten. Wollte man dieser Auffassung folgen, wäre dem Notar bei Beachtung der oben dargestellten Rechtslage die Geltendmachung seiner Gebühren für Amtshandlungen, denen, wie im vorliegenden Falle, keine privatrechtliche Vereinbarung zugrunde lag, unter Umständen überhaupt verwehrt, wenn der in Anspruch Genommene seine Zahlungspflicht dem Gründe nach bestreitet. Es müßte dem Gesetze aber auch unterstellt werden, daß es die Art der Geltendmachung der Ansprüche des Notars aus einer Amtshandlung von den Einwendungen des in Anspruch genommenen Schuldners abhängig machen wollte, die dem Notar, falls der in Anspruch Genommene ohne Angabe von Gründen einfach nicht bezahlt hätte, gar nicht bekannt gewesen sein müssen. Das Gesetz wollte aber offenbar die Bestimmung der Gebühren für Amtstätigkeiten des Notars einem offiziösen, wenn auch nur über Antrag einzuleitenden Verfahren unterwerfen, dem Notar eine mit Kostenrisiko verbundene Prozeßführung ersparen, gleichzeitig auch die Rechte des Gebührenschuldners wahren und darüber hinaus dem Notar noch die amtswegige Einbringung seiner Gebührenforderung ermöglichen (§ 180 NO; §§ 1, 4 GEG 1962 in der derzeit geltenden Fassung). Es kam nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber diese Möglichkeit nur dann eröffnen wollte, wenn der in Anspruch genommene Schuldner seine Zahlungspflicht dem Gründe nach nicht bestreitet. Das Wort "Bemessung" im § 179 Abs 1 NO ist daher nicht dahin zu verstehen, daß der Gerichtshof erster Instanz nur dann tätig werden kam, wenn der Gebührenschuldner bereits feststeht.

Auch dieser ist vielmehr ebenfalls im außerstreitigen Verfahren nach den bereits im § 175 NO festgelegten Regeln zu ermitteln; wer dies ist, hat also, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 11. April 1878, NZ 1878, 132 (vgl auch Reich, Notarielles Handbuch, 582) ausgesprochen hat, ebenfalls der Gerichtshof erster Instanz zu beurteilen. Ob eine andere Auffassung zu vertreten wäre, wenn im Sinne des § 175 NO, über die Gebührentragung eine (allenfalls nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende) Verabredung mit dem Notar getroffen worden wäre, ist im vorliegenden Falle nicht zu erörtern, da eine solche Verabredung nicht einmal behauptet wurde.

Anmerkung

Z43217

Schlagworte

Gebührenanspruch des Notars, Hinterlegung eines Schiedsspruches„ Unzulässigkeit des Rechtsweges, Hinterlegung eines Schiedsspruches bei einem Notar, Unzulässigkeit des, Rechtsweges für Gebührenanspruch des Notars, Notariatsgebühren für Hinterlegung eines Schiedsspruches„ Unzulässigkeit des Rechtsweges, Rechtsweg ordentlicher Unzulässigkeit des - für Gebührenanspruch eines, Notars für Hinterlegung eines Schiedsspruches, Schiedsspruch, Hinterlegung bei Notar, Unzulässigkeit des Rechtsweges, für Gebührenanspruch des Notars, Unzulässigkeit des Rechtsweges, Gebührenanspruch eines Notars für, Hinterlegung eines Schiedsspruches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0010OB00282.7.1126.000

Dokumentnummer

JJT_19701126_OGH0002_0010OB00282_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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