TE OGH 1971/6/17 2Ob282/70

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Veröffentlicht am 17.06.1971
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Norm

ABGB §1313a
Eisenbahnverkehrsordnung §5 Abs2
Eisenbahnverkehrsordnung §66 Abs5

Kopf

SZ 44/94

Spruch

Die Eisenbahn haftet für ein Verschulden ihrer Bediensteten, wenn diese es unterlassen, den Absender auf offensichtliche oder von ihnen festgestellte Mängel der Verpackung hinzuweisen. Sie haftet aber nicht schon dann, wenn die Bediensteten bei einer mangelhaften Verladung gefälligkeitshalber mitwirken

OGH 17. 6. 1971, 2 Ob 282/70 (OLG Linz 2 R 57/70; LG Salzburg 4 Cg 738/68)

Text

Am 20. 4. 1968 wurde ein den Österreichischen Bundesbahnen von N und Co zur Beförderung übergebener Kran der Klägerin zwischen den Bahnstationen R und F beschädigt. Es entstand dabei auch an Bahnanlagen Schaden.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten S 120.372.- samt Anhang mit der Behauptung, es sei ihr durch die Beschädigung des Kranes, die auf ein Verschulden der Bediensteten der Eisenbahn zurückzuführen sei, ein Schaden in dieser Höhe entstanden. Die Baugesellschaft N und Co habe ihr die Ansprüche aus dem Frachtvertrag abgetreten.

Die Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestreitet ein Verschulden ihrer Bediensteten und wendet ein, der Absender habe den Kran mangelhaft verladen. Sie hafte daher nicht für den an dem beförderten Gut eingetretenen Schaden. Für den Fall des Bestehens der Klagsforderung werde der an den Bahnanlagen entstandene Schaden von S 37.296.- aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht verneinte den Bestand der Klagsforderung und wies daher das Klagebegehren ab, ohne auf die Gegenforderung einzugehen.

Die Feststellungen des Erstgerichtes lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Am 19. 4. 1968 übergab die Firma N und Co der Beklagten in R einen der Klägerin gehörenden Reichkran zur Beförderung an die P-AG nach S. Der Kran wurde als Wagenladung aufgegeben. Er hatte ein Gewicht von etwa 10 t. Er wurde am 19. 4. 1968 von Arbeitern der Firma N und Co im Beisein des von der Klägerin beigestellten Kranmonteurs R auf einen von der Beklagten bereitgestellten Flachwagen verladen. Die Verladearbeiten dauerten insgesamt von 8 Uhr früh bis in die Nachmittagsstunden des 19. 4. 1968 (Freitag).

Bei diesem ersten Verladen durch R waren Drehwerk und Turmfußstück des Kranes durch Bolzen so miteinander verbunden, daß ein Ausschwenken des Drehwerkes unmöglich gewesen wäre. Es hätte auch keine Rolle gespielt, daß am Drehwerk keine Feststellungsbremse vorhanden war. Um ein Ausschwenken des Drehwerkes zu verhindern, hätte es auch keiner Drahtverbindungen zwischen Drehwerk und Eisenbahnwaggon bedurft.

Im Verlaufe der Verladearbeiten hielt der Magazinmeister des Bahnhofes R Oskar B wiederholt Nachschau. Da er wegen der Breite der Ladung Bedenken hatte, veranlaßte er die Überprüfung der Ladung durch den Wagenmeister des Bahnhofes F Hubert W. Dieser stellte eine Überschreitung des Lademaßes um 5 cm in der Höhe fest und regte an, entweder die Bereifung des Kranes abzumontieren oder den Kranausleger tiefer zu legen.

R hatte sich gleich nach der ersten Verladung entsprechend dem ihm von der Klägerin erteilten Auftrag um etwa 16 Uhr entfernt. Der mit der Verladung von der Firma N und Co betraute Arbeiter Urban B entschied sich dafür, den Ausleger tiefer zu legen. Der Wagenmeister Hubert W "ordnete an", die Bolzenverbindung, die ein geeignetes Mittel zur Festlegung des schwenkbaren Teiles der Ladung im Sinne der Beladebestimmungen gewesen wäre, zu lösen, das Turmfußstück tiefer zu legen, es zu unterbauen und - was vorher nicht notwendig gewesen wäre - es auf dem Waggonboden abzustützen und die beiden Kranteile mit Draht zu verbinden. Hubert W entfernte sich gegen 17 Uhr 30. Er verfolgte und überprüfte das Tieferlegen des Auslegers nicht mehr.

Urban B, der im Verladen von Kränen keine Erfahrung hatte, erteilte den Arbeitern Ernst S und Eduard G der Firma N und Co die Anweisung, wie die Arbeit durchzuführen und der Kranausleger zu sichern sei. Er war bestrebt, alle "Anordnungen" des Hubert W zu befolgen. Er verwendete zum Verdrahten einen 8 mm starken Draht, der leichter bricht als ein Bund von dünnen Drähten, wenn er um Kanten von Profilen oder Trägern gewürgt wird. Es ist fraglich, ob bei einem Draht mit 8 mm Durchmesser der Vorschrift entsprochen werden kann, daß Bindedrähte jeweils nur in gerader Zahl um die Befestigungspunkte geschlungen werden dürfen und durch Verdrillen zu spannen sind. Eine den Beladebestimmungen entsprechende ordnungsgemäße Bindung zwischen Drehwerk und Eisenbahnwaggon wurde nicht hergestellt, sondern nur eine Verbindung zwischen den beiden Kranteilen mit 8 mm starkem Draht.

Am Abend des 19. 4. 1968 hielt der Magazinmeister Oskar B noch einmal Nachschau und stellte fest, daß die Tieferlegung durchgeführt worden war. Er überprüfte auch die Verdrahtung und Verkeilung des Langträgers.

Die Abbeförderung des Kranes erfolgte am 20. 4. 1968. Während der Fahrt zwischen R und F schwenkte das Drehwerk des Kranunterwagens seitlich aus und knickte einen Fahrleitungsmast. Dabei wurden der Kran total und die Fahr- und Verstärkungsleitung teilweise beschädigt. Es ist möglich, daß die mit 8 mm starkem Draht hergestellte Verbindung zwischen Drehwerk und Turmfußstück durch die starke Belastung, die durch die Bewegung des Zuges entstand, gerissen ist. Wäre eine den Beladebestimmungen entsprechende ordnungsgemäße Bindung zwischen Drehwerk und Waggon hergestellt worden, dann hätte es nicht zum Ausschwenken des Drehwerkes und zum Eintritt des Schadens kommen können.

Das Frachtbriefdoppel trägt den Tagesstempel des Versandbahnhofes R vom 19. 4. 1968, 16 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Kran von der Beklagten zur Beförderung noch nicht übernommen.

Die Firma N und Co trat sämtliche Ansprüche und Berechtigungen aus diesem Schadensereignis gegen die Beklagte an die Klägerin ab.

Nach einer internen Dienstvorschrift der Beklagten hat die Bahn darauf zu achten, daß beim Verladen von Gütern die bezüglichen Vorschriften eingehalten werden. Bei vom Absender verladenen Gütern hat der Versandbahnhof vor Annahme des Gutes zu prüfen, ob die Vorschriften über das betriebssichere Verladen eingehalten sind.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, bei als Wagenladungen aufgegebenen Gütern obliege die Verladung dem Absender, der die für das Verladen festgesetzten Bestimmungen zu beachten und für alle Folgen mangelhaften Verladens zu haften habe. Die Verladebestimmungen seien offensichtlich nicht eingehalten worden. Da die Beschädigung des Gutes darauf zurückzuführen sei, sei die Beklagte nach § 94 Abs 3 lit c EVO haftungsfrei. Daran ändere es nichts, wenn Bedienstete der Eisenbahn bei der Beladung unrichtige Anweisungen erteilt oder das Gut trotz mangelhafter Verladung unbeanstandet zum Transport übernommen hätten.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und folgte dessen rechtlicher Beurteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin bestreitet nicht mehr, daß die Verladung des Reichkranes unsachgemäß erfolgt ist, daß die Beschädigung des Frachtgutes aus der sich daraus ergebenden Gefahr entstehen konnte bzw auch tatsächlich darauf zurückzuführen ist und daß die Verladung des Kranes durch den Absender zu erfolgen hatte, sodaß die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung nach § 94 Abs 3 lit c EVO grundsätzlich gegeben sind. Sie stützt ihren Anspruch nur mehr darauf, daß sich die Bediensteten der Beklagten ohne Not in ein fremdes Geschäft, nämlich in die Verladung des Kranes, gemengt hätten, daß sie diesbezüglich ein Verschulden treffe und daß die Beklagte nach § 5 Abs 2 EVO für das Verschulden ihrer Bediensteten hafte. Die Einmengung der Bediensteten der Beklagten in ein fremdes Geschäft soll insbesondere darin liegen, daß sie die Tiefersetzung des Kranes verlangten und detaillierte Anweisungen über die Art der Verladung gaben.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Es steht fest, daß die erste Verladung des Kranes unter Aufsicht des Zeugen R insofern unvorschriftsmäßig erfolgte, als das Lademaß der Höhe nach überschritten wurde. In der Beanstandung dieser Art der Verladung durch den Wagenmeister W liegt nur das Dringen auf die Einhaltung der den Absender nach § 66 Abs 5 EVO treffenden Verpflichtung, die über das Verladen der Güter bestehenden Bestimmungen zu beachten. Sie stellt daher keine Einmengung in ein fremdes Geschäft dar. Wenn der Wagenmeister W in der Folge Anweisungen gab, wie das Tieferlegen des Kranauslegers, zu dem sich Urban B entschlossen hatte, im einzelnen erfolgen sollte, so handelte es sich, da dem W diesbezüglich eine Anordnungsbefugnis nicht zustand, ebenfalls nur um Hinweise auf die bestehenden Verladebestimmungen und um Ratschläge, die sich gegenüber dem Absender des Gutes als Gefälligkeiten darstellten. An den sich aus § 66 Abs 5 EVO für den Absender ergebenden Verpflichtungen hatte sich damit nichts geändert. Es ist daher unhaltbar, die Eisenbahnbediensteten als Erfüllungsgehilfen der Bahn zu bezeichnen, soweit sie dem zur Verladung verpflichteten Absender bei der Verladung behilflich waren.

Eine Haftung der Beklagten für ein Verschulden ihrer Bediensteten iS des § 5 Abs. 2 EVO könnte nur gegeben sein, wenn es die Eisenbahnbediensteten etwa unterlassen hätten, den Absender auf offensichtliche oder von ihnen festgestellte Mängel der Verladung hinzuweisen. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Bahnbediensteten dazu nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wären. Es hat aber richtig darauf verwiesen, daß die Klägerin ein Verschulden der Bediensteten der Beklagten in dieser Richtung gar nicht behauptet hatte und daß die getroffenen Tatsachenfeststellungen einen Schluß in dieser Richtung nicht zulassen. Das Vorbringen der Klägerin ging dahin, daß die Verladung ohnehin in Ordnung gewesen sei und daß, sollte das nicht der Fall gewesen sein, die Bahnbediensteten als Erfüllungsgehilfen der Bahn bei der Kontrolle der Ladung die entsprechende Sorgfalt nicht angewendet hätten. Wenn die Klägerin ausführt, der Unfall sei insbesondere durch die Verwendung ungeeigneten Drahtmaterials verursacht worden, übersieht sie, daß die Verwendung geeigneten Drahtmaterials Sache der Absenderin gewesen wäre und nicht festgestellt ist, daß etwa einer der Bahnbediensteten zur Verwendung von 8 mm starkem Draht geraten habe oder daß einem von ihnen Mängel der schließlich durchgeführten Verladung aufgefallen seien. Daß eine Verpflichtung der Bahnbediensteten zur Überprüfung der Ladung gegenüber dem Absender nicht bestehe, haben die Vorinstanzen richtig dargelegt. Der Wagenmeister W hatte sich bereits vor Beendigung der Verladung entfernt. Daß der Magazinsmeister B, der die Ladung am Abend des 19. 4. 1968 noch einmal besichtigte, über solche Kenntnisse verfügte, daß ihm Mängel der Verladung hätten auffallen müssen, ist nicht festgestellt.

Die Revisionsausführungen über den Zeitpunkt des Abschlusses des Frachtvertrages und die Folgerungen daraus sind für die Erledigung bedeutungslos, weil der Abschluß des Frachtvertrages und die Übernahme des Gutes zur Beförderung mit 19. 4. 1968, also noch vor der Beschädigung des Gutes, feststehen.

Demzufolge mußte der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z44094

Schlagworte

Bediensteter, Haftung der Eisenbahn, Eisenbahn, Haftung für Bedienstete, Verladung, Haftung der Eisenbahn, Verpackung, Haftung der Eisenbahn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0020OB00282.7.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19710617_OGH0002_0020OB00282_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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