TE OGH 1975/3/20 2Ob22/75

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Veröffentlicht am 20.03.1975
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Norm

ABGB §169
ABGB §1327

Kopf

SZ 48/32

Spruch

Kein Anspruch nach § 1327 ABGB, wenn durch den Tod des primär Unterhaltspflichtigen die Verbindlichkeit, das (uneheliche) Kind zu verpflegen und zu versorgen, nach Zureichen der Verlassenschaft auf seine Erben übergegangen ist (§ 169 ABGB) und von einem nicht zureichenden Nachlaß nicht gesprochen werden kann

OGH 20. März 1975, 2 Ob 22/75 (LGZ Graz 4 R 282/74; BG Voitsberg 3 C 270/74)

Text

Am 10. Dezember 1966 wurde Franz L, der Bruder des Klägers. Bei einem vom Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall getötet. Das Mitverschulden des Getöteten im Ausmaß von einem Drittel ist nicht strittig. Franz L war verpflichtet, für seine am 23. Jänner 1966 unehelich geborene Tochter Veronika L ab 23. Jänner 1966 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 400 S zu bezahlen. Der Kläger als Miterbe nach Franz L bezahlte in den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung zum Unterhalt des genannten Kindes monatlich 184.80 S, 184.80 S daher 6652.80 S. Er verlangt vom Beklagten - unter Bedachtnahme auf die erwähnte Verschuldensaufteilung - zwei Drittel dieses Betrages, somit 4435.20 S samt Anhang. Dazu brachte er vor:

Die Bezirkshauptmannschaft V als Amtsvormund der Veronika L habe deren Unterhaltsforderung im Verlassenschaftsverfahren nach Franz L angemeldet. Stefanie P und der Kläger als Erben nach Franz L hätten sich verpflichtet, dem Kind jenen Unterhalt zu leisten, den Franz L zu leisten gehabt hätte. Deshalb habe die Bezirkshauptmannschaft V als Amtsvormund der Veronika L ihnen diese Unterhaltsansprüche je zur Hälfte abgetreten. Der Kläger sei somit berechtigt, die von ihm bezahlten Unterhaltsbeträge vom Beklagten zu fordern.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er erhob die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache und wendete weiters ein: Der Kläger habe den mit den erwähnten Unterhaltsansprüchen belasteten Nachlaß des Franz L übernommen und somit durch die erwähnten Zahlungen nur eine eigene Schuld getilgt. Die Zession gehe somit ins Leere. Außerdem sei der Anspruch verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, ohne über die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache in der im § 261 ZPO vorgesehenen Form zu entscheiden oder sich mit dieser Einrede auch nur in den Gründen auseinanderzusetzen.

Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungsgericht verwarf die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache und änderte das Ersturteil nach Ergänzung des Beweisverfahrens im Sinne des Klagebegehrens ab.

Der Entscheidung des Berufungsgerichtes liegen folgende außer Streit stehende Umstände und Feststellungen zugrunde:

Im Verlassenschaftsverfahren nach Franz L meldete die Bezirkshauptmannschaft V als Amtsvormund der Veronika L deren Unterhaltsforderungen an, und zwar einen Unterhaltsrückstand von 4504 S für die Zeit vom 23. Jänner 1966 bis 31. Dezember 1966 und von 75.768 S für die Zeit vom 1. Jänner 1967 bis 31. Jänner 1984, wobei jeweils von einem um die Waisenrente von monatlich 30.40 S verminderten Unterhaltsbetrag von 369.60 S monatlich ausgegangen wurde.

Die erblasserischen Geschwister Stefanie P und der Kläger gaben bei der Abhandlungstagsatzung vom 13. Mai 1969 die Erklärung ab, daß sie nur den Unterhaltsrückstand anerkennen und daß sie sich zur Zahlung je der Hälfte der in Zukunft fällig werdenden Unterhaltsbeträge abzüglich der der Veronika L zukommenden Waisenrente nur unter der Voraussetzung verpflichten, daß ihnen seitens des Amtsvormundes die Entschädigungsforderungen der Veronika L gegenüber dem Beklagten abgetreten werden. Der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft V erklärte sich mit diesen Erklärungen ausdrücklich einverstanden. Die angemeldeten Unterhaltsforderungen wurden als Verlassenschaftspassiven in dem oben erwähnten Umfang in das Inventar aufgenommen. Der Reinnachlaß von 699.466.10 S wurde der Stefanie P und dem Kläger je zur Hälfte eingeantwortet, die sich geeinigt hatten, die Nachlaßpassiven gleichteilig zu tragen.

Die Bezirkshauptmannschaft V als Amtsvormund der Veronika L trat die ihr aus dem tödlichen Verkehrsunfall ihres Vaters Franz L nach § 1327 ABGB zustehenden Schadenersatzansprüche der Stefanie P und dem Kläger je zur Hälfte an Zahlungs Statt ab. Die entsprechenden Abtretungserklärungen wurden mit Beschluß des Bezirksgerichtes V vom 30. Jänner 1970 vormundschaftsbehördlich genehmigt.

Bereits vor der gegenständlichen Klage hatte der Kläger gegen den Beklagten zu 3 C 155/74 des Bezirksgerichtes V eine Klage auf Zahlung von 4435.20 S samt 4% Zinsen seit 11. März 1974 eingebracht. Dort war das Zahlungsbegehren damit begrundet worden, daß dem Kläger der Nachlaß seines Bruders Franz L zur Hälfte eingeantwortet worden sei und daß der Beklagte deshalb zum Ersatz des vom Kläger der Veronika L gezahlten Unterhaltes verpflichtet sei. Diese - nicht auf eine Abtretung gestützte - Klage wurde in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen.

In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß die Unterhaltsverpflichtung des Franz L mit dessen Ableben auf seinen Nachlaß übergegangen sei, so daß Unterhaltsansprüche der Veronika L gegenüber den Erben des Franz L, nicht jedoch gegenüber dem Beklagten als Schädiger bestehen. Es hätten daher auch keine Ansprüche der Veronika L gegen den Beklagten abgetreten werden können. Ein Rückforderungsrecht des Klägers könnte überdies nur soweit gehen, als der Unterhalt der Veronika L aus den Erträgnissen des Nachlasses des Franz L nicht bestritten werden könnte. Das sei indes nicht der Fall, weil der monatlich zu leistende Betrag von 184.80 S aus den Zinsen des Erbteiles des Klägers leicht gedeckt werden könne. Veronika L habe somit durch den Tod ihres Vaters keinen Schaden erlitten. Es habe daher auch kein gegenüber dem Beklagten bestehender Anspruch auf Ersatz entgangenen Unterhaltes abgetreten werden können.

Das Berufungsgericht begrundet die Verwerfung der Einrede der entschiedenen Streitsache damit, daß die vorliegende und die seinerzeitige Klage nicht auf denselben Rechtsgrund gestützt seien. In der Hauptsache führte es aus, die Klagsforderung könne schon deshalb nicht verjährt sein, weil der Kläger nur den Ersatz der in den letzten drei Jahren vor Klagseinbringung fällig gewordenen und bezahlten Unterhaltsbeträge begehre, die Verjährungszeit bei dem erkennbar auf § 1042 ABGB gestützten Anspruch über 30 Jahre betrage. Veronika L könne nach § 1327 ABGB den ihr durch den Tod ihres Vaters entgangenen Unterhaltsanspruch vom Beklagten ersetzt verlangen, und zwar mit Rücksicht auf das Mitverschulden des Franz L nur zu zwei Dritteln. Diesen Anspruch habe sie auch abtreten können. Stefanie P und der Kläger hätten sich zur Leistung der Unterhaltsbeträge für Veronika L nur in Erwartung des teilweisen Ersatzes durch den Beklagten einverstanden erklärt. Folgte man der Ansicht des Beklagten, würde dies im Ergebnis zu einer nicht gerechtfertigten Bereicherung des Schädigers führen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das Ersturteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Soweit der Beklagte in der Revision die Frage der rechtskräftig entschiedenen Streitsache neuerlich aufgreift, ist auf folgendes zu verweisen. Das Erstgericht hat eine Entscheidung über die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Streitsache unterlassen. Daraus, daß es meritorisch entschieden hat, kann gefolgert werden, daß es die Einrede für sachlich nicht begrundet hielt. Dagegen hat der Beklagte kein Rechtsmittel erhoben noch hat er eine Ergänzung der erstinstanzlichen Entscheidung bezüglich der ausstehenden Entscheidung über seine Prozeßeinrede nach §§ 423, 430 ZPO beantragt. Es fehlte daher an einer Grundlage für eine Entscheidung des Berufungsgerichtes über die erwähnte Prozeßeinrede. Damit hätte sich das Berufungsgericht daher nur in den Gründen, nicht aber im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen gehabt. Es liegt somit keine das Revisionsgericht bindende Entscheidung über die Frage der rechtskräftig entschiedenen Streitsache vor. Der Oberste Gerichtshof hat daher diese Frage selbst zu prüfen. Diese Prüfung ergibt, daß rechtskräftig entschiedene Streitsache nicht vorliegt, weil die Vorklage - wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - auf einen anderen Sachverhalt als die vorliegende gestützt war.

In der Sache selbst ist dem Beklagten beizupflichten, daß der Veronika L durch den Tod ihres unehelichen Vaters wenigstens bisher ein Unterhalt nicht entgangen ist. Es ist zwar richtig, daß sich der nach § 1327 ABGB ersatzpflichtige Schädiger grundsätzlich nicht auf die Unterhaltspflicht oder auf die freiwillig erbrachten Leistungen eines Dritten berufen kann (SZ 33/140; SZ 38/186; ZVR 1970/150; ZVR 1973/194; ZVR 1974/112; RZ 1974/48 u. a. m.). Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen, denn der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß die Ersatzpflicht des Schädigers einer durch den Tod eines primär Unterhaltspflichtigen ausgelösten und bisher nur subsidiär bestandenen Unterhaltspflicht vorgeht, kommt nämlich in dem vorliegenden Fall nicht zum Tragen, in dem durch den Tod des unehelichen Vaters der Veronika L nicht etwa eine subsidiäre Unterhaltspflicht des Klägers ausgelöst wurde, sondern die Verbindlichkeit des Franz L, sein uneheliches Kind zu verpflegen und zu versorgen, nach Zureichen der Verlassenschaft auf seine Erben übergegangen ist (§ 171 Abs. 1 ABGB in der zur Zeit des Unfalls geltenden Fassung bzw. § 169 ABGB in der derzeitigen Fassung). Ein Verlust des Rechtes auf Unterhalt gegen Franz L ist durch dessen Tod also nicht eingetreten, weil im vorliegenden Fall von einem nicht zureichenden Nachlaß offensichtlich nicht gesprochen werden kann. Von einem Ersatzanspruch nach § 1327 ABGB könnte wohl dann die Rede sein, wenn die Erben des unterhaltspflichtigen unehelichen Vaters, auf die die Unterhaltsverpflichtung übergegangen ist, zur Leistung des Unterhaltes wegen Nichtzureichens der Verlassenschaft nicht oder nicht in vollem Ausmaß herangezogen werden können (vgl. dazu Geigel, Haftpflichtprozeß[15], Kap. 8, Anm. 30 und Palandt, DBGB, 34. Aufl., Anm. 5 zu § 844).

Der Veronika L ist daher durch den Tod ihres unehelichen Vaters zumindest bisher ein Unterhaltsentgang nicht entstanden. Sie konnte daher auch einen diesbezüglichen Ersatzanspruch nicht abtreten. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger die von ihm für Veronika L gezahlten Unterhaltsbeträge, deren Rückersatz er nun fordert, auf Grund einer Verpflichtung geleistet, die er nicht etwa freiwillig übernommen hat, sondern die auf ihn als Erben und Übernehmer eines mit dieser Verpflichtung belasteten Nachlasses übergegangen sind.

Damit ist seiner Klage der Boden entzogen, und es bedarf daher auch keines weiteren Eingehens auf die Frage, ob die Abtretung der Ersatzansprüche ungültig ist, weil die vormundschaftsbehördliche Genehmigung nicht vom Richter, sondern vom Rechtspfleger erteilt wurde. Demzufolge war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Anmerkung

Z48032

Schlagworte

Anspruch nach § 1327 ABGB, kein - des unehelichen Kindes bei Übergang, der Unterhaltsverpflichtung auf Erben des primär Unterhaltspflichtigen, Uneheliches Kind, kein Anspruch nach § 1327 ABGB des - bei Übergang der, Unterhaltsverpflichtung auf Erben des primär Unterhaltspflichtigen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0020OB00022.75.0320.000

Dokumentnummer

JJT_19750320_OGH0002_0020OB00022_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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