TE OGH 1976/10/14 6Ob12/76

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Veröffentlicht am 14.10.1976
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Norm

ABGB §305
ABGB §784
ABGB §786
ABGB §1487

Kopf

SZ 49/118

Spruch

Bei der Schätzung von Liegenschaften zum Zweck der Pflichtteilsberechnung hat gemäß § 306 ABGB der "gemeine Preis" als Richtschnur zu dienen. Bei der Wahl der Berechnungsmethode (Verkehrs-, Ertrags-, Kosten- oder Mischwert) kommt es vornehmlich auf den Zweck der Wertfeststellung an

Bäuerliche Landwirtschaften sind für die Pflichtteilsberechnung in erster Linie nach dem Ertragswert zu schätzen; dabei kann im Einzelfall auch eine angemessene Rücksichtnahme auf den Verkehrswert und den Grundsatz des "Wohl-Bestehen-Könnens" geboten sein

Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB beginnt nur für jene Pflichtteilsbeträge, die sich aus dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ergeben, ab der Testamentskundmachung zu laufen; die Verjährung der Ansprüche nach § 786 ABGB kann dagegen vor der Zuteilung des Pflichtteils nicht zu laufen beginnen

OGH 14. Oktober 1976, 6 Ob 12/76 (OLG Innsbruck 2 R 418/75; LG Innsbruck 5 Cg 701/70)

Text

Der am 2. Jänner 1968 in S (Italien) verstorbene italienische Staatsangehörige Alois R hinterließ seine Gattin aus zweiter Ehe und 12 Kinder. Mit dem am 11. März 1967 vor dem Notar Dr. Augusto D in B (Südtirol) errichteten schriftlichen Testament vermachte er seinen Besitz in Österreich, nämlich das landwirtschaftliche Anwesen "Jager Neubau" in A (Tirol), bestehend aus den EZ 55 II und 196 II je KG A, samt dem gesamten toten und lebenden Inventar samt Zubehör seinem Sohn Friedrich R (dem ursprünglich Beklagten) und verpflichtete diesen, den Geschwistern pro Kopf 70 000 S auszuzahlen und 10 m3 Nutzholz zu geben, wobei der Drittkläger Josef R 60 m3 Nutzholz erhalten sollte. Seinen Besitz in P (Südtirol) hinterließ der Erblasser seinem Sohn Adolf R und seiner Gattin Maria R, geb. H. Der in Österreich befindliche Nachlaß wurde dem Beklagten, der auf Grund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung abgegeben hatte, am 13. Juni 1969 eingeantwortet. Bei der am 23. Mai 1969 stattgefundenen Tagsatzung im Verlassenschaftsverfahren erklärten die Kläger, daß sie ihren Pflichtteilsanspruch im Ausmaß von je 3/96 durch die vom Erblasser angeordneten nicht ausreichend gedeckt erachteten und hinsichtlich des Mehranspruches den Rechtsweg beschreiten würden.

Mit der nunmehrigen, am 23. Dezember 1970 bei Gericht eingelangten Klage machen die Kläger ihre Ansprüche auf Ergänzung der Pflichtteile geltend. Der Erst- und der Zweitkläger begehrten zunächst je 38 975.93 S samt 4% Zinsen seit 13. Juni 1969 und 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 3. Dezember 1970 (der Zweitkläger bis 1. Oktober 1969), der Drittkläger 16 475.93 S samt 4% Zinsen seit 13. Juni 1969 und 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 28. Feber 1970 und der Viertkläger 113 475.93 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S seit 2. Jänner 1969 und aus 38 975.93 S seit 13. Juni 1969. Ferner verlangten der Erst der Zweit- und der Viertkläger die Lieferung von je 10 m3 Nutzholz, der Drittkläger von 60 m3 Nutzholz. Die Kläger brachten vor, daß die Nachlaßliegenschaft im Abhandlungsverfahren mit 3 720 000 S geschätzt worden sei. Nach Abzug der Passiven ergebe sich ein Reinnachlaß von 3 631 229.72 S. Der Pflichtteil jedes der Kläger betrage daher 113 475.93 S. Unter Abzug der Legate, soweit diese bereits ausgezahlt bzw. geliefert seien, ergäben sich die Klageforderungen. Die Kläger behielten sich das Recht der Ausdehnung des Begehrens vor, falls eine neuerliche Schätzung einen höheren Verkehrswert ergeben sollte. In der Tagsatzung vom 28. Mai 1971 schränkte der Viertkläger zufolge Zahlung sein Zahlungsbegehren auf 44 615.93 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 10. März 1971, aus 1140 S seit 2. Jänner 1969 und aus 38 975.93 S seit 13. Juni 1969 ein. Nachdem im Verfahren die Schätzungsgutachten erstattet worden waren, dehnten die Kläger ihre Zahlungsbegehren in der letzten mündlichen Streitverhandlung am 5. November 1975 dahin aus, daß sie neben der Lieferung von Nutzholz wie bisher folgende Barbeträge verlangten:

Der Erstkläger 73 670.49 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 3. Dezember 1970 und aus 73 670.49 S ab 5. November 1975;

der Zweitkläger 73 670.49 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 1. Oktober 1969 und aus 73 670.49 S ab 5. November 1975;

der Drittkläger 51 170.49 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 28. Feber 1970 und ab 5. November 1975 aus 51 170.49

S;

der Viertkläger 79 310.49 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 10. Juli 1973 (richtig wohl: 10. März 1971), aus 1140 S seit 2. Jänner 1971 und 79 310.49 S ab 5. November 1975.

Der Beklagte Friedrich R ist am 11. April 1972 verstorben. Er bzw. seine Verlassenschaft beantragten, das Klagebegehren abzuweisen, und wendeten ein, daß der Schätzwert der Liegenschaft keineswegs mehr als 2.4 Millionen S betrage. Zinsen stunden den Klägern nicht zu; Erträgnisse aus der Liegenschaft seien nicht vorhanden und der diesbezügliche Anspruch überdies verjährt. Sie beantragten ferner, die Klageausdehnung nicht zuzulassen.

Das Erstgericht ließ die Klageausdehnung zu und sprach den Klägern neben den Holzlieferungen im begehrten Ausmaß folgende Beträge zu:

dem Erstkläger 50 000 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 3. Dezember 1970 und aus 50 000 S seit 5. November 1975;

dem Zweitkläger 50 000 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 1. Oktober 1969 und aus 50 000 S seit 5. November 1975;

dem Drittkläger 25 000 S samt 4% Zinsen aus 70 000 S vom 2. Jänner 1969 bis 28. Feber 1970 und aus 25 000 S seit 5. November 1970;

dem Viertkläger 51 140 S samt 4% Zinsen vom 2. Jänner 1969 bis 10. März 1971 aus 70 000 S und aus 1140 S vom 11. März 1971 bis 4. November 1975 sowie aus 51 140 S seit 5. November 1975.

Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die letztwillige Anordnung des Erblassers wurde den Streitteilen bei der Verlassenschaftsabhandlung am 29. August 1968 bekanntgegeben. Das Testament wurde jedoch erst am 24. April 1969 kundgemacht. Die Aktiven des Nachlasses bestanden aus dem Anwesen "Jager-Neubau" in A Nr. IV/29 samt dem landwirtschaftlichen toten wie lebenden Inventar und Zugehör, bestehend aus den EZ 55/II und 196/II je KG A mit einem Steuereinheitswert von 172 000 S. Die Passiven wurden im eidesstättigen, Vermögensbekenntnis mit 83 229.72 S angegeben. Die Legatsbeträge von je 70 000 S erhielten der Erstkläger am 3. Dezember 1970, der Zweitkläger am 1. Oktober 1969 und der Drittkläger am 28. Feber 1970. Der Viertkläger erhielt am 10. März 1971 nur einen Betrag von 68 860 S. Das vermachte Nutzholz wurde vom Beklagten nie verweigert. Pro Festmeter ist ein Preis von 500 S in Anschlag zu bringen. Der Hof "Jager- Neubau" liegt zirka 3 km außerhalb des verbauten Gebietes der Gemeinde A, unmittelbar an der Grenze zur Gemeinde K. Die Hofstelle besteht aus einem Wohnhaus in schlechtem baulichen Zustand und einem zirka 10 m davon entfernt befindlichen Wirtschaftsgebäude. Dieses Gebäude wurde 1959 errichtet, entspricht aber im funktionellen Wert nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Der Hof wurde in der Zwischenzeit "geschlossen", und es bestehen nun an Stelle der EZ 55 und 196/II je KG A die EZ 97/I KG A und 97/I KG K, wobei die Grundparzellen entsprechend den walzenden Einlagen bestehen blieben. Das Flächenausmaß beträgt 29.30 ha landwirtschaftliche Fläche und 25.29 ha forstwirtschaftliche Fläche. Die gesamten Grundparzellen sind auf nur drei Komplexe aufgeteilt, so daß eine sehr gute Flächenstruktur gegeben ist. Der Verkehrswert des Nachlasses betrug im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (2. Jänner 1969) rund 3 700 000 S; dieser Wert erhöhte sich nach Abzug der Nachlaßpassiven bis zum 5. November 1975 (Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz) auf rund 4 Millionen S.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Pflichtteil ab der Kundmachung des Testaments fällig sei; seine Höhe bestimme sich dagegen nach dem Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung. Die Klage sei innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden. Künftige Wertänderungen könnten jedoch, sofern der Pflichtteil innerhalb der Verjährungsfrist angesprochen wurde, noch nachträglich im Verfahren geltend gemacht werden, denn die Aufwertung nach § 786 ABGB könne erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Zuteilung begehrt werden. Im Hinblick auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung und die auf den Pflichtteil anzurechnenden Legate seien die zugesprochenen Beträge noch offen. Die Legatsbeträge seien ab Fälligkeit der Legate bis zur Zahlung und die Pflichtteilsergänzungsbeträge ab der Zuteilung, sohin ab dem Schluß der mündlichen Verhandlung, zu verzinsen.

Das Berufungsgericht gab dem Rekurs des Beklagten gegen die Zulassung der Klageausdehnung sowie seiner Berufung in der Hauptsache - die Kläger hatten den abweisenden Teil des Urteiles unangefochten gelassen und dieses nur im Kostenpunkt bekämpft - nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf Grund eines mangelfreien Verfahrens getroffen worden seien, und teilte auch dessen Rechtsansicht. Das Berufungsgericht prüfte ferner von Amts wegen, ob auf den Rechtsstreit das Tiroler HöfeG anzuwenden sei, und verneinte dies im Hinblick darauf, daß die Eintragung der Liegenschaften in die Höferolle erst nach dem Erbanfall auf Antrag des Erben erfolgt sei. Die Erbteilungsvorschriften des Tiroler HöfeG kämen jedoch nur dann zur Anwendung, wenn die Liegenschaft im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein geschlossener Hof gewesen sei.

Infolge Revision der Beklagten hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte, welche hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens als unangefochten unberührt blieben, im übrigen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes italienischer Staatsangehöriger war, muß zunächst geprüft werden, nach welchem Recht der geltend gemachte Anspruch zu beurteilen ist. Gemäß § 22 AußStrG kommt dem inländischen Gericht - wenn nicht durch Staatsverträge ein anderes Übereinkommen getroffen wird - die Abhandlung über die im Inland liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers im vollen Umfang zu. Es hat die Beurteilung der Rechte aller Beteiligten nach den hierländischen Gesetzen zu pflegen. Sofern also durch Staatsverträge nichts anderes bestimmt wird, ist das inländische unbewegliche Vermögen des ausländischen Erblassers nach österreichischem Recht abzuhandeln. Da die Rechte aller Beteiligten nach österreichischem Recht zu beurteilen sind, ist auch die Frage, wer Noterbe ist sowie wie und in welchem Umfang der Pflichtteil zu leisten ist, nach österreichischem Recht zu beurteilen (Schwind, Handbuch des österreichischen internationalen Privatrechtes, 255; Walker - Verdroß - Drossberg - Satter in Klang[2] I/1, 261; Ehrenzweig[2] I/1, 121; Köhler, IPR[3], 137; EvBl. 1975/278; EvBl. 1964/54 u. a.). Gemäß Art. 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der italienischen Republik vom 16. Jänner 1961 über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, von gerichtlichen Vergleichen und Notariatsakten, BGBl. 521/1974, sind für Nachlaßangelegenheiten die Gerichte des Staates zuständig, dessen Angehöriger der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes gewesen ist oder auf dessen Gebiet er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat. Sehen die Rechtsvorschriften eines der beiden Staaten, die bei Fehlen staatsvertraglicher Vereinbarungen anzuwenden sind, jedoch vor, daß seine Gerichte für Nachlaßangelegenheiten betreffend in diesem Staate gelegenes unbewegliches Vermögen zuständig sind, so gilt dies als ausschließliche Zuständigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 1. Abgesehen davon, daß dieser Staatsvertrag erst 1974 in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anzuwenden ist, wurde durch ihn die ausschließliche österreichische Gerichtsbarkeit nach § 22 AußStrG weiterhin aufrechterhalten, so daß auf den vorliegenden Rechtsstreit österreichisches Recht anzuwenden ist.

Da die Liegenschaften derzeit nach dem Tiroler Höfegesetz in die Höferolle eingetragen sind, muß ferner geprüft werden, ob die Bemessung der Pflichtteile nach jenem Gesetz oder nach allgemeinen Vorschriften zu erfolgen hat. Nach den Feststellungen der Untergerichte ist die Eintragung der Liegenschaften in die Höferolle erst nach dem Tode des Erblassers auf Antrag des inzwischen verstorbenen Erben erfolgt. Für die Anwendung der Erbteilungsvorschriften des Tiroler Höfegesetzes LGBl. 47/1900 und damit auch für die Feststellung des Hofwertes nach § 19 und die Pflichtteilsberechnung nach § 25 Abs. 3 Tiroler HöfeG ist jedoch entscheidend, ob der Hof im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ein geschlossener Hof war oder nicht. Spätere Änderungen sind ohne Bedeutung (EvBl. 1972/102 = RZ 1972, 89; SZ 45/89 u. a.; zuletzt 6 Ob 550/76). Im vorliegenden Fall ist daher bei der Bemessung der Pflichtteilsansprüche auf das Tiroler Höfegesetz nicht Bedacht zu nehmen.

Die Revision vertritt zunächst die Ansicht, die mit der Klagsausdehnung begehrten Beträge seien verjährt. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 786 ABGB ist die Verlassenschaft bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteiles in Ansehung des Gewinnes und der Nachteile als ein zwischen den Haupt- und Noterben verhältnismäßig gemeinschaftliches Gut zu betrachten. Der Noterbe ist auch nach dem Hofdekret vom 27. März 1847, JGS 1051 berechtigt, über den ihm vom Tode des Erblassers an bis zur wirklichen Zuteilung des Pflichtteiles gebührenden verhältnismäßigen Anteil am Gewinn und Verlust und an den Früchten der Erbschaft Rechnung zu fordern. Eine solche Abrechnung kann sich jedoch nur auf den Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung beziehen. Erst dann läßt sich verläßlich feststellen, welche die Pflichtteilsforderung des Noterben beeinflussenden Änderungen im Wert des Verlassenschaftsvermögens seit dem Todestag des Erblassers eingetreten sind. Vor diesem Zeitpunkt kann der Pflichtteilsberechtigte daher die Auszahlung jener Werterhöhung (für sich allein) gar nicht fordern (SZ 46/68). Schon daraus ergibt sich, daß die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB nur für jene Pflichtteilsbeträge ab der Kundmachung des Testamentes zu laufen beginnt. (SZ 36/14; SZ 45/130 u. a.), die sich aus dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Todes des Erblassers ergeben. Die Verjährung der Ansprüche nach § 786 ABGB kann hingegen vor Zuteilung des Pflichtteiles nicht zu laufen beginnen, da ihr Umfang erst in diesem Augenblick feststeht. Wenn die Beklagte meint, die Kläger hätten ein Feststellungsbegehren erheben müssen, so kann auch dem nicht beigepflichtet werden. Für ein solches Begehren fehlt es an einem rechtlichen Interesse, da das Pflichtteilsrecht der Kläger unbestritten ist und sich der Anspruch auf die Wertsteigerung aus dem Gesetz ergibt. Es liegen daher die Voraussetzungen des § 228 ZPO nicht vor. Da die Verjährungsfrist für den Anteil der Kläger an der Wertsteigerung nicht vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung zu laufen beginnen konnte, braucht die in der Lehre und Rechtsprechung teils nicht beantwortete (Weiss in Klang[2] III, 919 FN 17), teils unterschiedlich gelöste Frage (GlU 688 gegen GlU 4764), ob der Anspruch nach § 786 ABGB überhaupt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB (oder allenfalls, wie dies GlU 4764 annimmt, nach § 1480 ABGB) unterliegt, nicht weiter erörtert werden.

Ferner wendet sich der Beklagte dagegen, daß die Untergerichte den Klägern für die in Anrechnung auf die Pflichtteile hinterlassenen Legate Zinsen bis zum Zahlungstag zugesprochen hat. Sie meint, Zinsen stunden den Klägern deshalb nicht zu, bzw. dem Viertkläger nur teilweise, weil nicht festgestellt worden sei, daß die Kläger die Legate vor Klageeinbringung eingemahnt hätten. Da die Legate an den Erst-, den Zweit- und den Drittkläger noch vor Klageeinbringung ausgezahlt worden seien, stunden diesen Zinsen überhaupt nicht, dem Viertkläger aber nur ab Klageeinbringung bis zur tatsächlichen Zahlung des Legates zu.

Gemäß § 685 ABGB können das Vermächtnis einzelner Verlassenschaftsstücke und darauf sich beziehender Rechte, kleine Belohnungen des Dienstgesindes und fromme Vermächtnisse sogleich, andere aber erst nach einem Jahr von dem Tod des Erblassers an, gefordert werden. Da der Zahlungstag somit durch das Gesetz bestimmt ist, bedarf es keiner Mahnung, um den Schuldner in Verzug zu setzen (Koziol - Welser, Grundriß[3] I, 167; Gschnitzer, Erbrecht, 81; Ehrenzweig[2] II/2, 542 unter ausdrücklicher Ablehnung der teilweise gegenteiligen älteren Lehre; vermittelnd Weiss in Klang[2] III, 601 f; Spr. 28 = GlU 4748 u. v. a.). Mit Recht haben daher die Untergerichte für jene Vermächtnisse gesetzliche Zinsen vom Zeitpunkt eines Jahres nach dem Tod des Erblassers bis zur tatsächlichen Auszahlung der Legate zugesprochen.

Der Beklagten ist auch nicht beizupflichten, wenn sie die Ansicht der Untergerichte bekämpft, daß die Höhe der Pflichtteilsansprüche nach dem Wert im Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung zu berechnen und dies der Zeitpunkt der ziffernmäßigen Feststellung durch gerichtliche Entscheidung sei und daher der Wert im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz maßgebend wäre. Die Beklagte vermag gegen diese in Lehre und ständiger Rechtsprechung (Weiss in Klang[2] III, 919; Ehrenzweig[2] II/2, 579 FN 29a; Gschnitzer, Lehrbuch, Erbrecht, 89; SZ 32/78; SZ 45/68 u. a.) vertretene Ansicht, daß wirkliche Zuteilung im Sinne des § 786 ABGB gleichbedeutend mit der Festsetzung dessen sei, was dem Pflichtteilsberechtigten aus dem Nachlaß gebührt, also die ziffernmäßige Feststellung des Pflichtteiles durch gerichtliche Entscheidung oder Vergleich, nichts Überzeugendes vorzubringen, so daß kein Anlaß besteht, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen.

Was jedoch die Frage der Art der Berechnung des Schätzwertes anlangt, ist die Revision im Ergebnis berechtigt. Die Beklagte rügt, daß die Untergerichte diesen auf Grund einer Mittlung zwischen dem Verkehrswert und dem Ertragswert festgestellt hätten. Dies ist allerdings aktenwidrig. Aus den Entscheidungen der Untergerichte ergibt sich vielmehr, daß diese die Berechnung ausdrücklich nur auf den Verkehrswert abgestellt haben und dies mit ein Grund war, warum das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. M, der als einziger der Sachverständigen auch den Ertragswert berücksichtigte, nicht übernommen wurde. Die Untergerichte sind daher ohnehin nur vom Verkehrswert ausgegangen. Das Erstgericht hat lediglich darauf hingewiesen, d Gutachten der Ortsschätzleute über den Verkehrswert fast genau dem arithmetischen Mittel der von allen drei Gutachtern ermittelten Verkehrswerte entspreche, und sich unter anderem auch aus diesem Grund dem Gutachten der Ortsschätzleute angeschlossen. Die Ablehnung sowohl des höheren, vom Sachverständigen Dipl.-Ing. W angenommenen, als auch des niedrigeren, von Dipl.-Ing. M ermittelten Verkehrswertes, gehört jedoch dem Bereich der unanfechtbaren Beweiswürdigung der Untergerichte an.

Da jedoch eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt, hat der OGH die rechtliche Beurteilung der Streitsache ohne Beschränkung auf die von der Beklagten geltend gemachten Gründe zu überprüfen (Fasching IV, 323; SZ 44/139; SZ 45/91 u. v. a.).

Zur rechtlichen Beurteilung der Streitsache gehört auch die Frage, nach welchen Grundsätzen landwirtschaftliche Betriebe zum Zweck der Bemessung des Pflichtteiles zu schätzen sind. Das Gesetz sagt darüber ausdrücklich nichts (JBl. 1967, 269 = MietSlg. 18 714 u. a., zuletzt 6 Ob 18/76). § 784 ABGB bestimmt nur, daß zur richtigen Ausmessung des Pflichtteiles alle zur Verlassenschaft gehörigen beweglichen und unbeweglichen Sachen genau beschrieben und geschätzt werden müssen. Der weitere Satz, daß nämlich von den Noterben auf eine Feilbietung der Verlassenschaftsstücke zur Ermittlung des wahren Wertes nicht gedrungen werden kann, ließe allerdings den Schluß zu, daß es sich bei dem durch die Schätzung ermittelten wahren Wert um den Verkehrswert handeln könne. Auch den §§ 102, 103 AußStrG ist nicht zu entnehmen, nach welchen Grundsätzen die Schätzung von Liegenschaften zur Pflichtteilsberechnung vorzunehmen ist. § 272 AußStrG, der auf die Bestimmungen der Prozeßordnung und die Vorschriften der Feilbietungsordnung hinweist, wird, wie noch auszuführen ist, von der Rechtsprechung nicht uneingeschränkt auf alle Schätzungen im Außerstreitverfahren angewendet. Es verbleibt daher § 306 ABGB, wonach in allen Fällen, wo nichts anderes entweder bedungen oder von dem Gesetz verordnet wird, bei der Schätzung einer Sache der gemeine Preis zur Richtschnur genommen werden muß. Nach § 305 ABGB fällt der ordentliche und gemeine Preis aus, wenn eine Sache nach dem Nutzen geschätzt wird, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet; nimmt man aber auf die besonderen Verhältnisse und auf die in zufälligen Eigenschaften der Sache gegrundete besondere Vorliebe desjenigen, dem der Wert ersetzt werden muß, Rücksicht, so entsteht ein außerordentlicher Preis. Auch damit ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt, ob bei der Schätzung des gemeinen Wertes einer Liegenschaft zum Zweck der Pflichtteilsberechnung vom Ertragswert oder vom Verkehrswert oder aber von einem Mischwert auszugehen ist.

Lehre und Rechtsprechung sind aber in dieser Frage nicht einheitlich. Klang (in Klang[2] II, 47) verweist darauf, daß es verschiedene Methoden zur Ermittlung des Durchschnittswertes einer Sache gibt, nämlich die Feststellung des Austauschwertes (für den wieder der Ankaufs- oder der Verkaufswert maßgebend sein kann), des Ertragswertes und des Kostenwertes. Die Wahl der Schätzungsmethode sei in der Regel in das Ermessen der Behörde gestellt, welche die Schätzung vorzunehmen hat und nur ausnahmsweise, wie im § 16 RSchO vorgeschrieben. Auch Gschnitzer (Lehrbuch, Allgemeiner Teil, 115 f) meint, daß die Bestimmung nicht eindeutig sei und es verschiedene Berechnungsmethoden gebe. In der Regel sei der Verkaufswert maßgebend. Bei Grundstücken sei dieser unsicher. Landwirtschaftliche Betriebe würden in der Regel nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem niederen Ertragswert bemessen. Ehrenzweig[2] I/2, 24) verweist ebenfalls darauf, daß der gemeine Wert der Verkaufswert, der Ertragswert oder der Kostenwert sein kann, daß der Verkaufswert bei Grundstücken oft eine ganz unsichere Methode sei und der Ertragswert von diesen oft erheblich hinter dem Verkaufswert zurückbleibe, weil Grundstücke begehrt seien und daher oft überzahlt würden. Koziol - Welser (Grundriß[3] II,8) sagen, der gemeine Wert komme vor allem in einem Markt- oder Börsenpreis zum Ausdruck. An anderen Stellen (I, 94 und 297) setzen die Autoren den gemeinen Wert dem Verkehrswert gleich. Weiss (in Klang[2] III, 901) meint, die Schätzung müsse bei Liegenschaften sowohl den Verkaufs- als auch den Ertragswert ermitteln, besonders wenn beide Werte infolge besonderer Verhältnisse weit auseinandergehen (wobei er auf die Entscheidung des RG vom 31. März 1926, LZ 1926, 1132 verweist), ohne daß er ausführt, welcher der Werte der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legen ist. Die einzelnen Vermögensstücke seien nach dem Nutzen zu schätzen, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich leisten, also nach dem ordentlichen und gemeinen Wert. Webhofer (in Klang[2] III, 811) führt aus, daß Bauerngüter nicht wie Waren im Handel durch Kauf und Tausch genutzt werden. Deshalb sei für sie, anders als etwa bei der Belehnung und Versteigerung, im Erbgang und bei der Übergabe der Ertragswert der ordentliche oder gemeine Preis. Rintelen (Verfahren außer Streitsachen, 66) sagt, daß bezüglich der Vornahme der Schätzung, soweit sich dies mit den besonderen Zwecken dieser Schätzung verträgt, die Normen des Exekutionsrechtes, speziell die Realschätzordnung, analog anzuwenden sei. Wrzesinski (Die gerechte Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe anläßlich der Übergabe und im Erbfall, ÖJZ 1954, 83) meint, der Verkehrswert könne bei einer Landwirtschaft überhaupt nicht herangezogen werden, da er von Angebot und Nachfrage abhänge. Aber auch der Ertragswert sei nicht geeignet, weil bei Bewertung der familieneigenen Arbeitskräfte nach den geltenden Lohnsätzen kaum ein Ertrag übrigbleiben würde. Es habe sich daher seit einem Jahrhundert ein allgemein anerkanntes bäuerliches Gewohnheitsrecht herausgebildet, daß die Schätzung so zu erfolgen habe, daß der Übernehmer wohl bestehen könne, daß aber auch die weichenden Kinder einen möglichst gerechten Anteil erhalten. Dieses Gewohnheitsrecht habe sich auch gegen die Realschätzordnung durchgesetzt.

In der Rechtsprechung wird zwar seit langem der Standpunkt vertreten, § 272 AußStrG gelte nicht nur für die freiwillige Schätzung und Feilbietung, sondern für Schätzungen aller Art im Rahmen des Außerstreitverfahrens (SZ 44/51; EvBl. 1966/448 u. a.), doch wird eingeschränkt, daß die danach auch anzuwendende Realschätzordnung im Abhandlungsverfahren nur so weit anzuwenden sei, als ihr nicht besondere Vorschriften des Außerstreitverfahrens im Wege stehen oder ihre Bestimmungen nach Inhalt und Zweck nur für das Exekutionsverfahren von Bedeutung seien (SZ 11/171; NZ 1971, 27; JBl. 1967, 269 = MietSlg. 18 714 u. a.). Damit ist für das vorliegende Problem jedoch nichts gewonnen, weil es hier nicht um die Frage der Schätzung im Rahmen eines Verlassenschaftsverfahrens, sondern um die Methoden der Schätzung im Rahmen einer Pflichtteilsergänzungsklage geht, für welche das Ergebnis der Schätzung im Verlassenschaftsverfahren nicht entscheidend ist, da die dortige Schätzung nur verfahrensrechtliche Bedeutung besitzt (EvBl. 1968/81; NZ 1937, 164 u. a.). Ebensowenig kann hier die Judikatur zur Frage der Enteignungsentschädigung herangezogen werden, weil die dortige Rechtsprechung davon ausgeht, daß der Enteignete durch die Entschädigung in die Lage versetzt werden soll, mit dem Entschädigungsbetrag ein dem enteigneten Objekt gleichwertiges an anderer Stelle zu errichten (EvBl. 1976/49 u. a.). Allerdings wird in vielen Entscheidungen betont, es sei dem Enteigneten nicht bloß der gemeine (§ 306 ABGB), sondern der außerordentliche Wert des besonderen Interesses, also nicht nur der Ertragswert, sondern auch der diesen übersteigende Verkehrswert zu ersetzen (EvBl. 1967/203; ZVR 1958/249; SZ 46/94; ZVR 1956/143 u. a.). Mit Recht verweist jedoch Brunner (Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Entschädigungsenteignung, JBl. 1975, 580, insbesondere 584 unter 9.) darauf, daß diese Wendung mißverständlich sei, da sie den Eindruck erwecke, daß der gemeine Wert mit dem Ertragswert, der außerordentliche Wert des besonderen Interesses mit dem Verkehrswert ident sei, was jedoch nicht zutreffe; denn sowohl der Ertragswert als auch der Verkehrswert seien Spielarten des

gemeinen Preises. In der Entscheidung NZ 1969, 39 = MietSlg. 20 737

= EFSlg. 10 064, wo es sich um eine Eigentumswohnung handelte, wird

unter "gemeiner Preis" der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung voraussichtlich erzielbare Preis verstanden. Die Entscheidung NZ 1969, 40 wiederum sagt, daß bei landwirtschaftlichen Grundstücken der gemeine Wert dem Ertragswert entspreche. In SZ 4/148 wird ausgesprochen, daß die Schätzleute (bei einer Schätzung im Abhandlungsverfahren) sowohl den Verkaufswert als auch den Ertragswert der unbeweglichen Sachen zu ermitteln hätten.

Der OGH kommt bei abermaliger Prüfung des Problems zu der Ansicht, daß in Ermangelung einer ausdrücklichen Bestimmung über die Schätzung zum Zweck der Pflichtteilsberechnung gemäß § 306 ABGB der gemeine Preis zur Richtschnur dienen muß. Bei der Auslegung, was im Einzelfall unter dem gemeinen Preis zu verstehen ist, muß zunächst vom Wortlaut des § 305 ABGB ausgegangen werden. Danach versteht man unter gemeinen Preis den Nutzen, den eine Sache mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet. Schon Klang (in Klang[2] II, 47) betont nun im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob als Austauschwert im Einzelfall der Ankaufs- oder der Verkaufswert maßgebend ist, daß dies vom rechtlichen Zweck abhängt, für den die Feststellung erfolgt. Zum gleichen Ergebnis gelangen Ehrenzweig [2] I/2, 27 und die Entscheidung des VwGH vom 5. Oktober 1965, SlgNF 3334 F. Dieser Grundsatz kann aber ganz allgemein als weil Richtschnur für die im Einzelfall anzuwendende Berechnungsmethode zur Bestimmung des gemeinen Wertes herangezogen werden. Es kommt also bei der Wahl der Berechnungsmethode des gemeinen Wertes (Verkehrswert, Ertragswert, Kostenwert oder ein Mischwert) vornehmlich auf den Zweck an, für den die Feststellung erfolgt.

Durch das Pflichtteilsrecht soll nun dem Pflichtteilsberechtigten ein Mindestanteil am Wert des Nachlasses gesichert werden (Koziol - Welser, Grundriß[3] II, 252). Es kommt somit für die Pflichtteilsberechnung darauf an, welchen Wert der Gegenstand ganz allgemein für seinen Eigentümer besitzt. Bei der Berechnung des Wertes jedes Teiles des Nachlasses ist daher zu berücksichtigen, ob sein Wert für jeden Eigentümer vorzüglich in dem Ertrag, den die Sache abwirft, und dem sonstigen Nutzen, der aus ihr gezogen werden kann, oder aber darin besteht, daß er den Gegenstand veräußern kann. Der Noterbe darf dabei, auch wenn es sich bei seiner Forderung um einen Geldanspruch handelt, nicht bessergestellt werden, als wenn ihm der Erblasser den Pflichtteil in Sachwerten überlassen hätte, aber auch nicht besser, als der (hier zur Bewirtschaftung bestimmte) Erbe. Liegt daher nach der Verkehrsauffassung der Wert einer Sache vor allem in ihrem Ertrag oder sonstigem Nutzen, dann wird vom Ertragswert, andernfalls aber vom Verkehrswert auszugehen sein (ähnlich bereits JBl. 1928, 151, wo zur Frage der Schätzung von Schmuck gesagt wurde, daß der Nutzen, den eine Sache einbringt, die keinen Ertrag abwirft, in erster Linie in der Möglichkeit gelegen sei, sie zu veräußern). Auch im ersteren Fall wird aber auf den Verkehrswert angemessen Rücksicht zu nehmen sein, wenn Ertragswert und Verkehrswert in einer Zeit großer Nachfrage nach Liegenschaften erheblich auseinanderfallen, da in einem solchen Fall der Nutzen nicht ausschließlich im Ertrag, sondern auch in die Möglichkeit der gänzlichen oder teilweisen Veräußerung der Sache besteht.

Wendet man diese Grundsätze auf die Ermittlung des Wertes von bäuerlichen Landwirtschaften an, so kann gesagt werden, daß der Nutzen, den ein derartiger Betrieb allgemein leistet (§ 305 ABGB), in erster Linie aus seinem Ertrag besteht. Auch werden Bauerngüter im allgemeinen nicht wie Waren im Handel durch Kauf oder Tausch genutzt Webhofer 811). In erster Linie ist daher vom Ertragswert auszugehen. Es kann allerdings nicht übersehen werden, daß in Zeiten einer starken Nachfrage nach Grundstücken der Ertragswert und der Verkehrswert erheblich voneinander abweichen können. Das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. M würde dafür sprechen, daß auch im vorliegenden Fall Verkehrswert und Ertragswert erhebliche Unterschiede aufweisen.

In einem solchen Fall müßte aber auch der Verkehrswert angemessen berücksichtigt werden, und zwar um so stärker, je größer der Verkehr mit derartigen Liegenschaften im Zeitpunkt des Todes des Erblassers tatsächlich war.

Hingegen kann sich der OGH der Ansicht Wrzesinskis, die Schätzung habe in jedem Falle so zu erfolgen, daß der Übernehmer wohl bestehen könne, nicht ohne Einschränkung anschließen. Es ist allgemeines bäuerliches Gewohnheitsrecht, daß der Bauernhof nicht zerstückelt und ungeschmälert auf einen würdigen Nachfolger übergehen soll. Um das allgemeine Interesse an der Erhaltung eines gesunden Bauernstandes zu wahren, wurde insbesondere das Tiroler Höfegesetz geschaffen, welches in § 19 Abs. 1 anordnet, daß das Gericht den Wert eines diesem Gesetz unterliegenden Hofes nach billigem

Ermessen so zu bestimmen hat, daß der Übernehmer wohl bestehen kann. Dieser Betrag ist gemäß § 25 Abs. 3 Tiroler HöfeG auch der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legen. Gleichartige Bestimmungen finden sich auch in §§ 9 Abs. 2, 14 Abs. 2 Krnt. ErbhöfeG und in §§ 11 und 17 AnerbenG. Der Grundsatz des "Wohlbestehenkönnens" des Übernehmers gilt aber darüber hinaus in allen ähnlich gelagerten Fällen als von der Rechtsprechung stets anerkanntes und daher anzuwendendes Gewohnheitsrecht (SZ 26/64; SZ 38/47; EvBl. 1964/426; EvBl. 1972/1; SZ 45/89 u. a.). Es ist daher zwar in jenen Fällen, welche der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Anerbenrechtes ähnlich sind - wie etwa im vorliegenden Fall, in dem der Hof alle Voraussetzungen im Sinn des Tiroler HöfeG aufgewiesen hat, das Gesetz aber nicht anzuwenden ist, weil der Hof zu Lebzeiten des Erblassers nicht in die Höferolle eingetragen worden war -, auf die Grundsätze des Wohlbestehenkönnens angemessen Rücksicht zu nehmen. Uneingeschränkt kann diesen Grundsatz aber nicht zur Anwendung gelangen, da sonst überhaupt kein Unterschied zur Berechnung nach dem Tiroler HöfeG bestunde (§§ 19 Abs. 1, 25 Abs. 3) und auch nicht übersehen werden darf, daß in des Verweisung der übrigen gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil in einem Fall, der nicht nach Anerbenrecht zu beurteilen ist, in einem gewissen Maß schon durch den Erblasser dem Gedanken Rechnung getragen wird, daß der Übernehmer nicht zu sehr belastet werden soll.

Die Untergerichte sind nun im vorliegenden Fall ausschließlich Verkehrswert der Landwirtschaft ausgegangen. Von den drei Sachverständigen-Gutachten beschäftigt sich auch nur eines mit dem Ertragswert. Damit erweist sich jedoch das bisherige Verfahren, aus einer unrichtigen Rechtsansicht über die Berechnungsmethode heraus, als mangelhaft. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht nach Ergänzung aller Sachverständigen-Gutachten sowohl den Ertragswert als auch den Verkehrswert der Landwirtschaft sowie weiters festzustellen haben, in welchem Ausmaß im Zeitpunkt des Todes des Erblassers derartige Liegenschaften tatsächlich gehandelt wurden. Dabei sind auch gesetzliche Beschränkungen des Verkehrs mit derartigen Gütern und die dadurch eingeschränkte Möglichkeit des Verkaufes an Nichtlandwirte und ihre Auswirkungen auf die erzielbaren Preise entsprechend zu berücksichtigen. Erst danach kann beurteilt werden, ob und in welchem Umfang wegen einer allfälligen großen Wertdifferenz bei der Berechnung des Wertes der Landwirtschaft neben dem Ertragswert auch der Verkehrswert berücksichtigt werden muß. Schließlich muß aber auch darauf Rücksicht genommen werden, daß dem Übernehmer durch die Belastung mit den Pflichtteilsforderungen nicht jede Möglichkeit genommen werden darf, die Wirtschaft weiter zu führen. Insofern ist auch hier der Grundsatz des "Wohlbestehenkönnens" zu berücksichtigen.

Die Rechtssache war daher zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Anmerkung

Z49118

Schlagworte

Bäuerliche Landwirtschaften sind für die Pflichtteilsberechnung in, erster Linie nach dem Ertragswert zu schätzen, Pflichtteilsberechnung, Wahl der Berechnungsmethode bei bäuerlichen, Landwirtschaften, Pflichtteilsbeträge, Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist nach, § 1487 ABGB und der Verjährung der Ansprüche nach § 786 ABGB, Verjährung der Ansprüche nach § 786 ABGB kann vor der der Zuteilung des, Pflichtteils nicht zu laufen beginnen, Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB beginnt nur für jene, Pflichtteilsbeträge, die sich aus dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt, des Erblassers ergeben, ob der Testamentskundmachung zu laufen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0060OB00012.76.1014.000

Dokumentnummer

JJT_19761014_OGH0002_0060OB00012_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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