TE OGH 1971/9/15 5Ob148/71

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Veröffentlicht am 15.09.1971
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Norm

ABGB §986
ABGB §1431
ABGB §1432
Zinsstoppgesetz §§1

Kopf

SZ 44/136

Spruch

Überzahlungen des Mieters auf Grund einer nach dem ZinsstoppG ungültigen Wertsicherungsklausel sind keine Erfüllung einer Naturalverpflichtung; sie können daher zurückgefordert werden

OGH 15. 9. 1971, 5 Ob 148/71 (KG Steyr R 57/71; BG Weyer C 127/70)

Text

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses L NR 127. Mit Mietvertrag vom 28. 11. 1964 vermietete er dem Beklagten eine aus Küche, Zimmer und Kabinett samt Nebenräumen bestehende, im ersten Stock dieses Hauses gelegene Wohnung, die er nun mit der am 10. 12. 1970 eingebrachten Aufkündigung wegen Nichtzahlung des Verwaltungskostenpauschales zum 1. 4. 1971 aufkundigte.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten, die Wohnung am 15. 4. 1971 zu räumen, ohne im Spruch seiner Entscheidung die Aufkündigung für wirksam zu erklären. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die aufgekundigte Wohnung wurde erstmals Anfang August 1951 dem Zeugen Dr Wilhelm S um den frei vereinbarten Mietzins von S 200.-, später - nach Zumietung eines weiteren Raumes - von S 250.- vermietet. Stromkosten und Rauchfangkehrergebühren hatte Dr S, der bis 1957 Mieter blieb, selbst zu tragen. Gebühren für Müllabfuhr, Kanalisation und Wasser waren damals noch nicht zu entrichten.

Dem Beklagten wurde die Wohnung um einen Mietzins von S 355.- monatlich, wertgesichert nach dem Bruttogehalt eines Handelsangestellten der Gehaltsgruppe 3 mit 15 Dienstjahren nach dem Gehaltstarif des allgemeinen Groß- und Einzelhandels, vermietet, wobei ausdrücklich vereinbart wurde, daß Licht, und Kraftstrom, Müllabfuhr und Kaminfegergebühren zur Gänze vom Mieter zu tragen seien.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht hiezu folgendes aus:

Im August 1951, als der Kläger mit Dr S eine freie Zinsvereinbarung traf, hätten für das strittige Bestandsobjekt, da es nicht den Zinsbestimmungen des MG unterliege, die Preisregelungsvorschriften gegolten. Da dieses Mietverhältnis auch am 30. 6. 1954 aufrecht war, unterfalle es dem ZStG. Gemäß Art II Z 3 MRÄG könne der Hauseigentümer die durch dieses Gesetz neu eingeführte Verwaltungsgebühr von S 4.- je m2 Nutzfläche des Hauses bei Hauptmietverhältnissen, die dem ZStG unterliegen, als Beriebskostenpost verrechnen. Da der Beklagte sich weigere, diese Verwaltungsgebühr zu bezahlen, sei der Kündigungsgrund nach § 19 Abs 1 und Abs 2 Z 15 MG gegeben.

Der Einwand des Beklagten, die von ihm zu tragenden Betriebskosten seien im schriftlichen Mietvertrag taxativ aufgezählt, sei nicht stichhältig, weil es die Verwaltungsgebühr damals noch nicht gegeben habe; diese habe daher nicht Gegenstand des Vertrages sein können, und der Kläger habe nicht darauf verzichten können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es hob das Ersturteil auf und verwies die Sache unter Rechtskraftvorbehalt zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht begrundete seine Entscheidung folgendermaßen:

Zunächst sei die Behauptung des Beklagten, daß er auf Grund seiner Vereinbarung mit dem Kläger nur die darin genannten Betriebskosten zu entrichten habe, zu prüfen. Eine solche Vereinbarung, durch die der Vermieter auch auf künftige Betriebskosten verzichte, sei rechtlich zulässig, zumal dann, wenn - wie hier - der Mietzins ohnedies wertgesichert wurde. Würde eine solche Vereinbarung erwiesen, so wäre der Kläger nicht berechtigt, das durch das MRÄG eingeführte Verwaltungskostenpauschale zu begehren, und die Verweigerung seiner Bezahlung durch den Beklagten wäre kein Kündigungsgrund. Auch dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sich bei diesem Pauschale nicht um eine zusätzliche Belastung für den Vermieter handle.

Im Falle der Nichterweislichkeit der vom Beklagten behaupteten Vereinbarung sei zu prüfen, ob die aufgekundigten Räume dem ZStG unterliegen, denn nur dann könne ab 1. 1. 1968 die Verwaltungsgebühr von S 4.- je m2 überhaupt unter Betriebskosten verrechnet werden. Unter das ZStG fallen Mietobjekte, die am 30. 6. 1954 den Bestimmungen des PrRegG 1950 und den dazu ergangenen Verordnungen unterlagen. Voraussetzung hiefür wieder sei, daß die betreffenden Mietverträge nicht dem MG unterliegen. Von den preisrechtlichen Vorschriften seien jedoch Mietobjekte, die bedeutende Kriegsschäden erlitten, aber auch Räume aller Art ausgenommen, die durch Neu-, Auf- oder Zubauten ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffen wurden, wenn die behördliche Baubewilligung nach dem 30. 6. 1953 erteilt wurde.

Bevor die Frage der Anwendbarkeit des ZStG bejaht werden könne, müsse also untersucht werden, ob für die Räume oder Teile hievon nicht eine dieser Ausnahmsbestimmungen gelte. Bedacht zu nehmen sei auch darauf, daß nach Lehre und Rechtsprechung Räume von der Anwendung des MG ausgenommen seien, für die die behördliche Baubewilligung erst nach dem 27. 1. 1971 erteilt wurde.

Außerdem sei ein einheitlicher Mietvertrag hinsichtlich der Mietzinsbildung teilbar. Da der frühere Mieter einen Teil der Räume Anfang August 1951, andere aber später hinzugemietet habe, sei es möglich, daß die später angemieteten Räume den preisrechtlichen Vorschriften unterlagen, während dies hinsichtlich der übrigen Räume nicht zuträfe. Diese Frage sei von Amts wegen zu prüfen, aber auch gemäß § 182 ZPO mit den Parteien zu erörtern.

Sollte sich ergeben, daß das ZStG anzuwenden sei, so wäre zu prüfen, ob im Jahre 1964 die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel zulässig war. Während bei dem MG unterliegenden Mietverhältnissen seit der MGN 1955 freie Zinsvereinbarungen unter den Voraussetzungen der §§ 16 Abs 2 und 16a MG zulässig seien, sei diese Novelle auf dem ZStG unterliegenden Mietverhältnisse ohne Einfluß geblieben. Für solche sei eine freie Mietzinsvereinbarung erst durch das MRÄG (§ 16 Abs 1 MG in der neuen Fassung) nach dem 31. 12. 1967 zulässig geworden. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes lebe eine früher unzulässige Vereinbarung durch die nunmehrige Zulässigkeit einer solchen ohne ausdrückliche oder konkludente Parteienvereinbarung nicht auf.

Erst nach Klärung all dieser Fragen könne beurteilt werden, ob überhaupt ein Mietzinsrückstand bestehe; bejahendenfalls wäre hierüber ein Beschluß nach § 21 Abs 2 MG zu fassen. Schon jetzt könne gesagt werden, daß dem Beklagten, wenn er den Rückstand bezahle, wegen der Schwierigkeit der Rechtslage kein grobes Verschulden angelastet werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab den von beiden Parteien gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekursen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

1. Zum Rekurs des Klägers:

Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung Miet-Slg

21.149 ausgeführt hat, berechtigt nicht einmal eine Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter, daß letzterer sämtliche bereits vorgeschriebenen oder etwa später neu eingeführten Betriebskosten, Steuern und Abgaben zu bezahlen habe, den Vermieter, das durch Art I Z. 7 MRÄG eingeführte Verwaltungskostenpauschale von S 4.- je m2 dem Mieter in Rechnung zu stellen, weil dieses keine zusätzliche Belastung für den Vermieter darstellt. Daher kann umso weniger gesagt werden, daß eine Vereinbarung, der Mieter habe nur bestimmte im Vertrag aufgezählte Betriebskosten und keine anderen zu bezahlen - wie dies der Beklagte im vorliegenden Fall behauptet -, sich nicht auf das nachträglich durch das MRÄG eingeführte Verwaltungskostenpauschale beziehen könne. Der Rekurseinwand, viele Hauseigentümer verwalteten ihr Haus nicht selbst, sondern durch eine Hausverwaltung, die entlohnt werden müsse, ändert nichts daran, daß die Einführung des Verwaltungskostenpauschales keine neue, zusätzliche Belastung des Vermieters, sondern nur die Befugnis, unter diesem Titel einen erhöhten Mietzins zu verlangen, brachte. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, von der in der oben angeführten Entscheidung ausgedrückten Rechtsansicht abzugehen.

Daß der Mietvertrag in verschiedenen Punkten - keineswegs allgemein, wie im Rekurs behauptet wird - für zusätzliche Vereinbarungen Schriftlichkeit voraussetzt, steht der vom Berufungsgericht aufgetragenen Prüfung des Parteiwillens bei Vertragsabschluß nicht entgegen. Wenn das Berufungsgericht von diesem richtigen rechtlichen Gesichtspunkt aus eine Ergänzung des Verfahrens für notwendig erachtet, kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten.

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß - falls diese Behauptung des Beklagten nicht erwiesen wird - das Verwaltungskostenpauschale nur gemäß § 2 Abs 2 Z 7 MG bei dem MG unterliegenden Bestandsobjekten oder gemäß Art II MRÄG für Räume verrechnet werden darf, die der Mietzinsbildung des ZStG unterliegen, und auch letzteres nur, soweit der Vermieter diese Beträge nicht schon vor dem 1. 1. 1968 dem Mieter unter Betriebskosten angerechnet hat (Z 3). Da es Bestandsobjekte gibt, die hinsichtlich der Zinsbildung weder dem MG noch dem ZStG unterliegen, hat das Berufungsgericht dem Erstgericht mit Recht aufgetragen, auch diese Frage zu untersuchen. Mit Rücksicht darauf, daß dem Vormieter Dr S Teile des Bestandsobjektes später vermietet wurden als andere, könnten auch einzelne Räume den Zinsbestimmungen des ZStG unterfallen und andere nicht (MietSlg 2247, 6338, 18.342, 21.602/47).

Das Berufungsgericht hat, gestützt auf die oberstgerichtliche Entscheidung MietSlg 21.375, dem Erstgericht weiters die Prüfung der Frage aufgetragen, ob die im Bestandvertrag enthaltene Wertsicherungsklausel überhaupt gültig vereinbart werden konnte. Wertsicherungsklauseln sind - wie in der oberstgerichtlichen Entscheidung dargelegt wurde - bei hinsichtlich der Mietzinsbildung dem MG unterliegenden Bestandverhältnissen seit dem Inkrafttreten der MGN 1955 (15. 12. 1955) unter den dort angeführten Voraussetzungen zulässig, wohingegen sie bei dem ZStG unterliegenden Mietverhältnissen trotz der MGN 1955 unzulässig blieben und erst durch das MRÄG gestattet wurden. Die Rechtsansicht, eine vor dem 31. 12. 1967 (§ 16 Abs 1 MG in der neuen Fassung) unzulässigerweise vereinbarte Wertsicherungsklausel lebe allein schon durch das Inkrafttreten des MRÄG auf, ohne daß es einer ausdrücklichen oder konkludenten Parteienvereinbarung bedürfte, wurde in der genannten Entscheidung als dem Gesetz widersprechend abgelehnt.

Dieser vom Berufungsgericht übernommenen ausführlichen Begründung setzt der Rekurs des Klägers lediglich die gegenteilige Behauptung entgegen, daß Wertsicherungsklauseln zur Sicherung des Mietzinses beliebig vereinbart werden könnten und daß eine frühere, allenfalls unzulässigerweise vereinbarte Klausel mit der Änderung des Gesetzes auf jeden Fall konvalidiere. Diese Ausführungen vermögen den Obersten Gerichtshof nicht zu einem Abgehen von seinem Standpunkt zu veranlassen. Es kann auch nicht gesagt werden, daß sich der Mietzins auf Grund einer Wertsicherungsklausel nur nominell ändere, während der Realmietzins gleich bleibe. Nach dem ZStG darf der am 1. 6. 1954 vereinbarte oder tatsächlich entrichtete Mitzins nur unter den dort angeführten Voraussetzungen erhöht werden. Für eine Erhöhung auf Grund einer Wertsicherungsvereinbarung lassen diese Bestimmungen keinen Raum.

Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß im Falle der Ungültigkeit der vereinbarten Wertsicherungsklausel etwaige vom Beklagten auf Grund dieser Klausel geleistete Mehrzahlungen auf allfällige Zinsrückstände aus anderen Titeln, so zB an Verwaltungskostenpauschale, verrechnet werden müßten, was somit für die Frage, ob ein Zinsrückstand besteht, von Bedeutung wäre. Nicht gefolgt werden kann den Rekursausführungen, derartige etwaige Mehrzahlungen stellten selbst im Falle der Ungültigkeit der Wertsicherungsklausel die Erfüllung einer Naturalobligation dar. Eine solche liegt nach § 1432 ABGB nur dann vor, wenn die Forderung verjährt der aus mangelnder Form ungültig ist oder wenn das Gesetz bloß das Klagerecht versagt (vgl Wilburg in Klang[2] VI, 460 bis 462), nicht aber dann, wenn die Zahlung aus einem Irrtum, und sei es auch ein Rechtsirrtum (hier über die Gültigkeit der Vereinbarung), geleistet wurde (§ 1431 ABGB).

II. Zum Rekurs des Beklagten:

Es ist zwar richtig, daß der Kläger in der Kündigung behauptet hat, das Mietverhältnis des Beklagten unterliege dem ZStG und der Beklagte sei daher gemäß Art II (gemeint offenbar Art II Z 3) MRÄG zur Bezahlung des Verwaltungskostenpauschales verpflichtet. Der Beklagte hat aber dagegen vorgebracht, daß das Bestandverhältnis weder dem MG noch dem ZStG unterliege. Je nachdem, welche Parteiabsicht hinsichtlich der Vereinbarung über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Betriebskosten im Mietvertrag festgestellt wird, kann also die Frage, welchen gesetzlichen Bestimmungen das Mietverhältnis unterfällt, sehr wohl Bedeutung erlangen, und es trifft keineswegs zu, daß - wie der Beklagte in seinem Rekurs meint - der Kläger unter keinen Umständen berechtigt ist, das Verwaltungskostenpauschale zu begehren.

Die weitere Frage, ob der Beklagte durch Bezahlung eines höheren Mietzinses auf Grund der Wertsicherungsklausel eine etwaige Forderung des Klägers an Verwaltungskosten bezahlt hat, hängt - wie schon zum Rekurs des Klägers dargelegt wurde - von der gleichfalls zu prüfenden Gültigkeit der Wertsicherungsvereinbarung ab. Ob durch die Zahlung und die Annahme eines solchen erhöhten Mietzinses nach dem 31. 12. 1967 konkludent eine nach § 16 Abs 1 Z 4 MG (nF) gültige, vom ZStG nicht mehr erfaßte Mietzinsvereinbarung zustande gekommen ist, hängt gleichfalls von den im Sinne des Aufhebungsbeschlusses zu prüfenden Umständen des Einzelfalles ab.

Die vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzungen sind somit auch unter den im Rekurs des Beklagten aufgezeigten Gesichtspunkten zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache erforderlich.

Anmerkung

Z44136

Schlagworte

Naturalobligation, ungültige Wertsicherungsklausel, Rückforderung, Ungültigkeit einer Wertsicherungsklausel, Wertsicherungsklausel, Gültigkeit, Wertsicherungsklausel, Naturalobligation bei Ungültigkeit, Wertsicherungsklausel, Rückforderung bei Ungültigkeit, Wertsicherungsklausel, ZinsstoppG, Zinsstoppgesetz, Rückforderung bei Ungültigkeit einer, Wertsicherungsklausel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00148.71.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19710915_OGH0002_0050OB00148_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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