TE OGH 1975/10/15 1Ob218/75

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Veröffentlicht am 15.10.1975
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Norm

ABGB §1062
Eisenbahnverkehrsordnung §77
ZPO §259
ZPO §446

Kopf

SZ 48/106

Spruch

Die Belastung eines Eisenbahnfrachtgutes mit einer Nachnahme ist nur zulässig, wenn sie bedungen war; sonst kann der Käufer die Nachnahmesendung zurückweisen, ohne in Annahme- oder Zahlungsverzug zu gelangen

Enthält das Urteil eines Bezirksgerichtes nicht den Beisatz, es entscheide in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen, und hatte auch keine Partei den Antrag gestellt, dies im Urteil anzuführen, hat das Berufungsgericht durch einen mit drei Berufungsrichtern besetzten Senat zu entscheiden

OGH 15. Oktober 1975, 1 Ob 218/75 (KG Leoben R 323/75; BG Mürzzuschlag C 190/74)

Text

Der Kläger betreibt in W eine Papiergroßhandlung, der Beklagte in M eine Druckerei; beide sind Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches und stehen seit März 1973 in Geschäftsverbindung. Am 4. Feber 1974 bestellte der Beklagte beim Kläger schriftlich 1500 Bogen Astralux-265 Gramm-70/100 Breitbahn-Papier und fügte bei, daß er dieses schon sehr dringend benötige und daher um eine rasche Lieferung ersuche. Bis dahin waren zwischen den Streitteilen schon sechs Geschäfte über Astralux-Papier oder Kartons abgewickelt worden; fünfmal war die Ware mit firmeneigenem LKW des Klägers, einmal per Bahnexpreß, jeweils aber "frei Haus" ausgeliefert, vom Beklagten kontrolliert und von ihm dann per Barscheck, einmal im Wege der Banküberweisung, beglichen worden. Der Kläger veranlaßte, obwohl auch in einem Telefongespräch zwischen Angestellten der Streitteile über die Lieferart nichts gesprochen worden war, die Auslieferung der am 4. Feber 1974 schriftlich bestellten Ware in der Weise, daß sie am 7. Feber 1974 per Bahn und gegen Nachnahme zur Versendung gebracht wurde; der Rechnungsbetrag lautete auf 9430 S. Der von der Lieferung verständigte Beklagte lehnte die Annahme der Ware mit der Begründung ab, daß der Kläger von der bisherigen Liefer- und Zahlungsart einseitig abgegangen sei. Der Kläger belastete mit Rechnung vom 19. März 1974 und Schreiben vom 13. Mai 1974 den Beklagten mit Spesen von 1731.88 S; der Beklagte lehnte jeweils diese Belastung ab, weil die Zusendung per Nachnahme nicht vereinbart gewesen sei. Am Spesen und Verdienstentgang begehrt der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten den (eingeschränkten) Betrag von 4774.64 S samt Anhang. Ein Ausspruch, daß das Erstgericht in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen entscheide, wurde nicht beantragt.

Das Erstgericht, dessen Entscheidung nicht den Beisatz enthält, daß es in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen entscheide, gab dem Klagebegehren statt. Es habe sich zwar durch die Abwicklung einiger Geschäfte zwischen den Streitteilen eine Übersendungsart herausgebildet, jedoch habe im streitgegenständlichen Fall diese Gepflogenheit infolge Dringlichkeit der Lieferung nicht eingehalten werden können. Da die Angestellte des Beklagten bei dem Telephonat mit der Angestellten des Klägers die Übersendungsart nicht näher besprochen habe, habe der Kläger annehmen können, er sei mit jedweder Übersendungs- und Zahlungsart einverstanden. Daß der Beklagte die Ware vor Übernahme nicht kontrollieren habe können, sei bedeutungslos, da ihm immer noch die Mängelrüge des § 477 HGB offen gestanden sei. Um diese Möglichkeit habe sich der Beklagte durch seinen als Verschulden anzusehenden Annahmeverzug gebracht.

Das Berufungsgericht, das in seine Entscheidung den Beisatz aufnahm, daß es in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit entscheide, änderte das erstgerichtliche Urteil durch einen mit drei Berufungsrichtern besetzten Senat dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die Bestimmung des § 1062 ABGB verpflichte an sich den Käufer, zugleich mit der Übernahme der Ware auch den Kaufpreis bar abzuführen. Gewiß sei auch die Bezahlung einer Ware "per Nachnahme" eine Spielart der Barzahlung, sie unterscheide sich aber wesentlich von der bisher zwischen den Streitteilen üblichen Barzahlung mittels Schecks. Die Zahlung einer Ware per Nachnahme verpflichte den Käufer zu einer Vorleistung, nämlich der Zahlung des Kaufpreises vor Übernahme der Ware. Nachnahmesendungen seien nur zulässig, wenn sie ausdrücklich vereinbart seien. Sie hinderten die Kontrolle der Ware vor ihrer Übernahme. Da Lieferung per Nachnahme nicht vereinbart gewesen sei, habe der Kläger nicht gehörig und auf die bedungene Weise erfüllt, so daß sich der Beklagte nicht in verschuldeten Annahmeverzug befunden habe. Der Beklagte hätte allerdings eine Nachfrist setzen müssen, habe dies aber faktisch getan. Der Kläger habe erst in der Tagsatzung vom 3. April 1975 erklärt, nach wie vor lieferbereit zu sein; diese Erklärung sei fast ein Jahr nach der unmißverständlichen Erklärung des Beklagten, nicht annahmebereit zu sein, und damit verspätet abgegeben worden. Der säumige Kläger könne daher die Erfüllung nicht mehr nachholen, vielmehr sei das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen ex tunc aufgehoben; der Kläger könne vom Beklagten nichts mehr fordern.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger macht Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 2 ZPO geltend, weil gemäß § 7 Abs. 2 JN Senat der Kreis- und Landesgerichte in Handelssachen über Berufung gegen in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen gefällte Urteile der Bezirksgerichte in zweiter Instanz durch zwei Berufungsrichter und einen fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand zu entscheiden hätten. Die Revision übersieht hiebei aber, daß das Urteil des Erstgerichtes nicht den Beisatz enthält, es entscheide in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen. Keine der Parteien hatte auch den Antrag gestellt (§§ 446, 259 Abs. 3 ZPO), dies im Urteil anzuführen. Da ein solcher Antrag nicht gestellt wurde, war auch ein späterer Antrag, diesen Beisatz in das Urteil aufzunehmen bzw. die Verhandlung in zweiter Instanz von dem Handelssenat durchführen zu lassen (§ 479a ZPO), nicht mehr zulässig und wurde auch nicht gestellt. Nur wenn das Erstgericht den erwähnten Beisatz in sein Urteil aufgenommen hat, entscheidet das Berufungsgericht unter Beiziehung eines fachmännischen Laienrichters (vgl. Fasching III, 204). Da dieser Beisatz im vorliegenden Fall fehlte, war es richtig, daß das Berufungsgericht durch einen mit drei Berufungsrichtern besetzten Senat entschied. Daß es dann in sein Urteil den Beisatz aufgenommen hat, es entscheide in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit, war umrichtig, kann aber, wenn das Berufungsgericht an sich in richtiger Besetzung entschieden hat, keine Bedeutung haben. Nichtigkeit des Berufungsurteils läge nur vor, wenn das Erstgericht ausdrücklich in Ausübung der Handelsgerichtsbarkeit entschieden und das Berufungsgericht dennoch durch einen mit drei Berufsrichtern besetzten Senat entschieden hätte (3 Ob 32/75). Sonst begrundete aber nicht einmal eine Entscheidung des Berufungsgerichtes, ohne vorher über einen gemäß § 479a ZPO gestellten Antrag abgesprochen zu haben, eine Nichtigkeit, sondern nur einen Verfahrensmangel (3 Ob 240/51; Fasching IV, 147). Der behauptete Revisionsgrund der Nichtigkeit ist damit nicht gegeben.

In der Sache selbst ist von der Bestimmung des § 1062 ABGB auszugehen, wonach der Käufer verbunden ist, die Sache sogleich oder zur bedungenen Zeit zu übernehmen und zugleich das Kaufgeld bar abzuführen. Die vereinbarten beiderseitigen Leistungen sind also mangels abweichender Abmachungen Zug um Zug zu erfüllen. Auch beim Versendungsverkauf muß dem Käufer mangels abweichender Vereinbarungen die reale Ablieferung am Bestimmungsort angeboten werden. Der Kauf gegen Nachnahme des Kaufpreises bedeutet jedoch einen Kauf unter der Verpflichtung des Käufers zur Vorauszahlung, weil bei Versendung mit der Eisenbahn der Preis an die Bahn zu entrichten ist, ehe die Ware vom Käufer übernommen war. Die Belastung eines Frachtgutes mit einer Nachnahme bedeutet nämlich, daß die Eisenbahn nicht verpflichtet ist, das Gut dem Empfänger vor Zahlung des Nachnahmebetrages abzuliefern; hat sie das Gut ohne vorherige Einziehung der Nachnahme abgeliefert, trifft sie die Haftung (§ 77 Abs. 2 Eisenbahn-Verkehrsordnung, BGBl. 1967/170). Zusendung mit Nachnahme wird daher nach einhelliger Auffassung von Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich nicht als zureichendes Angebot der Sachleistung angesehen, da sie nicht zum Austausch der beiderseitigen Leistungen Zug um Zug führt, sondern den Käufer zur Vorauszahlung zwingt, ist er doch noch gar nicht in der Lage, die Sache zu überprüfen. Der Verkäufer darf daher gegen Nachnahme nur liefern, wenn dies bedungen war; anderenfalls kann der Käufer die Nachnahmesendung zurückweisen, ohne in Annahme- oder Zahlungsverzug zu geraten (Bydlinski in Klang[2] IV/2, 337; Wahle in Klang[2] IV/2, 71; Bettelheim in Klang[1] II/2, 962; Ehrenzweig[2] II/1, 212; EvBl. 1956/96; SZ 28/159; SZ 9/36 u. a.). Im vorliegenden Fall war Sendung per Nachnahme nicht nur nicht vereinbart, sondern widersprach sogar der bisherigen Übung, wonach dem Beklagten die Ware ausgefolgt und ihm Gelegenheit zu ihrer Überprüfung gegeben worden war und er erst anschließend mittels Barschecks bzw. Banküberweisung bezahlte. Es kann daher keine Rede davon sein, daß aus dem bisherigen Verhalten der Streitteile der Schluß gezogen werden könnte, Übersendung per Nachnahme habe als vereinbart oder genehmigt zu gelten. Entgegen der Auffassung der Revision gab auch die besondere Dringlichkeit der Sendung dem Kläger nicht das Recht, die Ware per Nachnahme zu übersenden, weil die Dringlichkeit mit der Frage, ob der Beklagte zur Vorleistung verpflichtet war, nichts zu tun hat. Der Beklagte hatte zudem schon einmal eine dringliche Sendung per Bahnexpreß erhalten, ohne zur vorherigen Zahlung verpflichtet worden zu sein. Dem Beklagten mag zwar jede Übersendungsart, wenn sie nur rasch war, recht gewesen sein, aber doch nicht eine, die seine rechtliche Stellung verschlechtern mußte, wäre ihm doch die Möglichkeit genommen worden, vor der Bezahlung die Ordnungsmäßigkeit der Sendung zu überprüfen. Im Unrecht ist die Revision, wenn sie meint, auch eine Nachnahmesendung lasse die Bezahlung des Kaufpreises Zug um Zug mit der Lieferung der Ware zu. Bei der Übersendung einer Ware gegen Nachnahme ist der Empfänger vielmehr verpflichtet, Zahlung zu leisten, ehe er die Sendung überhaupt in die Hand bekommt. Der wesentliche Zweck der Nachnahmesendung liegt ja gerade darin, daß die Zahlung des Kaufpreises Voraussetzung für deren Auslieferung und damit Übernahme ist. Daß beide Handlungen unmittelbar aufeinanderfolgen, ist rechtlich bedeutungslos, weil der Käufer dennoch in die ihm ohne Vereinbarung nicht zumutbare Lage versetzt wird, im Falle von Reklamationen den Kaufpreis zurückverlangen und allenfalls klagen zu müssen. Auch wenn es bisher keine Beanstandungen der Waren des Klägers gegeben hatte, konnte der Beklagte dennoch die Vorauszahlung ablehnen, da nicht in der ihm gebührenden Art erfüllt worden war. Wenn dem Beklagten aber ein Recht darauf zustand, eine per Nachnahme erfolgte Erfüllung der Leistung des Klägers abzulehnen, kann sein Verhalten entgegen der Auffassung der Revision weder als Treu und Glauben widersprechend noch als schikanös angesehen werden. Der Beklagte handelte aber auch nicht schuldhaft, so daß der vom Kläger gestellte Schadenersatzanspruch gegen ihn mit Recht abgelehnt wurde.

Anmerkung

Z48106

Schlagworte

Gerichtsbarkeit in Handelssachen, Besetzung des Berufungsgerichtes, Nachnahmesendung nur zulässig, wenn sie bedungen war

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00218.75.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19751015_OGH0002_0010OB00218_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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