TE OGH 1977/5/5 2Ob84/77

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Veröffentlicht am 05.05.1977
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Norm

ABGB §1323

Kopf

SZ 50/67

Spruch

Dem Inhaber eines "Einmannbetriebes" steht neben Verdienstentgang auch eine Entschädigung für die Entwertung des Betriebes als Vermögensobjekt ("Goodwill") bei unfallsbedingter Betriebsaufgabe zu

OGH 5. Mai 1977, 2 Ob 84/77 (OLG Graz 6 R 188/76; LG Klagenfurt 19 Cg 357/74)

Text

Der Kläger wurde am 26. August 1973 bei einem vom Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Er begehrte u. a. 70 830.26 S Verdienstentgang vom Unfallstag bis Ende 1975 und 50 000 S als Ersatz des Schadens aus der Aufgabe seines Betriebes. Zu letzterem machte der Kläger geltend, daß er bei normalem Verlauf für die Überlassung seines lebenden Betriebes an einen Nachfolger mindestens 50 000 S erzielt hätte, ein solcher Firmenwert jedoch nach der langen unfallsbedingten Betriebsstillegung nicht mehr bestehe.

Die beklagte Partei erwiderte, der Kläger könne neben dem Ersatz von Verdienstentgang nicht auch Schadenersatz für die Betriebsaufgabe verlangen, und abgesehen davon entstehe ein solcher Schaden erst mit dem 65. Lebensjahr des Klägers, weshalb der diesbezügliche Anspruch nicht fällig sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Betrag von 254 080.26 S samt gestaffelten Zinsen zu, darunter 70 830.26 S an Verdienstentgang und 50 000 S an Schadenersatz für die Betriebsaufgabe.

Das Berufungsgericht setzte den Zuspruch auf 235 975.46 S samt Anhang herab, davon 32 725.46 S Verdienstentgang und 50 000 S an Schadenersatz für den Verlust der Möglichkeit, den Betrieb zu veräußern.

Der Oberste Gerichtshof sprach dem Kläger 215 975.46 S samt Anhang zu und wies das Mehrbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bezüglich des für die unfallsbedingte Betriebsaufgabe verlangten Schadenersatzes steht fest:

Der Kläger hat durch die durch den Unfall veranlaßte Aufgabe des Betriebes höhere Verluste erlitten als die Differenz zwischen seinem Verdienst in der letzten Zeit vor dem Unfall und der Invaliditätspension beträgt. Der Kläger hatte einen "Einmann"- Betrieb, einen seit Jahren eingeführten Kleinstbetrieb in Form einer Handelsagentur, verbunden mit Serviceleistungen, der auch in schlechten Zeiten krisensicher ist. Ein laufender Betrieb, selbst wenn er nur klein ist, aber doch auf laufende Einnahmen, einen gewissen Kundenstock und eine gewisse Eingeführtheit hinweisen kann, hat einen bestimmten, wenn auch kleinen, Firmenwert (Goodwill), der sich bei entsprechender Überleitung in Geld ausdrückt. Ohne den Unfall hätte der Kläger durch Übergabe des Betriebes an einen Interessenten bei allmählichem Aufhören der Mitarbeit für den Kleinstbetrieb noch einen Betrag von 50 000 S erhalten. Eine solche Einnahme wäre nach Steuerrecht gewerbe- und einkommensteuerfrei.

Rechtlich sei - so das Berufungsgericht - hiebei davon auszugehen, daß ein Unternehmen in zweifacher Hinsicht Vermögenswert hat:

Einerseits sei es die Quelle laufend erzielbarer Einnahmen, deren Vereitelung durch Verdienstentgangsersatz abgegolten wird; andererseits sei es auch ein selbständiges Vermögensobjekt, das bei Veräußerung einen entsprechenden Gelderlös bringt, wenn auch mangels anderen sachlichen Substrats nur in Form des Firmenwertes, des sogenannten "Goodwill". Beide Möglichkeiten seien dem Kläger durch den Unfall und seine Folgen genommen, beide ihm hiedurch entstandenen Schäden seien bereits eingetreten und fällig. Wegen seines monatelangen Spitalsaufenthaltes sei der Kläger zur Einweisung eines Nachfolgers unter persönlicher, allmählich auslaufender Mitarbeit nicht mehr imstande gewesen und die Kunden hätten sich verlaufen.

Der Beklagte macht dazu geltend, daß der Kläger nicht gleichzeitig Verdienstentgang und Schadenersatz für den Untergang des Betriebes verlangen könne.

Der Beklagte, der seinen Ausführungen nach ohnedies nicht verkennt, daß es sich um zwei ihrer Natur nach verschiedene Ansprüche des Klägers (Verdienstentgang und Entschädigung für die Aufgabe des Betriebes) handelt, übersieht jedoch, daß beide Schäden Unfallsfolgen sind. Durch Verschulden des Beklagten wurde sowohl dem Kläger die Möglichkeit genommen, laufenden Verdienst aus seinem Einmann-Betrieb zu ziehen, als auch der Wert dieses Betriebes vernichtet. Der diesbezügliche Schadenersatzanspruch ist daher ebenso wie jener auf Ersatz des Verdienstentganges gerechtfertigt (vgl. Wolff in Klang[2] VI, 141; Geigel[16], 147; Larenz in Deutsche Juristenzeitung 1962, 710).

Anmerkung

Z50067

Schlagworte

Betrieb als Vermögensobjekt (Goodwill), Goodwill, Betrieb als Vermögensobjekt, Schadenersatz, neben Verdienstentgang auch Ersatz für die Entwertung, eines Betriebes als Vermögensobjekt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0020OB00084.77.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19770505_OGH0002_0020OB00084_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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