TE OGH 1974/3/5 4Ob506/74

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Veröffentlicht am 05.03.1974
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Norm

ABGB §371
Kreditwesengesetz §22
Sparkassenregulativ §14

Kopf

SZ 47/24

Spruch

Durch das Losungswort soll der Nachweis der Identität des Erlegers erspart werden. An der Rechtsnatur des zwischen ihm und der Bank abgeschlossenen Bankspareinlagenvertrages ändert sich hiedurch nichts. Auf Grund dieses Vertrages steht dem Erleger gegen die Bank ein Forderungsrecht zu, welches er abtreten kann. Daraus ergibt sich, daß der Aussteller eines Sparbuches mit Losungswort das Guthaben auch dann auszahlen muß, wenn der Präsentant zwar das Losungswort nicht angeben kann, weil er es z. B. vergessen hat oder seine darüber geführten schriftlichen Aufzeichnungen verlorengegangen sind, er aber auf andere Weise seine materielle Berechtigung, über das Guthaben zu verfügen, nachweist

OGH 5. März 1974, 4 Ob 506/74 (OLG Wien 3 R 178/73, HG Wien 18 Cg 54/73)

Text

Der Kläger Erich W begehrt von der Beklagten die Bezahlung von 456.340 S samt 4% Zinsen seit 13. März 1973. Er brachte vor, daß ihm seine Großmutter kurz vor ihrem Tod vier Sparbücher über Spareinlagen bei der Beklagten mit einem Einlagenstand von zusammen 335.000 S geschenkt und ihm bei der Übergabe auch die Losungsworte genannt habe. Der Kläger welcher auch der Alleinerbe nach seiner Großmutter sei, habe die Losungsworte jedoch vergessen. Die Beklagte verweigere die Auszahlung der Spareinlagen, welche inzwischen unter Berücksichtigung der Zinsen den eingeklagten Betrag erreicht hatten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wandte ein, daß es zwischen dem Kläger und seinem pflichtteilsberechtigten Bruder im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung zu einer Auseinandersetzung über die Sparbücher gekommen sei. Der Kläger habe weder dem Gerichtkommissar noch der Beklagten die Nummern der Sparbücher bekanntgegeben und dadurch verhindert, daß diese in das Inventar aufgenommen werden konnten. Die Beklagte sei nach Punkt V Z. 1 der Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbüchern nicht verpflichtet die Spareinlagen ohne Nennung der Losungsworte zu liquidieren. Schließlich sei das eingeklagte Gesamtguthaben auch der Höhe nach unrichtig und die Beklagte nur verpflichtet Zug um Zug gegen Vorlage der Sparbücher zu leisten.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es wies alle gestellten Beweisanträge ab und traf lediglich aus dem Verlassenschaftsakt folgende Feststellungen:

Leopoldine St, die Großmutter des Klägers, ist am 27. Dezember 1966 verstorben. Ihr Nachlaß wurde auf Grund des Testamentes vom 9. November 1966 mit Einantwortungsurkunde vom 1. Dezember 1967 dem Kläger als Alleinerben eingeantwortet. Als Pflichtteilsberechtigte kommen der Bruder des Klägers, Kurt W, und Irene T in Frage. Beide Pflichtteilsberechtigte wurden von der Verlassenschaft verständigt. Am 2 Dezember 1967 beantragte Kurt W die Beschreibung und Schätzung des Nachlasses, weil die Erblasserin außer der Einrichtung noch diverse Schmuckstücke und Sparkasseneinlagebücher hinterlassen hätte. Mit Beschluß vom 6. Dezember 1967 hat das Verlassenschaftsgericht die Beschreibung und Schatzung des gesamten Nachlasses angeordnet. Nach heftigen Differenzen zwischen den beiden erblasserischen Enkeln Erich und Kurt W wegen Betretens der Wohnung der Verstorbenen und der angeblichen Verbringung von Effekten durch den nunmehrigen Kläger wurde am 17. Feber 1967 die Versiegelung des Nachlasses angeordnet. Im Antrag des Noterben Kurt W vom 2. März 1967 wurde ausgeführt, daß neben anderen Werten 6 oder 8 Sparbücher der Beklagten, welche mit Losungswort versehen seien und der Erblasserin gehört hätten, verschwunden wären. Der Kläger habe bereits versucht, Beträge von diesen Sparbüchern abzuheben, jedoch das richtige Losungswort nicht gewußt. Auf eine Anfrage des Verlassenschaftsgerichtes gab die Beklagte bekannt daß der Name der Erblasserin in ihren Verzeichnissen der Inhaber von Konten, Depots, Sparbüchern und Safes nicht aufscheine, daß es sich bei ihren Sparbüchern um Überbringersparbücher handle und weder für Losungsworte noch für nicht legitimierte Bücher Karteien geführt werden. Die nunmehr eingeklagten vier Sparkassenbücher wurden in das Inventar der Verlassenschaftsabhandlung nicht aufgenommen und Kurt W auf die Möglichkeit einer Pflichtteilsergänzungsklage hingewiesen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß das Losungswort nur dem Schuldner die Prüfung der materiellen Berechtigung des die Forderung anmeldenden Kunden ersparen und den wahren Gläubiger davor schützen solle, daß der Schuldner an einen materiell nicht Berechtigten mit befreiender Wirkung leistet. Die Angabe des Losungswortes sei daher bedeutungslos und entbehrlich, sobald die materielle Berechtigung des Sparbuchinhabers feststehe. Dem Kläger sei es jedoch nicht gelungen, seine materielle Berechtigung nachzuweisen, da er die Daten der Sparbücher verschwiegen und verhindert habe, daß diese in die Verlassenschaftsabhandlung einbezogen werden. Er habe auch nicht nachgewiesen, daß die behauptete Vermögensübertragung seinerzeit gehörig vergebührt und die Schenkungssteuer bezahlt worden sei.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht der Berufung des Klägers Folge gegeben, das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen. Es vertrat die Rechtsansicht, daß Punkt V Z. 1 der Allgemeinen Bestimmungen für Einlagen auf Sparbücher den Berechtigten nicht hindere, seine materielle Berechtigung, über die Sparguthaben zu verfügen, nachzuweisen, auch wenn ihm das Losungswort nicht bekannt sei. Allerdings trete eine Umkehr der Beweislast ein, so daß der Kläger für sein Legitimation beweispflichtig sei. Im Falle eines vinkulierten Sparbuches setze die schenkungsweise Beitragung die Übergabe des Buches und die Mitteilung des Losungswortes voraus. Dies habe jedoch der Kläger behauptet. Das Erstgericht hätte daher die vom Kläger dafür angebotenen Beweise durchführen und auch den von der Beklagten zum Beweis des Gegenteils beantragten Zeugen vernehmen müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im derzeitigen Stadium des Rechtsstreites ist lediglich die Frage zu prüfen, ob der Inhaber eines Überbringersparbuches auch ohne Nennung des Losungswortes gegen den Nachweis seines materiellen Rechtes die Auszahlung des Sparguthabens verlangen kann. Das es sich im vorliegenden Fall um Überbringersparbücher handelt, welche mit einem Losungswort versehen sind, wurde von den Unterinstanzen zwar nicht ausdrücklich festgestellt, ist jedoch zwischen den Parteien offenbar nicht streitig.

Da die Sparbücher keine Namensangabe enthalten und auch nicht von einer Sparkasse, sondern von einer Bank ausgegeben wurden, unterliegen sie lediglich den §§ 22 ff. KWG 1939 DRGBl. 1 S. 1955 und den Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbücher, auf welche sich die Beklagte berufen hat, deren Inhalt allerdings von den Untergerichten bisher nicht festgestellt worden ist. Das Kreditwesengesetz regelt die hier strittige Frage nicht, sondern spricht im § 22 Abs. 2 lediglich aus, daß Auszahlungen auf Spareinlagen nur gegen Vorlegung des Sparbuches bewirkt werden dürfen. Die Beklagte hat sich nun darauf berufen, daß im vorliegenden Fall der Punkt V Z. 1 der Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbüchern mit folgendem Wortlaut anzuwenden sei:

"V. Zahlungen gegen Losungswort:

1. Im Falle jemand Einlagen unter der Bedingung vornehmen will, daß Rückzahlungen nur gegen Nennung eines Losungswortes zu leisten sind, muß ein Hinweis auf diese Bedingung im Sparbuch vorgemerkt werden; der Inhaber eines solchen Sparbuches wird bei jeder Kapital- oder Zinsenabhebung das Losungswort zu nennen haben."

Auch wenn dies der Fall sein sollte, wäre damit für den Rechtsstandpunkt des Beklagten nichts gewonnen. Es ist zwar richtig, daß sich in den letzten Jahrzehnten ein Sparbuch eingebürgert hat, das vollkommen anonym ist, weil es einen beliebigen Namen oder ein Wort oder auch nur eine Ziffer als Bezeichnung trägt und bei dem auch der erste Erleger weder seinen wirklichen Namen noch seine Unterschrift bekanntgibt. Hier steht das Kreditinstitut einem unbekannten Gläubiger gegenüber, den es oft genug nie kennenlernen wird (Bubak, "Das österreichische Sparbuch" in NZ 1965, 99 Kastner,"

Zur Rechtsnatur des Einlagebuches (Sparbuches) nach osterreichischem Recht" in JBl. 1966, 57; unbekannter Autor in Österreichischem Bankarchiv 1967, 220). Dies ist durch die Aufhebung des § 163 Reichsabgabenordnung durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 151/ 1946 möglich geworden. Gleichgültig, ob man derartige Sparbücher als qualifizierte Legitimationspapiere (Kastner, Einlagebuch) oder unvollkommene Inhaberpapiere (Bubak, Sparbuch, 101 Klang und Wolff in Klang[2] II, 231 und VI, 308; Ehrenzweig II/1, 248; Stanzl, "Wechsel-Scheck und sonstiges Wertpapierrecht", 152) bezeichnet oder aber diese Frage offenläßt (Schinnerer, Bankverträge II, 141 Anm. 104), in jedem Fall ist ein für ein solches Sparbuch vereinbartes Losungswort nur ein zusätzliches Erfordernis zur Legitimation bei Vorlage des Buches (Kastner, Einlagebuch; EvBl. 1967/83; SZ 40/93, SZ 43/67). Denn durch das Losungswort soll der Nachweis der Identität des Erlegers erspart werden (Kastner, Einlagebuch). An der Rechtsnatur des zwischen dem Erleger und der Bank abgeschlossenen Bankspareinlagenvertrages ändert sich hiedurch nichts. Auf Grund dieses Vertrages steht aber dem Erleger gegen die Bank ein Forderungsrecht zu, welches er auch abtreten kann. Daraus ergibt sich, daß der Aussteller eines Sparbuches mit Losungswort das Guthaben auch dann auszahlen muß, wenn der Präsentant zwar das vereinbarte Losungswort nicht angeben kann, weil er es z. B. vergessen hat oder seine darüber geführten schriftlichen Aufzeichnungen verlorengegangen sind, er aber auf andere Weise seine materielle Berechtigung, über das Guthaben zu verfügen, nachweist (Avancini, "Das Sparbuch im österreichischen Recht", 115; Röckl, "Das Losungswort und die Ausweiskarte bei Spareinlagen" in JBl. 1913, 277). Mit Recht verweist daher das Berufungsgericht darauf, daß Punkt V Z. 1 der Allgemeinen Bestimmungen für die Einlagen auf Sparbüchern nicht so ausgelegt werden kann, daß mangels Kenntnis des Losungswortes eine Auszahlung des Guthabens auch bei Nachweis der materiellen Berechtigung, über das Sparkonto zu verfügen, nicht möglich sei. Daß dieser Beweis in der Regel sehr schwierig sein wird (vgl. Bubak, Sparbuch), ändert daran nichts. Jede andere Auslegung würde nämlich dazu führen, daß die Bank die Auszahlung des Sparguthabens selbst dann verweigern könnte, wenn ihr die materielle Berechtigung des Präsentanten des Sparbuches genau bekannt ist, was sicherlich auch den guten Sitten widerstreiten würde. Daß die Bank in der Regel nicht über den nötigen Apparat verfügen wird, um die Berechtigung des Präsentanten zu überprüfen und es daher zu ihrer Deckung auf eine mit Kosten verbundene Klage ankommen lassen muß, sei zugegeben, muß jedoch von ihr in Kauf genommen werden.

Anmerkung

Z47024

Schlagworte

Bankspareinlagenvertrag, keine Änderung des - durch Losungswort, Losungswort, Sparbuch mit - Auszahlungspflicht des Ausstellers, Sparbuch, Auszahlungspflicht des Ausstellers eines - mit Losungswort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0040OB00506.74.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19740305_OGH0002_0040OB00506_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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