TE OGH 1976/5/7 2Ob515/76

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Veröffentlicht am 07.05.1976
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Norm

Außerstreitgesetz §16
Außerstreitgesetz §21

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SZ 49/62

Spruch

In der einer Rechtsverweigerung gleichkommenden Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit bezüglich des in der Schweiz befindlichen beweglichen Nachlasses eines Österreichers liegt ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nullität

OGH 7. Mai 1976, 2 Ob 515/76 (KG Wiener Neustadt R 404/75; BG Baden 2 A 345/74)

Text

Der Nachlaß nach dem am 10. September 1974 verstorbenen zuletzt in B, W-Gasse 12, wohnhaft gewesenen österreichischen Staatsbürger Dr. Alfred L bat nach der Todfallsaufnahme einen Wert von über 200 000 S; es gehören nebst inländischen Liegenschaften und anderen beweglichen im Inland gelegenen Gütern auch eine Spareinlage bei der St. Gallischen Kantonalbank dazu.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 1. Dezember 1975, 2 A 345/74- 10, 1. verschiedene Bevollmächtigungen zur Kenntnis genommen; 2. die auf Grund des Testamentes vom 26. Juli 1974 abgegebenen bedingten Erbserklärungen der Witwe Hedwig L zur Hälfte des Nachlasses und der beiden Schwestern des Erblassers Paula L und Elfriede P zu einem Viertel des Nachlasses unter Erbrechtsanerkennung zu Gericht angenommen; 3. den Akt dem Gerichtskommissär zur Fortsetzung des Verfahrens übermittelt; 4. ausgesprochen, daß das in der Schweiz befindliche bewegliche Nachlaßvermögen mangels entsprechender Regelung durch Staatsvertrag und mangels Gegenseitigkeitserklärung nicht in die Abhandlung aufzunehmen sei, es sei denn, die erbserklärten Erben bescheinigen, daß das bewegliche Vermögen trotzdem ausgefolgt werden würde.

Die von den erblasserischen Schwestern nur gegen Punkt 4 dieses Beschlusses erhobenen Rekurse blieben erfolglos.

Das Rekursgericht war der Auffassung, das bewegliche Auslandsvermögen eines Österreichers sei in das inländische Verlassenschaftsverfahren nur dann einzubeziehen, wenn durch Staatsvertrag oder durch Gegenseitigkeitserklärung in dem Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich das Vermögen befinde, die Anerkennung und allenfalls die Vollstreckung der österreichischen Entscheidung gewährleistet sei. In gleicher Weise könne auch auf Parteienantrag vorgegangen werden, wenn die Partei glaubhaft mache, daß die Anerkennung der österreichischen Entscheidung im Ausland auch ohne Staatsvertrag oder ohne verbürgte Gegenseitigkeit möglich sein werde. Dies werde vor allem dann der Fall sein, wenn der betreffende ausländische Staat die Nachlaßverteilung dem Erben selbst überlasse. Da im Falle der Schweiz die Anerkennung und allenfalls die Vollstreckung der österreichischen Entscheidung weder durch Staatsvertrag noch durch Gegenseitigkeitserklärung derzeit gewährleistet sei, sei die Einbeziehung des in der Schweiz befindlichen beweglichen Nachlaßvermögens in die Abhandlung vom Erstgericht zu Recht verweigert worden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rekurs der erblasserischen Schwester Elfriede P mit dem Antrag, Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses aufzuheben und diesen Beschluß dahin abzuändern, daß das in der Schweiz befindliche bewegliche Nachlaßvermögen des Erblassers in die Abhandlung einbezogen werde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichtes vom 1. Dezember 1975, 2 A 345/74-10, aufgehoben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da sich das Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes wendet, ist es gemäß § 16 AußStrG auf die Anfechtungsgrunde der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder der Nullität beschränkt.

Der Rekurs ist berechtigt.

Gemäß § 21 AußStrG hat das Gericht, das für die Abhandlung der Verlassenschaft eines Inländers zuständig ist, diese über alles, wo immer befindliche Vermögen und die in der Republik Österreich gelegenen unbeweglichen Güter des Verstorbenen zu pflegen. Für das Vermögen, welches Inländer im Ausland besitzen, gelten dabei zusätzlich die besonderen, für seine Behandlung getroffenen Staatsverträge. Soweit solche nichts anderes festsetzen, ist das im Ausland befindliche Vermögen eines österreichischen Staatsbürgers in das österreichische Verlassenschaftsverfahren einzubeziehen (Rintelen, Grundriß 51;,Walker, IPR[5], 977, Schwind, Handbuch des österr. intern. PrR., 254; vgl. auch GlUNF 6474; EvBl. 1974/188 u. a.). Selbst wenn der ausländische bewegliche Nachlaß eines Inländers von der ausländischen Behörde in die Abhandlung miteinbezogen wurde, hat das österreichische Gericht darüber trotzdem die Abhandlung zu pflegen (vgl. EvBl. 1957/9, 1974/188 u. a.).

Im vorliegenden Fall war der Erblasser österreichischer Staatsbürger und hatte seinen letzten Wohnsitz in Österreich. Er besaß zum Zeitpunkt seines Todes neben inländischem Vermögen auch ein Sparguthaben bei einer Schweizer Bank.

Da bezüglich der Behandlung des in der Schweiz befindlichen beweglichen Nachlasses eines Österreichers keine staatsvertragliche Regelung besteht, hat die Bestimmung des § 21 AußStrG zur Anwendung zu kommen, wonach dieser Nachlaß in die vom österreichischen Gericht durchgeführte Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen ist. Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, daß die Voraussetzung für die Anwendung des § 21 AußStrG die Anerkennung der im österreichischen Verlassenschaftsverfahren getroffenen Verfügungen durch den Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich das Vermögen befindet, bildet (vgl. Köhler, IPR[3], 124 sowie die auch von Schwind, 254 Anm. 3 erwähnten und nicht abgelehnten Entscheidungen NZ 1934, 189 und EvBl. 1955/414), würde dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen, weil im Hinblick auf die Bestimmungen des Vertrages vom 16. Dezember 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl. 125/1962, kein Grund zur Annahme besteht, daß die zuständigen Schweizer Behörden den vom österreichischen Verlassenschaftsgericht getroffenen Verfügungen die Anerkennung verweigern würden (vgl. auch Ferid - Firsching, Internationales Erbrecht, Abschnitt Schweiz, C III, 14). Damit kann aber im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, daß die Aufnahme des in der Schweiz befindlichen beweglichen Nachlasses in das Inventar nur eine "zwecklose Förmlichkeit" (vgl. NZ 1934, 189) darstellen würde.

In der einer Rechtsverweigerung gleichkommenden Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit bezüglich des in der Schweiz befindlichen beweglichen Nachlasses eines Österreichers muß daher ein Verfahrensmangel vom Gewichte einer Nullität erblickt werden (vgl. EvBl. 1971/168; EvBl. 1972/188, u. a.).

Der vorn Rekursgericht bestätigte Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses war daher in Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichtes als nichtig im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG aufzuheben.

Anmerkung

Z49062

Schlagworte

Beweglicher Nachlaß, in einer Rechtsverweigerung gleichkommenden Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit bezüglich des in der Schweiz befindlichen - liegt ein Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nullität Nichtigkeit, einer Rechtsverweigerung gleichkommenden Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit Nullität, einer Rechtsverweigerung gleichkommenden Verneinung der inländischen Gerichtsbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0020OB00515.76.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19760507_OGH0002_0020OB00515_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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