TE OGH 1974/1/17 7Ob238/73

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.1974
beobachten
merken

Norm

Allgemeines Grundbuchsgesetz §61
Liegenschaftsteilungsgesetz §15
Liegenschaftsteilungsgesetz §20

Kopf

SZ 47/4

Spruch

Dem dringenden Wohnbedürfnis des Eintretenden ist - bei gemischten Bestandverhältnissen - auch ein eigener Bedarf an den bisher zur Berufsausübung verwendeten Räumen zum Zwecke der Fortsetzung dieses Berufes zuzurechnen. Hingegen kann die Überlassung der zur Berufsausübung des Mieters erforderlich gewesenen Räume an Dritte dem Eintrittsberechtigten nicht zugute kommen

Das bloße Interesse der Verlassenschaft an der Abwicklung der Geschäfte des Verstorbenen steht bei Fehlen eines Interesses des Eintretenden, selbst in absehbarer Zeit das Gewerbe fortzuführen, einer Teilkündigung nicht entgegen

OGH 17. Jänner 1974, 7 Ob 238/73 (LGZ Graz 3 R 278/73 BGZ Graz 6 C 15/73)

Text

Der Beklagte ist nach dem Tode seines Vaters, des Architekten und Hochschulprofessors Dipl -Ing. Dr. techn. F Sch, in das Mietrecht an der aus vier Zimmern und drei Kabinetten samt Nebenräumen bestehenden Wohnung in dem der Klägerin allein gehörenden Hause Graz, H-Gasse 1 eingetreten. Die Klagerin kundigte die beiden im Spruch genannten Räumlichkeiten, die nach dem Mietvertrag für Bürozwecke verwendet werden durften und vom Erblasser so verwendet wurden, mit Teilkündigung nach § 19 Abs 2 Z. 11 MiG auf und begehrt hilfsweise die Wirksamerklärung der Aufkündigung wenigstens hinsichtlich des Raumes 8.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Raumungsbegehren zur Gänze ab. Nach seinen Feststellungen wird das im Plan Beilage B als Raum 8 bezeichnete Zimmer, das vom Stiegenhaus her betreten werden kann, zur Weiterbearbeitung von Projekten für den Raum Graz, die der verstorbene Vater des Beklagten begonnen hatte, weiterverwendet, während der Bürobetrieb des Verstorbenen von Kapfenberg aus weitergeführt wird. Im Raum 8 übt ein Diplomingenieur eine Ganztagsbeschäftigung aus, und es ist dort die Bauleitung eingerichtet. Die Fertigstellung der Arbeiten ist für das Jahr 1976 geplant. Die Einnahmen aus diesen Arbeiten fließen den Erben zu, doch ist das Verlassenschaftsverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Einrichtungsgegenstände des Raumes 8 und die dort befindlichen Arbeitsunterlagen können nicht in den anschließenden, auch vom Vorraum der Wohnung aus erreichbaren Raum 7 untergebracht werden; dort wäre auch eine Weiterfuhrung der Arbeiten nicht möglich. Eine abgesonderte Benützung der beiden Räume ist durch Zumauerung der Tür vom Vorzimmer in den Raum 7 der nicht mehr als Geschäftsraum benötigt wird, möglich.

Im Mietvertrag war dem Vater des Beklagten außer zur Verwendung von zwei Räumen des Bestandobjektes für Bürozwecke auch die Zustimmung erteilt worden, maximal vier Räume des Bestandobjektes unterzuvermieten, ohne daß daraus ein Kündigungsgrund abgeleitet werden könnte. Derzeit sind zwei Zimmer und ein Kabinett sowie der bereits genannte Raum 7 der Wohnung untervermietet, während der Raum 10 als Schlafraum des Beklagten dient und die Küche (2) sowie das Wohnzimmer (3) vom Beklagten und den von ihm als Untermieter aufgenommenen Studenten gemeinsam benützt werden. Der 23 Jahre alte Beklagte ist alleinstehend, studiert in Graz und wird in etwa drei Jahren sein Studium beendet haben.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes überwiegt zwar beim vorliegenden Mietverhältnis der Wohnzweck, so daß die Kündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MG und ebenso eine Teilkündigung zulässig sind. Da der Beklagte aber mit der im Mietvertrag erteilten Berechtigung vier Zimmer (richtig ein Zimmer und drei Kabinette) untervermietet habe, verblieben ihm nur zwei Raume zur alleinigen Benützung. Hinsichtlich des aufgekundigten Raumes 8 bestehe ein "Wohnbedürfnis" des Beklagten mit Rücksicht auf die Weiterführung von Arbeiten seines Vaters in diesem Raum für die Verlassenschaft.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Es übernahm die getroffenen Feststellungen als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters im besonderen hinsichtlich der Beachtlichkeit der Vertragsbestimmung über die Zulässigkeit der Untervermietung bei. Die Teilkündigung könne schon deshalb nicht als rechtswirksam erkannt werden, weil sie Räume betreffe, die bisher zu Geschaftszwecken benützt wurden und von denen der einzige vom Stiegenhaus her gesondert benützbare Raum 8 weiterhin geschäftlich und im Interesse des Beklagten genutzt werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, erkannte die Aufkündigung 6 K 100/72 des Erstgerichtes für rechtswirksam und verurteilte den Beklagten zur Räumung der aufgekundigten Räumlichkeiten.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Untergerichte sind mit Recht davon ausgegangen, daß ein sogenanntes gemischtes Bestandverhältnis vorliegt, wenn mit einem einheitlichen Vertrag sowohl Wohn- als auch Geschäftsräume gemietet wurden und die letzteren infolge ihrer Lage und Beschaffenheit nicht als selbständiges Mietobjekt anzusehen sind. Ob eine Aufkündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MG, die das Gesetz auf vermietete Wohnräume beschränkt, in solchen Fällen zulässig ist, bestimmt sich nach der überwiegenden Art der Verwendung und dem hauptsächlichen Zweck der Benützung der Räume, wobei die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Todes des Mieters maßgebend sind (JBl. 1972, 102 u. a.). Es ist auch richtig, daß im Falle des § 19 Abs. 2 Z. 11 MG eine Teilkündigung jener Räume berechtigt ist, die nach dem Tode des Mieters nicht mehr einem dringenden "Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen dienen. Hier ist der Beklagte unbestrittenermaßen der einzige Eintrittsberechtigte.

Hingegen kann der Meinung des Berufungsgerichtes nicht gefolgt werden, daß wegen der Gestattung der teilweisen Benützung für Bürozwecke das Wohnbedürfnis des Beklagten in bezug auf die gekundigten Büroräume nicht mehr zu prüfen sei. Nach dem zweiten Satz des § 1116a ABGB können Wohnungsmieten, wenn der Mieter stirbt, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer sowohl von den Erben des Mieters als auch vom Vermieter unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst werden. Bei Mietverhältnissen, die dem Kündigungsschutz des Mietengesetzes unterliegen, ist diese Kündigung allerdings nur aus einem wichtigen Grund des § 19 MG zulässig. Aber auch ein unter Kündigungsverzicht abgeschlossener Mietvertrag ist unter dieser Voraussetzung kundbar, weil es der Zweck der Bestimmung ist, daß solche Verträge ebenso wenig wie auf bestimmte Zeit abgeschlossene Mietverträge nach dem Tode des Mieters als dauernde Last wirksam werden sollen (SZ 28/217; MietSlg. 18.202). Der Vermieter ist deshalb entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nach dem Tode des Mieters in seinem Kündigungsrecht durch keine Vertragsbestimmung beschränkt. Daß § 1116a ABGB nachgiebiges Recht enthält, fällt hier nicht ins Gewicht, weil ein Verzicht auf dieses besondere Kündigungsrecht unzweideutig und unmißverständlich ausgedrückt werden müßte (MietSlg. 18.202) und eine derartige Behauptung, die wegen der für andere als aus dem Mietengesetz selbst hervorgehende Einwendungen geltenden Eventualmaxime schon in den Einwendungen hätte vorgebracht werden müssen (MietSlg. 16.676), nicht vorgebracht wurde. Die Vertragsbestimmungen stehen somit der Anwendung des § 19 Abs. 2 Z. 11 MG nicht im Weg.

Da es sich beim Architekten um einen Beruf handelt, der ebenso wie jener des Arztes oder Rechtsanwaltes üblicherweise in der Wohnung ausgeübt wird, und die Wohnräume hier schon der Zahl nach erheblich überwiegen, sind die Räume in ihrer Gesamtheit und daher auch die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohn- und nicht als Geschäftsraum zu behandeln (MietSlg. XVI 36; MietSlg 20.441). Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die zu Bürozwecken gemieteten Räume wegen ihrer Eigenschaff als "Geschäftsräume" einer Teilkündigung nach § 19 Abs. 2 Z. 11 MG nicht unterliegen, trifft also gleichfalls nicht zu. Allerdings folgt daraus umgekehrt, daß dem dringenden Wohnbedürfnis des Eintretenden auch ein eigener Bedarf an den bisher zur Berufsausübung verwendeten Räumen zum Zwecke der Fortsetzung dieses Berufes zuzurechnen ist (vgl. ZBl. 1930/10). Hingegen kann die Überlassung der zur Berufsausübung des Mieters erforderlich gewesenen Räume an Dritte dem Eintrittsberechtigten nicht zugute kommen (vgl. MietSlg. 12.889).

Im vorliegenden Fall erstreckt sich das dringende Wohnbedürfnis des in das Mietverhältnis des verstorbenen Architekten eingetretenen Beklagten nicht auf die Fortführung des Gewerbes im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, und eine solche Verwendung wurde nicht einmal für die Zukunft etwa nach einer Übergangszeit, in der ein Dritter das vom Eintretenden später zu übernehmende Geschäft für ihn verwalten könnte, behauptet. Es geht nur um die Weiterführung und Beendigung der vom verstorbenen Hauptmieter begonnenen Arbeiten, wobei die Einnahmen aus diesen Arbeiten den "Erben" zufließen, das Verlassenschaftsverfahren aber noch nicht abgeschlossen ist und (nach dem eigenen, später nicht ergänzten Vorbringen des Beklagten) noch nicht einmal Erbserklärungen abgegeben wurden. An der Aufrechterhaltung des Bürobetriebes in den aufgekundigten Räumen mag daher zwar die Verlassenschaft nach dem verstorbenen Mieter ein Interesse haben, zu deren Erben der Beklagte möglicherweise zählt. Es fehlt aber hinsichtlich dieser Räume an einem eigenen "Wohnbedürfnis" des Revisionsgegners im obigen Sinn, weil er selbst nicht beabsichtigt, den Beruf seines Vaters dort weiter auszuüben. Würde das Interesse der Verlassenschaft an der Abwicklung der Geschäfte des Verstorbenen mitberücksichtigt, so wäre hier wie in anderen Fällen einer erforderlichen Liquidation der Zweck der Kündigungsbestimmung des § 19 Abs. 2 Z. 11 MG, den Eintrittsberechtigten auf die für ihn selbst notwendigen Räume zu beschränken, vereitelt. Da nämlich das Wohnungsbedürfnis des Eintrittsberechtigten nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Mieters zu beurteilen ist (MietSlg. 23.404 u. a.), wäre dann auch eine spätere Aufkündigung, abgesehen von der Gefahr einer Verschweigung des Kündigungsrechtes nicht mehr erfolgversprechend, und es hätte der Eintrittsberechtigte doch auf Dauer selbst jene Räume behalten, die sein Wohnbedürfnis kraß übersteigen. Die Teilkündigung ist daher berechtigt.

Anmerkung

Z47004

Schlagworte

Anmeldungsbogen, Eigentumserwerb kraft Verbücherung des - nach §§ 15, ff. LTG, Außerbücherlicher Eigentümer, Geldersatzansprüche nach § 20 LTG, kein, Recht zur Löschungsklage oder zu Wiederherstellungsbegehren, Bücherlicher Vormann, vom - unabhängiger Eigentumserwerb kraft, Verbücherung des Anmeldungsbogens nach §§ 15 ff. LTG, Eigentumserwerb kraft Verbücherung des Anmeldungsbogens nach §§ 15 ff., LTG, Geldersatzansprüche nach § 20 LTG des außerbücherlichen Eigentümers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0070OB00238.73.0117.000

Dokumentnummer

JJT_19740117_OGH0002_0070OB00238_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten