TE OGH 1975/4/22 3Ob90/75

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Veröffentlicht am 22.04.1975
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Norm

EO §249
EO §275

Kopf

SZ 48/47

Spruch

Bei einem Superädifikat sind zur Ermittlung einwandfreier Schätzungsgrundlagen, die zwischen dem Gründeigentümer und dem Verpflichteten bestehenden Rechtsbeziehungen sowie die sich daraus für den Ersteher ergebende Rechtslage soweit als möglich zu klären

Für die Bewertung eines Superädifikates ist maßgebend 1. der Bestandwert, falls nach den zwischen dem Verpflichteten und dem Gründeigentümer bestehenden Rechtsbeziehungen der Verbleib des Bauwerkes auf fremdem Grund auch für den Ersteher gesichert ist oder selbst gegen den Willen des Gründeigentümers gesichert werden kann,

2. der Abbruchwert, falls der Verpflichtete, umso mehr also der Ersteher, sofort zum Abreißen des Bauwerkes gezwungen werden kann oder das Bauwerk wegen Fehlens baubehördlicher Bewilligung bzw. Verstoßes gegen baubehördliche Vorschriften abgetragen werden muß,

3. der Bestandwert, falls die Rechtsbeziehungen trotz Erhebungen im Einzelfall ungeklärt bleiben

OGH 22. April 1975, 3 Ob 90/75 (LG Salzburg 32 R 91/75; BG Saalfelden E 82/74)

Text

In der gegenständlichen Exekutionssache beantragte die betreibende Partei einerseits die Pfändung und den Verkauf eines im Eigentum des Verpflichteten stehenden Superädifikates (Bauwerkes), das auf dem dem Georg S gehörenden Grundstück Nr. 208 der Katastralgemeinde H errichtet ist, andererseits die Pfändung und Verwertung des dem Verpflichteten auf Grund des mit dem Gründeigentümer am 30. November 1970 abgeschlossenen Pachtvertrages zustehenden Rechtes, jene 500 m2 Grund jederzeit zum Preis von 70 S pro m2 käuflich zu erwerben, auf welchem sich das Bauwerk des Verpflichteten befindet.

Hinsichtlich des letztgenannten Vermögensrechtes wurde die betreibende Partei nach vorausgegangener Pfändung mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 16. Mai 1974 (ON 5) ermächtigt, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen, insbesondere durch seine Ausübung das Eigentumsrecht an den beschriebenen 500 m2 Grund zu erlangen.

Bei der erst später vorgenommenen Schätzung des Bauwerkes berechnete der vom Erstgericht herangezogene Sachverständige Prof. Dipl.-Ing. Franz Sch. den Schätzwert im wesentlichen nach dem umbauten Raum des Bauwerkes (mit 1700 S pro m3]), wobei er zur Frage eines allfälligen Abbruches zunächst nicht Stellung nahm, außerdem ungeklärt ließ, ob für das Bauwerk eine Baubewilligung bzw. eine Benützungsbewilligung vorliegt. Die betreibende Partei beantragte nach Bekanntgabe dieses Schätzungsgutachtens die Durchführung einer neuerlichen Schätzung, weil die Annahme eines Kubikmeterpreises von 1700 S nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche; sie legte hiezu ein Privatgutachten vor, nach dessen Inhalt der Kubikmeterpreis mit 800 S veranschlagt, ferner darauf hingewiesen wurde, daß das Gebäude nach der Übernahme durch den Ersteher abgerissen werden müßte.

Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige erklärte daraufhin, sein Gutachten setze voraus, daß der Ersteher das Bauwerk auf dem Grundstück belassen könne; unter dieser Voraussetzung entspreche es dem Verkehrswert eines gleichartigen Gebäudes.

Das Erstgericht setzte den Schätzwert des Bauwerkes entsprechend dem Sachverständigengutachten mit 258.400 S fest, weil es die Auffassung vertrat, daß für den Schätzwert eines Bauwerkes stets der Bestandwert maßgebend sei.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf, wobei es im wesentlichen ausführte, es komme im Gegensatz zur Meinung des Erstgerichtes darauf an, ob der Gründeigentümer den Ersteher als "neuen Pächter" anerkenne, es müsse daher zunächst der Gründeigentümer befragt und je nach dem Ergebnis dieser Befragung das Bauwerk entweder zum Bestandwert oder zum Abbruchwert bewertet werden; darüber hinaus bestunden selbst bei Zugrundelegung des Bestandwertes Bedenken gegen den vom Sachverständigen für den unbebauten Raum angenommenen Kubikmeterpreis.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Ob für die Bewertung eines Bauwerkes (Superädifikates) lediglich der Bestandwert, sowohl der Bestandwert als auch der Abbruchwert oder nur der Abbruchwert festzustellen ist, kann nicht generell beantwortet werden. Falls nach den zwischen dem Verpflichteten und dem Gründeigentümer bestehenden Rechtsbeziehungen der Verbleib des Bauwerkes auf fremdem Grund auch für den Ersteher gesichert ist oder selbst gegen den Willen des Gründeigentümers gesichert werden kann, ist für die Bewertung ausschließlich der Bestandwert maßgebend. Falls hingegen auf Grund dieser Rechtsbeziehungen der Verpflichtete, umsomehr also der Ersteher, sofort zum Abreißen des Bauwerkes gezwungen werden kann oder das Bauwerk wegen Fehlens baubehördlicher Bewilligung bzw. Verstoßes gegen baubehördliche Vorschriften abgetragen werden muß, hat das Bauwerk eben nur den Abbruchwert. (Deshalb kann die Meinung, ein Bauwerk könne nur zum Bestandwert verwertet werden - so mit der Ausnahme eines baubehördlichen Abbruchauftrages Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblaus Kommentar zur EO[4], 1905 - in dieser allgemeinen Form nicht geteilt werden.) Bei einem Bauwerk (Superädifikat) ist es somit zur Ermittlung einwandfreier Schätzungsgrundlagen erforderlich, die zwischen dem Gründeigentümer und dem Verpflichteten bestehenden Rechtsbeziehungen und die sich daraus für den Ersteher ergebende Rechtslage soweit als möglich zu klären, was nicht nur durch Anfrage an den Gründeigentümer, sondern auch auf andere Weise geschehen kann. Sollte die Rechtslage trotz diesbezüglicher Erhebungen im Einzelfall ungeklärt bleiben, wird die Versteigerung zum Bestandwert durchzuführen sein (vgl. Heller - Trenkwalder[3], 987 und die dort angeführten Entscheidungen).

Im vorliegenden Fall ist zunächst im Hinblick auf ON 4 zu erheben, ob das Grundstück, auf welchem sich das Bauwerk befindet, im Alleineigentum des Georg S steht. In diesem Fall ist die betreibende Partei bereits auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses ON 5 in der Lage, durch Ausübung des dem Verpflichteten zustehenden Ankaufsrechtes den Verbleib des Bauwerkes selbst gegen den Willen des Gründeigentümers auch für den Ersteher sicherzustellen und ist damit bei Verwertung des Bauwerkes der Bestandwert maßgebend; es obliegt dabei der betreibenden Partei, die zu einer zweckmäßigen, allenfalls koordinierten Verwertung des Ankaufsrechtes einerseits und des Bauwerkes andererseits erforderlichen Schritte zu unternehmen bzw. zu beantragen.

Die somit - unter der angeführten Voraussetzung des Alleineigentums des Georg S - vom Erstgericht zutreffend nach dem Bestandwert vorgenommene Schätzwertermittlung ist jedoch mangelhaft geblieben.

Anmerkung

Z48047

Schlagworte

Bewertung, Richtlinien für die - eines Superädifikates, Ermittlung des, Schätzwertes, Superädifikat, Ermittlung des Schätzwertes, Richtlinien für die, Bewertung eines -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0030OB00090.75.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19750422_OGH0002_0030OB00090_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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