TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/12 2003/01/0107

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.2005
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §37;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §11;
StGB §83 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des AR in G, vertreten durch Dr. Ralph Vetter und Dr. Andreas Fritsch, Rechtsanwälte in 6890 Lustenau, Reichshofstraße 11, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 29. Jänner 2003, Zl. Ia 370-925/2001, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Jänner 2003 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab. Begründend führte sie aus, der am 1. Jänner 1960 in der Türkei geborene Beschwerdeführer habe dort fünf Jahre lang die Volksschule besucht und sei seit 18. Jänner 1980 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe stammten sechs Kinder, die Ehegattin und die Kinder lebten in der Türkei. Ein Bruder des Beschwerdeführers sei österreichischer Staatsbürger. Der Beschwerdeführer selbst habe seit 23. Oktober 1989 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich, verfüge über einen unbefristeten "Sichtvermerk" und sei seit 10. März 1999 bei einem namentlich genannten Unternehmen beschäftigt. Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hätten ergeben, dass eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer mit einfachem Wortschatz, bei leicht hörbarem Akzent, möglich sei. Die Wiedergabe eines vorgegebenen Textes sei ihm mit Mühe möglich, eine schriftliche Ausarbeitung sei nicht verständlich. Kontakte zu Einheimischen habe der Beschwerdeführer, der keinem Verein angehöre, lediglich am Arbeitsplatz.

Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 21. Juli 1997 sei der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Dem habe zu Grunde gelegen, dass er am 22. Oktober 1996 eine andere Person durch Versetzen von Schlägen mit einem Holzprügel verletzt habe; die vom Beschwerdeführer verletzte Person haben einen knöchernen Bandabriss am rechten Zeigefingerendglied erlitten.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, auf Grund der Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich komme eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 StbG in Frage. Gemäß § 11 leg. cit. habe sich die Behörde bei der Ausübung des ihr im § 10 StbG eingeräumten freien Ermessens unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Im vorliegenden Fall hätten die Erhebungen ergeben, dass beim Beschwerdeführer Anzeichen einer Integration (mehrjähriger Aufenthalt und berufliche Tätigkeit) gegeben seien. Andererseits sei festzustellen gewesen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, einen vorgegebenen deutschen Text mühelos wiederzugeben oder etwas Schriftliches auszuarbeiten. Kontakte zur österreichischen Bevölkerung oder andere Umstände, die in besonderer Weise auf eine Integration hinwiesen, seien nicht geltend gemacht worden und im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Auf Grund der geringen Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers und der nicht vorliegenden Kontakte zur einheimischen Bevölkerung sei das Ausmaß an Integration als gering anzusehen. Mit Rücksicht darauf, auf sein strafbares Verhalten (der Beschwerdeführer habe wegen vorsätzlicher Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person gerichtlich bestraft werden müssen) und auf Grund des Umstandes, dass auch kein öffentliches Interesse für eine Einbürgerung ersichtlich gewesen sei, habe die Ermessensübung nach § 11 StbG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers erfolgen können. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 leg. cit. scheide daher ebenso aus wie eine solche nach den §§ 11a, 12, 13 und 14 StbG.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Was die Frage der Integration des Beschwerdeführers anlangt, so gleicht der vorliegende Fall in den wesentlichen Gesichtspunkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0459, - gleichfalls einen Bescheid der belangten Behörde betreffend, mit dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Wege der Ermessensübung nach § 11 StbG versagt worden ist - zu Grunde liegt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Aus den dort genannten Gründen erweist sich auch hier die Beurteilung der Integration des Beschwerdeführers als fehlerhaft.

Vorliegend hat die belangte Behörde ihre Ermessensübung zu Lasten des Beschwerdeführers überdies damit begründet, dass er wegen einer am 22. Oktober 1996 begangenen Körperverletzung habe bestraft werden müssen. Der Beschwerdeführer bestreitet die Begehung der Körperverletzung und stellt sich auf den Standpunkt, dass der rechtskräftigen Strafverfügung des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 21. Juli 1997 insoweit keine Bindungswirkung zukomme. Auf die Frage der Bindung an rechtskräftige Strafverfügungen (eine solche für den Schadenersatzprozess verneinend der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 20. März 1997, 2 Ob 72/97w) braucht hier indes nicht eingegangen werden. Einerseits läge die fragliche Körperverletzung bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides bereits mehr als sechs Jahre zurück. Andererseits hat es sich, ihre Begehung unterstellt, offenkundig im Sinn des Eventualvorbringens des Beschwerdeführers - zutreffend weist er darauf hin, dass nach der Aktenlage eine allfällige Aggressionshandlung des Beschwerdeführers bloß eine Reaktion auf vorangegangene Körperverletzungsakte seines Gegners darstellte - nur um ein knapp an der Grenze der Strafwürdigkeit anzusiedelndes Fehlverhalten gehandelt, wurde der Beschwerdeführer doch bloß zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe (die bedingte Strafnachsicht hat die belangte Behörde aktenwidrig nicht berücksichtigt) im Ausmaß von 60 Tagessätzen verurteilt. Von daher kann dem in Rede stehenden strafrechtlichen Fehlverhalten des Beschwerdeführers keinesfalls maßgebliches Gewicht zukommen - die belangte Behörde selbst spricht in ihrer Gegenschrift von bloß untergeordneter Bedeutung -, weshalb der angefochtene Bescheid unter Bedachtnahme auf das oben Gesagte gleich dem dem genannten Erkenntnis vom 9. September 2003 zu Grunde liegenden Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 12. April 2005

Schlagworte

Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen VwRallg8 Ermessen besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010107.X00

Im RIS seit

25.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten