TE OGH 1974/1/9 5Ob248/73 (5Ob249/73)

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Veröffentlicht am 09.01.1974
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Norm

ABGB §830

Kopf

SZ 47/1

Spruch

Bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen, welche durch einen anhaltenden, bald langsamer, bald schneller vor sich gehenden Preisauftrieb und damit durch ein entsprechendes Sinken des inneren Geldwertes gekennzeichnet sind, ohne daß derzeit ein Ende dieser Entwicklung oder aber ein plötzlicher Geldwertverfall abzusehen wäre, kann "Unzeit" im Sinne des § 830 ABGB nicht angenommen werden

OGH 9. Jänner 1974, 5 Ob 248, 249/73 (OLG Innsbruck 1 R 153/73, LG Feldkirch 1 c Cg 348/72)

Text

Die Klägerin begehrt Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der dem Beklagten, ihrem früheren Ehemann, und ihr gemeinsam gehörigen Liegenschaft EZ X durch gerichtliche Feilbietung im wesentlichen mit der Behauptung, daß infolge ständiger Streitigkeiten bei der Verwaltung der Liegenschaft und anderer Prozesse der Streitteile aus verschiedenen Anlässen die Aufhebung der Gemeinschaft notwendig geworden sei. Der Beklagte erhob die Einrede der entschiedenen Streitsache, weil die Klägerin eine zu 1 c Cg 372/71 beim Landesgericht Feldkirch eingebrachte Klage mit dem gleichen Teilungsbegehren unter Verzicht auf den Anspruch und vorbehaltlos zurückgenommen habe. Außerdem laste auf der Liegenschaft ein grundbücherlich einverleibtes Veräußerungsverbot welches die Teilungsklage ebenfalls unzulässig mache. Überdies beantragte der Beklagte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Aufhebung der Gemeinschaft zur Unzeit und zum Nachteil des Beklagten begehrt werde. Der kränkliche und schwächliche Beklagte verdiene nicht mehr viel, habe keine Mittel zum Erwerb der anderen Liegenschaftshälfte und wurde durch die Teilung obdachlos. Der Erlös aus seiner Liegenschaftshälfte würde zur Beschaffung einer anderen Unterkunft nicht ausreichen. Da das Haus außen noch nicht verputzt sei, wäre seine Verwertung derzeit auch wirtschaftlich nachteilig. Die ständige Geldentwertung bedeute einen Nachteil für den Beklagten, weil die hohe Inflationsrate zum Verlust der Kapitalsubstanz führe. Da eine Interessenabwagung zu seinem Vorteil ausfalle, müsse sich die Klägerin einen Aufschub, und zwar bis zum Lebensende des Beklagten, gefallen lassen. Das Begehren sei wegen der gegebenen Verhaltnisse auch sittenwidrig.

Die Untergerichte gingen von folgenden Sachverhaltsfeststellungen aus: Die Streitteile sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ X, bestehend aus der GP 718/5 im Gesamtausmaß von

714.80 m2. Sie hatten im Jahre 1958 geheiratet, im Jahre 1960 gemeinsam das genannte Grundstück gekauft und darauf aus gemeinsamen Mitteln das Wohnhaus S-Weg Nr. 3 erbaut, welches sie im Jahre 1963 bezogen. Die Ehe blieb kinderlos. Sie wurde mit 17. April 1970 aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten geschieden. Einige Zeit später heiratete die Klägerin neuerlich und bewohnt seither mit ihrem Ehemann Franz B die Parterrewohnung des Hauses, bestehend aus Küche, zwei Zimmern und Nebenräumen, während der Beklagte zwei Räume samt WC im Obergeschoß benützt und dort zwei weitere Räume derzeit unbenützt sind. Das gemeinsame Haus besteht aus Keller-, Erd- und Dachgeschoß. Das Kellergeschoß weist einen Gemüsekeller, einen Heizraum, den Kohlenraum und eine Garage auf, das Erdgeschoß besteht aus der von der Klägerin bewohnten, oben bereits beschriebenen Wohnung, und das Dachgeschoß aus drei Zimmern, einem Balkon, WC und Abstellraum. Das Haus ist gut erhalten, hat jedoch keinen Außenputz (weil sich die Streitteile darüber nicht einigen konnten). Der Schätzwert des Hauses betrug im November 1969 560.735 S.

Zwischen den Streitteilen kam es auch nach der Scheidung der Ehe immer wieder zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, die zum Teil ihre Ursache im gemeinsamen Eigentum haben, weil die Streitteile über fast alle Verwaltungsmaßnahmen gegenteiliger Meinung sind. Jeder schiebt dem anderen die Schuld an den Streitigkeiten zu. So ist es umstritten, wer von den Streitteilen die Schlüssel für die zwei nicht benutzten Raume im Obergeschoß besitzt. Die Aufnahme eines Mieters ist nicht möglich, weil kein Einvernehmen erzielt werden kann. Über die Verrechnung von Mietzinsen bestehen Rechtsstreitigkeiten. Über die Benutzung des Hauses ist zu 1 Nc 8/72 des Bezirksgerichtes Bregenz ebenfalls ein Verfahren anhängig. Im Rechtsstreit 1 c Cg 352/11 des Landesgerichtes Feldkirch stützte der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Teilungsklage unter anderem auch auf das zugunsten des Wohnbaufonds des Landes Vorarlberg in der EZ X grundbücherlich einverleibte Veräußerungsverbot. Da das Amt der Vorarlberger Landesregierung mit Schreiben vom 29. November 1971 mitteilte, daß die Klägerin keinen Antrag auf Verzicht dieses Veräußerungsverbotes stellen könne, und die Klägerin daher keine Möglichkeit sah, mit ihrem Begehren durchzudringen, nahm sie das Teilungsbegehren am 1. Dezember 1971 unter Verzicht auf den Anspruch zurück. Im vorliegenden Verfahren legte die Klagerin nun eine Löschungsquittung vor, wonach das Land Vorarlberg die gänzliche Ruckzahlung der Darlehensforderung bestätigt und in die Löschung des Pfandrechtes und des Veräußerungsverbotes einwilligt.

Es sind auch noch andere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Streitteilen anhängig. Die Klägerin wurde zu U 1015/71 des Bezirksgerichtes Bregenz wegen Mißhandlung des Beklagten rechtskräftig verurteilt hingegen wurde sie gleichzeitig von einem vom Beklagten gegen sie erhobenen Diebstahlsvorwurf freigesprochen.

Der Beklagte lebt allein. Er kocht für sich selbst und bringt die Wäsche in eine Wäscherei. Er ist nunmehr 67 Jahre alt und bezieht von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Rente von 3031 S 14mal jährlich. Er hat sonst kein Vermögen. Er leidet an einer Lungenblähung mit einer leichten Beeinträchtigung des Herzens, an Bronchitis, an leichten Krampfadern und Durchblutungsstörungen an beiden Beinen und an den nicht näher beschriebenen Folgen eines Fersenbein- und Mittelfußknochenbruches. Beim Beklagten besteht eine neurotische und neuropathische Persönlichkeitsgestaltung, die aber nicht einer Geisteskrankheit gleichkommt. Es liegt jedoch eine Grenzdebilität vor, die allerdings seine Geisteskraft nur unwesentlich einschränkt, so daß er seine neurotische und neuropathische Artung noch zu beherrschen vermag.

Die erhobene Prozeßeinrede erachtete das Erstgericht deshalb nicht für begrundet, weil der mit der vorliegenden Klage neuerlich geltend gemachte Teilungsanspruch auf einen anderen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt werde. Da das früher bestandene Veräußerungsverbot zufolge der vorliegenden Löschungsquittung nicht mehr wirksam sei, sei der früher bestandene Mangel einer Prozeßvoraussetzung nicht mehr gegeben. Die erhobene Einrede müsse daher wirkungslos bleiben.

In der Sache selbst ging das Erstgericht bei seiner Abweisung des Klagebegehrens davon aus, daß die Realteilung der Liegenschaft der Streitteile nicht möglich sei. Die Klägerin sei daher zwar gemäß § 830 ABGB berechtigt, die Aufhebung des gemeinsamen Eigentums zu verlangen; dies dürfe jedoch weder zur Unzeit noch zum Nachteil des Beklagten als Miteigentümer erfolgen. Im vorliegenden Falle liegt Unzeit vor. In Anlehnung an die - zum Teil wörtlich zitierte - Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. Dezember 1972, 1 Ob 200/72 (s. SZ 45/140), vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß für den 67jährigen kränklichen Beklagten Schwierigkeiten beim Auffinden einer geeigneten Geldanlage bestunden, die ihm eine ausreichende Sicherheit vor dem derzeit drohenden beträchtlichen Geldverlust zufolge der inflatorischen Entwicklung, aber auch die Möglichkeit böte, notfalls auf das Kapital zurückzugreifen. Die ungeschmälerte Erhaltung des Wertes liege im besonderen im Interesse des Beklagten und könne am besten durch eine Verhinderung der Liegenschaftsveräußerung gewährleistet werden, da bei Anschaffung von Wertpapieren mit nicht kalkulierbaren Kursverlusten gerechnet werden müsse. Bei Gegenüberstellung des von der Klägerin geltend gemachten Interesses an der Aufhebung der Gemeinschaft mit dem Interessen des Beklagten falle die Interessenabwägung zugunsten des Beklagten aus, so daß dem Teilungsbegehren derzeit nicht stattgegeben werden könne. Dabei sei noch von Bedeutung, daß die Klägerin an den Streitigkeiten, wie ihre rechtskräftige Verurteilung beweise, nicht schuldlos sei. Eine Benützungsregelung in der Weise, daß nicht zu viele Reibungsflächen bestunden, sei möglich.

Das Berufungsgericht gab dem gegen den Beschluß des Erstgerichtes über die Prozeßeinrede erhobenen Rekurs des Beklagten nicht Folge. Hingegen änderte es über die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Berufung der Klagerin das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens mit dem Ausspruch ab, daß der Wert, über den das Berufungsgericht entschieden habe, den Betrag von 1000 S übersteige.

Zur Sachentscheidung führte das Berufungsgericht aus, daß die Klägerin gemäß § 830 ABGB einen unbedingten Anspruch auf Teilung der gemeinsamen Liegenschaft habe und mit ihrem Begehren nur dann nicht durchdringen könne, wenn die Teilung zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen Teilhaber begehrt werde. Ein Aufschub komme nur dann in Betracht, wenn es sich nur um vorübergehende der Teilung entgegenstehende Umstände handle, die bei Gewährung eines Aufschubes wegfielen, nicht aber bei dauernden Umständen dieser Art. Zwar sei richtig, daß die inflationäre Entwicklung schon vor Jahresfrist erheblich zugenommen habe und sich seither auf etwa gleichem Niveau halte. Entgegen der noch in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. Dezember 1972, 1 Ob 200/72, ausgesprochenen Erwartung, daß eine Beruhigung der Verhältnisse in absehbarer Zeit eintreten werde und daher ein Aufschub der Teilung nicht auf eine Verweigerung des Teilungsanspruches hinauslaufe, könne eine Änderung der gegenwärtigen Verhältnisse jedoch in absehbarer Zeit nicht als wahrscheinlich in Betracht gezogen werden. Im vorliegenden Falle liege daher "Unzeit" nicht vor. Grundsätzlich konnten wohl auch Gründe persönlicher Art, die nur bei einem Miteigentümer vorliegen, ein Teilungshindernis darstellen, doch sei eine Interessenabwägung nur dann vorzunehmen, wenn überhaupt ein Aufschub der Teilung in Betracht zu ziehen sei. Dabei sei nur eine eklatante Benachteiligung durch eine sehr ungleiche Interessenlage zu berücksichtigen, wenn diese Benachteiligung vorübergehender Art sei. Die vom Beklagten vorgebrachten persönlichen Nachteile des Alters, der Krankheit und Schwächlichkeit, seines geringen Einkommens und der drohenden Obdachlosigkeit seien aber keinesfalls von der Art, daß sie durch einen vorübergehenden Aufschub der Teilung behoben oder auch nur gemildert werden könnten. Das Begehren des Beklagten laufe daher darauf hinaus, aus den angeführten Umständen ein lebenslängliches und somit womöglich jahrzehntelang währendes Teilungsverbot für sich in Anspruch zu nehmen, was dem Gesetz und seiner in der Judikatur und Lehre gefundenen Auslegung aber widerspreche.

Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sei bei kritischer Wertung ihres Inhaltes und des ihr zugrunde liegenden Sachverhaltes, auf den sie auch ausdrücklich abstelle, hier nicht anwendbar. In der genannten Vorentscheidung handle es sich bei der beklagten Miteigentümerin um eine 80jährige schwer kranke Frau, die sich vor die Notwendigkeit gestellt gesehen hätte, eine Geldanlage für ihren Liegenschaftsanteil zu finden. Der hier Beklagte hingegen sei ein etwas kränklicher, erst 67jähriger Mann, der nach dem festgestellten Sachverhalt keinesfalls unfähig erscheine, über einen Liegenschaftsanteil sinnvoll zu verfügen, zumal er ohnehin gezwungen sein werde, den auf ihn entfallenden Teil des Verkaufserlöses in die Anschaffung einer geeigneten Wohnmöglichkeit zu investieren, so daß ihm schwierige Anlageprobleme erspart blieben. Auch die persönlichen Verhältnisse der Kläger in den beiden Streitfällen seien so verschieden, daß danach auch die Zumutbarkeit eines Aufschubes verschieden zu beurteilen sei. In der genannten Vorentscheidung sei dem Kläger, einem Mann von unter 30 Jahren, ein infolge des sehr hohen Alters der Beklagten offenbar nur vorübergehender Aufschub zumutbar gewesen, während die Klägerin im vorliegenden Falle selbst schon fast 60 Jahre alt sei und ein Aufschub der Teilung bis zum Lebensende des Beklagten daher auch einen Aufschub bis an ihr eigenes Lebensende bedeuten könne.

Es sei aber auch das Argument des Beklagten nicht stichhältig, daß er aus dem erwarteten Verkaufserlös für sich keine geeignete Unterkunft erwerben könne, weil der zu erwartende Betrag von mindestens 300.000 S erfahrungsgemäß auch heute zum Ankauf einer entsprechenden Kleinwohnung oder eines bescheidenen Hausanteiles in H durchaus ausreiche. Zu einer Interessenabwägung könne es daher im vorliegenden Falle nach den oben angeführten rechtlichen Erwägungen gar nicht kommen, weil ein Aufschub der Teilung nicht in Betracht zu ziehen sei. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes könnte aber zufolge des Grundsatzes, daß nur eine eklatante Benachteiligung durch eine vorübergehende sehr ungleiche Interessenlage berücksichtigt werden könne, eine Interessenabwägung auch nicht zum Nachteil der Klägerin ausfallen. Die vielleicht noch jahrzehntelange Aufrechterhaltung des derzeitigen Zustandes, der durch eine erbitterte Feindschaft zwischen den Streitteilen gekennzeichnet sei und zu fast täglichen Reibereien und Auseinandersetzungen und einer Mehrzahl von ständig anhangenden Rechtsstreitigkeiten führte, müsse im wohlverstandenen gesundheitlichen und finanziellen Interesse beider Parteien als derart unerträglich beurteilt werden, daß die verhältnismäßig geringe Schwierigkeit für den heute erst 67jährigen und noch im Besitze ausreichender körperlicher und geistiger Kräfte befindlichen Beklagten, sich in einem einzigen Entschluß mit den anfallenden Mitteln ein neues Obdach zu schaffen, dagegen zurücktrete.

Von einer Sittenwidrigkeit des Begehrens der Klägerin könne bei dem aufgezeigten Sachverhalt und der bestehenden Rechtslage keine Rede sein, zumal wenn dabei berücksichtigt werde, daß die der Teilung ursächlich zugrunde liegende Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten ausgesprochen wurde und der Beklagte zu den gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen, die zu der derzeit unhaltbaren Situation führten, auch das Seine beigetragen habe. Dem Klagebegehren sei daher stattzugeben, zumal eine Realteilung der Liegenschaft nicht in Betracht komme.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Rechtsrüge will der Beklagte darlegen, daß eine Aufhebung des Miteigentums im Hinblick auf die inflationären Verhältnisse von schwerwiegendem Nachteil für ihn sei, daß die persönlichen Verhältnisse der Streitteile eine Interessenabwägung rechtfertigten und daß diese zugunsten des Beklagten ausfallen müsse, weil der Beklagte sonst den Verlust seines einzigen Vermögensobjektes erleide. Eine Benützungsregelung sei möglich, die Streitigkeiten seien nicht vom Beklagten, sondern von der Klägerin verschuldet. Der Beklagte könne sich im Falle der Teilung von dem zu erwartenden Erlös wegen seines geringen Einkommens und des Wohnungsmangels derzeit nichts Gleichwertiges kaufen. Da aber mit einer Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu rechnen sei, liege Unzeit des Teilungsbegehrens vor, weshalb dieses derzeit abgewiesen werden müsse.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die zutreffenden Entscheidungsgründe des Berufungsgerichtes zu entkräften. Nach § 830 ABGB hat jeder Teilhaber einer gemeinsamen Sache einen unbedingten Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (Klang[2] III, 1097, letzter Absatz; EvBl. 1969/407; JBl. 1971, 366; MietSlg. 24.045 = EvBl. 1972/199 u. v. a.). Dieser Anspruch erfährt nur insoweit eine Einschränkung, als er nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen Miteigentümer geltend gemacht werden darf (Klang III 1098). Soweit sich der Beklagte hinsichtlich der Unzeit auf eine inflationäre wirtschaftliche Entwicklung beruft, ist zunächst - wie schon im angefochtenen Urteil geschehen - darauf zu verweisen, daß "Unzeit" im Sinne des § 830 ABGB nur beim Vorhandensein vorübergehender Ausnahmezustände angenommen werden kann (vgl. auch Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes 3 II. 41). Davon kann aber bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gesprochen werden, denn diese sind gekennzeichnet durch einen praktisch seit der Währungsreform 1947 anhaltenden, einmal langsamer, einmal schneller vor sich gehenden Preisauftrieb und damit durch ein entsprechendes Sinken des inneren Geldwertes. Es mag sein, daß diese Entwicklung in letzter Zeit rascher als bis vor einigen Jahren fortschreitet; dennoch ist innerhalb absehbarer Zeit weder mit einer Beendigung dieser Entwicklung noch mit einem Geldwertverfall zu rechnen, der etwa jenem nach dem Ende des ersten Weltkrieges entspräche. Keinesfalls kann gegenwärtig bereits gesagt werden, daß im Falle der Feilbietung einer Liegenschaft mit einem plötzlichen Wertverfall des Verkaufserlöses gerechnet werden müßte oder daß - wie im Falle einer allgemeinen Stagnation und eines allgemeinen Preisverfalles - die Erzielung eines dem Werte der Liegenschaft entsprechenden Erloses nicht zu erwarten wäre (SZ 31/79 u. v. a. zuletzt etwa 5 Ob 180/72). Wegen der allgemein herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse kann daher heute "Unzeit" im Sinne des § 830 ABGB nicht angenommen werden.

Der Hinweis der Revision auf die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 200/72 enthaltenen Ausführungen ist nicht geeignet, dem Standpunkt des Beklagten zu nützen, weil sich diese Ausführungen des Obersten Gerichtshofes zur inflationären Entwicklung nicht auf den Begriff der "Unzeit", sondern auf jenen des "Nachteiles der übrigen beziehen. In dem dort zur Entscheidung stehenden Falle kam der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß die begehrte Aufhebung des gemeinsamen Eigentums für die beklagte Partei von Nachteil sei, dies aber keineswegs ausschließlich im Hinblick auf die inflationäre Entwicklung. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß sich die persönlichen Verhältnisse der Streitteile doch erheblich von jenen unterscheiden, die der erwähnten Vorentscheidung zugrunde lagen. Jedenfalls bestehen keine Bedenken gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß hier der zwar auch etwas kränkliche, aber erst 67jährige Kläger durchaus in der Lage ist, im Falle der Aufhebung seiner Eigentumsgemeinschaft mit der Klagerin den auf ihn entfallenden Verkaufserlös zur Anschaffung einer geeigneten Ersatzwohnung heranzuziehen. Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß im vorliegenden Falle eine Interessenabwägung gar nicht stattzufinden hat, weil unter den hier gegebenen Verhältnissen ein Aufschub der Teilung nicht in Betracht zu ziehen ist. Denn die vom Beklagten geltend gemachten, der Teilung entgegenstehenden Umstände sind nicht solche vorübergehender Natur, sondern ausnahmslos in seiner Person gelegene Dauerumstände, die, wären sie zu berücksichtigen, das Aufhebungsbegehren bis an das Lebensende des Beklagten unzulässig machten. Ein solches Ergebnis entspricht aber nicht dem Teilungsanspruch des Miteigentümers im Sinne des § 830

ABGB.

Die Geltendmachung dieses Anspruches kann entgegen der Meinung des Beklagten auch nicht als sittenwidrig erkannt werden.

Der unbegrundeten Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

Z47001

Schlagworte

Inflation, keine Unzeit im Sinne des § 830 ABGB, Unzeit, Inflation keine - im Sinne des § 830 ABGB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0050OB00248.73.0109.000

Dokumentnummer

JJT_19740109_OGH0002_0050OB00248_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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