TE OGH 1971/5/25 8Ob100/71

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Veröffentlicht am 25.05.1971
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Norm

ZPO §237 Abs3
ZPO §477

Kopf

SZ 44/79

Spruch

Die Entscheidung über ein vorher unter Anspruchsverzicht zurückgezogenes Klagebegehren ist mit einer den im § 477 ZPO angeführten Nichtigkeiten gleichzusetzenden Nichtigkeit behaftet

OGH 25. 5. 1971, 8 Ob 100/71 (LGZ Linz 29 R 26/71)

Text

Der Kläger begehrte vom Erstbeklagten als schuldigem Lenker und von der Zweitbeklagten als dessen Haftpflichtversicherer den Ersatz seines Unfallschadens von S 4998.-. In der Tagsatzung vom 29. 12. 1969 hat der Kläger seine Klage gegen die Zweitbeklagte "unter Verzicht auf den Anspruch fallen gelassen".

Das Erstgericht hat dessenungeachtet mit Urteil vom 30. 10. 1970 beide Beklagte zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Kläger den Klagsbetrag zu bezahlen.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluß die Berufung der Zweitbeklagten mit der Begründung zurückgewiesen, es handle sich ihr gegenüber um ein Nichturteil, das ipso facto unwirksam sei und somit keiner Aufhebung bedürfe.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der Zweitbeklagten gegen den berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß Folge gegeben, diesen Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Zweitbeklagten unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der unrichtig als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs ist gemäß § 519 Z 1 ZPO zulässig.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Prozeßerklärung des Klägers als Rückziehung seiner Klage gegen die Zweitbeklagte unter Anspruchsverzicht nach dem § 237 ZPO zu werten ist und einer urteilsmäßigen Erledigung der Klage gegen die Zweitbeklagte iS des Klagebegehrens entgegenstand. Hat aber das Erstgericht trotzdem ein Urteil gegen die Zweitbeklagte gefällt, das diese zu Leistungen an den Kläger verpflichtet, dann kann ihr die Rechtsmittelbefugnis nicht abgesprochen werden (vgl die allerdings auf Grund eines anders gearteten Sachverhaltes ergangene Entscheidung 7 Ob 174/70 EvBl 1971/129). Das Berufungsgericht beruft sich zur Stützung seiner Ansicht, es handle sich um ein Nichturteil, das einer Anfechtung nicht bedürfe und auch nicht zugänglich sei, zu Unrecht auf die Ausführungen Faschings zum sogenannten Nichturteil. Fasching hat hiebei nicht den hier vorliegenden Fall einer versehentlichen Entscheidung über ein vorher unter Anspruchsverzicht zurückgezogenes Klagebegehren im Auge. Er führt vielmehr die Entscheidung über einen durch Klagsrücknahme unter Anspruchsverzicht erledigten Anspruch ausdrücklich als einen der nicht im § 477 ZPO genannten Nichtigkeitsgrunde an (Fasching, Komm zu den Zivilprozeßgesetzen 106 Anm 10 zu § 477 ZPO). Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Daß die Aufzählung der Nichtigkeitsgrunde in § 477 ZPO nicht erschöpfend ist, entspricht der überwiegenden Lehre und herrschenden Rechtsprechung (vgl SZ 21/37 uva). Daß die Entscheidung über ein vorher unter Anspruchsverzicht zurückgezogenes Klagebegehren eine Gesetzesverletzung darstellt, die einer der im § 477 ZPO angeführten Nichtigkeiten gleichzusetzen ist, kann nicht zweifelhaft sein.

Es war daher der angefochtene Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Anmerkung

Z44079

Schlagworte

Anspruchsverzicht, Entscheidung über zurückgezogenes Klagebegehren, Klagebegehren, Entscheidung über zurückgezogenes -, Klagsrückziehung, Entscheidung über das Klagebegehren trotz -, Nichtigkeit, Entscheidung über zurückgezogenes Klagebegehren, Nichtigkeitsgrund, Entscheidung über zurückgezogenes Klagebegehren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0080OB00100.71.0525.000

Dokumentnummer

JJT_19710525_OGH0002_0080OB00100_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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