TE OGH 1971/11/4 2Ob116/71

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Veröffentlicht am 04.11.1971
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Norm

ABGB §549
ABGB §1327

Kopf

SZ 44/168

Spruch

Es entspricht in Wien dem Ortsgebrauch, ein bereits vorhandenes Familiengrab auch dann weiter zu verwenden, wenn es auf einem Friedhof mit höheren Gebühren liegt

OGH 4. 11. 1971, 2 Ob 116/71 (OLG Wien 8 R 184/70; LGZ Wien 31 Cg 211/69)

Text

Am 30. 4. 1969 wurde Johann T, der Gatte der Klägerin, als Insasse eines vom Erstbeklagten gelenkten und vom Zweitbeklagten gehaltenen Kraftwagens, der bei der Drittbeklagten haftpflichtversichert war, getötet. Der Erstbeklagte wurde in diesem Zusammenhang strafgerichtlich verurteilt. Die Klägerin begehrte den Ersatz der Beerdigungskosten, eine monatliche Rente und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden.

Die Beklagten anerkannten einen Teil der Bestattungskosten und bestritten das übrige Klagebegehren.

Das Erstgericht sprach der Klägerin Beerdigungskosten von S 15.600.- sowie eine Rente von S 966.40 monatlich für die Zeit vom 1. 5. 1969 bis einschließlich Oktober 1974 zu. Das Rentenmehrbegehren von S 1000.- monatlich für die Zeit vom 1. 11. 1974 bis 31. 10. 1979 und das Feststellungsbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand (die Drittbeklagte jedoch nur im Rahmen der bestehenden Versicherungssumme), der Klägerin S 16.490.- samt 4% Zinsen seit 15. 7. 1969 und eine monatliche Rente von S 894.40 vom 1. 5. 1969 bis einschließlich Oktober 1974 zu bezahlen. Das Leistungsmehrbegehren wies es ab, gab jedoch dem Feststellungsbegehren statt.

Sämtliche Parteien erheben Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung: Die Klägerin stellt den Abänderungsantrag, ihrem Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von S 25.498.- sA und einer Monatsrente von S 984.40 von Mai 1969 bis Oktober 1979 stattzugeben; hilfsweise erhebt sie einen Aufhebungsantrag. Die Beklagten beantragen die Abweisung des gesamten Rentenbegehrens, hilfsweise dessen Befristung mit April 1972.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge, wohl aber teilweise jener der Klägerin, so daß ihr anstatt S 16.490.- S 21.188.- sA an Begräbniskosten zuerkannt wurden.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte gingen von folgenden Feststellungen aus:

Der am 5. 11. 1909 geborene Johann T war zunächst kaufmännischer Angestellter und seit 1946 selbständiger Handelsvertreter mit einem Büro in der Wohnung. Sein Reineinkommen betrug 1967 und 1968 im Monatsdurchschnitt netto S 4979.-. Er hatte nur für seine Gattin zu sorgen und stand seit März 1959 wegen Zuckerkrankheit in ärztlicher Behandlung. Im übrigen war T frei von organischen Leiden und befand sich in einem guten Allgemeinzustand. Im September 1968 erzählte er dem Zweitbeklagten, daß es ihm wieder nicht sehr gut ginge und daß er wahrscheinlich beruflich "früher Schluß mache". Zirka 14 Tage vor seinem Tode äußerte er sich, daß er in die Frührente gehen wolle. Die Klägerin (geboren 17. 5. 1914) war während der Ehe nicht berufstätig. Sie erhielt von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ein Sterbegeld von S 1500.- und bezieht seit 30. 4. 1969 eine Witwenpension von S 1315.90 14mal im Jahr. Die Klägerin ließ ihren Gatten entsprechend seinem Wunsch in einem Grab im Baumgartner Friedhof, in dem schon seine Mutter beerdigt war, beisetzen. Für das Begräbnis erster Klasse bezahlte die Klägerin S 12.708.-. Ein Begräbnis zweiter Klasse auf dem Wiener Zentralfriedhof hätte S 7300.- gekostet. Die Klägerin ließ ihrem Mann ein Grabmal, bestehend aus Kernstück und Jardiniere aus afrikanischem Syenit 3/4 poliert (S 13.700.-), einer Einfassung aus Kunststein geschliffen (S 1000.-), Deckplatte aus Kunststein geschliffen (S 2300.-), Grablaterne, Vase und Beschriftung (zusammen S 3635.-) um den Betrag von S 35.791.- errichten. Dasselbe Grabmal in Kunststein kostet ohne Deckplatte S 7535.-, mit Deckplatte S 9535.-.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß Kosten eines Begräbnisses zweiter Klasse für den Zentralfriedhof im Betrage von S 7300.- und einer Deckplatte samt Fundamenterrichtung angemessen seien. Unter den gegebenen Verhältnissen sei anzunehmen, daß Johann T mit größter Wahrscheinlichkeit bestenfalls bis zur Erreichung des Pensionsalters von 65 Jahren gearbeitet hätte.

Das Berufungsgericht billigte die Ansicht des Erstgerichtes, berichtigte aber die Höhe der der Klägerin gebührenden Rente auf S

894.40 monatlich. Der Ortsgebrauch richte sich nicht nach dem Friedhof, auf dem der Verstorbene beigesetzt werde, sondern nach dem Wohnort. Da der Verunglückte im dritten (richtig neunten) Wiener Gemeindebezirk gewohnt habe, sei die Angemessenheit der Kosten danach zu beurteilen, welchen Betrag die Klägerin für ein Begräbnis auf dem Wiener Zentralfriedhof hätte aufwenden müssen. Angesichts des Monatseinkommens von nicht einmal S 5000.- wären die tatsächlich aufgewendeten Kosten selbst dann, wenn sie dem Ortsgebrauch entsprächen, mit dem Vermögen des Verstorbenen nicht in Einklang zu bringen. Wenn die Klägerin aus Gründen der Pietät den von ihrem Gatten zu Lebzeiten geäußerten Wunsch erfüllte, könnten die dadurch bedingten höheren Kosten nicht auf die Beklagten abgewälzt werden. Das Erstgericht habe aber übersehen, daß die Beklagten Kosten für ein Grabdenkmal von S 10.690.- anerkannt hätten. Der Klägerin gebührten daher außer den Begräbniskosten von S 7300.- weitere S 10.690.-, wovon das Sterbegeld von S 1500.- abzuziehen sei.

Die Beklagten vertreten in ihrer Revision die Ansicht, daß Johann T seine Berufstätigkeit schon mit der Vollendung des 60. Lebensjahres beendet hätte, weil er es nicht notwendig gehabt hätte, länger zu arbeiten, zumal er schwer zuckerkrank gewesen sei. Wenn man aber davon ausgehe, daß er zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr in die Frühpension gegangen wäre, dann hätte der entsprechende Zeitpunkt nach § 273 ZPO mit der Hälfte des Zeitraumes, also mit April 1972 angenommen werden müssen.

Die Klägerin meint hingegen, man hätte annehmen müssen, daß ihr Gatte bis zum 70. Lebensjahr berufstätig geblieben wäre.

Festzuhalten ist, daß die Dauer einer Rentenleistung ein Element ihrer Höhe ist (ZVR 1961/341; 2 Ob 271, 273/64, 2 Ob 302/69, 2 Ob 151/71). Da sich die Frage, wann sich Johann T zur Ruhe gesetzt hätte, einem exakten Beweis entzieht, ist die voraussichtliche Dauer seiner Berufstätigkeit und demnach die Dauer der der Klägerin gebührenden Rente nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzen. Diese Form der Schadensbemessung ist rechtliche Beurteilung und könnte nur dann mit Erfolg bekämpft werden, wenn sich das Berufungsgericht dabei von nicht zu billigenden Erwägungen hätte leiten lassen. Dies ist aber nicht der Fall. Die von den Untergerichten festgestellten Lebensumstände des Johann T lassen in der Annahme, er wäre mit der Vollendung des 65. Lebensjahres in Pension gegangen, keinen Rechtsirrtum erkennen.

Die Klägerin weist in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hin, daß zumindest die Drittbeklagte durch Bezahlung des der Klägerin vom Berufungsgericht zuerkannten Betrages konkludent auf die Einbringung eines Rechtsmittels verzichtet habe. Darauf ist nicht einzugehen, weil es einen Verzicht auf die Erhebung eines Rechtsmittels durch schlüssige Handlungen nicht gibt (Sperl, Lehrbuch 597, § 172 I; Fasching II Anm 4 zu § 208 ZPO; 8 Ob 261, 263/70). Ein Rechtsmittelverzicht kann nur ausdrücklich erklärt werden (SZ 24/319).

Die Revision der Klägerin bekämpft ferner die Abweisung des Teilbegehrens von S 9008.- an Kosten des Begräbnisses und des Grabdenkmals. Der Verunglückte sei nicht verpflichtet gewesen, sich in Wien am billigsten Friedhof begraben zu lassen, zumal es sein Wunsch gewesen sei, im selben Grab wie seine Mutter bestattet zu werden.

Hinsichtlich der Begräbniskosten kann der Revision der Klägerin Berechtigung nicht abgesprochen werden. Der von den Untergerichten aus der Entscheidung ZVR 1963/146 entnommene Satz, der Ortsgebrauch richte sich nicht nach dem Friedhof, sondern nach dem Wohnort des Verstorbenen, muß im Zusammenhang gelesen werden. Dort war nämlich vom Kläger geltend gemacht worden, daß auf einem bestimmten Wiener Friedhof die Anschaffung eines Grabdenkmals nach dem Ortsgebrauch mit den doppelten Kosten verbunden sei (weil nämlich dort üblicherweise kostspielige Grabdenkmäler aufgestellt würden). Demgegenüber wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, daß es nicht auf den auf einem bestimmten Friedhof üblichen besonderen Aufwand ankomme. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um eine andere Frage, nämlich darum, ob es der Klägerin zum Vorwurf gemacht werden kann, daß sie ihren Gatten, seinem Wunsch entsprechend, im Grab seiner Mutter auf dem Baumgartner Friedhof und nicht auf dem Zentralfriedhof bestatten ließ. Es entspricht dem Ortsgebrauch, ein bereits vorhandenes Familiengrab weiter zu verwenden, mag dieses auch auf einem Friedhof mit höheren Gebühren liegen. Der Kostenunterschied ist im gegebenen Fall auch nicht so groß, daß man sagen könnte, die höheren Kosten seien dem Stande und Vermögen des Verstorbenen nicht angemessen. Das Begräbnis zweiter Klasse hätte auf dem Baumgartner Friedhof S 11.998.-, auf dem Zentralfriedhof aber S 7300.- gekostet. Die Differenz von S 4698.- war daher der Klägerin noch zuzuerkennen.

Nicht im Recht ist jedoch die Revision der Klägerin, soweit sie sich gegen die ihr zugestandene Höhe der Kosten des Grabmals richtet. In diesem Belange ist den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu folgen.

Anmerkung

Z44168

Schlagworte

Begräbniskosten, Ortsüblichkeit, Bestattungskosten, Ortsüblichkeit, Familiengrab, Ortsüblichkeit, Ortsüblichkeit, Begräbniskosten, Ortsüblichkeit, Bestattung im Familiengrab, Ortsüblichkeit, Bestattungskosten, Ortsüblichkeit, Familiengrab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0020OB00116.71.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19711104_OGH0002_0020OB00116_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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