TE OGH 1974/4/18 7Ob61/74

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.1974
beobachten
merken

Norm

ABGB §1151

Kopf

SZ 47/47

Spruch

Eine einmalige Dienstleistung, ohne in ein persönliches Dienstverhältnis einzutreten,stellt keinen Dienstvertrag dar, wenn sie im Rahmen eines selbständigen Berufes und nicht im Betrieb, Haushalt oder um die Person des "Dienstgebers" ausgeübt wird (Photomodell)

OGH 18. April 1974, 7 Ob 61/74 (OLG Innsbruck 1 R 89/73; LG Innsbruck 1 Cq 127/71)

Text

Die Klägerin wurde am 26. September 1970 als Photomodell bei der Herstellung eines Werbeprospektes der erstbeklagten Partei im Hotel des Zweitbeklagten dadurch schwer verletzt daß der Drittbeklagte zur Erhöhung des Lichteffektes einer Photoaufnahme Spiritus auf eine leicht brennende Speise goß. Der Drittbeklagte wurde wegen dieses Vorfalles vom Strafgericht rechtskraftig der Übertretung nach § 335 StG schuldig erkannt. Die Klägerin begehrt vor dem ordentlichen Gericht Schadenersatz.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes weder bestritten noch von Amts wegen geprüft. Der Erstrichter wies mit Zwischen- und Endurteil, richtig Teil- und Zwischenurteil das Klagebegehren gegen die Erst- und Zweitbeklagten ab, erkannte aber den Klagsanspruch gegenüber der Drittbeklagten als zur Gänze zu Recht bestehend und stellte ihm gegenüber fest, daß der Klägerin auch für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 26. September 1970 zu halten habe. Das erstgerichtliche Urteil wurde im abweisenden Teil von der Klägerin, im stattgebenden Teil vom Drittbeklagten angefochten. Nur er machte mit der erstmaligen Behauptung, daß die Sache vor das Arbeitsgericht gehöre, Nichtigkeit geltend.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht der Nichtigkeitsberufung des Drittbeklagten Folge, hob das angefochtene Urteil sowie das erstgerichtliche Verfahren einschließlich der Klagszustellung hinsichtlich dieses Beklagten als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück. Nach den als Ergebnis der im Sinne des § 473 Abs. 2 ZPO veranlaßten Erhebungen getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes beschloß die Erstbeklagte (ein Fremdenverkehrsverband) im Mai oder Juni 1970, einen kombinierten Sommer- und Winterprospekt herzustellen, und nahm zu diesem Zweck Verbindung mit Dietmar P, dem Geschäftsführer der X-Werbegesellschaft m.b.H. und Co. KG in Innsbruck - einem Werbeunternehmen auf rein graphischer Basis - auf. In der Folge schlug P dem die erstbeklagte Partei vertretenden Karl G vor, mit der Herstellung des für den Prospekt benötigten Bildmaterials den Wiener Photographen Siegfried K zu betrauen, womit sich G einverstanden erklärte. Mit Schreiben vom 2. September 1970 beauftragte die erstbeklagte Partei die X-Werbegesellschaft m.b.H. und Co. KG mit der Durchführung der Arbeiten. Etwa Mitte September 1970 fand zwischen Karl G, Dietmar P und Siegfried K eine Besprechung statt, wobei die Arbeit des Photographen im Detail besprochen und an Ort und Stelle auch Probeaufnahmen gemacht wurden. Dabei wurde vereinbart, daß bei der Gestaltung der Photos mit Modellen gearbeitet werde. K verlangte für seine Mitwirkung einen Pauschalpreis von 10.000 S und äußerte sich, daß für die beiden weiblichen Photomodelle mit einem Honorar von rund 1200 S täglich zu rechnen sei, wogegen kein Einwand erhoben wurde. Einverständnis herrschte auch darüber, daß die Bezahlung des Photographen und der Modelle direkt durch die erstbeklagte Partei erfolgen solle. Die Auswahl der Photomodelle blieb Siegfried K überlassen, der für diesen Zweck seine Frau engagierte und sich zur Beschaffung eines weiteren Modells an die Modellagentur Y wendete, die ihm die Adresse der Klägerin vermittelte. K setzte sich am Abend des 25. September 1970 mit der Klägerin, die selbständiges Photomodell ist und über eine eigene Steuernummer verfügt, in Verbindung und befragte sie, ob sie am kommenden Samstag und Sonntag Zeit habe und bereit wäre, Photoaufnahmen in Tirol zu machen, womit sie sich einverstanden erklärte. K suchte sodann die Klägerin persönlich auf und teilte ihr mit, daß er vom Fremdenverkehrsverband W beauftragt worden sei, für einen Werbeprospekt Photos herzustellen, und daß er zu diesem Zweck zwei Modelle brauche, die er mitzubringen habe. Er nehme die Klägerin in seinem Wagen nach Tirol mit, so daß ihr keine Reisekosten entstunden. Sie werde für ihre Mitwirkung zirka 2000 S verdienen, die vom Fremdenverkehrsverband W als Auftraggeber beglichen würden, der auch für ihre Unterkunft und Verköstigung sorgen werde.

Am nächsten Morgen (26. September 1970 holte K die Klägerin mit seinem Wagen ab und fuhr mit ihr in Begleitung seiner Frau nach Tirol. Dort trafen sie mit dem Vertreter des Fremdenverkehrsverbandes W, Karl G, zusammen, der die Klägerin kritisch betrachtete und dann dem Photographen gegenüber erklärte:

"Ja, ist in Ordnung." Dann begab sich die Gesellschaft mit dem Sessellift in die Höhe, wo sie bereits von einigen Bergsteigern erwartet wurde. Dort wurden im Freien mehrere Aufnahmen gemacht, wobei die Gruppierung und die Orte jeweils von G bestimmt wurden, während die technischen Anweisungen von Seite des Photographen erfolgten. Anschließend sollten einige Innenaufnahmen im Hotel des Zweitbeklagten gemacht werden. Dort wurden zunächst der Klägerin und der Familie K Zimmer zugewiesen und sie wurden mit dem Zweitbeklagten bekannt gemacht. Dieser hatte über Ersuchen des Sekretärs des Fremdenverkehrsverbandes W, Karl G, veranlaßt, daß in der Bar seines Hotels eine festlich geschmückte Tafel mit einem kalten Buffet vorbereitet worden war. Diese Arbeiten hatte der Zweitbeklagte seinem Koch und dem bei ihm schon seit mehreren Jahren als Barkellner beschäftigten Drittbeklagten aufgetragen, der sich am fraglichen Tage ab 15 Uhr mit dem Arrangement des Schaubuffets befaßte und sich sodann über ausdrückliche Weisung seines Dienstgebers auch während der Photoaufnahmen bereit hielt, um für den Fall verfügbar zu sein, daß seine Hilfe gebraucht werde. Zu diesem Zeitpunkt war die Bar für den allgemeinen Publikumsbesuch gesperrt und es hätte der Drittbeklagte keinen Zutritt zu den Aufnahmen gehabt, wenn er nicht beim Zweitbeklagten beschäftigt gewesen wäre und sich weisungsgemäß bereit gehalten hätte. Bei der nun folgenden Aufnahme befand sich der Photograph an der Schmalseite der Tafel, während der von ihm aus gesehen rechten Längsseite des Tisches ihm zunächst seine Frau, rechts von ihr die Klägerin und seitlich rechts neben ihr Dietmar P standen. Ihnen gegenüber an der anderen Längsseite der Tafel befanden sich ein Koch und der Drittbeklagte. Die beiden Photomodelle sollten sich mit ihren Teller in der Hand über den Tisch beugen, um das vom Koch flambierte Omelett in Empfang zu nehmen. Bei der ersten Aufnahme goß der Koch mit einer Kelle Cognac über das Omelett, wobei aber nur eine kleine Flamme brannte. Dies wurde von einem der Anwesenden beanstandet, worauf dem Drittbeklagten von einer nicht festgestellten Person der Auftrag erteilt wurde, Spiritus auszugießen, um eine wirkungsvollere Aufnahme zu erzielen. Dies sah der Drittbeklagte, dem bei den Photoaufnahmen keine bestimmte Funktion zugewiesen worden war, als einen im Rahmen der ihm von seinem Dienstgeber erteilten Weisungen zu erfüllenden Auftrag an. Kaum hatte er direkt aus der Flasche Spiritus über die brennende Speise gegossen, als sich explosionsartig eine Stichflamme entwickelte, welche die Klägerin erfaßte, so daß diese sofort in Flammen gehüllt war. Dadurch erlitt sie schwere Brandwunden, vor allem im Gesicht.

Das von Christine K geforderte Honorar von 2000 S wurde ebenso wie die mit dem Photographen für seine Leistungen vereinbarte Summe von 10.000 S in der Folge von der erstbeklagten Partei anstandslos bezahlt, während der Klägerin die Begleichung ihrer Honoraransprüche verweigert wurde, weil erst der Ausgang dieses Rechtsstreites abgewartet werden sollte.

Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes liegt unter Berücksichtigung dieser Verfahrensergebnisse eine unerlaubte Handlung eines Mitbeschäftigten vor, so daß gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 ArbGerG das Arbeitsgericht sachlich zuständig sei, zumal die Klägerin mindestens als arbeitnehmerähnlich anzusehen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluß derart ab, daß die Nichtigkeitsberufung des Drittbeklagten zurückgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bei Beurteilung, ob die Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 und des § 2 Abs. 1 zweiter Halbsatz ArbGerG als arbeitnehmerähnliche Beschäftigte anzusehen ist, hat das Berufungsgericht zutreffend die Frage der wirtschaftlichen Unselbständigkeit sowie der Unterordnung der Rekurswerberin für die Zwecke des Vertragspartners untersucht und im Sinne der herrschenden Rechtsansicht als Kriterien der Arbeitnehmerähnlichkeit u. a. das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte, die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, die Art der Entlohnung und die Einschränkung einer Tätigkeit für andere Personen sowie der freien Entschlußfähigkeit bezeichnet, die als Gesamtheit betrachtet werden müssen (Arb. 8468 u. a.). In der Lösung der Frage kann aber dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden:

Die Klägerin gehört als Mannequin einer Berufsgruppe an, die regelmäßig außerhalb einer eigenen Betriebsstätte tätig wird. Daß die Rekurswerberin auch im vorliegenden Fall keine eigene Betriebsstätte verwendete, kann deshalb nicht ins Gewicht fallen. Ort und Zeit der Mitwirkung der Rekurswerberin an der Herstellung der Photographien waren in erster Linie Gegenstand ihrer Einwilligung in den Antrag des Bestellers und scheiden insoweit aus der Beurteilung gleichfalls aus. Innerhalb der für die Aufnahmen vorgesehenen Zeit war die Rekurswerberin allerdings an die Arbeitsanweisungen des Auftraggebers hinsichtlich der Aufnahmeorte und Aufnahmezeiten sowie an die technischen Anweisungen des Photographen gebunden. Aber eine solche Bindung besteht in gewisser Weise bei jedem Werkvertrag eines Selbständigen. Daß die Klägerin kein Unternehmerrisiko getragen habe, ist zweifelhaft. Denn der Vertreter der Erstbeklagten hat sich erst an Ort und Stelle vor Beginn der Aufnahmen nach kritischer Betrachtung der Klägerin mit ihrer Heranziehung zu den Aufnahmen einverstanden erklärt. Maßgeblich war auch offensichtlich weniger die Zeit, für die die Klägerin sich zur Verfügung stellte, als das durch gemeinsames Mitwirken mehrerer Personen herzustellende Werk. Die vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstände sprechen somit nicht eindeutig für eine wirtschaftliche Unselbständigkeit der Klägerin bei der Durchführung des vorliegenden Auftrages. Andererseits war die Rekurswerberin im sonstigen Erwerbsleben als selbständiges Modell tätig, es handelte sich um eine einmalige kurze Tätigkeit für einen Zweck, den der Auftraggeber außerhalb eines sonst bestehenden Betriebes bloß durch die Zusammenführung der mehreren Beteiligten und durch gewisse Arbeitsanweisungen ad hoc "organisierte", und die Entlohnung war pauschal bestimmt. Schließlich spricht die unwiderlegt gebliebene Behauptung der Rekurswerberin, daß sie sich auch sonst einer ständig wechselnden Zahl von Auftraggebern als Modell zur Verfügung gestellt habe, gegen ihre wirtschaftliche Unselbständigkeit, weil derjenige, der gleichzeitig mit einer unbestimmten größeren und deshalb auch häufig wechselnden Zahl von Auftraggebern zu tun hat, von keinem einzelnen von ihnen wirtschaftlich abhängig ist (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren, 94, Hueck - Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechtes[7] I, 59 f. Nikisch, Arbeitsrecht[3] I, 139; ähnlich Arb. 8102, 4 Ob 95/73). In der Gesamtheit sprechen deshalb die Umstände des vorliegenden besonderen Falles gegen eine wirtschaftliche Abhängigkeit der den Mannequinberuf selbständig ausübenden Klägerin von ihrem einmaligen Auftraggeber.

Zu verneinen ist auch die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob ein Dienstvertrag vorlag. Das Gesetz selbst stellt für die schwierige und im Schrifttum vielerörterte Rechtsfrage der Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkvertrag darauf ab, ob sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet oder die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt. Für den vorliegenden Fall wurde bereits oben dargelegt, daß die Leistungsverpflichtung der Klägerin eher auf die Mitwirkung an der Erbringung eines bestimmten Erfolges gerichtet war. Ohne entscheidende Bedeutung ist es, daß für die Bewirkung dieses Erfolges der Zeitraum eines Wochenendes vorbestimmt wurde und daß das Werk gemeinsam mit anderen Personen hergestellt werden sollte. Denn für das Vorliegen eines Dienstvertrages wäre die Bereitschaft zur Dienstleistung auf bestimmte Zeit ohne von vornherein gegebene Charakterisierung durch den Arbeitserfolg entscheidend (Arb. 8844), während andererseits das für einen Werkvertrag maßgebliche Ergebnis der Arbeitsleistung, nämlich das selbständige Werk, auch im Verein mit anderen erbracht werden kann (Arb. 7848, 8844). Dazu kommt hier, daß die Tätigkeit der Klägerin nicht für eine längere Zeit vereinbart wurde (vgl. SZ 41/69) und daß weitere wesentliche Merkmale des Dienstvertrages nicht oder kaum verwirklicht wurden. So bestand eine Betriebsorganisation nur lose für den besonderen Zweck der einmaligen Tätigkeit. Weiters fehlte neben der wirtschaftlichen (siehe oben) auch die persönliche Abhängigkeit - die mehr oder weniger auch bei Werkverträgen erkennbar werden kann (Arb. 7848) - in einem ins Gewicht fallenden Maß, weil sie kaum weiterging als es durch die Annahme des Antrages, über das Wochenende als Photomodell an den herzustellenden Aufnahmen mitzuwirken, von vornherein umschrieben war und insoweit des Einverständnisses der Klägerin bedurft hatte. Eine einmalige Dienstleistung, ohne in ein persönliches Dienstverhältnis einzutreten, stellt aber keinen Dienstvertrag dar, wenn sie im Rahmen eines selbständigen Berufes und nicht im Betrieb, Haushalt oder um die Person des Dienstgebers ausgeübt wird (vgl. Adler - Höller in Klang[2]V, 156, 161, 166).

Da die Rekurswerberin somit für den vorliegenden Fall nicht als Beschäftigte im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes anzusehen ist, war wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

Z47047

Schlagworte

Dienstvertrag, einmalige Dienstleistung eines Photomodells kein -, Photomodell, einmalige Dienstleistung eines - kein Dienstvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0070OB00061.74.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19740418_OGH0002_0070OB00061_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten