TE OGH 1971/2/3 3Ob10/71

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Veröffentlicht am 03.02.1971
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Norm

ABGB §526
ABGB §529
ABGB §1445
ABGB §1446
EO §156
EO §216

Kopf

SZ 44/10

Spruch

Obwohl § 1446 erster Satz ABGB nur § 526 ABGB zitiert, hat die Bestimmung auch bei anderen persönlichen Dienstbarkeiten zu gelten. Das Wohnungsrecht eines Miteigentümers ist daher bei der Meistbotsverteilung zu berücksichtigen

OGH 3. 2. 1971, 3 Ob 10/71 (LG Innsbruck 2 R 606/70; BG Innsbruck 7 E 126/68)

Text

Anläßlich der Tagsatzung über die Verteilung des Meistbotes der am 17. 3. 1970 versteigerten Liegenschaft EZ 35/II KG I, die dem Franz und der Ludmilla G je zur Hälfte gehört hatte, wurde die Dienstbarkeit der Wohnung für Ludmilla G mit einem Wert von S 240.000.- angemeldet. Die Gläubiger Johann P und Herta S erhoben gegen diese Forderungsanmeldung Widerspruch, weil Ludmilla G Miteigentümerin der Liegenschaft gewesen sei und daher an eigener Sache kein Wohnungsrecht habe begrunden können. Weiters meldete Johann L auf Grund einer Vorrangseinräumung eine Forderung von S 200.000.- samt Zinsen und Kosten an, gegen die die beiden Genannten ebenfalls Widerspruch erhoben. Dr W habe bereits am 15. 5. 1965 eine Vorrangseinräumungserklärung zugunsten des P und der S abgegeben, die Ausfertigung dieser Vorrangseinräumung sei erst später erfolgt. Johann L, der das Darlehen erst später an die Ehegatten G gegeben habe, sei nicht gutgläubig hinsichtlich des Erwerbes der Satzweichungserklärung gewesen. Sein Rang liege daher hinter den Rängen des P und der S, weil nicht die bücherliche Eintragung maßgebend sei, sondern die Tatsache der Abtretung des Ranges.

Das Erstgericht berücksichtigte die beiden Forderungen im angemeldeten Rang. Der Widerspruch gegen die Berücksichtigung der Dienstbarkeit der Wohnung sei schon deshalb nicht berechtigt, weil S und P auch beim Ausfall des Wohnungsrechtes nicht mehr zum Zuge kämen. Überdies erlösche durch Erwerb eines ideellen Hälfteanteils einer Liegenschaft das zugunsten des Erwerbers eingetragene Bestandrecht nicht. Die Vorrangseinräumung zugunsten des L sei am 15. 1. 1968 erfolgt, die zugunsten des P und der S erst am 6. 8. 1969 bzw am 6. 5. 1970, also später.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Hinsichtlich des Wohnungsrechtes der L G billigte es die Rechtsausführung des Erstgerichtes, hinsichtlich der Forderung des L führte es aus, der bücherliche Erwerber eines Rechtes müsse dem außerbücherlichen Erwerber nur dann weichen, wenn er von der früheren Überlassung dieses Rechtes nicht zur Kenntnis hatte, sondern sein bücherliches Recht arglistig erschlichen habe. Arglist habe P aber nicht behauptet.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der beigetretenen betreibenden Partei Franz P nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der von Franz P erhobene Revisionsrekurs ist nicht begrundet.

Der Rechtsmittelwerber ist der Meinung, es kämen beim Wohnungsrecht nicht die Bestimmungen der §§ 526, 1446 ABGB zur Anwendung, sondern die der §§ 529, 1445 ABGB, weil es sich um eine persönliche Servitut handle, die mit dem Erwerb der dienenden Sache erlösche.

Im ersten Satz des § 1446 ABGB wird die allgemeine Regel aufgestellt, daß Rechte und Verbindlichkeiten, die in den öffentlichen Büchern einverleibt sind, durch Vereinigung nicht aufgehoben werden, bis die Löschung aus den öffentlichen Büchern erfolgt ist. Aus der nur beispielsweise erfolgten Zitierung des § 526 im § 1446 ABGB kann keineswegs geschlossen werden, der Gesetzgeber habe persönliche Dienstbarkeiten deshalb aus der allgemeinen Regelung des § 1446 erster Satz ABGB ausschließen wollen, weil er dort nur den § 526 zitiert hat, der sich nur auf Grunddienstbarkeiten bezieht. Auch Klang (in Klang[2] II 610) ist der Meinung, daß die Bestimmung dieser Gesetzesstelle im Zusammenhang mit § 1446 ABGB auch bei anderen persönlichen Dienstbarkeiten zu gelten hat. Dieselbe Meinung vertritt Gschnitzer (Sachenrecht, 154) und auch der Oberste Gerichtshof hat in verschiedenen Entscheidungen diese Meinung ausgesprochen (vgl 5 Ob 191/68, SZ 9/289, Immz 1957, 91). Das Wohnungsrecht der Ludmilla G wurde daher bei der Meistbotsverteilung mit Recht berücksichtigt.

Die Vorrangseinräumung für die Forderung des L erfolgte im Grundbuch früher als die für die Forderung des P, es gilt also grundsätzlich die Bestimmung des § 440 ABGB, wonach es auf die Eintragung im Grundbuch ankommt. Nur bei Arglist kann von diesem Grundsatz abgegangen werden. Unter Arglist ist aber nicht schlechthin jede bewußte und gewollte Rechtsverwirklichung ohne Bedachtnahme auf Rechte anderer zu verstehen, sondern nur ein betrügerisches Vorgehen. Es genügt also nicht das bloße Wissen, einem andern sei ein gleiches Recht schon früher mündlich eingeräumt worden, sondern es muß ein betrügerisches Zusammenwirken zwischen dem, der das Recht einräumt und dem, der es erhält, um den Dritten zu schädigen, vorliegen. Erwirkt aber ein obligatorisch Berechtigter vor einem andern ebenfalls nur obligatorisch Berechtigten die frühere bücherliche Eintragung seines Rechtes, dann handelt er in Ausübung seines Rechtes, dieses in ein dingliches umzuwandeln. Eine betrügerische Handlung liegt darin aber nicht (vgl SprR 59, SZ 3/114, SZ 10/82, SZ 28/31, SZ 32/14, 4 Ob 555/67 ua). Die Kenntnis des anderen Geschäftes allein schadet also einem solchen Gläubiger nicht, weil niemandem zugemutet werden kann, den Ursachen nachzuforschen, aus denen der Vollzug der zwischen andern geschlossenen Verträge unterblieben ist (Klang in Klang[2] II 362).

Den Ausführungen des Revisionsrekurses, es sei schon im Widerspruch Arglist auf Seite des L behauptet worden, kann nicht gefolgt werden. Wie bereits oben dargelegt wurde, hat P in seinem Widerspruch nur ausgeführt, ihm sei bereits vor L von Dr W mündlich eine Vorrangseinräumung zugesagt worden, das habe L gewußt, er habe daher einen schlechteren Rang, weil nicht die bücherliche Eintragung maßgebend sei, sondern die mündliche Erklärung. Von einem arglistigen oder betrügerischen Vorgehen zwischen L und Dr W wird im Widerspruch also nichts gesagt, sondern nur eine Kenntnis des L von der früheren Vorrangseinräumung an P behauptet. Da Franz P also keine Tatsachen behauptet hat, die seinen Widerspruch beachtlich erscheinen ließen, war er nicht auf den Rechtsweg zu verweisen, sondern wurde sein Widerspruch mit Recht abgewiesen (vgl Neumann - Lichtblau[4] 1456).

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Anmerkung

Z44010

Schlagworte

Dienstbarkeit, Vereinigung bei persönlicher -, Meistbotsverteilung, Wohnungsrecht eines Miteigentümers, Miteigentümer, Wohnungsrecht, Persönliche Dienstbarkeit, Vereinigung, Servitut, Vereinigung bei persönlicher -, Vereinigung, persönliche Dienstbarkeit, Vereinigung, Wohnungsrecht eines Miteigentümers, Wohnungsrecht, Miteigentümer, Wohnungsrecht, Vereinigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0030OB00010.71.0203.000

Dokumentnummer

JJT_19710203_OGH0002_0030OB00010_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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