TE OGH 1977/2/16 1Ob4/77

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Veröffentlicht am 16.02.1977
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Norm

ABGB §354
ABGB §870
ABGB §871
ABGB §1295
Amtshaftungsgesetz §1
Amtshaftungsgesetz §2 Abs2
Amtshaftungsgesetz §6
Wiener Bauordnung §13 Abs8
Wiener Bauordnung §128 Abs1
Wiener Bauordnung §129 Abs2
Wiener Bauordnung §130

Kopf

SZ 50/24

Spruch

Den Rechtsträger, der für die Verletzung von Vorschriften der Bauordnung einzustehen hat, trifft keine Haftungsverpflichtung nach dem Amtshaftungsgesetz dem Käufer eines Hauses gegenüber, dem der Verkäufer listig verschwiegen hat, daß für das Haus keine Benützungsbewilligung vorliegt

OGH 16. Feber 1977, 1 Ob 4/77 (OLG Wien 7 R 212/76; LGZ Wien 40 Cg 506/76)

Text

Mit Kaufvertrag vom 7. August 1970 erwarben die Kläger von Josef und Anna M die diesen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft EZ 1231 KG A mit dem Haus W, G-Gasse 1, zum Preis von 650 000 S. Laut Mitteilung der Magistratsabteilung 37/XIII der beklagten Partei, der Stadt W, war mit 24. Juni 1970 im Grundbuch angemerkt worden, daß auf dem Grundstück 2550 Garten der EZ 1231 KG A das Haus G-Gasse 1 erbaut worden war. Am 24. August 1971 wurde das Eigentumsrecht an der Liegenschaft für die Erst- und Zweitkläger zu je einem Viertel und die Drittklägerin zur Hälfte einverleibt. Zu 39 c Cg 118/72 des Landesgerichtes für ZRS Wien ist gegen Josef und Anna M ein Rechtsstreit anhängig, mit dem die Kläger den Kaufvertrag vom 7. August 1970 wegen Irreführung (Verschweigung der fehlenden Benützungsbewilligung für das Haus) anfechten und zu Punkt 2 folgendes Klagebegehren stellen: "Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien eine den Bestimmungen der Wiener Bauordnung entsprechende in gleicher Lage in W 13 gelegene Liegenschaft wie die EZ 1231 KG A mit Haus zur Verfügung zu stellen. Die beklagten Parteien sind schuldig, Zug um Zug gegen Abgabe der grundbuchsfähigen Erklärungen den klagenden Parteien in Ansehung der Liegenschaft EZ 1231 KG A die grundbuchsfähigen Erklärungen hinsichtlich der Ersatzliegenschaft abzugeben.

Die Kläger behaupten, Josef und Anna M hätten ihnen im Jahre 1970 ein Haus verkauft, das in keiner Weise der Wiener Bauordnung entsprochen und schwerste bauliche und baurechtliche Mängel aufgewiesen habe,die ein Ausmaß hätten, daß eine Bewohnbarkeit im Sinne der geltenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien nicht herbeigeführt werden könne. Erst ungefähr vier Wochen nach dem Einzug der Kläger in das von ihnen gekaufte Haus habe sich Josef M der Zweitklägerin gegenüber geäußert, daß die Kläger noch um die Benützungsbewilligung ansuchen müßten, da er dies verabsäumt hätte. Tatsächlich habe der damals zuständige Beamte der Außenstelle der Baubehörde für den 13. Bezirk den Klägern zu verstehen gegeben, daß das Haus nicht bewohnt werden dürfe. Die Irreführung der Kläger über den wahren Zustand des kaufgegenständlichen Hauses habe nur realisiert werden können, weil a) eine Überprüfung der gesamten Bauführung durch die Baupolizei unterblieben sei; b) Josef und Anna M mit Wissen der Baubehörde das Haus durch mehr als 15 Jahre mit Familie bewohnt hätten und die Baupolizei ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, gegen das Bestehen der Baulichkeit, die in keiner Weise den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe, einzuschreiten; durch diese Unterlassungen sei es den Verkäufern möglich gewesen, die Kläger anläßlich der Hausbesichtigungen im Zuge der Kaufverhandlungen in die Irre zu führen, daß das Haus den Bestimmungen der Wiener Bauordnung entspreche; c) die Baubehörde in rechtswidriger Anwendung des § 130 der BauO für Wien von Amts wegen veranlaßt habe, daß in der Grundbuchseinlage EZ 1231 KG A mit 24. Juni 1970 die Anmerkung der Erbauung eines Hauses vorgenommen worden sei und d) die Baubehörde die Kläger nach Erwerbung des Hauses Jahre hindurch über den tatsächlichen Zustand der Baulichkeiten und die baurechtlichen Gegebenheiten im unklaren habe lassen; diese behördliche Verhaltensweise habe u. a. die Verschleppung einer Reihe von gerichtlichen Verfahren zur Folge gehabt, woraus den Klägern zusätzlicher erheblicher Schaden entstanden sei und auch in Zukunft erwachse. Die Kläger seien gezwungen, eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Ersatzliegenschaft in gleichwertiger Lage um 2 500 000 S zu erwerben und begehrten nach Durchführung des Aufforderungsverfahrens nach § 8 AHG, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von 2 500 000 S samt Anhang zu bezahlen.

Die beklagte Partei wendete ein, ihre Organe hätten sich bei Vollziehung der Bauordnung für Wien weder rechtswidrig noch schuldhaft verhalten. Nach dem Gesetz sei es Aufgabe des Eigentümers, eine Baulichkeit der Bauordnung gemäß zu errichten, Vorschriftswidrigkeiten zu beheben und die Benützung eines Bauwerkes, für das noch keine Benützungsbewilligung vorliege, zu unterlassen; durch baupolizeiliche Vollziehungsverfügungen werde der Eigentümer nur zu einem Verhalten gezwungen, zu dem er ohnehin bereits kraft Gesetzes verpflichtet sei. Die Verhinderung des äußeren Anscheines eines rechtmäßigen Zustandes eines Gebäudes zum Zwecke der Erschwerung eines Betruges sei kein Anliegen der Bauordnung. Das Haus könne im übrigen um etwa 20 000 S (Preisbasis 1973) in einen Zustand versetzt werden, der die Erteilung der Benützungsbewilligung ermögliche. Die Kläger hätten gewußt, daß keine Benützungsbewilligung vorliege; sie scheinen sich, ohne ihnen leicht mögliche Erhebungen angestellt zu haben, auf die Erklärung der Verkäufer, die Erwirkung der Benützungsbewilligung sei nur eine Formsache, verlassen zu haben. Das Gesetz kenne aber ohnehin auch eine nachträgliche Bau- und damit auch Benützungsbewilligung. Die Kläger hätten es selbst schuldhaft unterlassen, einen allfälligen Schaden abzuwenden; ihr Anspruch wäre erst gegeben, wenn sie alle zumutbaren Wege zur Abwendung oder zum Ersatz des Schadens - auch gegen Dritte - vergeblich beschritten hätten; ein allfälliger Anspruch wäre gemäß § 6 AHG verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da die Kläger nicht angedeutet hätten, wie sie die behauptete Schadenshöhe berechneten.

Die Kläger, die dazu aufgefordert worden seien, hätten das Klagevorbringen dahin ergänzen müssen, daß nicht nur die mehreren Schadenersatzansprüche, die den Betrag von 2 500 000 S ergeben, genannt werden, sondern auch für jede Teilforderung dargelegt wird, mit welcher Begründung sie überhaupt in der bestimmten Höhe geltend gemacht werden. Die Klage sei nicht schlüssig.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Der Berufung sei allerdings beizupflichten, daß nach dem Inhalt der Klage der Klagsbetrag allein für die Anschaffung einer entsprechenden Ersatzliegenschaft begehrt werde. Der Anspruch nach dem Amtshaftungsgesetz sei aber nur ein subsidiärer Rechtsbehelf, der erst zum Tragen komme, wenn alle anderen zumutbaren Mittel zur Abwendung oder zum Ersatz des Schadens vergeblich gewesen seien. Habe der Geschädigte die Möglichkeit, den Ersatz seines Schadens ganz oder zum Teil durch geeignete Schritte gegen den Schädiger zu erlangen, werde der Amtshaftungsanspruch in diesem Ausmaß nicht existent. Die Kläger versuchten, gegen die Schädiger Josef und Anna M die Zurverfügungstellung einer entsprechenden Ersatzliegenschaft im Klageweg durchzusetzen. Da dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet sei, könne derzeit noch nicht gesagt werden, daß den Klägern überhaupt jener Schaden entstanden sei, zu dessen Beseitigung im vorliegenden Amtshaftungsverfahren ein Betrag von 2 500 000 S begehrt. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der OGH wiederholt ausgesprochen hat, die Ersatzpflicht des Rechtsträgers nach § 1 Abs. 1 AHG sei subsidiärer Natur, weshalb der Anspruch nicht bestehe, wenn der Geschädigte den Anspruch durch Rechtsmittel oder durch Beschwerde an den VwGH hätte abwenden können (§ 2 Abs. 2 AHG). Richtig ist auch, daß nach der Rechtsprechung unter die Bestimmung des § 2 Abs. 2 AHG, obwohl dies dort nicht ausdrücklich erwähnt wird, unter Umständen auch die Beschreitung des Rechtsweges gegen Dritte gehört, wenn dies dem Geschädigten zumutbar ist (SZ 43/216; SZ 43/167,; VersR 1969, 745; KJ 1968, 42; JBl. 1968, 374; EvB . 1966/305; ZVR 1963/151 u. a.; zuletzt 1 Ob 40/74). Gegen die erwähnte Rechtsprechung wurden jedoch gewichtige Bedenken angemeldet (Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 830; Fischer in KJ 1968, 63 ff.), vor allem von Matscher (JBl. 1974, 545 ff., 602 ff.), dessen eingehende Darlegungen in dem Vorwurfgipfeln, daß die von der Rechtsprechung vorgenommene Einbeziehung auch der materiellrechtlichen Ansprüche und Behelfe - einschließlich der Vorausklage von Mitschädigern - nicht anders als eine Pervertierung des Rechtsmittelbegriffs des Amtshaftungsgesetzes bezeichnet werden können (a. a. O., 607). Es scheint auch tatsächlich überzeugend zu sein, daß der Begriff "Rechtsmittel", den § 2 Abs. 2 AHG gebraucht, wenn er auch technisch noch so unpräzise sein mag, immer nur in der Bedeutung von Anfechtungsmitteln, wenn auch im weitesten Sinne, verstanden werden kann (Matscher a. a. O., 607; in diesem Sinne insbesondere auch Preslmayr - Zitta in JBl. 1963, 307 f.; Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, 76 ff.; vgl. RZ 1974/85), zumal auch der seinerzeitige Bericht des Nationalratsausschusses für Verwaltungsreform die Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen Rechtsträger nur darin erblickte, daß der vorgesehene Rechtsmittelzug erschöpft ist und in Verwaltungssachen auch eine zulässige Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ergriffen wurde (welchem Satz allerdings beigefügt wurde: "Ob und inwieweit eine Haftung eintritt, obgleich der Rechtsmittelzug erschöpft und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ergriffen wurden, weil der Schaden trotzdem nicht abgewendet werden konnte, muß der Rechtsprechung im einzelnen Fall zur Entscheidung überlassen bleiben; Loebenstein - Kaniak a. a. O., 165). Ob die bisherige Rechtsprechung, die das Berufungsgericht allein zur Begründung der Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung heranzog, aufrecht erhalten werden kann, ist fraglich.

Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht abschließend zu beurteilen, weil das Klagebegehren auch aus anderen Gründen abzuweisen ist. Die Kläger können nämlich selbst unter der Annahme, daß ihrem Anspruch nicht bereits die Nichterledigung der Klage gegen die Verkäufer entgegensteht, mit ihrer Klage gegen die beklagte Partei nicht durchdringen. Die Kläger schlossen mit Josef und Anna M ein obligatorisches Rechtsgeschäft, einen Kaufvertrag, und behaupten, sie seien bei Abschluß dieses Vertrages von den Verkäufern listig irregeführt worden, was nur möglich gewesen sei, weil die Organe der beklagten Partei Vorschriften der Bauordnung für Wien (LGBl. 11/1930 in der geltenden Fassung) nicht eingehalten hätten. Da die Kläger, wie sie insbesondere in der Berufung präzisierten, den eingeklagten Betrag ausschließlich dafür begehren, daß sie sich wegen Unbewohnbarkeit und Unmöglichkeit der Bewohnbarmachung des von ihnen gekauften Hauses eine Ersatzliegenschaft erwerben müßten, scheidet der vierte Grund, auf den die Klage gestützt wurde, aus, da Verhaltensweisen nach Abschluß des Kaufvertrages mit Josef und Anna M weder die behauptete Irreführung durch diese erleichtern noch auf den Erwerb eines unbewohnbaren Hauses von Einfluß sein konnten. Von Bedeutung könnten nur gesetzwidrige Handlungen oder Unterlassungen von Organen der beklagten Partei vor Abschluß des Kaufvertrages vom 7. August 1970 gewesen sein. Es sollen dies a) die Unterlassung der Überprüfung der Bauführung, b) die mehr als 15jährige Duldung des Bestehens der nicht der Bauordnung gemäß errichteten Baulichkeit und c) die rechtswidrige Anmerkung der Errichtung des Hauses im Grundbuch am 24. Juni 1970 gewesen sein. Es ist im Verfahren nicht geklärt worden, inwieweit die beklagte Partei Verpflichtungen wahrzunehmen hatte bzw. verletzte. Es kann auch keine Frage bestehen, daß sich aus einer Verletzung von der Baubehörde obliegenden Pflichten Amtshaftungsansprüche ergeben könnten. So haftet der Rechtsträger z. B. dafür, daß bei Erteilung einer Baubewilligung nicht alle Anordnungen getroffen wurden, die eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen, die den Bau benützen sollen, hintanhalten (JBl. 1970, 261). Es wird auch anerkannt werden müssen, daß die Baubehörde, die Kenntnis von einem Bau hat, zur Abwendung von Gefahren für Leben und Gesundheit auch die Errichtung und Inbetriebnahme ungeprüfter Bauten zu verhindern hat (BGHZ 8/13, 97). Dies ergibt sich aus dem Zweck der Bauordnung, die die sich aus § 354 ABGB grundsätzlich ergebende Baufreiheit einschränkte und den Baubehörden die Wahrung öffentlicher Interessen in statischen Belangen, zur Gewähr der Feuersicherheit und der erforderlichen gesundheitlichen Verhältnisse, sowie zur Bedachtnahme auf Rücksichten der Schönheit und auf Verkehrsrücksichten auftrug (vgl. Krzizek, System des österreichischen Baurechts 11, 15, 18; Soergel - Glaser, BGB[10]III, 127 Anm. 117 zu § 839 BBGB; Kreft in BGB-RGRK[11] II/2, 1492). Wenn Organe von Rechtsträgern schuldhaft diese ihnen vom Gesetz übertragene Wahrung der öffentlichen Interessen und damit den Schutzzweck der Bauordnung (vgl. Picker in AcP 1976, 32) verletzten und als Folge solcher Handlungen und Unterlassungen Schäden, insbesondere am Leben und der Gesundheit von Menschen (§ 128 Abs. 1 BauO), eintraten, haften die Rechtsträger deliktisch gegenüber jedermann, dem dadurch Schaden entstand. Nur ob solche Ansprüche dem Eigentümer selbst zustehen könnten, mag zweifelhaft sein, ist es doch vom Gesetz vor allem ihm übertragen, Neubauten vor Erteilung der Benützungsbewilligung nicht zu benützen (§ 128 Abs. 1 BauO) und dafür Sorge zu tragen, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden (§ 129 Abs. 2 BauO).

Im vorliegenden Fall muß zunächst hervorgehoben werden, daß die Kläger erst am 24. August 1971 Eigentümer der Liegenschaft EZ 1231 KG A wurden, die angeblichen Gesetzesverletzungen der beklagten Partei jedoch vor dem 7. August 1970 lagen. In diesem Zeitpunkt stand die beklagte Partei in keinem wie immer gearteten, zu bestimmten öffentlich-rechtlichen Handlungen verpflichtenden Rechtsverhältnis zu den Klägern. Die Kläger wurden nach ihrem eigenen Vorbringen auch nicht unmittelbar durch unrichtige Anwendungen der oben zu a) bis c) behaupteten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, sondern durch Irreführung seitens der Verkäufer geschädigt. Die unmittelbare Ursache des angeblichen Schadens der Kläger liegt also in dem Verhalten ihrer Vertragspartner, nicht in dem von Organen der beklagten Partei. Wie sich schon aus § 1 Abs. 1 AHG ergibt, haftet der Rechtsträger für den Schaden am Vermögen, den die als seine Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer zugefügt haben, "nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts". Ständige Rechtsprechung ist es nun aber, daß aus einem obligatorischen Rechtsgeschäft wie einem Kauf grundsätzlich nur der Vertragspartner zu haften hat (SZ 41/45 u. a.). Ein Schadenersatzanspruch gegen einen am Vertrag nicht beteiligten Dritten besteht höchstens dann, wenn der Dritte bewußt zum Nachteil des Klägers handelte (JBl. 1973, 524; JBl. 1970, 627; EvBl. 1969/58 u. a,), eine Voraussetzung, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sein kann und auch gar nicht behauptet wird. Haftung für Schäden, die nicht in der Richtung des Angriffes des schuldhaft Handelnden, sondern infolge einer Seitenwirkung in einer Interessensphäre eingetreten sind, die nicht durch das Verbot des Angriffes geschützt ist - sogenannte Drittschäden - wird im übrigen nach ständiger Rechtsprechung abgelehnt. Die Grenze der Haftung bestimmt sich dabei nach dem Schutzzweck der verletzten Gesetzesnorm (SZ 47/140 und die dort zitierte zahlreiche Literatur und weitere Judikatur; auch Welser in ÖJZ 1975, 43). Es kommt darauf an, welche Schäden der Gesetzgeber vernünftigerweise durch das Aufstellen einer bestimmten Verhaltensnorm verhindern wollte (Koziol, Österr. Haftpflichtrecht I, 127). Es kann nun keine Frage bestehen, daß die Bauordnung für Wien ein Sondergesetz ist, das ganz bestimmte Anliegen verfolgt (vgl. Welser a. a. O., 45); ihr Normzweck ist die Wahrung der oben erwähnten öffentlichen Interessen, vor allem der Schutz Dritter vor Baumängeln, nicht aber deren Schutz vor listigen Irreführungshandlungen über das Vorliegen einer Benützungsbewilligung bei Abschluß eines Kaufvertrages über eine bebaute Liegenschaft. Das kann auch nicht von der Vorschrift des § 13 Abs. 8 letzter Satz BauO gelten, auf die sich im übrigen die Kläger gar nicht ausdrücklich beriefen, auch wenn sich aus dieser ergibt, daß der Antrag der Baubehörde auf Anmerkung der Erbauung eines Hauses im Grundbuch erst bei (nach) Erteilung der Benützungsbewilligung zu stellen ist (vgl. dazu Krzizek, Die Bauordnung für Wien[2], 55 FN 10), da die Bestimmung des § 130 Abs. 3 BauO, daß grundbücherliche Ersichtlichmachungen die Wirkung haben, daß sich niemand auf Unkenntnis berufen kann, sich nur auf die Liegenschaft belastende Verpflichtungen, also auf Ersichtlichmachungen nach § 130 Abs. 1 BauO bezieht, so daß daraus nicht abgeleitet werden kann, auch ein Käufer sollte insofern geschützt werden, daß er sich auf das Bestehen einer Benützungsbewilligung verlassen kann.

Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wird der Anspruch der Kläger, obwohl grundsätzlich eine Haftung für Schäden nur einzutreten hat, wenn dies der Normzweck ergibt und außerdem Adäquanz vorliegt (Koziol a. a. O., 127 f.; vgl. dazu Welser a. a. O., 43), allein nach der herrschenden Adäquanztheorie (vgl. Kramerin in ZVR 1971, 146 und ZVR 1974, 132) beurteilt, wonach nur für alle Folgen eines schuldhaften Verhaltens zu haften ist, mit denen nach den Erfahrungen des Lebens zu rechnen ist, nicht aber für jene, deren Eintritt ganz unwahrscheinlich (atypisch) ist (JBl. 1971, 89; SZ 43/177; SZ 36/45 u. v. a.; Koziol a. a. O., 111). Mit Recht wird für das Entstehen eines Amtshaftungsanspruches gefordert, daß die zu einer Kausalkette zu verknüpfenden Tatsachen in einem solchen nahen äußeren Zusammenhang stehen, daß dem natürlichen und gewöhnlichen Verlauf der Dinge nach angenommen werden kann, die eine sei aus der anderen hervorgegangen (Loebenstein - Kaniak a. a. O., 70). Dadurch, daß zwischen Bedingung und Erfolg eine freie menschliche Handlung tritt, wird der Kausalzusammenhang nur dann nicht unterbrochen, wenn mit dieser hinzutretenden Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich gerechnet werden konnte (ZVR 1971/224; JBl. 1966, 473 u. a.). Die Umstände, die eine Behörde bei Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu bedenken hat, dürfen bei einem Amtshaftungsanspruch nicht unberücksichtigt bleiben. Im Rahmen der Wahrnehmung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben als Baubehörde konnte es nun aber die beklagte Partei bei einer allfälligen Verletzung ihrer ganz andere Zwecke verfolgenden Pflichten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht auch als wahrscheinlich annehmen, daß Verkäufer der Liegenschaft Käufern verschweigen würden, daß keine baubehördliche Benützungsbewilligung vorliege. So weit kann die Haftung also nicht gehen. In einem Fall wie dem vorliegenden können sich die Kläger auch bei Richtigkeit ihres Vorbringens nicht an die beklagte Partei, sondern nur an ihre Vertragspartner, die sie ohnehin in Anspruch nahmen, halten.

Anmerkung

Z50024

Schlagworte

Amtshaftungsanspruch, subsidiärer Natur, Baufreiheit, Einschränkung der - im Sinne des § 354 ABGB durch die, einzelnen Bauordnungen, Rechtsmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 AHG, Rechtsträger, Haftungsbegrenzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00004.77.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19770216_OGH0002_0010OB00004_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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