TE OGH 1973/5/10 6Ob91/73

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.05.1973
beobachten
merken

Norm

KO §19 Abs2
KO §20 Abs2

Kopf

SZ 46/48

Spruch

Da auch bedingte Forderungen Gegenstand der Konkursaufrechnung sind, kommen auch demjenigen, der einen bedingten Regreßanspruch gegen den späteren Gemeinschuldner erwirbt, die Bestimmungen des § 20 Abs. 2 KO zugute. Diese Forderung kann aufrechnungsweise geltend gemacht werden, da im Zeitpunkt der Abtretung nicht schon alle Erfordernisse der Aufrechenbarkeit vorliegen müssen

OGH 10. Mai 1973, 6 Ob 91/73 (OLG Innsbruck 2 R 311/72; LG Innsbrud; 8 Cg 407/71)

Text

Die Klägerin (eine Bank) behauptete, der Beklagte hafte ihr als Bürge und Zahler für einen Teilbetrag von 100.000 S des der Firma G eingeräumten Bankkredites. Weiter stunden ihr aus Zessionen der bezeichneten Firma deren Forderungen aus ihrer Geschäftsverbindung mit dem Beklagten im Beträge von insgesamt 27.182 S siehe Anhang zu. Auf Grund einer im Zuge des Verfahrens am 25. Oktober 1971 geleisteten Teilzahlung des Beklagten schränkte die Klägerin ihr Begehren auf die Beträge von 8250 S und 27.182 S, zusammen 35.432 S siehe Anhang ein.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten unter Abweisung des Zinsenmehrbegehrens der Klägerin zur Zahlung des Betrages von 35.432 S samt 6% Zinsen aus 27.182 S seit 1. Juni 1971 und 8% Zinsen aus 8250 S seit 26. Oktober 1971.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil dahin ab, daß es aussprach: die Klagsforderung besteht im Betrage von 35.432 S samt 6% Zinsen aus 27.182 S seit 1. Juni 1971 und 8% Zinsen aus 8250 S seit 26. Oktober 1971 zu Recht, mit dem weiteren Zinsenbegehren von 2% aus 27.182 S seit 1. Juni 1972 nicht zu Recht; 2. die vom Beklagten aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung besteht mindestens mit dem Betrag von 27.182 S zu Recht; 3. der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin den Betrag von 8250 S samt 8% Zinsen seit 26. Oktober 1971 zu bezahlen; 4. das Mehrbegehren von 27.182 S samt 8% Zinsen seit 1. Juni 1971 wird abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der beklagten Partei zurück, und gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es ist davon auszugehen, daß die Klägerin gegen den Beklagten zwei Ansprüche aus verschiedenen Rechtsgrunden geltend macht, nämlich eine Forderung aus der von ihm geleisteten Bürgschaft für die Firma G im Betrag von 100.000 S samt Anhang - welches Begehren sie im Hinblick auf eine im Zuge des Verfahrens geleistete Teilzahlung auf 8250 S samt Anhang eingeschränkt hatte - sowie eine weitere aus Zessionen der Forderungen der Firma G gegen den Beklagten im Betrage von 27.182 S samt Anhang, gegen die der Beklagte aufrechnungsweise seine aus der Bürgschaftsverpflichtung abgeleitete Regreßforderung, einwendete. Was die erstbezeichnete Forderung der Klägerin betrifft, erkannte sie das Erstgericht mit dem Restbetrag von 8250 S samt Anhang als berechtigt. Da es auch die weitere Forderung der Klägerin aus den Zessionen von 27.182 S samt Anhang als zu Recht bestehend, dagegen die Voraussetzungen für die vom Beklagten geltend gemachte Aufrechnung nicht annahm, gelangte es insgesamt zur Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Betrages von 35.432 S samt Anhang. Hinsichtlich der ersten Forderung von 8250 S samt Anhang bestätigte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil. Es liegen daher insoweit übereinstimmende Urteile beider Instanzen vor, so daß die Revision des Beklagten gemäß § 502 Abs. 2 ZPO unzulässig ist. Sie war daher zurückzuweisen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens können also nur noch die Forderungen der Klägerin aus den Zessionen der der Firma G gegen den Beklagten zustehenden Forderungen und die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung des Beklagten sein, über die die Untergerichte widersprechend erkannten. Dazu wurde im wesentlichen folgender Sachverhalt festgestellt;

Die Firma G nahm bei der Klägerin einen Überbrückungskredit von

30.598.892 Lire und 281.271 S auf und verpflichtete sich mit der von den beiden Vorstandsmitgliedern K und Z unterzeichneten Vereinbarung vom 7. Oktober 1970, zur Sicherung dieser Beträge die Importware in einem versicherten Pfandlager zu halten und alle Forderungen aus Verkäufen der Klägerin abzutreten. In Ausführung dieser Vereinbarung wurden die Rechnungen in dreifacher Ausfertigung samt Anbotschreiben und Zessionsvermerken von Mitgliedern oder der Sekretärin der Firma G an die Klägerin übersandt. Zahlungseingänge auf die von der Klägerin an die Kunden verschickten Rechnungen wurden dem Überbrückungskredit gutgeschrieben. Auch der Beklagte war Kunde der Firma G und Abnehmer solcher Importware. Bis 25. März 1971 bezog er Waren im Werte von 176.170 S. Mit Schreiben vom 11. Feber 1971 forderte die Klägerin vom Beklagten unter Hinweis auf die Zessionen die Zahlung. Die für jede an den Beklagten gerichtete Rechnung bestehenden Zessionsanbote an die Klägerin wurden nicht vom Beklagten, sondern von nicht zeichnungsberechtigten Personen unter Beisetzung der Stampiglie der Genossenschaft unterfertigt. Eine gesonderte Zessionserklärung gab der Beklagte nicht ab, er erhielt aber die mit dem Zessionsvermerk zu Gunsten der Klägerin versehenen Rechnungen der Firma G. Mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19. Juli 1971 wurde über das Vermögen der Firma G das Konkursverfahren eröffnet und die Auflösung der Genossenschaft im Genossenschaftsregister angemerkt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, wenn auch die Vereinbarung vom 7. Oktober 1970 noch keine wirksame Abtretung darstelle, da weder die Höhe der einzelnen Forderungen noch der Schuldner noch der Fälligkeitstermin bekannt gewesen sei, so seien doch die Unterfertiger der späteren Zessionsanbote als Stellvertreter der Genossenschaft anzusehen. Auftrag und Einverständnis des Beklagten ergäben sich daraus, daß er auf Grund der ihm bekanntgegebenen Abtretungen der Forderungen der Firma G gegen ihn eine a-conto-Zahlung geleistet, aber nicht die Gültigkeit der Zessionen bestritten habe. Gerade als Vorstandsmitglied hätte er sich dagegen wenden müssen. Die in Ausführung des Beschlusses der Genossenschaft der Klägerin übermittelten Zessionsanbote hätten als vom Vorstand genehmigt zu gelten. Gegen diese Forderungen der Klägerin könne der Beklagte aus seiner Bürgschaftsverpflichtung abgeleitete Regreßforderungen nicht aufrechnen, weil er von der Zession bereits verständigt gewesen sei, als die Regreßforderung am 21. Oktober 1971 entstanden sei.

Das Berufungsgericht, das dem Erstgericht bei seiner Beurteilung der Wirkungen der Zessionen folgte, erachtete abweichend von ihm die eingewendete Gegenforderung als aufrechenbar.

Was die primäre Frage der Wirksamkeit der Zessionen der Forderungen der Firma G gegen den Beklagten an die Klägerin betrifft, gingen beide Instanzen davon aus, daß in der Vereinbarung vom 7. Oktober 1970, wonach zur Sicherung des eingeräumten Überbrückungskredites alle künftigen Forderungen aus der eingekauften und weiterverkauften Importware an die Klägerin abgetreten wurden, noch keine gültige Abtretung der einzelnen Rechnungsbeträge lag. Dazu ist es nun richtig, daß die Rechtsprechung eine Zession künftiger Forderungen als rechtswirksam nur anerkennt, wenn diese Forderungen ausreichend individualisiert sind. Dies ist erforderlich, um Zweifel darüber auszuschalten, ob die in der Folge entstandene Forderung mit der abgetretenen wesensgleich ist. Ob die abgetretene Forderung hinreichend individualisiert ist, ist im Einzelfall zu prüfen (MietSlg. 20.216). Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann aber dahingestellt bleiben. Denn der Beklagte hatte selbst mit einem weiteren Vorstandsmitglied für die Genossenschaft den Rahmenvertrag vom 7. Oktober 1970 geschlossen und er erhielt in der Folge die von Angestellten der Genossenschaften der Klägerin in Ausführung dieser Vereinbarung übermittelten und von der Klägerin angenommenen Zessionsanbote. Er wußte daher als Vorstandsmitglied, daß die künftigen Forderungen zediert werden müssen, nahm die Zessionen, soweit sie ihn betrafen, widerspruchslos zur Kenntnis und leistete auch eine Teilzahlung an die Klägerin. Unter diesen Umständen ist den Untergerichten zu folgen, daß dieses Verhalten des Beklagten nur als Genehmigung der von den Angestellten der Genossenschaft in Ausführung des Rahmenvertrages vorgenommenen Zessionen gewertet werden kann. Der Standpunkt des Beklagten, es hätte in jedem Einzelfall einer Zession der Forderungen durch ein vertretungsbefugtes Organ der Gesellschaft bedurft, bedeutet unter den festgestellten Umständen einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Mit Recht sind daher beide Instanzen von der Wirksamkeit der Zession der Forderungen der Firma G gegen den Beklagten an die Klägerin ausgegangen, deren Höhe mit 27.182 S nicht mehr strittig ist.

Soweit sich die Klägerin gegen die vom Berufungsgericht angenommene Aufrechenbarkeit der eingewendeten Gegenforderung des Beklagten wendet, ist sie zunächst darauf zu verweisen, daß die Rechtsrüge, um gesetzmäßig ausgeführt zu sein, von den vorbezeichneten Feststellungen der Untergerichte ausgehen muß. Soweit die Klägerin ihren Ausführungen teilweise einen anderen Sachverhalt zugrunde legt und insbesondere auf angebliche Anfechtungsmöglichkeiten, auf die Kenntnis des Beklagten von einer schon früher eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Firma G und auf unredliches Vorgehen des Beklagten verweist, wurden im erstgerichtlichen Verfahren Behauptungen nach diesen Richtungen nicht vorgebracht. Es handelt sich daher um im Revisionsverfahren unzulässige und unbeachtliche Neuerungen. Feststellungsmängel, die die Klägerin mit ihren Ausführungen zu der "vorsorglich" erhobenen Mängelrüge in Wahrheit geltend zu machen sucht, liegen nicht vor.

Was die Frage der Aufrechenbarkeit der dem Beklagten zustehenden Gegenforderung betrifft, ist davon auszugehen, daß er die Bürgschaft für die Firma G bereits am 9. Jänner 1969 und 16. Juli 1969 und damit lange vor Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen mit Beschluß vom 19. Juli 1971 geleistet hatte. Als Bürge der Gemeinschuldnerin war er zu der späteren Einlösung seiner Bürgschaftsverpflichtung genötigt. Bereits mit der Eingehung dieser Bürgschaft erwarb er einen bedingten Regreßanspruch gegen die spätere Gemeinschuldnerin. Da auch bedingte Forderungen Gegenstand der Konkursaufrechnung sind (§ 19 Abs. 2 KO), kommen daher auch dem Beklagten die Bestimmungen des § 20 Abs. 2 KO zugute (Bartsch - Pollak, I, 141, Anm. 13; II, 219, Anm. 37; Petschek - Reimer - Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 485 mit Anm. 58). Diese Forderung kann der Beklagte aufrechnungsweise geltend machen, da im Zeitpunkt der Abtretung nicht schon alle Erfordernisse der Aufrechenbarkeit vorliegen müssen; so ist es z. B. nicht erforderlich, daß die Gegenforderung schon vorher unbedingt war (JBl. 1960, 230). Dies ergibt sich daraus, daß sonst die Rechtslage des Schuldners nicht die gleiche wie beim Unterbleiben der Abtretung, sondern schlechter wäre (Gschnitzer in Klang[2] VI, 523 SZ 36/40). Daß dem Beklagten auch schon bei der Übernahme der Bürgschaft ein Deckungsfonds bei der Hauptschuldnerin gar nicht zur Verfügung gestanden wäre, wurde im erstgerichtlichen Verfahren nicht vorgebracht. Es handelt sich auch hier um eine unzulässige Neuerung. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht die eingewendete Gegenforderung des Beklagten für aufrechenbar erkannt.

Anmerkung

Z46048

Schlagworte

Forderung, Konkursaufrechnung, bedingte -, Konkursaufrechnung, bedingte Forderung, Konkursaufrechnung, Regreßanspruch gegen Gemeinschuldner, Regreßanspruch, Konkursaufrechnung, - gegen Gemeinschuldner

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1973:0060OB00091.73.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19730510_OGH0002_0060OB00091_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten