TE OGH 1976/12/2 6Ob634/76

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Veröffentlicht am 02.12.1976
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Norm

ABGB §810
ABGB §812
ZPO §4

Kopf

SZ 49/149

Spruch

Einem Miterben steht das Recht auf Nachlaßabsonderung dann zu, wenn er zugleich die Stellung eines Nachlaßgläubigers hat

Die Absonderung des Nachlasses kann nicht nur für die - noch zu Lebzeiten des Erblassers begrundeten - "Erblasserschulden", sondern auch für die mit dem Erbfall entstehenden "Erbfallsschulden" (wie Pflichtteilsschulden, Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Begräbniskosten, Unterhaltsschulden u. dgl.) bewilligt werden

Zur Vertretung der Verlassenschaft in einem Prozeß gegen einen Miterben sind die übrigen Erben - sofern ihr Erbrecht unbestritten ist - berufen und nicht etwa ein zu bestellender Verlassenschaftskurator

OGH 2. Dezember 1976, 6 Ob 634/76 (LGZ Wien 44 R 74/76; BG Innere Stadt Wien 5 A 284/73)

Text

Wilhelmine K ist am 28. März 1973 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung gestorben. Der erbl. Witwer Karl K ist auf Grund des Gesetzes zu 1/4, der mj. eheliche Sohn Karl K, geb. 8. Oktober 1961, und der außereheliche Sohn Herbert M sind auf Grund des Gesetzes zu je 3/8 zur Erbschaft berufen. Die Genannten gaben zuletzt in diesem Ausmaß auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen zum Nachlaß ab. Die ursprünglich vom mj. Karl K zu 3/4 des Nachlasses abgegebene Erbserklärung wurde in der Folge auf 3/8 eingeschränkt.

Die Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen und das Erbrecht für ausgewiesen erachtet. Für den mj. Karl K wurde ein Kollisionskurator bestellt. Eine Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 810 ABGB, § 145 AußStrG wurde weder beantragt, noch ist sie bisher erfolgt.

Mit Schriftsatz ON 52 beantragte der erbl. Witwer Karl K die Separation des Nachlasses und die Bestellung eines Separationskurators, allenfalls eines Verlassenschaftskurators. Er brachte vor, daß ihm gegen die Verlassenschaft Forderungen von 180 000 S und 240 000 S zustunden. Im Falle der Einantwortung des Nachlasses bestehe die Gefahr, daß Herbert M die Liegenschaftsanteile um den dem Abhandlungsverfahren zugrunde liegenden Wert anteilsmäßig übernehme. Es seien Bauaufträge in enormer Höhe ebenso wie die wertgesicherte Leibrente aktenkundig. Die Bestreitung dieser laufenden Forderungen übersteige beträchtlich die wirtschaftliche Kapazität des Herbert M, der ein mittelmäßiges Angestelltengehalt beziehe. Es entstehe daher eine unmittelbare Gefahr für die Forderungen des Antragstellers. Da der Antragsteller seine Forderungen gegen die Verlassenschaft einzuklagen beabsichtige, wolle der Separationskurator gleichzeitig zum Verlassenschaftskurator zwecks Vertretung der Verlassenschaft im Prozeß bestellt werden.

Der erbserklärte Erbe Herbert M sprach sich gegen den Antrag aus.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß dem Erben das Recht, die Absonderung der Verlassenschaft nach § 812 ABGB zu verlangen, nicht zustehe, auch wenn er zugleich Noterbe, Gläubiger oder Legatar sei. Daher seien auch die Anträge auf Bestellung eines Separations- bzw. Verlassenschaftskurators abzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Karl K Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, daß auch dem Miterben das Absonderungsrecht nach § 812 ABGB dann zustehe, wenn er zugleich Gläubiger des Nachlasses sei. § 812 ABGB nehme keine Einschränkung des dort genannten Personenkreises vor. Aus dem Zweck der Regelung könne gleichfalls nicht abgeleitet werden, daß dem Gläubiger, der zugleich Erbe ist, ein solches Recht nicht zustehe. Würde ein solcher Gläubiger auf die dem Erben zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmittel verwiesen, wie dies die überwiegende Judikatur (NZ 1930, 138; SZ 7/355; SZ 37/52; EFSlg. 4588, 6722, 8349, 13 605, 22 509) tue, so werde der Erbe gegenüber anderen Gläubigern des Nachlasses zumindest für die Zeit nach der Einantwortung schlechter gestellt, da er nur Sicherstellung durch einstweilige Verfügung erlangen könne, hier aber gemäß § 379 Abs. 4 EO zur Sicherung von Geldforderungen ein Veräußerungs- und Belastungsverbot auf Liegenschaften unzulässig sei. Auch ergebe sich aus § 1445 ABGB, daß der Gesetzgeber den Gläubiger, der auch Erbe ist, als antragsberechtigt im Sinn des § 812 ABGB ansehe. Die Sache sei jedoch noch nicht spruchreif, weil zwar eine subjektive Gefährdung anzunehmen sei, die Absonderung jedoch nur für Forderungen begehrt werden könne, die bis zum Tod des Erblassers entstanden seien. Bezüglich dieser Forderungen habe der Absonderungswerber jedoch nur bescheinigt, daß solche Ausgaben gemacht wurden, nicht aber, daß er sie getätigt habe. Diesbezüglich müsse das Erstgericht den Absonderungswerber auffordern, Bescheinigungsmittel vorzulegen oder anzubieten.

Was den Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators anlange, so sei ein solcher zur Vertretung der Verlassenschaft in dem vom Rekurswerber angestrebten Prozeß zwar nicht erforderlich, weil bei einer Klage des erbl. Witwers als Gläubiger des Nachlasses gegen den Nachlaß dieser durch die übrigen Miterben vertreten werde. Es komme aber die Bestellung eines Verlassenschaftskurators analog § 78 AußStrG in Frage. Den Erben sei nämlich die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses trotz ausgewiesenen Erbrechts noch nicht überlassen worden. Einer solchen Überlassung widerstreite auch der Antrag auf Nachlaßseparation. Es bestehe daher derzeit ein Hindernis für die Übertragung der Nachlaßverwaltung an die Erben. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators sei daher dann zulässig, wenn sich die Notwendigkeit dringender Verwaltungs- und Vertretungshandlungen ergebe. Ob solche etwa im Hinblick auf die schon im Hinblick auf die schon im seinerzeitigen Antrag behaupteten Bauaufträge oder aus sonstigen Gründen notwendig seien, müsse daher vom Erstgericht geprüft werden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der erbserklärten Erben Karl K und Herbert M keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

I. Zum Revisionsrekurs des Herbert M:

Der Revisionsrekurswerber meint zunächst, die Absonderung des Nachlasses sei schon deshalb nicht zu bewilligen, weil Karl K bereits in seiner Eingabe vom 14. November 1973 Forderungen gegen den Nachlaß im Betrag von 50 000 S bzw. 150 000 S behauptet, den Absonderungsantrag aber erst am 17. Dezember 1975 knapp vor Beendigung des Abhandlungsverfahrens gestellt habe. Er habe daher die Durchsetzung seiner angeblichen Ansprüche nicht betrieben, weshalb die Absonderung überhaupt nicht zu bewilligen gewesen wäre.

Es ist richtig, daß derjenige, dem die Absonderung des Nachlasses bewilligt wurde, die Pflicht hat, sich um die Durchsetzung seiner Ansprüche zu bemühen, widrigenfalls die Absonderung aufgehoben wird. (Weiss in Klang[2] III, 1025; SZ 6/97; NZ 1965, 11; EvBl. 1967/266 u. a.). Diese Pflicht zur Betriebsamkeit beruht auf der Überlegung, daß die mit der Absonderung verbundenen Erschwernisse nicht länger als erforderlich dauern sollen (Weiss, 1025; 4 Ob 583/75). Dieses Argument kann jedoch für den Zeitraum nicht gelten, in welchem (noch) keine Absonderung bewilligt wurde. Aus der Pflicht des Absonderungsberechtigten zur Betriebsamkeit ergibt sich daher keineswegs die Verpflichtung, den Absonderungsantrag unverzüglich zu stellen. Vielmehr ist ein solcher Antrag grundsätzlich so lange zulässig, als die Abhandlung im Gange ist (Weiss, 1019).

Im Revisionsrekurs wird weiters darauf hingewiesen, daß der Nachlaß laut Inventar nur mit 37 354.78 S aktiv ist, weshalb eine Überschuldung schon dann vorliege, wenn nur die Forderung des Karl K aus dem angeblichen Privatdarlehen in der Höhe von 50 000 S gerechtfertigt sei. Zufolge der bedingten Erbserklärung hafte der Revisionsrekurswerber maximal mit 14 007 S, welcher Betrag auch mit einem mittelmäßigen Einkommen gezahlt werden könne. Eine Gefahr für die Forderung des Karl K bestehe daher nicht.

Auch dem kann nicht beigepflichtet werden. Abgesehen davon, daß derzeit nach dem Inventar eine Überschuldung nicht gegeben und die Bewertung im Rahmen des Inventars für die endgültige Haftung des erbserklärten Erben nicht bindend ist (Weiss, 983; SZ 14/245; NZ 1969, 42 u. a.), kann auch bei einem überschuldeten Nachlaß unter Umständen eine Separation bewilligt werden. Sie ist nur dann nicht zu bewilligen, wenn feststeht, daß ihr Zweck überhaupt nicht erreicht werden kann (Weiss, 1018; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 110; JBl. 1957, 71; ähnlich, wenn auch abschwächend SZ 38/205). Im vorliegenden Fall besteht nun nach dem Inventar derzeit keine Überschuldung, und es wurde auch keine Schätzung der Liegenschaft vorgenommen, sondern deren Wert auf Grund des seinerzeitigen Kaufpreises vom Jahr 1970 auch für den Todestag des Erblassers (28. März 1973) in das Inventar aufgenommen. Der Revisionsrekurswerber hat sich, wenngleich er damit einverstanden war, daß keine Schätzung vorgenommen wird, auch selbst entschieden gegen die Ansicht gewendet, daß der Wert der Liegenschaftshälfte mit dem halben seinerzeitigen Kaufpreis ident sei. Eine andere Bewertung der Liegenschaftshälfte im Prozeß ist daher durchaus möglich. Außerdem ist für den Umfang der Haftung des bedingt erbserklärten Erben der Wert des Nachlasses zur Zeit der Einantwortung (und nicht zur Zeit des Todes des Erblassers) maßgebend (Weiss, 983; SZ 14/245 u. a.), und es sind seit dem Liegenschaftskauf bereits sechs Jahre verstrichen. Die im Revisionsrekurs errechnete nominell geringfügige Haftung des Miterben Herbert M steht daher im konkreten Fall einer Nachlaßseparation nicht entgegen. Daß sich die Absonderung aber auf den ganzen Nachlaß beziehen soll, ergibt sich entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses daraus, daß im Antrag keine Einschränkung gemacht wird. Daß die Gefährdung nur bezüglich des dem Revisionsrekurswerber zufallenden Liegenschaftsanteiles behauptet wurde, steht dieser Annahme nicht entgegen.

Aber auch die Ansicht des Rekursgerichtes, daß einem Miterben dann das Recht auf Separation des Nachlasses zustehe, wenn er auch die Stellung eines Nachlaßgläubigers hat, ist zutreffend. Mit Recht verweist das Rekursgericht darauf, daß aus § 812 ABGB nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist und sich aus § 1445 ABGB darüber hinaus sogar ausdrücklich ergibt, daß der Gesetzgeber den Erben, der gleichzeitig Verlassenschaftsgläubiger ist, als separationsberechtigt angesehen hat. Von den gegenteiligen Entscheidungen betreffen SZ 7/355, GlU 6097 und ZBl. 1923/234 Fälle, in denen ein Erbe in seiner Eigenschaft als Miterbe und nicht auch als Gläubiger die Separation beantragt hatte. Die Entscheidungen SZ 37/52 und NZ 1930, 138 setzen sich jedoch weder mit der Bestimmung des § 1445 ABGB noch mit der gegenteiligen Lehre auseinander. Bei den übrigen vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen handelt es sich um solche der zweiten Instanz. Die jüngste Rechtsprechung (5 Ob 182, 183/74) ist hievon auch - allerdings ohne nähere Begründung - abgerückt und zur früheren Rechtsprechung (SZ 5/287) zurückgekehrt. Der OGH vertritt bei einer neuerlichen Prüfung dieses Problems die Ansicht, daß auch dem Gläubiger, der gleichzeitig Miterbe ist, ein Absonderungsrecht zusteht. Dafür sprechen nicht nur die §§ 812, 1445 ABGB, sondern die Erwägung, daß andernfalls ein Miterbe als Gläubiger schlechter gestellt wäre als andere Gläubiger, da die sonstigen, dem Erben zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht über die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens hinausreichen. Auch die Lehre räumt dem Miterben, der zugleich Gläubiger ist, überwiegend dieses Recht ausdrücklich ein (Koziol - Welser, Grundriß[3] I, 207 (jetzt auch 4. Aufl., I, 224) und II, 266; Weiss, 1021; Schell in Klang[1] II/1, 803). Ablehnend ist lediglich Knell, 108, während Ehrenzweig[2] II/2, 532 bei den Erbschaftsgläubigern keine Einschränkung macht, bei den Vermächtnisnehmern aber ausführt, daß zwar Miterben als solche ausgeschlossen seien, wohl aber als Vorausvermächtnisnehmer dieses Recht hätten, und Gschnitzer, Lehrbuch Erbrecht, 63, ohne zu diesem Problem ausdrücklich Stellung zu nehmen, die Verlassenschaftsgläubiger ohne Einschränkung als antragsberechtigt bezeichnet.

Der Revisionsrekurs wendet sich schließlich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, es sei zu prüfen, ob dringende Verwaltungs- oder Vertretungshandlungen die Bestellung eines Verlassenschaftskurators notwendig machten. Auch dagegen bestehen keine Bedenken. Es ist zwar richtig, daß Karl K seinen Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators ursprünglich allein darauf gestützt hatte, daß dieser die Verlassenschaft in dem von ihm gegen sie anzustrengenden Prozeß vertreten solle. Diesbezüglich war der Antrag - wie schon das Rekursgericht erkannt hat - nicht gerechtfertigt, denn zur Vertretung der Verlassenschaft im Prozeß gegen einen Miterben sind die übrigen Erben und nicht etwa ein zu bestellender Verlassenschaftskurator berufen (Fasching II, 143; Weiss, 163; Ehrenzweig[2]II/2, 500; SZ 26/230 u. a.). Der in SZ 24/161 und nachfolgenden Entscheidungen vertretenen Rechtsansicht, ein Nachlaßkurator sei auch zu bestellen, wenn das Verlassenschaftsgericht es aus welchem Grund immer unterlassen habe, den Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu übertragen, und der Nachlaß geklagt wird, kann in dieser allgemeinen Form nicht beigepflichtet werden. Es ist richtig, daß bei einander widersprechenden Erbserklärungen keinem der erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen werden kann und in diesen Fällen (so auch im Fall der Entscheidung SZ 24/161) ein Verlassenschaftskurator zur Vertretung des Nachlasses im Prozeß bestellt werden muß, da in solchen Fällen ja noch gar nicht feststeht, wer letzten Endes berechtigt ist, den Nachlaß zu vertreten.

Anders ist es aber, wenn gar nicht strittig ist, daß den erbserklärten Erben das Erbrecht zukommt. In einem solchen Fall sind sie auch ohne formellen Beschluß, womit ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen wird, zu seiner Vertretung im Prozeß berufen. § 811 ABGB sagt auch nur, daß die Gläubiger nicht schuldig sind, eine Erbserklärung abzuwarten. Ist also das Erbrecht der übrigen Miterben unbestritten, so haben sie die Verlassenschaft im Prozeß gegen den Gläubiger, der zugleich Erbe ist, zu vertreten.

Im vorliegenden Fall hat aber Karl K nach Zustellung des seinen Antrag abweisenden Beschlusses erster Instanz eine "Ergänzung des Antrages auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators" eingebracht, worin er darauf verweist, daß die Bestellung eines Verlassenschaftskurators auch deshalb erforderlich sei, weil Bauaufträge im Ausmaß von 700 000 S durchgeführt werden müßten, um Zwangsmaßnahmen der Behörde zu vermeiden. In seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß verwies Karl K zunächst ausdrücklich auf diesen "neuerlichen oder weiteren Antrag auf Bestellung eines Verlassenschaftskurators", zitierte allerdings das Datum der Eingabe unrichtig mit 25. Feber 1976, obgleich der Schriftsatz am 17. Feber 1976 verfaßt und am 24. Feber 1976 bei Gericht überreicht worden war. Auch in den Rechtsausführungen berief er sich auf diese Eingabe, wenngleich er darin lediglich den Standpunkt vertrat, ein Verlassenschaftskurator sei zur Vertretung im anzustrengenden Prozeß notwendig. In einer weiteren, dem Rekursgericht noch vor seiner Entscheidung vorgelegten Eingabe führte er aus, ein Verlassenschaftskurator sei zu bestellen, da Herbert M die Erfüllung des Bauauftrages strikt abgelehnt habe.

Unter diesen Umständen hat das Rekursgericht mit Recht die Ansicht vertreten, daß die Frage, ob dringende Verwaltungshandlungen die Bestellung eines Verlassenschaftskurators erforderlich machen, geprüft werden müsse. Wohl ist im vorliegenden Fall das Erbrecht aller drei erbserklärten Erben unbestritten. Auch ist im Zweifel anzunehmen, daß dann, wenn das Gericht die Erbserklärung annimmt und erklärt, daß es den Erbrechtsausweis für erbracht ansieht, damit dem Erben auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen wurde (MietSlg. 6917; 3 Ob 542/76, 1 Ob 276/68 u. a.). Dieser Regelfall ist aber dann nicht anzunehmen, wenn einerseits keine diesbezüglichen Anträge der Miterben vorliegen, anderseits aber zwischen ihnen über das weitere Vorgehen im Verlassenschaftsverfahren sowie über Maßnahmen der Verwaltung des Nachlasses Streit herrscht. Die Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an Erben ist nämlich nur dann möglich, wenn entweder tatsächlich nur ein einziger Erbe vorhanden ist oder bei Vorhandensein mehrerer Miterben deren Gesamtheit verlangt, daß ihr als Gesamtheit oder einem der Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen werden soll. Herrscht aber zwischen den Miterben Streit, so ist das Verlassenschaftsgericht jederzeit berufen, das zur Nachlaßverwaltung Erforderliche Amts wegen vorzukehren. Können sich die Miterben über dir Nachlaßverwaltung nicht einigen, so hat das Gericht einen Nachlaßverwalter zu bestellen (NZ 1974, 25). Das Rekursgericht hat daher mit Recht die Bestellung eines Verlassenschaftskurators in Erwägung gezogen, zumal sich der Miterbe Herbert M bereits seinerzeit gegen jegliches Bauansuchen ausgesprochen hat, über diese Frage daher Streit zwischen den Miterben besteht.

II. Zum Revisionsrekurs des Karl K.

Der Revisionsrekurswerber Karl K wendet sich ausschließlich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, die Nachlaßseparation komme im vorliegenden Fall nur für solche Forderungen in Frage, die vor dem Ableben des Erblassers entstanden sind. Dagegen bestehen grundsätzlich keine Bedenken, doch ist die Nachlaßseparation unter gewissen Voraussetzungen auch für Forderungen zulässig, die Karl K erst nach dem Ableben der Erblasserin bezahlt hat.

Die Zulassung der Absonderung des Nachlasses beruht auf dem Gedanken, daß der Nachlaß zunächst den Nachlaßgläubigern haftet und daß sie sich gegen eine Verschlechterung der ihnen in Aussicht stehenden Befriedigungsmöglichkeit durch den Erbfall schützen müssen (Weiss, 1018). Diese Gefahren werden für den Gläubiger durch den Tod des Schuldners ausgelöst. Werden dagegen erst durch Handlungen des Gläubigers nach dem Tod des Erblassers Forderungen gegen den Nachlaß neu begrundet, so fällt der Grund für einen besonderen Schutz des Gläubigers weg, denn dem Gläubiger waren in diesem Fall die Gefahren bekannt, und es besteht daher kein Anlaß, ihn über das sonst von der Rechtsordnung eingeräumte Maß hinaus durch den besonderen Rechtsbehelf der Absonderung zu sichern (Knell, 108; JBl. 1956, 471). Die Absonderung kann daher für die sogenannten Erblasserschulden, das sind die noch zu Lebzeiten des Erblassers begrundeten Schulden, und für die Erbfallsschulden, das sind die mit dem Erbfall entstandenen Schulden wie Pflichtteilsschulden, Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Begräbniskosten, allfällige Unterhaltsschulden (Ehrenzweig, 532; Koziol - Welser, 263, 264), begehrt werden. Für Schulden, die weder zu Lebzeiten des Erblassers begrundet wurden noch durch seinen Tod entstanden sind, ist dagegen eine Absonderung nicht möglich.

Die von Karl K für die Zeit nach dem Tode der Erblasserin geltend gemachten Forderungen betreffen nun einerseits Aufwendungen für den Nachlaß im Rahmen der Verwaltung des Hausanteiles, anderseits die Bezahlung der Leibrentenforderungen der früheren Hauseigentümerin. Was die Aufwendungen für die Verwaltung des Hauses in der Zeit nach dem Tode der Erblasserin anlangt, so handelt es sich hiebei um Schulden, die weder zu Lebzeiten der Erblasserin begrundet wurden noch durch den Tod entstanden sind, so daß für diese von Karl K angeblich geleisteten Zahlungen die Absonderung des Nachlasses nicht begehrt werden kann. Anders sind allerdings die Zahlungen an die aus dem Leibrentenvertrag Berechtigten zu beurteilen. Diese Zahlungen haben ihre Grundlage in einem noch zu Lebzeiten der Erblasserin abgeschlossenen Vertrag. Wenn auch die Fälligkeit der einzelnen Forderungsbeträge erst nach dem Tode der Erblasserin eingetreten ist, hat dies doch keinen Einfluß auf das Recht der Empfängerin der Leibrente, ihrerseits zur Sicherung der künftig fällig werdenden Forderungen gemäß § 812 ABGB die Absonderung des Nachlasses zu verlangen. Denn eine solche Absonderung ist auch für bedingte oder betagte Forderungen zulässig (Weiß, 1019; Ehrenzweig 532; SZ 18/183).

Zahlt nun ein Erbe eine solche Nachlaßschuld, so ist er jedenfalls gemäß § 1422 ABGB wie jeder andere berechtigt, vor oder bei Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte (gegen den Nachlaß) zu verlangen (Weiß, 133). Die Erklärung, die Forderung einlösen zu wollen, kann dabei auch stillschweigend durch konkludente Handlungen erfolgen, wenn dies der Verkehrssitte entspricht (Gschnitzer in Klang[2] VI, 398; Ehrenzweig[2] II/1, 316; EvBl. 1953/268; EvBl. 1956/248; JBl. 1969, 149 u. a.). Ob ein solcher Fall vorliegt, wurde allerdings bisher nicht geprüft. Einer Prüfung in dieser Richtung bedarf es jedoch ebensowenig wie der Erörterung der Frage, ob ein Miterbe, der eine Nachlaßschuld bezahlt, deshalb bereits unter allen Umständen gemäß § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers eintritt, weil er zur Wahrung seiner eigenen Interessen berechtigt ist, Nachlaßschulden zu bezahlen, für die zwar derzeit noch nicht er, sondern die Verlassenschaft haftet (Weiß, 975; Koziol - Welser, Grundriß[3] II, 264), durch deren Bezahlung er sich selbst jedoch von einer ihn künftig treffenden persönlichen Haftung befreit (vgl. dazu Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 229; Ehrenzweig[2] II/1, 316).

Im vorliegenden Fall ergibt sich nämlich aus dem zu ON 51 erliegenden Grundbuchsauszug, daß Karl K ebenso wie die Erblasserin Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ X ist und auf der ganzen Liegenschaft das Pfandrecht für die monatliche Leibrentenforderung von 6000 S samt 8% Verzugszinsen und einer Nebengebührensicherstellung von 25 000 S einverleibt ist. Karl K haftet daher für die gesamte Leibrentenforderung und somit auch für die im Innenverhältnis die Verlassenschaft treffende Hälfte dieser Forderung mit dem ihm bereits gehörigen Hälfteanteil der Liegenschaft. Wenn er nun ungeachtet seiner allfälligen Haftung als bedingt erbserklärter Erbe eine Schuld bezahlt haben sollte, für die er mit bestimmten Vermögensstücken haftete, wäre er gemäß § 1358 ABGB in die Rechte der Leibrentenberechtigten eingetreten. Er könnte daher auch für solche auf ihn übergegangene Forderungen der Leibrentenberechtigten gegen die Verlassenschaft das Recht auf Absonderung des Nachlasses in Anspruch nehmen. Gleiches gilt für Zahlungen des Karl K an die A- Bank, soweit es sich um Forderungen handelt, die auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellt sind.

Da jedoch die tatsächliche Zahlung dieser Forderungen durch Karl K noch nicht bescheinigt ist, erweist sich der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes auch diesbezüglich als gerechtfertigt, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

Z49149

Schlagworte

Miterbe, Nachlaßabsonderung, Miterbe, Vertretung der Verlassenschaft in einem Prozeß gegen einen, Miterben, Nachlaßabsonderung, Miterbe, Verlassenschaft, Vertretung der - in einem Prozeß gegen einen Miterben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1976:0060OB00634.76.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19761202_OGH0002_0060OB00634_7600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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