TE OGH 1971/5/4 4Ob26/71

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Veröffentlicht am 04.05.1971
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Norm

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §355
JN §1
ZPO §228

Kopf

SZ 44/62

Spruch

Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung eines bereits beendeten privatrechtlichen Dienstverhältnisses, da die Feststellung eines solchen zB für einen Verwaltungsbescheid über die Versicherungspflicht von Bedeutung sein kann

OGH 4. 5. 1971, 4 Ob 26/71 (LGZ Wien 44 Cg 145/70; ArbG Wien 4 Cr 1454/69)

Text

Der Kläger behauptet, in der Zeit vom 1. 5. 1939 bis 31. 5. 1939 und vom 1. 7. 1939 bis 4. 9. 1946 bei der Beklagten als Außenbeamter beschäftigt gewesen zu sein. Nach seiner Wehrdienstleistung habe er sich bereits am 24. 4. 1945 bei der Beklagten wieder zum Dienst gemeldet und bis 4. 9. 1946 dort auch gearbeitet. Hiefür habe er einen monatlichen Gehalt von S 150.- bezogen. Er habe mit Rücksicht auf die Berechnung des Versicherungszeitraums für seine Invaliditätsversicherung ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung dieses Arbeitsverhältnisses und beantragt die Feststellung, daß er bei der Beklagten in der Zeit vom 1. 7. 1939 bis 4. 9. 1946 in einem Dienst- und Arbeitsverhältnis gestanden sei und für seine Tätigkeit ein monatliches Entgelt von S 150.- erhalten habe.

Die Beklagte beantragt, das Begehren abzuweisen; sie gab als richtig zu, daß das Dienstverhältnis vom 1. 7. 1939 bis 4. 9. 1946 aufrecht bestanden habe, doch habe der Kläger während dieser Zeit keine Tätigkeit für die Beklagte ausgeübt und auch kein Entgelt von ihr erhalten. Der Kläger sei im Jänner 1941 zur Wehrmacht eingerückt und habe sich erst am 4. 9. 1946 bei der Beklagten zurückgemeldet.

Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es stellte fest, der Kläger sei am 7. 1. 1941 zur deutschen Wehrmacht eingerückt und habe sich am 4. 9. 1946 bei der Beklagten wieder zum Dienst gemeldet, an welchem Tage das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden sei.

Ein Entgelt von S 150.- monatlich habe er nicht bekommen. Bis zum Jahre 1946 sei an ihn nur eine freiwillige monatliche Zuwendung von RM 54.80 bezahlt worden. Das Feststellungsbegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der vom Kläger ergriffenen Berufung das Ersturteil und das der Urteilsfällung vorausgegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage unter gegenseitiger Kostenaufhebung mit der Begründung zurück, Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Berechnung, Anrechnung, Erstattung und den Ersatz von Sozialversicherungsbeiträgen könnten nur im Verwaltungsweg entschieden werden. Der Kläger wünsche im vorliegenden Fall nichts anderes als festzustellen, daß zur Beklagten ein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis bestanden habe. Über die Versicherungspflicht aber habe in erster Instanz die Wiener Gebietskrankenkasse und in zweiter Instanz das Amt der Wiener Landesregierung zu entscheiden. Es handle sich um eine Verwaltungssache iS des § 355 ASVG. Daß dies der Kläger auch erkannt habe, ergebe sich aus der Tatsache, daß er das diesbezügliche Verfahren bei der Wiener Gebietskrankenkasse eingeleitet habe. Sein Antrag sei teilweise abgewiesen worden. Das Rechtsmittelverfahren sei beim Landeshauptmann für Wien anhängig, von diesem aber wegen des gegenständlichen arbeitsgerichtlichen Verfahrens unterbrochen worden. Da für die Entscheidung von der Rechtsordnung der Verwaltungsweg vorgesehen sei, sei der ordentliche Rechtsweg verschlossen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine Sachentscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es trifft zwar zu, daß gemäß § 355 Z 1 ASVG die Feststellung der Versicherungspflicht, der Versicherungsberechtigung sowie des Beginnes und des Endes der Versicherung zu den Verwaltungssachen gehört, jedoch werden vom Kläger nicht diese Feststellungen begehrt, vielmehr will er das Bestehen eines privatrechtlichen entgeltlichen Dienstverhältnisses festgestellt haben, und zwar für eine Zeit, als privatrechtliche Beziehungen zwischen den Parteien bestanden haben sollen. Er will damit vom Gericht eine Vorfrage gelöst wissen, die für einen späteren Verwaltungsbescheid über die Anrechnung von Versicherungszeiten bedeutsam sein kann.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen (so insbesondere SZ 35/2, EvBl 1962/354, 4 Ob 76/62) dargelegt, daß ein Feststellungsbegehren, das dazu dient, höhere Entlohnungsansprüche im gegenwärtigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis hervorzubringen, jedenfalls in die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes fällt, wenn es eine Zeit betrifft, in der der Kläger noch Vertragsbediensteter gewesen ist. Nicht anders liegt hier der Fall. Über den Anspruch auf Feststellung der Versicherungspflicht während einer bestimmten Zeit ist zwar ebenso im Verwaltungsverfahren zu entscheiden wie im Fall eines inzwischen pragmatisierten Vertragsbediensteten über die Vordienstzeitanrechnung. Die hier begehrte Feststellung über ein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seinerzeit bestandenes privatrechtliches Dienstverhältnis kann aber für einen Verwaltungsbescheid über die Versicherungspflicht von Bedeutung sein; dieser könnte davon abhängig sein, wie das privatrechtliche Dienstverhältnis seinerzeit gestaltet war. Daraus folgt aber auch das Feststellungsinteresse. Gerade daraus, daß nach den damaligen Gesetzesvorschriften eine Versicherungspflicht anzunehmen war, wenn der Versicherte in einem Arbeitsverhältnis gegen Entgelt gestanden war, ergibt sich für die Rechtssphäre des Klägers eine erhebliche Bedeutung. Eine andere, von den Gerichten nicht zu entscheidende Frage ist, welche Schlüsse die Verwaltungsbehörde aus der arbeitsgerichtlichen Entscheidung für das öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnis ziehen wird. In die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde wird also durch die vorliegende Entscheidung nicht eingegriffen.

Anmerkung

Z44062

Schlagworte

Dienstverhältnis, Feststellung eines bereits beendeten - Feststellung, Bestehen eines bereits beendeten Dienstverhältnisses Feststellungsklage, Bestehen eines bereits beendeten Dienstverhältnisses Rechtliches Interesse, Feststellung eines bereits beendeten Dienstverhältnisses Rechtsweg, ordentlicher, Feststellung eines bereits beendeten Dienstverhältnisses Versicherungspflicht, Feststellung eines bereits beendeten Dienstverhältnisses Zulässigkeit des Rechtsweges, Feststellung eines bereits beendeten Dienstverhältnisses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0040OB00026.71.0504.000

Dokumentnummer

JJT_19710504_OGH0002_0040OB00026_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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