TE OGH 1972/5/24 1Ob108/72

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Veröffentlicht am 24.05.1972
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Petretto, Dr. Wurzinger und Dr. Schragel als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Stefan und Agnes S*****, beide vertreten durch Dr. Viktor Völkl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Hans Paar, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit (Streitwert 15.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 21. Februar 1972, GZ 1 R 30/72-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20. Oktober 1971, GZ 4 C 1061/71-10, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschluss des Berufungsgerichtes, der in seinem Punkt 1. als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Punkt 2., soweit er das erstgerichtliche Urteil auch in seinem das Klagebegehren abweisenden Teil aufhebt, als nichtig aufgehoben.

Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben, so dass der Beschluss des Berufungsgerichtes in seinem Punkt 2. wie folgt zu lauten hat:

"Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem abweisenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten."

Die Kosten des Rekurses sind gleichfalls weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaften EZ ***** KG *****, der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaften EZ ***** KG *****, zu denen unter anderem das Grundstück ***** mit dem Haus ***** samt Wirtschaftsgebäude sowie die Grundstücke ***** gehören. Die Kläger stellten zunächst das Begehren, dem Beklagten gegenüber werden festgestellt, dass den Klägern als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** und deren Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den zwischen dem Haus ***** und Wirtschaftsgebäude führenden Weg, der ebenso wie Haus ***** und Wirtschaftsgebäude zum Gutsbestand der EZ ***** KG ***** gehöre, zustehe; der Beklagte sei schuldig einzuwilligen, dass bei der dem Beklagten gehörigen Liegenschaft EZ ***** KG ***** die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges zugunsten des herrschenden Gutes EZ ***** KG ***** hinsichtlich des bezeichneten Fahrweges bei der EZ ***** KG ***** als dienendem Gut einverleibt werde. Die Kläger führten aus, dass zwischen dem Wohnhaus ***** und dem dazugehörigen Wirtschaftsgebäude der Zufahrtsweg zu ihrer Liegenschaft mitten durch die Liegenschaft des Beklagten hindurchführe. Bis knapp vor der Liegenschaft des Beklagten und nach derselben handle es sich um einen Gemeindeweg. Sie und ihre Vorbesitzer hätten seit Jahrzehnten den Durchfahrtsweg benützt, der allein auch für größere Fuhrwerke befahrbar sei. Der Beklagte habe in den ersten Jahren seines im Jahre 1962 erworbenen Besitzes die Benützung des durch den Hof führenden Weges nicht beanstandet, sondern dies erst seit 1968 getan, als sogar ein Schranken errichtet worden sei, und insbesondere Karl P*****, dem Käufer eines zum Gutsbestand der Liegenschaft der Kläger gehörig gewesenen Grundstückes, die Durchfahrt verboten. Das Recht der Wegbenützung sei zwar nicht verbüchert, aber zugunsten der Liegenschaft der Kläger ersessen. Der Beklagte bestritt das Vorbringen der Kläger und behauptete unter Berufung auf den vom Erstgericht nicht vernommenen Zeugen Hans H***** auch, dass die Kläger auf die Benützung des Weges im Jahre 1969 verzichtet hätten. In der Tagsatzung vom 20. 10. 1971 "präzisierten" die Kläger ihr Klagebegehren dahin, dass den beiden Klägern als Eigentümern der Liegenschaft EZ ***** KG ***** und deren Rechtsnachfolgern im Besitz dieser Liegenschaft die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den in Nord-Süd-Richtung in der Natur vorhandenen ca. 2,5 m breiten Weg über die Grundstücke ***** der EZ ***** KG *****, derzeit im Eigentum des Beklagten, zustehe. Später "präzisierten" die Kläger noch, dass das Grundstück ***** zur EZ ***** KG ***** gehöre. Der Beklagte sprach sich gegen die Klagsänderung aus.

Das Erstgericht, das über die behauptete Klagsänderung nicht entschied und hiezu auch sonst nicht Stellung nahm, erkannte den Beklagten als Eigentümer der EZ ***** und ***** KG ***** für schuldig, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit ortsüblichen landwirtschaftlichen Fuhrwerken über den in der Natur ersichtlichen ca. 2,5 m breiten und über die Grundstücke ***** (beide in EZ *****), ***** (in EZ *****) und ***** (EZ *****) je KG ***** von Süden nach Norden führenden Weg zugunsten der jeweiligen Eigentümer der EZ ***** KG ***** einzuwilligen; mit Rechtskraft des Urteiles gelte die Einwilligung als erteilt; das Mehrbegehren der klagenden Parteien wurde abgewiesen. Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest: Als natürliche Fortsetzung des öffentlichen Weggrundstückes 1449 KG *****, das von Süden her zum Besitz des Beklagten führe, verlaufe zwischen dem Gasthaus und den Wirtschaftsgebäuden des Beklagten in Richtung Norden ein ca. 2,5 m breiter gut beschotterter Weg über die Grundstücke ***** des Beklagten. Die Kläger als Eigentümer der beiden landwirtschaftlichen Liegenschaften EZ ***** und ***** KG ***** und ihre Besitzvorgänger hätten diesen Weg, der sich nach Norden zu mehrere hundert Meter nach Verlassen der Besitzergrenze des Beklagten durch Waldgebiet bis zum Besitz der Kläger fortsetze, seit mehr als 30 Jahren für die Bewirtschaftung ihrer Landwirtschaft, bis April 1970 vor allem durch Befahren mit Pferdefuhrwerken, seither mit einem Traktor, verwendet. Bei einer Versammlung im Jahre 1969 habe der Erstkläger erklärt, dass er auf diesen Weg verzichten würde, falls der Beklagte östlich seines Besitzes einen anderen Weg errichten würde. Die Kläger hätten 1970 ein Grundstück an Karl P***** verkauft und diesem die Ausnützung der Servitut über den Weg zugesichert. Den Klägern stehe die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit ortsüblichen Fahrzeugen, wozu auch Traktoren gehörten, zur Bewirtschaftung ihrer Landwirtschaft zu, nicht aber etwa Teilrechtsnachfolgern wie Karl P*****, die die gekauften Grundstücke nicht landwirtschaftlich nützen; lediglich ein Rechtsnachfolger am Gesamtbesitz würde das einverleibte Recht mitübernehmen. Es stelle eine gesetzlich nicht gedeckte Erweiterung der Servitut dar, wenn bei Abverkauf von Grundstücken einer Liegenschaft die einzelnen Käufer nunmehr jenes Fahrrecht beanspruchen würden, welches bisher nur dem Besitzer der Liegenschaft zugestanden sei. Es sei daher das Mehrbegehren der Kläger, die Servitut auch für die Rechtsnachfolger (gemeint seien die Teilrechtsnachfolger) einverleiben zu lassen, abzuweisen. Gegen das Urteil des Erstgerichtes erhob nur der Beklagte Berufung, der es nach seiner Anfechtungserklärung seinem ganzen Inhalt nach mit dem Antrag bekämpfte, das Ersturteil als nichtig aufzuheben oder es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, allenfalls es aufzuheben. Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung (Punkt 1. der Entscheidung) und hob im übrigen das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf (Punkt 2. der Entscheidung). Was den vom Erstgericht festgestellten Verlauf des den Klägern mit dem angefochtenen Urteil zugesprochenen Servitutsweges anlange, sei dieser durch das Klagevorbringen gedeckt. Es schade nicht, dass die Nummern einiger Grundstücke, über welche dieser Weg führe, in der Klage noch nicht aufschienen. Entscheidend sei nur, dass bereits in der Klage dieser Weg in seinem tatsächlichen Verlauf von den Klägern in Anspruch genommen worden sei. Insbesondere könne in der Klage nicht ein Weg beansprucht worden sein, der in seinem nördlichen Teil über das Grundstück 1448 verlaufe, da dieser Weg schon deshalb ausscheide, weil er im Zeitpunkt des Lokalaugenscheines völlig verwachsen und nicht einmal begehbar gewesen sei. Wenn die Kläger ihr Begehren "präzisierten", könne daher von einer Klagsänderung keine Rede sein. Es sei auch nicht richtig, dass die Kläger nur mehr ein Feststellungsurteil begehrt hätten, so dass das Erstgericht nicht auf Einverleibung der Dienstbarkeit verurteilen hätte dürfen; bei der Präzisierung hätten die Kläger vielmehr das Einverleibungsbegehren nicht fallen gelassen. Das Erstgericht habe den Klägern auch kein aliud, sondern durch die Einschränkung "mit ortsüblichen Fahrzeugen" nur ein minus zugesprochen. Berechtigt sei die Anfechtung aber insoferne, als über das Klagebegehren, soweit es über das zugesprochene minus hinausgehe, vom Erstgericht noch nicht entschieden worden sei und daher die Sachanträge durch das angefochtene Urteil nicht vollständig erledigt seien (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO). Dasselbe gelte hinsichtlich des in der Berufung geltend gemachten Umstandes, dass das Erstgericht entgegen dem Begehren der Kläger die Dienstbarkeit des Wegerechtes nicht auch hinsichtlich der Rechtsnachfolger der Kläger im Besitz der Liegenschaft EZ ***** KG ***** zuerkannt habe. In beiden Fällen seien vor allem deshalb die Sachanträge nicht vollständig erledigt worden, weil die im Spruch des erstgerichtlichen Urteiles ausgesprochene nicht konkretisierte Abweisung des Mehrbegehrens der Kläger nur die Feststellung und Einverleibung einer den Teilrechtsnachfolgern der Kläger zustehenden Dienstbarkeit zum Gegenstand habe. Das Verfahren sei aber auch mangelhaft geblieben, weil der Zeuge Hans H***** zum behaupteten Verzicht nicht vernommen worden sei. Die im angefochtenen Urteil hinsichtlich der Teilrechtsnachfolger ausgesprochene Abweisung (des Klagebegehrens) werde in der neuerlichen Entscheidung zu entfallen haben, da ein diesbezügliches Klagebegehren nicht vorliege. Gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern bzw aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Aufhebungsgrund in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass in Stattgebung der Berufung des Beklagten die Klage vollinhaltlich abgewiesen werde.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren teilweise stattgegeben, es im übrigen, wenn auch ohne nähere Anführung im Spruch, aber abgewiesen. Aus der Formulierung des Spruches und den Entscheidungsgründen ergibt sich, was das Erstgericht meinte. Das Begehren der Kläger war nämlich so gefasst, dass jedem Rechtsnachfolger der Kläger das Geh- und Fahrrecht ohne Einschränkung auf landwirtschaftliche Zwecke zustehen sollte, so auch späteren Eigentümern von abzuverkaufenden Liegenschaftsanteilen. Das Erstgericht war jedoch der Auffassung, dass die Dienstbarkeit nur den jeweiligen Eigentümern der EZ ***** KG *****, also den Eigentümern der landwirtschaftlichen Hauptliegenschaft, und dies nur für landwirtschaftliche Zwecke zustehe, nicht aber den Eigentümern von Teilen dieser Liegenschaft, die nicht mehr landwirtschaftlichen Zwecken dienen. Es mag sein, dass das Erstgericht sowohl den stattgebenden Teil des Spruches deutlicher formulieren als auch aussprechen hätte sollen, was es abweise. Im Zusammenhang mit den Entscheidungsgründen, aber vor allem durch die Fassung des dem Begehren stattgebenden Teiles ist das erstgerichtliche Urteil aber auch in der von ihm gewählten Form durchaus verständlich. Wenn die Kläger den abweisenden Teil des Urteiles unangefochten ließen, ließen sie damit aber auch den Anspruch, dass die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auch den Eigentümern abzuverkaufender Grundstücke sowie für nicht landwirtschaftliche Zwecke zustehen sollte, fallen. Die Berufung des Beklagten erklärte zwar, das gesamte erstgerichtliche Urteil anzufechten; aus ihrer Begründung und aus dem Berufungsantrag ergibt sich aber, dass der Beklagte nur die Abweisung des gesamten Klagebegehrens anstrebte, also keineswegs die Absicht hatte, das erstgerichtliche Urteil auch in seinem abweisenden Teil anzufechten, woran er naturgemäß auch kein Rechtsschutzinteresse hatte. Wenn das Berufungsgericht dann trotzdem das gesamte erstgerichtliche Urteil aufhob und darüber hinaus auch noch im einzelnen Anweisungen an das Erstgericht gab, wie über den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles zu verfahren sein werde, verletzte es damit die Rechtskraft dieses Teiles der erstgerichtlichen Entscheidung. Nach § 462 Abs 1 ZPO hat das Berufungsgericht die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz nur innerhalb der Grenzen des Berufungsantrages zu prüfen. Dieser Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft kann nur dann nicht zur Geltung gelangen, wenn der unangefochten gebliebene Teil höchstens scheinbar formell, inhaltlich aber gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen kann, sondern in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit der noch überprüfbaren Entscheidung steht. Davon kann aber dann nicht gesprochen werden, wenn wenigstens eine quantitative Scheidung des unangefochten gebliebenen und des angefochtenen Entscheidungsteiles möglich ist (NZ 1970, 41; Fasching IV 31). Ein untrennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen stattgebendem und abweisendem Teil des Ersturteiles besteht im vorliegenden Falle nicht. Der abweisende Teil des Urteiles des Erstgerichtes war also selbständiger Rechtskraft fähig. Er ist daher infolge Unterlassung einer Anfechtung durch die Kläger in Rechtskraft erwachsen. Soweit der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichtes auch den abweisenden Teil des Ersturteiles aufhob, verstößt er gegen die eingetretene Rechtskraft. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft stellt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Hinblick auf die Regelungen der §§ 240 Abs 3 und 411 Abs 2 ZPO einen im § 477 ZPO nicht aufgezeigten Nichtigkeitsgrund dar (NZ 1970, 41; JBl 1959, 106; SZ 30/48 u.v.a.; Fasching III 736). Der Verstoß gegen die Teilrechtskraft zieht die Nichtigkeit des davon betroffenen Teiles der Entscheidung des Berufungsgerichtes nach sich. Diese Nichtigkeit ist von Amts wegen wahrzunehmen (§ 411 Abs 2 ZPO; EvBl 1969/65 u.a.; Fasching III 736, IV 106). Insoweit der angefochtene Beschluss also das Ersturteil in seinem das Klagebegehren abweisenden Teil aufhob, ist er als nichtig aufzuheben. Es sei nur noch erwähnt, dass dem Revisionsgericht im übrigen die Ausführungen des Berufungsgerichtes auf S 106 unten und S 107 oben kaum verständlich sind; eine Beschwerde des Beklagten, dass Sachanträge (der Kläger?), die über das zugesprochene minus hinausgehen, unerledigt blieben, wäre unerklärlich und wurde auch nicht erhoben.

Im übrigen ist der Rekurs im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Beizupflichten ist dem Rekurse allerdings, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes aus der Klage tatsächlich nicht erkennbar ist, dass die Kläger von allem Anfang an die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges im gesamten beim Augenschein festgestellten Verlauf des Weges über die Liegenschaften des Beklagten in Anspruch nahmen. Aus den Klagsausführungen ergibt sich vielmehr, dass die Kläger zunächst den Dienstbarkeitsweg nur als zwischen dem Wohnhaus ***** und dem dazugehörigen Wirtschaftsgebäude verlaufend behaupteten; bis knapp vor der Liegenschaft und nach derselben sollte vielmehr ein Gemeindeweg verlaufen; dass die Kläger dabei unter "Liegenschaft" nicht die Grundbuchseinlage, sondern offensichtlich nur den Gebäudekomplex, also Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude, verstanden, ergibt sich insbesondere aus der weiteren Ausführung, wonach der Dienstbarkeitsweg durch den Hof des Beklagten verlaufen sollte. Ganz unmissverständlich ergibt sich die Richtigkeit des Standpunktes des Beklagten aber aus dem ursprünglichen Klagebegehren, wonach die Kläger nur die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens "über den zwischen Haus Nr. ***** und Wirtschaftsgebäude führenden Weg" beanspruchten. Es ist daher die Annahme des Beklagten durchaus naheliegend, dass die Kläger ursprünglich der Meinung waren, dass sich der Weg sodann nach Norden über den im Augenscheinsprotokoll erwähnten öffentlichen Gemeindeweg 1448 fortsetzte und daher nicht mehr Gegenstand einer Dienstbarkeit sein musste. Der Unrichtigkeit dieser Annahme wurden sich die Kläger offenbar erst während des Augenscheines bewusst, bei dem sich herausstellte, dass der tatsächlich benützte Weg 50 m östlich davon verlief, was erst die Notwendigkeit zur Folge hatte, einen viel weiter nach Norden verlaufenden Dienstbarkeitsweg über Grundstücke des Beklagten zu behaupten und in Anspruch zu nehmen. Die "Präzisierung" des Klagebegehrens bei der Tagsatzung vom 20. 10. 1971 war dann aber, da mehr als bisher begehrt wurde (Neumann4 910; vgl auch Fasching III 114; Holzhammer, Zivilprozessrecht Erkenntnisverfahren 157; Petschek-Stagel, Zivilprozess 273), eindeutig eine Klagsausdehnung, bei der es sich, auch wenn der Klagsanspruch dabei gar nicht fallen gelassen wurde (Pollak, System² 400) und Sachverhalt und Rechtsgrund unverändert blieben (Sperl, Lehrbuch 325), schon nach dem Wortlauf des § 235 Abs 1 ZPO ("Erweiterung des Klagebegehrens") um eine Klagsänderung handelte, die nach Eintritt der Streitanhängigkeit der Einwilligung des Beklagten oder der Zulassung durch das Gericht bedurfte. Da sich der Beklagte ausdrücklich gegen die Zulassung der Klagsausdehnung aussprach, hätte daher das Erstgericht mit Beschluss über die Zulassung der Klagsausdehnung entscheiden müssen; eine solche Entscheidung ist nicht ergangen. Der Oberste Gerichtshof hat in einem solchen Fall jedoch ausgesprochen, dass dies unerheblich sei, wenn über die abgeänderte Klage verhandelt wurde und das Vorgehen des Gerichtes unangefochten geblieben ist (ZBl 1921/6; in diesem Sinn auch ZBl 1937/85; Fasching III 123). In der Berufung hat sich der Beklagte nun tatsächlich nicht nur nicht ausdrücklich dagegen zur Wehr gesetzt, dass eine Klagsänderung vorgenommen und über das geänderte Begehren abgesprochen wurde, sondern im Gegenteil versucht, aus der Änderung des Anspruchs für sich günstige rechtliche Schlüsse zu ziehen. Die Klagsänderung ist daher als vom Beklagten genehmigt anzusehen.

Recht hat der Rekurs damit, dass die Kläger kein ausdrückliches Vorbringen erstatteten, sie hätten auch den weiteren über die Grundstücke ***** und ***** verlaufenden Weg selbst bzw durch ihre Rechtsvorgänger durch mehr als 30 Jahre benützt und damit die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges auch darüber ersessen; dass der öffentliche Weg 1448 derzeit völlig verwachsen und nicht begehbar ist, besagt aber keineswegs, dass er schon durch mehr als 30 Jahre nicht mehr benützt oder der behauptete Dienstbarkeitsweg doch während eines solchen Zeitraumes in Anspruch genommen worden wäre. Der Oberste Gerichtshof kann sich aber dennoch nicht der Auffassung des Rekurses anschließen, dass das erweiterte Klagebegehren deswegen schon mangels Schlüssigkeit abzuweisen wäre. Wenn der Sachverhalt auch zweifellos noch einer weiteren Erörterung bedarf, kann doch dem Prozessstandpunkt der Kläger unterstellt werden, dass sie mit der Erweiterung des Klagebegehrens auch den gleichen Standpunkt des Ablaufes der dreißigjährigen Ersitzungszeit für den gesamten nunmehr in Anspruch genommenen Weg einnahmen. Eine Teilabweisung des Klagebgehrens mangels Schlüssigkeit kommt also zumindest derzeit nicht in Betracht.

Beizupflichten ist dem Rekurs wiederum darin, dass die Kläger in der Tagsatzung vom 20. 10. 1971 "ihre" (also beide) Klagebegehren präzisierten (S 63) und daher dann sowohl das ursprünglich gestellte Feststellungsbegehren als auch das Leistungsbegehren in ein Begehren zusammenfassten, das als Feststellungsbegehren bezeichnet werden kann, wogegen das Erstgericht ein Leistungsbegehren auf Verurteilung des Beklagten zur Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung der Dienstbarkeit formulierte und den Beklagten in diesem Sinne verurteilte. Welches Klagebegehren zu wählen ist, wenn der Ersitzungsbesitzer, der die Ersitzung vollendet hat, sein Recht mit Klage geltend macht (§ 1498 ABGB), ist im Gesetz nicht näher angeführt. Rechtsprechung (5 Ob 84/72) und Lehre (Klang in seinem Komm² VI 665; Gschnitzer, Lehrbuch/Sachenrecht 39) vertreten hiezu die Auffassung, dass das Klagebegehren nur auf die Feststellung der ersessenen Dienstbarkeit an der verbücherten Liegenschaft zu richten ist; die Einverleibung des Rechtes kann dann im öffentlichen Buch bereits auf Grund eines solcherart erwirkten Feststellungsurteiles erfolgen, ein weiteres Begehren auf Duldung der Einverleibung durch den bücherlichen Eigentümer ist also entbehrlich. Das bedeutet jedenfalls, dass es nicht, wie es die Kläger ursprünglich meinten, eines Feststellungs- und eines Leistungsbegehrens bedarf, sondern an sich ein Feststellungsbegehren genügt; es besteht aber auch kein grundsätzlicher Einwand dagegen, wenn der Urteilsspruch so gefasst wird, wie ihn das Erstgericht formulierte, ordnete es damit doch nur das an, was auf Grund des von den Klägern begehrten Urteiles auch ohne diese Anordnung geschehen durfte. Wesentlich ist nur, dass mit beiden Formulierungen nur ein und dasselbe Ergebnis angestrebt und erreicht wird. Entgegen der Auffassung des Rekurses hat das Erstgericht damit den Klägern aber nicht etwas anderes zugesprochen als von ihnen beantragt worden war, so dass es auch nicht gegen die Bestimmung des § 405 ZPO verstoßen hat. In der Stilisierung des Urteilsspruches konnte das Erstgericht aber vom Klagebegehren abweichen, solange seine Fassung sich nur im Wesen mit dem gestellten Klagebegehren deckte (SZ 28/228 u.v.a.). Bei einem Feststellungsurteil, das auch zu einer bücherlichen Eintragung führen kann, also nicht nur ein Rechtsverhältnis oder Recht feststellt, sondern auch Grundlage der angestrebten Rechtsverwirklichung (durch grundbücherliche Einverleibung der ersessenen Dienstbarkeit) sein kann, handelt es sich darüber hinaus entgegen der Meinung des Rekurses nicht um ein Urteil im Sinne des § 228 ZPO. Der Anspruch auf Feststellung der Dienstbarkeit leitet sich vielmehr aus § 523 ABGB ab; für ein solches Klagebegehren müssen, wenn es sich gegen den Eigentümer der dienenden Liegenschaft richtet, die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (SZ 39/21; JBl 1936, 190; SZ 13/54; Klang in seinem Komm² II 601). Abzulehnen ist die Auffassung des Rekurses, in der vom Erstgericht vorgenommenen Einschränkung der Zulässigkeit des Befahrenes des Weges "mit ortsüblichen landwirtschaftlichen Fuhrwerken" liege kein minus, sondern ein aliud. Grundsätzlich ist auch bei Feststellungsklagen der Zuspruch eines minus zulässig (JBl 1960, 154; JBl 1957, 132; JBl 1956, 563 u.a.; Fasching III 650). Eine Überschreitung des § 405 ZPO liegt hiebei dann nicht vor, wenn entweder ein quantitativ geringerer Umfang des Rechtes, dessen Feststellung begehrt wird, urteilsmäßig festgestellt wird oder aber an Stelle des begehrten Rechtes ein qualitativ geringeres Recht festgestellt wird, das aber begrifflich in dem Recht oder Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, zur Gänze seine Deckung findet (Fasching III 650 f). Die Einschränkung, dass der Dienstbarkeitsweg nur mit ortsüblichen landwirtschaftlichen Fuhrwerken befahren werden darf, findet nun aber zweifellos im allgemeinen Begehren, wonach der Weg mit allen Fahrzeugen befahren werden dürfte, Deckung. Das Begehren müsste nur dann dennoch abgewiesen und als aliud angesehen werden, wenn sich aus dem Prozessstandpunkt der Parteien ergäbe, dass den Klägern das Befahren des Weges mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken selbstverständlich gestattet sei, der Rechtsstreit also nur darum ginge, ob auch das Befahren mit anderen Fahrzeugen gestattet sei. Dann wäre das eingeschränkte Begehren vom Begehren der Kläger nicht mehr mitumfasst und daher ein aliud (vgl JBl 1956, 563). Aus der Klage ergibt sich nun aber, dass die Kläger die grundbücherliche Einverleibung ihres angeblich ersessenen Dienstbarkeitsrechtes an sich erreichen wollen; darüber hinaus haben sie behauptet, dass auch ihnen selbst die Benützung des Weges ganz allgemein durch Aufstellen einer Schranke verboten gewesen sei. Der Beklagte aber wendet nicht nur einen völligen Verzicht der Kläger auf ihr Recht ein, sondern behauptete auch, der Weg sei von den Klägern kaum benützt worden und werde von ihnen kaum gebraucht. Auch mit der vom Erstgericht vorgenommenen Einschränkung wurde damit ein strittiger Anspruch entschieden; den Klägern wurde ein Teilerfolg zuerkannt, den sie auf jeden Fall auch anstrebten (vgl SZ 42/158) und von dem keineswegs gesagt werden kann, er widerspreche in dieser Form ihren Interessen. Es hat also dabei zu bleiben, dass an sich zumindest hinsichtlich des zwischen den Gebäuden hindurchführenden Weges - im übrigen wird der Sachverhalt noch zu erörtern sein - im Sinn des Erstgerichtes entschieden werden könnte, wenn die Kläger auf ihr Recht nicht verzichteten, worüber, wie das Berufungsgericht auftrug, noch ein Beweis aufzunehmen sein wird. Soweit nicht die Rechtskraft des erstgerichtlichen Urteiles verletzt wurde, ist die Sache damit entgegen der Auffassung des Rekurses nicht entscheidungsreif. Insoweit ist also dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Die Rechtskraft des abweisenden Teiles wird das Erstgericht hiebei insofern zu beachten haben, als es jedenfalls im neuen Urteil nicht über den Rahmen des ersten hinausgehen dürfen wird.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO. Da der Rekurs zur Klärung der noch offenen Rechtsfragen in zum Teil von den Auffassungen der zweiten Instanz abweichenden Sinn beitragen konnte, muss der Kostenersatzanspruch hiefür vom Ergebnis des Hauptprozesses abhängen.

Anmerkung

E85418 1Ob108.72

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0010OB00108.72.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19720524_OGH0002_0010OB00108_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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