TE OGH 1970/12/15 4Ob613/70

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Veröffentlicht am 15.12.1970
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Norm

ABGB §364
ABGB §484
ABGB §492
Vorarlberger Straßengesetz §25

Kopf

SZ 43/233

Spruch

Die in § 25 Vlbg StraßenG LGBl 1969/8 jedermann erteilte Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen fremden Grund zum Schifahren zu benützen, berechtigt nicht zum Einsatz eines mechanischen Pistenräumgerätes (Ratrac)

OGH 15. Dezember 1970, 4 Ob 613/70 (OLG Innsbruck 1 R 149/70; LG Feldkirch 3 Cg 1323/70)

Text

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in EZ 301 KG L, zu der unter anderem auch die Grundparzelle 54/1, Wiese, gehört, unterhalb welcher sich ihr auf der Bauparzelle 54/5 neu errichtetes Gästehaus befindet. Der Beklagte ist Eigentümer der Grundparzelle 53/1 KG L, die seitlich an die Gp 54/1 grenzt. Oberhalb der Gp 54/1 liegen die Gp 800/1 und 800/4. deren Eigentümer Reinhard W ist. Auf den Gp 53/1 und 800/4 betreibt die Kommanditgesellschaft Sch seit dem Jahre 1961 eine Schleppliftanlage. Komplementär dieser Gesellschaft ist der Beklagte, sein Sohn Walter E und Reinhard W sind Kommanditisten. Seit der Eröffnung dieser Liftanlage wird von den Schifahrern eine Abfahrtspiste benützt, die von der Gp 800/4 über die Gp 800/1 auf die Gp 54/1 führt, und die in den ersten Jahren mit einer selbst angefertigten, nicht motorisierten Pistenwalze, seit dem Herbst 1967 aber mit einem motorisierten Pistengerät, einem sogenannten Ratrac, präpariert wurde. Die Klägerin sprach sich schon von Anfang an gegen die Benutzung ihrer Gp 54/1 als Schiabfahrtspiste aus. Sie wurde jedoch mit den darauf bezüglichen Einwendungen bei der die Errichtung der Schiliftanlage betreffenden Bauverhandlung vom Verhandlungsleiter auf den Rechtsweg verwiesen. In der Folge bemühte sie sich, mit dem Beklagten eine gütliche Regelung mit dem Ziele herbeizuführen, daß dieser aus dem bestehenden Zustand keine Rechte auf die Benützung ihrer Grundstücke, insbesondere auch nicht aus dem Titel der Ersitzung, ableiten kann. Der Beklagte weigerte sich jedoch, eine in diesem Sinne von der Klägerin vorbereitete Erklärung (/G) zu unterfertigen und befuhr die Gp 54/1 noch im Winter 1969/70 trotz wiederholter Abmahnung durch die Klägerin mit einem Ratrac. Mit dem Bescheid des Bürgermeisteramtes L vom 10. März 1970, Zl 664/1970, wurde der Klägerin unter Berufung auf § 25 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl 8/1969, aufgetragen, zu gestatten, "daß die Gp 54/1 zum Schifahren benützt und als Folge die Schipiste durch Schipistengeräte (Ratrac etc) mechanisch präpariert wird". Gleichzeitig wurde der Schiliftgesellschaft zur Auflage gemacht, im Falle von Schäden an der landwirtschaftlichen Nutzung der Gp 54/1, hervorgerufen durch das Schifahren oder das Präparieren der Schipiste, diese der Gründeigentümerin zu ersetzen und die Schipistengeräte in der Zeit von 22 Uhr bis 8 Uhr nicht einzusetzen.

Auf diesen Sachverhalt und weiters auf die Behauptung gestützt, daß die Verwaltungsbehörde nicht zuständig sei, sie zur Gestattung der Pistenpräparierung durch ein übliches Pistengerät zu verpflichten, begehrte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, in Hinkunft alle Handlungen zu unterlassen, die sich als widerrechtliche Eingriffe in ihr Eigentum an der Gp 54/1 darstellen, insbesondere das Befahren dieser Parzelle mit einer Pistenwalze. Zu diesem Hauptbegehren stellte sie dann auch noch ein Eventualbegehren.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Zur Begründung dieses Antrages berief er sich insbesondere auf den Bescheid des Gemeindeamtes L vom 10. März 1970, der seiner Meinung nach vom Bürgermeisteramt L im Rahmen der ihm nach dem Sportgesetz zukommenden Zuständigkeit erlassen wurde und es ausschließe, daß er durch eine anders lautende gerichtliche Entscheidung zur Unterlassung des ihm danach erlaubten Befahrens des Grundstückes der Klägerin mit einer Pistenwalze verhalten werden kann. Er beantragte daher die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verwaltungsverfahrens.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit dem am 14. April 1970 außerhalb der Verhandlung gefaßten, beiden Parteien zugestellten Beschluß ab. Es erkannte mit dem angefochtenen Urteil zu Recht, daß der Beklagte schuldig ist, das Befahren der Gp 54/1 KG L mit einer Pistenwalze zur Präparierung dieses Grundstückes als Schiabfahrtspiste zu unterlassen. Das Mehrbegehren, den Beklagten darüber hinaus auch zur Unterlassung aller Handlungen zu verurteilten, die sich als widerrechtlicher Eingriff in das Eigentum der Klägerin an der Gp 54/1 KG L darstellen, wurde abgewiesen. Zur Begründung dieses Urteils führte das Erstgericht aus:

Die Klägerin sei unbeschränkte Eigentümerin der Gp 54/1. Dem Beklagten stehe daran keine wie immer geartete Dienstbarkeit zu. Es liege daher auf der Hand und bedürfe keiner weiteren rechtlichen Erörterung, daß die Klägerin befugt sei, dem Beklagten die unberechtigten Eingriffe durch das Befahren ihres Grundstückes mit einer Pistenwalze zu untersagen. Die Ergebnisse des noch anhängigen Verwaltungsverfahrens, in dem der Klägerin mit dem Bescheid des Gemeindeamtes L vom 10. März 1970 gemäß § 25 Landesstraßengesetz die Gestattung der Benützung ihrer Liegenschaft zum Schifahren und zum Präparieren der Schipiste mit Pistengeräten aufgetragen wurde, seien für die Beurteilung des auf ihr unbeschränktes Eigentumsrecht gestützten zivilrechtlichen Unterlassungsanspruches gegenüber jedem Störer ohne Bedeutung. Ohne Bedeutung sei auch der Umstand, ob die Gemeinde L auf dem Grundstück der Klägerin das Dienstbarkeitsrecht des Schiübungsgeländes ersessen habe. In dieser Beziehung habe der Beklagte überdies keine Beweise erbracht. Die Aufnahme eines Augenscheines und die Vernehmung eines Sachverständigen sei nicht notwendig gewesen, weil sich die Situation aus den Lichtbildern ergebe, sie überdies auch dem Richter bekannt sei und es im weiteren selbstverständlich sei, daß es für schwächere Schifahrer, die diese Liftstrecken benützen, gefährlich sei, aus einer präparierten Piste in das unpräparierte Gelände einzufahren. Der Beklagte könne aber die Präparierung der Abfahrtspiste nach der Gp 800/1 unterhalb des beiderseits der Lifttrasse befindlichen Waldes nach Querung der Lifttrasse auch auf seiner Gp 53/1 fortsetzen, Querungen von Schiliftanlagen kämen bei fast allen Schleppliftanlagen vor.

Infolge Berufung der beklagten Partei bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands 15.000 S übersteigt.

Zur Begründung führte das Berufungsgericht aus:

Die Klägerin sei zufolge ihres unbeschränkten Eigentumsrechtes gemäß § 354 ABGB berechtigt, jedermann von der Benützung ihrer Liegenschaft auszuschließen. Ein Dritter könne in ihre Rechte nur insoweit eingreifen als ihm dies zufolge eines Vertrages, auf Grund eines Gesetzes oder auf Anordnung des Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde gestattet sei. Daß zwischen den Streitteilen hinsichtlich der Benützung der Gp 54/1 kein Vertrag bestehe, stehe fest. Auf das Gesetz habe sich der Beklagte niemals berufen. Er könnte dies auch nicht, denn hiefür bestehe bei dem hier vorliegenden Sachverhalt keine Handhabe. Es könnte höchstens an die Bestimmung des § 25 Abs 1 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl 1969/8 gedacht werden, nach welcher land- und forstwirtschaftliche Grundstücke außerhalb des verbauten Gebietes, die nicht eingefriedet oder als eingefriedet bezeichnet sind, zum Rodeln und Schifahren benützt werden können. Diese Ausnahmsbestimmung dürfe jedoch nicht ausdehnend und damit auch nicht dahingehend ausgelegt werden, daß der Eigentümer solcher Grundstücke die Präparierung von Schipisten durch Pistengeräte zu dulden habe. Eine rechtskräftige Verfügung einer hiefür zuständigen Verwaltungsbehörde, wonach der Beklagte berechtigt wäre, das Grundstück der Klägerin mit einer Pistenwalze zu befahren, sei zum Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses in erster Instanz noch nicht vorgelegen. Die Frage könne daher nur die sein, ob das Erstgericht bereits an den noch nicht rechtskräftigen Bescheid des Gemeindeamtes L vom 10. März 1970 gebunden oder im Hinblick auf diesen zumindest gehalten gewesen sei, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Verwaltungsverfahrens zu unterbrechen. Daß ersteres nicht der Fall sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung, denn solange Rechtskraft nicht eingetreten sei, könne auch keine Bindung bestehen. Ein Fall, für den das Gesetz die Unterbrechung des Zivilprozesses zwingend vorschreibe, liege hier nicht vor. Der Beklagte könnte sich daher nur dann mit Recht für beschwert erachten, wenn das Erstgericht bei der Behandlung seines Unterbrechungsantrages ermessensgebunden gewesen wäre und dieses Ermessen überschritten hätte. Aus der Bestimmung des § 190 (1) ZPO, wonach das Gericht dann, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreites ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreites ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist, anordnen kann, daß das Verfahren auf so lange Zeit unterbrochen werde, bis in Ansehung dieses Rechtsverhältnisses eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, folge jedoch, daß das Gericht bei der Entscheidung über einen solchen Antrag zwar pflichtgebunden, aber ermessensfrei sei. Eine Pflichtverletzung des Gerichtes sei in diesem Zusammenhang weder behauptet worden noch zu erkennen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte will aus § 25 des Vorarlberger Straßengesetzes, LGBl 1969/8 ableiten, daß ihm kraft Gesetzes die Befugnis zustehe, die Schneedecke auf dem Grundstück der Klägerin Grundparzelle Nr 54/1 mittels eines Pistenfahrzeugs (Ratrac) zu präparieren. Da die im § 25 Abs 1 leg cit jedermann erteilte Befugnis, unter bestimmten Voraussetzungen fremden Grund zum Schifahren zu benützen, dazu berechtigen würde, die Schneedecke mit Schiern festzutreten, müsse es nach Erfindung mechanischer Pistenräumgeräte auch erlaubt sein, ein solches Gerät einzusetzen.

Aus dem Gesetz läßt sich nicht ableiten, daß jedermann, mithin auch der Beklagte zur Präpariering der Schipiste mittels Pistenfahrzeugs berechtigt sei. Dies würde zu chaotischen Zuständen führen, wem mehrere dieses Recht für sich in Anspruch nehmen und sich dann über den Verlauf der Schiabfahrt nicht einigen können. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß niemand ein subjektives öffentliches Recht ausübt, wenn er fremden Grund zum Schifahren benützt. Hierin ist vielmehr nur eine Reflexwirkung der mit einer Legalservitut öffentlichen Rechts belasteten privaten Liegenschaft zu erblicken (vgl Krzizek, Öffentliches Wegerecht, 61). Eine Belastung des Grundstücks der Klägerin in dem Umfang, wie dies der Beklagte anzunehmen scheint, liegt nicht im Begriffe der vom Vorarlberger Straßengesetz als Sonderfall der sogenannten Wegefreiheit im Bergland aufgefaßten Legalservitut der Schiabfahrt des § 25 leg cit. Da jedermann diese Schiabfahrt benützen kann, ergeben sich Besonderheiten, die bei den Servituten des Privatrechts nicht auftreten können, weshalb zur Ergänzung der - dürftigen - Bestimmungen des Straßengesetzes über die Wegfreiheit nicht die Regeln des Privatrechts herangezogen werden können (vgl Krzizek, Öffentlicher Wegerecht, 270 f, der zur Ergänzung der Bestimmungen über die Wegfreiheit die Bestimmungen der Landesstraßengesetze heranziehen will).

Wenn die Verwaltungsbehörde die Auffassung vertritt, daß sie einer Einzelperson die Befugnis zur Präparierung der gegenständlichen Schipiste einräumen kann, so ist dies im vorliegenden Fall deshalb unbeachtlich, weil vor Schluß der Verhandlung erster Instanz ein diesbezüglicher rechtskräftiger Bescheid noch nicht vorlag.

Ob die Gemeinde L allenfalls selbst berechtigt wäre, die Schipiste zu präparieren und damit den Beklagten beauftragen könnte, braucht nicht geprüft zu werden, weil nicht behauptet wurde, daß die Gemeinde ein solches Recht für sich in Anspruch nimmt und sich zu dessen Ausübung des Beklagten bedienen will. Eine diesbezügliche Verwaltungsentscheidung liegt auch nicht vor.

Das Erstgericht hat einen Unterbrechungsantrag des Beklagten mit dem Beschluß vom 10. April 1970, ausgefertigt am 14. April 1970 abgewiesen. Dieser Antrag war darauf gegrundet gewesen, daß bei der Gemeinde L ein Verwaltungsverfahren anhängig sei und, wenn auch noch nicht rechtskräftig, bescheidmäßig erkannt worden sei, daß die Klägerin zu gestatten habe, daß die Schipiste durch Schipistengeräte (Ratrac u dgl) mechanisch präpariert werde. Das Erstgericht hat diesem Antrag nicht stattgegeben. Dagegen war ein Rechtsmittel gemäß § 192 Abs 2 ZPO unzulässig. Es kann daher auch keinen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts begrunden, wenn dieses das Urteil des Erstgerichts nicht zu dem Zwecke aufhob, daß diese den inzwischen - angeblich - rechtskräftig gewordenen Bescheid berücksichtigte. Denn dies würde eine Umgehung der Rechtsmittelbeschränkung des § 192 Abs 2 ZPO bedeuten (vgl JBl 1969, 613). Daß das Erstgericht aber nur an einen schon vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz rechtskräftig gewordenen Bescheid gebunden gewesen wäre (vgl Fasching II, 922), bezweifelt auch der Beklagte nicht.

Der Beklagte behauptet schließlich noch, das Berufungsgericht wäre zumindest verpflichtet gewesen, die präjudizielle Vorfrage selbst zu entscheiden, ob ein unpräpariertes Pistenstück gegenüber einem präparierten Pistenstück ein bestehendes Hindernis im Sinne von § 4 Abs 1 Vorarlberger Sportgesetz LGBl 1968/9 darstelle und der Kläger daher berechtigt wäre, es durch Präparierung der Schneedecke mit einem motorisierten Pistengerät zu beseitigen.

§ 4 Abs 1 leg cit lautet: "Zur Herstellung oder Aufrechterhaltung von besonders wichtigen Möglichkeiten der Ausübung des Schisports kann der Gemeindevorstand die Schaffung von Hindernissen untersagen und die Beseitigung bestehender Hindernisse verfügen. Gebäude gelten nicht als Hindernisse im Sinne dieser Bestimmung.

Ob der Beklagte einen Anspruch auf Bescheiderlassung im Sinn des § 4 Abs 1 leg cit hat, kann nicht als Vorfrage vom Gericht entschieden werden, weil es sich hier nicht um einen Akt der Rechtsfeststellung handelt, sondern der Rechtsgestaltung, die nur die Verwaltungsbehörde vornehmen kann. Durch einen Gestaltungsakt der Verwaltungsbehörde, durch den dem Beklagten die Verwendung des Pistenräumgerätes zur Präparierung der Schneedecke auf der Parzelle der Klägerin Nr 54/1 eingeräumt wurde, könnte allerdings das Eigentumsrecht der Klägerin eingeschränkt werden.

Anmerkung

Z43233

Schlagworte

Pistenräumgerät, Einsatz auf Skiabfahrten, Skiabfahrt, Einsatz von Pistenräumgeräten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0040OB00613.7.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19701215_OGH0002_0040OB00613_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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