TE OGH 1971/2/24 5Ob11/71

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Veröffentlicht am 24.02.1971
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Norm

Vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich Art8 Nr 11
Handelsvertretergesetz §29
Handelsvertretergesetz §30 Abs2

Kopf

SZ 44/21

Spruch

Soweit das HVG nichts anderes bestimmt, finden die Vorschriften des HGB und des allgemeinen bürgerlichen Rechtes auf die dem HVG unterliegenden Vertragsverhältnisse, darunter auch den Mäklervertrag, Anwendung

Art 6 Nr 11 EVHGB regelt nicht nur den Fall der Vollmachtsüberschreitung, sondern auch den des Handelns ohne Vertretungsmacht. - War der Machtgeber, für den eingeschritten wurde, Kaufmann, ist der gesetzliche Erfüllungsanspruch nach den Vorschriften des Handelsrechtes zu beurteilen, nämlich so, als ob das Rechtsgeschäft vom Vertretenen abgeschlossen worden wäre

OGH 24. 2. 1971, 5 Ob 11/71 (OLG Graz 4 a R 81/70; LG Klagenfurt 20 Cg 254/67)

Text

Ingrid J, die Eigentümerin der Liegenschaft EZ X, bestehend aus den Grundstücken 589/4, Haus mit Garten, und 589/5, Garten, war, erteilte im Jahre 1964 der Klägerin den Auftrag, das Grundstück 589/4 (Haus A-steig 5 mit 1000m[2] Garten) zum Verkauf zu vermitteln. Ob der Klägerin auch ein Auftrag zur Vermittlung des Verkaufs des Gartengrundstücks 89/5 erteilt wurde, steht nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens noch nicht fest.

Der Schwager des Beklagten, Josef M, ist Direktor der K-AG. Josef M teilte dem Beklagten einmal privat mit, daß die K-AG interessiert sei, Grundstücke in Klagenfurt oder Villach anzukaufen.

Am 29. 1. 1965 erschien der Beklagte (ohne eine Vollmacht der K-AG zu besitzen) im Büro der Klägerin. Er interessierte sich für den Ankauf von Grundstücken und unterfertigte folgende Erklärung: "Im Fall des Ankaufs einer Realität, welche mir durch die Kanzlei der Klägerin angeboten wurde, verpflichte ich mich, bei Kaufseinigung an die Klägerin nachstehende Provision zu entrichten: 3% bei einem Wert der Realität über S 150.000.-." Da der Beklagte angab, für eine Gesellschaft einzuschreiten, wurde nach seiner Unterschrift vermerkt "Für eine Gesellschaft". Ihm wurde daraufhin die der Ingrid J gehörige Liegenschaft mit dem Haus A-steig 5 bekanntgegeben. In der Folge erstattete der Beklagte an seinen Schwager bzw an die K-AG einen schriftlichen Bericht.

Nach dem Einlangen des Berichtes des Beklagten verhandelten Direktor Josef M und der Angestellte der K-AG, Walter P, direkt mit der Gründeigentümerin Ingrid J. Es kam zwischen ihnen zu einer Einigung darüber, daß die K-AG das Grundstück 589/4, Haus mit Garten, um den Betrag von S 590.000.- kaufte. Später wurde auch noch das anschließende Gartengrundstück 589/5 um den Preis von S 300.000.- gekauft. Die Käuferin (K-AG) trat mit der Klägerin nie in Verbindung. Bei den Kaufverhandlungen mit Ingrid J lehnte es die K-AG stets ab, über ein Vermittlungsbüro zu kaufen und irgend welche Provisionen zu zahlen.

Der Beklagte war am Zustandekommen des Kaufvertrages sehr interessiert. Er erhielt von der Klägerin für die Vermittlung einen Betrag von S 1200.- oder S 1300.-. Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erlangt hatte, daß die K-AG grundsätzlich keine Vermittlungsprovision zahle, sprach er beim Gatten der Klägerin, Anton Z vor. Der Unterredung wurde auch Ingrid J zugezogen, und es wurde vorgeschlagen, daß ohne Benennung der Käuferprovision die Provision zum Kaufpreis zugeschlagen und dann von Ingrid J aus dem erhöhten Kaufpreis gezahlt werde. Ingrid J erklärte, sie müsse sich erst mit ihrem Anwalt Dr S beraten. Zu einer Vereinbarung, wonach Ingrid J die Zahlung der Käuferprovision übernimmt, kam es nicht. Nach der Auskunft Doris S, daß für sie keine Verpflichtung zur Zahlung einer Käuferprovision bestehe, gab Ingrid J keine weitere Erklärung mehr ab.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von S 26.700.- samt 4% Zinsen seit 2. 1. 1966 zu zahlen. Die Klage wird darauf gestützt, daß dem Beklagten die beiden Grundstücke 589/4 und 589/5 der Liegenschaft EZ X von der Klägerin zum Kauf angeboten worden seien. Der Beklagte habe sich für den Fall des Abschlusses eines Kaufvertrages zu einem S 150.000.- übersteigenden Kaufpreis zur Zahlung einer Käuferprovision von 3% verpflichtet. Der Beklagte habe die Grundstücke der K-AG angeboten. Zwischen der K-AG und Ingrid J sei es zum Abschluß von Kaufverträgen zu einem Gesamtkaufpreis von S 890.000.- gekommen. Da die Klägerin mit dem Beklagten verhandelt und ihm die Grundstücke angeboten habe, habe er die Käuferprovision zu zahlen.

Der Beklagte wendete ein, am 29. 1. 1965 sei es zu einer neuen Vereinbarung gekommen, wonach sich Ingrid J verpflichtet habe, aus dem von der K-AG zu entrichtenden Kaufpreis sowohl die Verkäuferals auch die Käuferprovision zu zahlen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin den Betrag von S 17.700.- samt 4% Zinsen seit 2. 1. 1966 zu zahlen. Hingegen wurde das Mehrbegehren der Klägerin auf Zahlung weiterer S 9000.- samt 4% Zinsen abgewiesen. Das Prozeßgericht ging davon aus, daß der Beklagte keine Vollmacht der K-AG besessen habe. Er sei im eigenen Interesse aufgetreten. Er hafte auf Grund seiner Verpflichtungserklärung v 29. 1. 1965. Eine Vereinbarung, die den Beklagten aus seiner Haftung entlassen hätte, sei nicht zustande gekommen. Der Vermittlungsauftrag habe sich allerdings nur auf das Grundstück 589/4 erstreckt. Dafür sei ein Kaufpreis von S 590.000.- erzielt worden. 3% davon ergebe den zuerkannten Betrag von S 17.700.-. Hingegen habe das Grundstück 589/5 nicht den Gegenstand des Verkaufsauftrages der Liegenschaftseigentümerin Ingrid J gebildet, so daß das Begehren auf Zahlung weiterer S 9000.- sA nicht gerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Prozeßgerichtes insoweit als Teilurteil, als der Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin einen Betrag von S 17.700.- samt 4% Zinsen seit 5. 7. 1967 zu zahlen. Im Ausspruch über die Zuerkennung von 4% Zinsen aus S 17.700.- für die Zeit vom 2. 1. 1966 bis zum 4. 7. 1966 und im Ausspruch über die Abweisung eines Betrages von S 9000.- sA wurde das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Gericht zweiter Instanz vertrat in seinem bestätigenden Urteil - das allein hier in Betracht kommt, da der Aufhebungsbeschluß ohne Rechtskraftvorbehalt erging - die Auffassung, daß das zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Rechtsgeschäft einen Mäklervertrag darstelle. Soweit das HVG nichts anderes bestimme, seien zunächst die Vorschriften des HGB und subsidiär die Bestimmungen des ABGB heranzuziehen. Der Beklagte habe den Mäklervertrag ohne Auftrag oder Vollmacht der K-AG, somit als Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen. Nach Art 8 Nr 11 Abs 1 EVHGB sei, wer als Vertreter ein Handelsgeschäft geschlossen habe, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweise, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigere. Zwar seien weder die Klägerin als Realitätenvermittlerin noch der Beklagte als Architekt als Kaufleute anzusehen. Doch sei es von Belang, ob der vollmachtlose Vertreter den Abschluß des Geschäftes für einen Kaufmann herbeizuführen versucht habe. Gemäß § 3 AktG gelte eine Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes bestehe. Nach der Bestimmung des § 6 HGB fänden die für die Kaufleute gegebenen Bestimmungen auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. Der Abschluß eines Mäklervertrages durch einen Kaufmann mit dem Ziel des Erwerbes eines Grundstücks für die Gesellschaft sei aber als Handelsgeschäft iS des § 343 HGB anzusehen, da nach § 344 HGB die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig anzusehen seien. Da der vollmachtlose Beklagte demnach ein Handelsgeschäft abzuschließen versucht habe, sei die Klägerin nach Art 8 Nr 11 EVHGB in der Lage, wahlweise Erfüllung oder Schadenersatz zu verlangen, wobei die Haftung des falsus procurator unabhängig vom Verschulden eintrete. Da die Klägerin den Mangel der Vertretungsmacht weder gekannt habe noch ihn habe kennen müssen, hafte der Beklagte für die Käuferprovision. Aber selbst für den Fall, daß Art 8 Nr 11 EVHGB nicht anwendbar wäre, hafte der Beklagte gemäß § 1016 ABGB. Nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle hafte nämlich der vollmachtlose Vertreter dem Dritten für den Schaden, den er ihm durch schuldhafte Täuschung über das Bestehen einer Vertretungsmacht zugefügt habe (§ 1295 Abs 1 ABGB). Da der Beklagte ohne Vollmacht versucht habe, den Mäklervertrag für die K-AG abzuschließen, habe er schuldhaft gehandelt und hafte für die der Klägerin entgangene Käuferprovision.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes Folge; er hob die Urteile der Untergerichte, soweit sie den Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 17.700.- samt 4% Zinsen seit 5. 7. 1967 verhalten hatten, auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

In rechtlicher Hinsicht ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß nach § 226 ZPO die Klage ua die Tatsachen, auf die sich der Anspruch des Klägers stützt, zu enthalten hat. Das tatsächliche Vorbringen und nicht die rechtliche Beurteilung dieses Vorbringens ist, wie der OGH ausgesprochen hat (ZBl 1920/24; 8 Ob 92/68; 6 Ob 258/69 ua), der Klagegrund. Nur soweit ein bestimmter Rechtsgrund ausdrücklich geltend gemacht wird, ist das Gericht daran gebunden (SZ 23/74; RZ 1967. 36 ua). Wenn aber der Klage nicht unzweifelhaft entnommen werden kann, daß die klagende Partei eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte, kann, wie der OGH ausgesprochen hat (2 Ob 380/70; 8 Ob 271/70 ua), im Berufungsverfahren eine vom Prozeßgericht abweichende rechtliche Qualifikation erfolgen. Im vorliegenden Fall wird in der Klage vorgebracht, daß die Klägerin dem Beklagten die gegenständliche Liegenschaft zum Kauf angeboten habe; der Beklagte habe sich für den Fall des Abschlusses eines Kaufvertrages zur Zahlung der Käuferprovision verpflichtet. Er habe das Grundstück der K-AG angeboten, die die Liegenschaft gekauft hätte. Die K-AG habe keine Vermittlungsprovision gezahlt. Der Beklagte schulde daher die Käuferprovision. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Klägerin sich auf den Erfüllungsanspruch aus dem Mäklervertrag beschränken wollte. Eine Inanspruchnahme des Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht wird in der Klagserzählung keineswegs ausgeschlossen, sondern nur die vereinbarte Käuferprovision begehrt, ohne daß sich die Klägerin auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt hätte.

Dem Berufungsgericht ist auch beizupflichten, daß der der Klägerin als Inhaberin eines Realitätenbüros erteilte Auftrag und die im Zusammenhang damit getroffenen Vereinbarungen als Mäklervertrag anzusehen sind. Nach § 29 HVG finden, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Stanzl in Klang[2] IV/1, 794; Zedtwitz, Handelsvertretergesetz 113) ausgesprochen hat (SZ 25/168 ua), die Bestimmungen der §§ 2, 4, 5, 6, 11 bis 13, 17 und 18 HVG auch auf Kaufleute und andere Personen Anwendung, die, ohne ständig damit betraut zu sein, für einen anderen Geschäfte vermitteln oder in dessen Namen und für dessen Rechnung abschließen, gleichviel, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Sachen handelt. Soweit das HVG nichts anderes bestimmt, finden nach § 30 Abs 2 leg cit die Vorschriften des HGB und des allgemeinen bürgerlichen Rechtes auf die dem HVG unterliegenden Vertragsverhältnisse, darunter auch den Mäklervertrag, Anwendung (Stanzl in Klang[2] IV/1, 794).

Die Klägerin betreibt als Realitätenvermittlerin keines der in § 1 Abs 2 HGB angeführten Handelsgewerbe. Sie ist daher nicht als Kaufmann anzusehen (Schlegelberger, HGB[4] I § 1 Anm 54; Brüggemann im Großkomm HGB § 1 Anm 52; JBl 1961, 125; 1 Ob 214/70). Daß auf der Seite der Klägerin die Voraussetzungen des § 2 HGB gegeben wären, wurde nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Aber auch der Beklagte als Architekt ist nicht als Kaufmann anzusehen.

Es trifft zu, daß nach § 3 AktG die Aktiengesellschaft als Handelsgesellschaft gilt, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht. Die K-AG als Aktiengesellschaft ist demgemäß als Kaufmann anzusehen (Losert - Schiemer - Stadler, Aktiengesetz § 3 Anm 1; Hämmerle, Handelsrecht[2] II 82). Nach § 6 HGB finden, die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften auf die Handelsgesellschaften Anwendung. Die Geschäfte der Gesellschaft gelten auf ihrer Seite als Handelsgeschäfte (Losert - Schiemer - Stadler, Aktiengesetz § 3 Anm 1). Nach § 345 HGB kommen auf ein Rechtsgeschäft, das für einen der beiden Teile ein Handelsgeschäft ist, die Vorschriften über Handelsgeschäfte für beide Teile gleichmäßig zur Anwendung.

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Beklagte gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die gegen ihn von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche nach Handelsrecht beurteilt werden. Zwischen ihm und der K-AG habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kein Vertragsverhältnis bestanden. Es könne daher beim Abschluß eines von ihm mit der Klägerin getätigten Rechtsgeschäftes nicht von der Kaufmannseigenschaft der K-AG ausgegangen werden.

Dazu ist zu sagen, daß nach Art 8 Nr 11 Abs 1 EVHGB derjenige, er als Vertreter ein Handelsgeschäft geschlossen hat, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet ist, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert. Die angeführte Gesetzesstelle hat, weil die Haftung des falsus procurator nicht im HGB geregelt ist, zur Ausfüllung der Gesetzeslücke die Bestimmung des § 179 BGB in das österreichische Rechtssystem übernommen (Brandstetter, Die vierte Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften, DJ 1939, 156). Sie regelt nicht nur den Fall der Vollmachtsüberschreitung, sondern auch den des Handelns ohne Vertretungsmacht (Soergel - Siebert, BGB[10] I § 179 Anm 3; Brandstetter aaO 156).

Es trifft zu, daß Art 8 Nr 11 Abs 1 EVHGB der Klägerin zwar keinen vertraglichen Anspruch gegen den vollmachtlosen Vertreter, sondern nur einen gesetzlichen Anspruch einräumt. Da aber kraft Gesetzes ein Anspruch auf Vertragserfüllung dem Kontrahenten des Vertreters ohne Vertretungsmacht eingeräumt wurde, kann es sich nur um die Erfüllung eines Rechtsgeschäftes gegenüber dem Vertretenen handeln. Demgemäß sind auch die persönlichen Eigenschaften (wie zB die Handlungsunfähigkeit, Kaufmannseigenschaft) desjenigen, für den der Vertreter einschritt, von Belang. War zB der Vertretene handlungsunfähig, sind die Voraussetzungen für den Erfüllungsanspruch nicht gegeben (Soergel - Siebert aaO § 179 Anm 6). Ist der Machtgeber, für den eingeschritten wurde, Kaufmann, ist der gesetzliche Erfüllungsanspruch nach den Vorschriften des Handelsrechts zu beurteilen. Die Auffassung, daß der Erfüllungsanspruch nach Art 8 Nr 11 EVHGB so zu beurteilen ist, als ob das Rechtsgeschäft vom Vertretenen abgeschlossen worden wäre, wird auch im Schrifttum (Brandstetter aaO 156) und in der Rechtsprechung (AC 2418; NJW 1970. 240 f) vertreten.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kannte die Klägerin den Mangel der Vertretungsmacht des Beklagten nicht. Da der Beklagte die Gesellschaft, für die er einzuschreiten vorgab, nicht nannte, konnte die Klägerin den Mangel der Vertretungsmacht auch gar nicht kennen. Der Beklagte würde daher gemäß Art 8 Nr 11 EVHGB für die Käuferprovision haften, sofern die K-AG den Mäklervertrag nicht genehmigt hätte. Wurde aber der vom falsus procurator geschlossene Mäklervertrag vom Machtgeber (K-AG), sei es ausdrücklich, sei es durch schlüssige Handlungen, genehmigt, dann haftet für die Käuferprovision der vertretene Machtgeber. Daneben greift eine Haftung des falsus procurator, der im vorliegenden Fall allein belangt wird, nicht mehr Platz.

Eine Genehmigung des Vertretenen kann schlüssig, wie der OGH ausgesprochen hat (1 Ob 32/61; 5 Ob 266/68 ua), auch dergestalt erfolgen, daß sich der vertretene Machtgeber, der aus dem Rechtsgeschäft begünstigt wird, den daraus entstandenen Vorteil zuwendet (§ 1016 ABGB). Das ist im vorliegenden Fall dadurch geschehen, daß sich die Vertretene (K-AG) den Vorteil (Grundstückserwerb) des zwischen dem falsus procurator (Beklagten) und der Klägerin als Inhaberin eines Realitätenbüros abgeschlossenen Mäklervertrages zugeeignet hat (Zeiller, § 1016 ABGB Anm 2; Swoboda, Recht der Schuldverhältnisse 250). Allein die Aneignung des Vorteils ist, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Ehrenzweig[2] I/1, 282 P III) ausgesprochen hat (EvBl 1962/90; 5 Ob 266/68 ua), nur dann der Genehmigung des Geschäftes gleichzustellen, wenn der Vertretene von dem ohne Vollmacht geschlossenen Geschäft weiß. Darüber, ob die K-AG von dem vom Beklagten ohne Vollmacht geschlossener Mäklervertrag Kenntnis hatte, fehlen Feststellungen. Nach § 182 ZPO hat das Gericht bei der mündlichen Verhandlung durch Fragestellung oder in anderer Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben vervollständigt und alle Aufschlüsse gegeben werden, die zur Feststellung des Sachverhaltes notwendig erscheinen. Nach der angeführten Gesetzesstelle hat das Gericht die für die Entscheidung eines Rechtsstreites erheblichen Tatsachen auch dann klarzustellen, und die Parteien zu einem sachdienlichen Vorbringen und entsprechenden Beweisanträgen anzuleiten, wenn sie durch Rechtsanwälte vertreten sind (Fasching II 871; 8 Ob 163/69; JBl 1970, 623). Das Fehlen hinreichender Feststellungen hat aber zur Folge, daß die Sache noch nicht spruchreif erscheint.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Prozeßgericht die fehlenden Feststellungen nachzutragen haben. Hat die K-AG von dem vom Beklagten mit der Klägerin abgeschlossenen Mäklervertrag keine Kenntnis erlangt, wird die Haftung des Beklagten für die Käuferprovision zu bejahen sein. Hatte aber die K-AG vom gegenständlichen Mäklervertrag Kenntnis, wird der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten nicht gegeben sein.

Der Revision war somit aus den aufgezeigten Gründen Folge zu geben, und

Anmerkung

Z44021

Schlagworte

falsus procurator, Kaufmann als Machtgeber, Regelung des Art 8 Nr 11, EVHGB, Mäklervertrag, Anwendung der Vorschriften des HGB und des ABGB, Vollmachtsüberschreitung, Handeln ohne Vertretungsmacht, Regelung nach, Art 8 Nr 11 EVHGB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00011.71.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19710224_OGH0002_0050OB00011_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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