TE OGH 1975/12/18 6Ob142/75

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Veröffentlicht am 18.12.1975
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Norm

ABGB §1062
ABGB §1333
ABGB §1413
Handelsgesetzbuch §353
Umsatzsteuergesetz 1972 §11

Kopf

SZ 48/140

Spruch

Bei Weigerung des Bestellers, die Ware abzunehmen, ist die Übersendung einer Rechnung zur Herbeiführung der Fälligkeit der Schuld nicht erforderlich. In einem solchen Fall ist die Forderung nach Ablauf jener Frist fällig, welche sich aus der die Verkäuferin treffenden Lieferfrist zuzüglich jener Frist zusammensetzt, innerhalb welcher die Rechnung netto Kassa zu bezahlen wäre

Durch § 11 UStG 1972 wurde ein zivilrechtlicher Anspruch des Leistungsempfängers, die gesonderte Ausweisung der Steuer zu verlangen, eingeführt. Die Fälligkeit seiner Schuld einschließlich der Umsatzsteuer ist davon jedoch nicht abhängig

Wenngleich die Fälligkeit der Umsatzsteuer gegenüber dem Käufer im Rahmen des Gesamtentgeltes ohne Rücksicht darauf eintritt, daß der Verkäufer seinerseits die Umsatzsteuer erst zu einem späteren Zeitpunkt entrichten muß, ist der auf sie entfallende Teil des Gesamtentgeltes erst von jenem Zeitpunkt an zu verzinsen, in dem auf Seite des Verkäufers die Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Staat entsteht

OGH 18. Dezember 1975, 6 Ob 142/75 (OLG Innsbruck 1 R 183/75; LG Feldkirch 2 Cg 509/74)

Text

Die Klägerin begehrte vom Beklagten für bestellte, jedoch nicht abgenommene Waren den Betrag von 66.120 S samt 11.5% Zinsen seit 12. Juni 1974. Die bestellte Ware stehe für den Beklagten bereit.

Der Beklagte bestritt das Vorbringen der Klägerin und wendete ein, daß er keine Waren, sondern nur kostenloses Werbematerial und Prospekte bestellt habe. Selbst wenn eine Bestellung von Waren vorliegen sollte, sei die Forderung nicht fällig, da die Klägerin weder die Waren geliefert, noch eine Rechnung gelegt und den Beklagten auch nie zur Entgegennahme der Waren aufgefordert oder die Zahlung des Rechnungsbetrages gemahnt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, nahm jedoch die Verpflichtung der Klägerin zur Zug um Zug-Lieferung der im Urteilsspruch im einzelnen angeführten, vom Beklagten bestellten Waren in den Urteilsspruch auf. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Am 19. März 1974 bot Franz F, der Geschäftsführer der Klägerin, in Gegenwart von Klaus H, dem Beklagten Handelswaren zum Kaufe an. Der Beklagte bestellte verschiedene (vom Erstgericht im einzelnen aufgezählte) I-Blenden und I-Filter zum Kaufpreis von insgesamt 57.000 S. Den schriftlichen Auftrag schrieb Klaus H. Er wurde mit Durchschlag ausgefertigt und vom Beklagten unterschrieben. Die Urschrift verblieb beim Beklagten. In diesem Auftrag sicherte die Klägerin dem Beklagten noch die Lieferung von kostenlosem Werbematerial mit dem Aufdruck der Firma des Beklagten zu, das für eine Werbewurfsendung von der Klägerin zu frankieren war. Die Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin wurden dem Beklagten auf der Rückseite des Auftragsschreibens bekanntgegeben. Nach Punkt VII dieser Verkaufsbedingungen ist die Klägerin dann, wenn der Käufer die Ware nicht abnimmt, berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages zu verlangen. Im letzteren Fall ist die Klägerin berechtigt, entweder ohne Nachweis eines Schadens 25% des Kaufpreises oder Ersatz des tatsächlich entstandenen Schadens zu verlangen. Mit Schreiben vom 22. März 1974 bestätigte die Klägerin dem Beklagten den Auftrag. Mit Schreiben vom 25. März 1974 teilte der Beklagte der Klägerin mit, er habe am 19. März 1974 nur diverses kostenloses Werbematerial und Prospekte bestellt und bat um Stornierung des Auftrages. Hierauf teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 28. März 1974 mit, sie wäre bereit, ihm in der Weise entgegenzukommen, daß sie die von ihm bestellte Auftragsmenge um die Hälfte reduziere und trotzdem die zugesicherte volle Werbeleistung erbringe. Weiter machte sie den Beklagten darauf aufmerksam, daß die Aufrechterhaltung der Stornierung dazu führen könnte, daß die Klägerin im Sinne des Punktes VII der Verkaufsbedingungen ein Reugeld verlangen könnte. Mit Schreiben vom 2. April 1974 wies der Beklagte den Kulanzvorschlag ab. Die Klägerin machte in der Folge von ihrem Rücktrittsrecht gemäß Punkt VII der Verkaufsbedingungen nicht Gebrauch und klagte den Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises von 57.000 S zuzüglich 16% Mehrwertsteuer im Betrag von 9120 S.

Daraus schloß das Erstgericht, daß der Kaufpreis samt Umsatzsteuer fällig geworden und die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, die gekaufte Ware an den Beklagten zu senden. Dem Klagebegehren sei daher mit der Maßgabe Folge zu geben, daß die Klägerin zur Zug-um-Zug-Leistung der verkauften Waren verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es vertrat rechtlich die Auffassung, es liege ein gültig zustande gekommener und aufrechtgebliebener Kaufvertrag vor. Die Klägerin habe Anspruch auf Annahme der Ware nach Ablauf des Liefertermines von drei Wochen und auf Zahlung spätestens innerhalb weiterer 30 Tage gehabt. Der Beklagte sei zur Annahme der Ware nicht bereit gewesen und damit in Annahmeverzug geraten. Damit habe sich ein tatsächliches Anbieten der Lieferung durch die Klägerin erübrigt. Der Klägerin stehe vielmehr das Recht zu, vom Beklagten den Kaufpreis zu fordern. Die Fälligkeit hänge nicht von der Zusendung einer Rechnung ab, sondern sei durch den Annahmeverzug eingetreten, da der Beklagte über die Höhe seiner Kaufpreisschuld voll informiert gewesen sei. Auch die Belastung mit der Umsatzsteuer sei berechtigt, da es bei einem Umsatz im Inland für die Besteuerung nicht darauf ankomme, ob der Unternehmer eine Rechnung ausstelle. Allerdings sei die Klägerin verpflichtet, auf Verlangen des Beklagten eine solche Rechnung zu legen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten lediglich insoweit Folge, als das Begehren auf Zuspruch von 11.5% Zinsen aus 9120 S (der Umsatzsteuer) abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt der Beklagte darin, daß die Untergerichte in das Urteil ohne diesbezüglichen Antrag der Klägerin eine Zug um-Zug-Leistung aufgenommen haben. Dagegen bestehen keine Bedenken. Es kann dahingestellt bleiben, ob es im vorliegenden Fall überhaupt einer Verurteilung Zug um Zug bedurft hätte (vgl. JBl. 1973, 616; SZ 43/63 u. a.). Eine solche Verurteilung ist aber jedenfalls dann zulässig, wenn die Klägerin in der Klage erklärt hat, daß die bestellte Ware für den Beklagten bereitstehe, also die Erbringung ihrer Leistung angeboten hat (Fasching III, 651 und die dort zitierte Judiktur und Literatur; JBl. 1965, 366 u. a.). In einem solchen Fall liegt auch keine Verurteilung zu einem aliud, sondern eine solche zu einem minus vor. Der Beklagte wird durch eine solche Einschränkung nicht beschwert, so daß er sich auch nicht dagegen wenden kann. Soweit die Revision aber ausführt, daß sich die Klägerin weder zur Gegenleistung erboten habe, noch ihre diesbezügliche Bereitschaft aus den Prozeßergebnissen hervorgehe, ist dieses Vorbringen mit Rücksicht auf die oben wiedergegebene Erklärung in der Klage aktenwidrig.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung meint der Beklagte, die Klagsforderung sei deshalb nicht fällig, weil es an einer Feststellung fehle, daß die Klägerin ihm eine Rechnung übermittelt habe, die Forderung aber erst acht Tage nach Erhalt der Rechnung unter Abzug von 3% Skonto oder 30 Tage danach, netto Kassa fällig sei. Auch dies ist nicht richtig. Wohl sind nach den Verkaufsbedingungen, welche dem Auftrag des Beklagten zugrunde zu legen sind, die Rechnungen der Klägerin innerhalb von acht Tagen ab Rechnungsdatum abzüglich 3% Skonto oder innerhalb von 30 Tagen rein netto zu bezahlen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß auch bei Weigerung des Bestellers, die Ware abzunehmen, die Übersendung einer Rechnung zur Herbeiführung der Fälligkeit der Schuld erforderlich ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Forderung nach Ablauf jener Frist fällig, welche sich aus der die Verkäuferin treffenden Lieferfrist zuzüglich jener Frist zusammensetzt, innerhalb welcher die Rechnung netto Kassa zu bezahlen wäre. Der Ausstellung einer Rechnung bedurfte es hier auch deshalb nicht, weil im vorliegenden Fall dem Käufer die Höhe seiner Gegenleistung bekannt war (vgl. Bydlinski in Klang[2] IV/2, 338; GlUNF 6234 sowie die Judikatur zum Werkvertrag: SZ 38/44 u. a.).

Daran ändert auch das Umsatzsteuergesetz 1972 nichts. Denn gemäß §§ 1 Abs. 1 sowie 3 und 11 Umsatzsteuergesetz 1972 kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer eine Rechnung ausstellt. Aus § 11 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz 1972 ergibt sich nur, daß der Unternehmer, der umsatzsteuerpflichtige Lieferungen oder umsatzsteuerpflichtige andere Leistungen ausführt, berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen auch verpflichtet ist, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist. Damit soll der Vorsteuerabzug (§ 12 Umsatzsteuergesetz 1972) ermöglicht werden. Die durch § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz 1959 grundsätzlich noch verbotene offene Überwälzung der Umsatzsteuer wurde damit abgeschafft (Doratzil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 139) und ein zivilrechtlicher Anspruch des Leistungsemfpängers, die gesonderte Ausweisung der Steuer zu verlangen eingeführt. Der Beklagte hat daher zwar den Anspruch auf Ausstellung einer derartigen Rechnung, die Fälligkeit der gesamten Schuld (einschließlich der Umsatzsteuer) ist jedoch davon nicht abhängig. Im Auftrag Beilage A ist nämlich festgehalten daß es sich bei den vereinbarten Preisen um Netto-Stück-Preise, also um Preise handelt, in denen die Umsatzsteuer nicht enthalten ist. In der Auftragsbestätigung Beilage B verweist die Klägerin ausdrücklich darauf, daß sich die Preise ohne Mehrwertsteuer verstehen. Der Beklagte hat andererseits in seinem Antwortschreiben auf die Auftragsbestätigung gegen diesen Passus der Auftragsbestätigung keine Einwendungen erhoben. Beide Parteien sind daher davon ausgegangen, daß zu den im Auftrag angeführten Nettopreisen von der Klägerin noch die Umsatzsteuer hinzugeschlagen werden kann. Daß die Klägerin hiezu berechtigt war, bestreitet der Beklagte auch im Rahmen dieses Verfahrens nicht, sondern meint nur, die Umsatzsteuer sei erst mit der Ausstellung einer Rechnung fällig. Daß bei Verzug des Käufers die Ausstellung einer Rechnung keine Voraussetzung für die Fälligkeit des Entgelts darstellt, sofern dieses dem Käufer bekannt und nichts anderes vereinbart ist, wurde bereits dargetan. Dieses Entgelt umfaßt aber auch die Umsatzsteuer, welche nach allgemeiner Übung im Geschäftsverkehr gleichzeitig mit dem Nettopreis zu bezahlen ist und zwar gleichgültig, ob sie im Bruttopreis enthalten ist oder neben dem Nettopreis gesondert ausgewiesen wird. Der Begriff des Entgelts hat daher durch die Änderung des Umsatzsteuersystems keine Wandlung erfahren (EvBl. 1975/265, 608). Bei Annahmeverzug des Käufers wird daher auch die im Kaufpreis enthaltene Umsatzsteuer fällig.

Hingegen muß beim Zinsenzuspruch berücksichtigt werden, daß der Verkäufer seinerseits gemäß § 19 Abs. 2 Z. 1 a Umsatzsteuergesetz 1972 (einer der anderen in § 19 aufgezählten Fälle liegt hier nicht vor) zur Entrichtung der Umsatzsteuer erst mit Ablauf des Kalendermonates verpflichtet ist, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind; wenn die Ausstellung der Rechnung aber erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder Leistung erbracht worden ist, verschiebt sich dieser Zeitpunkt um einen weiteren Kalendermonat. Damit fehlt es aber auf Seite der Klägerin an einem durch den Verzug des Beklagten verursachten Schaden, so daß Zinsen mit der Begründung, die Klägerin arbeite mit Bankkredit, nicht verlangt werden können. Aber auch ein Anspruch auf gesetzliche Zinsen besteht nicht. Für den Bereich des bürgerlichen Rechtes ergibt sich dies bereits aus § 1333 ABGB, da durch die gesetzlichen Verzugszinsen der Schaden vergütet werden soll, welchen der Schuldner seinem Gläubiger durch Verzögerung der bedungenen Zahlung des schuldigen Kapitals zugefügt hat, ein Schaden aber hier durch die verzögerte Zahlung nicht entsteht. Aber auch ein Anspruch auf Zinsen nach § 353 HGB besteht nicht. Nach dieser Bestimmung sind zwar Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Die Mehrwertsteuer stellt jedoch im Bereich des Unternehmens nur einen durchlaufenden Posten dar (EvBl. 1975/265, 608). Erst beim Verkauf der Ware an den Endverbraucher wirkt sie sich als Kostenfaktor aus, da der Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Wenngleich daher ihre Fälligkeit gegenüber dem Käufer im Rahmen des Gesamtentgelts ohne Rücksicht darauf eintritt, daß der Verkäufer seinerseits die Umsatzsteuer erst zu einem späteren Zeitpunkt entrichten muß, ist der auf sie entfallende Teil des Gesamtentgeltes erst von jenem Zeitpunkt an zu verzinsen, in welchem auf Seite des Verkäufers die Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Staat entsteht. Denn ein bloß durchlaufender Rechnungsposten, der wirtschaftlich nicht dem Verkäufer, sondern dem Staate zugute kommt, den Verkäufer aber andererseits auch selbst nicht mit Zinsen belastet, kann den im § 353 HGB genannten Forderungen nicht gleichgesetzt werden.

Der OGH teilt daher die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, daß für den auf die Umsatzsteuer entfallenden Teil des eingeklagten Betrages Zinsen nicht verlangt werden können. Dies ist jedoch im Rahmen der vom Beklagten erhobenen Rechtsrüge von Amts wegen wahrzunehmen, obgleich die Rechtsrüge in dieser Richtung nicht ausgeführt wurde. Insofern überhaupt eine zulässige und gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt, hat das Gericht die Rechtssache ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Gründe nach allen Richtungen in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (Fasching IV 322 f.; EvBl. 1975/183, 394; Arb. 7533 u. v. a.).

In teilweiser Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Untergerichte im Zinsenpunkt spruchgemäß abzuändern.

Anmerkung

Z48140

Schlagworte

Annahmeverzug, Übersendung einer Rechnung zur Herbeiführung der, Fälligkeit der Schuld nicht erforderlich bei -, Fälligkeit, Übersendung einer Rechnung zur Herbeiführung der - der, Schuld nicht erforderlich bei Annahmeverzug, Umsatzsteuer, Fälligkeit der Schuld ist vom zivilrechtlichen Anspruch„ die gesonderte Ausweisung der - zu verlangen, unabhängig, Umsatzsteuer, Fälligkeit und Verzinsung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1975:0060OB00142.75.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19751218_OGH0002_0060OB00142_7500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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