TE OGH 1977/6/14 4Ob320/77

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Veröffentlicht am 14.06.1977
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Norm

ABGB §1330 Abs1
ABGB §1330 Abs2
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §7

Kopf

SZ 50/86

Spruch

Ehrenrührige Tatsachenbehauptungen sind ausschließlich nach § 1330 Abs. 2 ABGB zu beurteilen; der 1. Absatz dieser Gesetzesstelle gilt nur für jene Ehrenbeleidigungen im engeren Sinne, die nicht unter die Sondernorm des 2. Absatzes fallen Unter den Begriff des "Verbreitens" im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB fällt jede Mitteilung einer Tatsache, mag sie im Einzelfall als eigene Überzeugung hingestellt werden oder als bloße Weitergabe einer fremden Behauptung auftreten; auch die Mitteilung an eine einzige Person reicht aus Beweislastverteilung bei Geltendmachung eines Anspruches nach § 1330 Abs. 2 ABGB

Sowohl der Unterlassungsanspruch als auch der Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB setzen ein Verschulden des Beklagten voraus "Zu Zwecken des Wettbewerbs" im Sinne des § 7 UWG handelt auch, wer den Wettbewerb eines anderen fördern will. Diese Absicht, in den fremden Wettbewerb zugunsten des einen und zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers einzugreifen, ist vom Kläger nachzuweisen

OGH 14. Juni 1977, 4 Ob 320/77 (OLG Wien 5 R 124/75; LGZ Wien 5 Cg 184/73)

Text

Der Beklagte richtete am 29. November 1972 folgendes Schreiben an Gertrude F, Vizebürgermeister und Stadtrat für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien:

"Sehr verehrte Frau BürgermeisterÜ Folgende Nachricht erhalte ich heute im Telegrammstil und möchte die Information an Sie weitergeben, weil doch dadurch verschiedene Dinge einen "transparenten" Hintergrund erhalten.

P hat vor Zeugen gesagt, daß er für Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland Provisionen nimmt, und zwar von Herrn T, über den er alle Künstleragenden betreibt. Der Informant und Zeugen stehen zur Verfügung. Mit Handkuß Ihr ergebenster G"

Karl P war damals Direktor der Wiener Symphoniker, welche das "Hausorchester" der Gesellschaft der Musikfreunde sind und u. a. von der Stadt Wien subventioniert werden. Vizebürgermeister Gertrude F ist Präsidentin des Vereins der Wiener Symphoniker. Der Beklagte war im November 1972 bereits amtierender Direktor der Wiener Staatsoper, aber nicht mehr Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde, zu deren Vizepräsidenten er erst im Dezember 1972 bestellt wurde.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der in Z (Schweiz) ansässige Impresario Martin T die Verurteilung des Beklagten, ab sofort gegenüber jedermann die Behauptung zu unterlassen, Karl P habe für die Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland vom Kläger Provisionen bekommen (oder genommen), "in eventu das Karl P vor Zeugen gesagt habe, daß er für die Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland vom Kläger Provisionen genommen habe", sowie binnen 14 Tagen diese Behauptung schriftlich gegenüber Vizebürgermeister Gertrude F als unwahr zu widerrufen. Der Beklagte habe bei der Weiterleitung seiner - unwahren - Behauptung an Gertrude F zumindest fahrlässig gehandelt, weil es ihm leicht möglich gewesen wäre, sich von der Unrichtigkeit der Mitteilung zu überzeugen. Die Annahme von Provisionen durch den Direktor der Wiener Symphoniker für die Vermittlung des ORF-Orchesters wäre ehrenrührig und verstieße gegen sein Berufsethos; durch die Hingabe einer solchen Provision hätte daher der Kläger den mehrfach genannten Orchesterdirektor zu einem ehrenrührigen, seinem Berufsethos zuwiderlaufenden Verhalten veranlaßt und dadurch seinerseits eine Handlung begangen, die eine Schmälerung seines Ansehens, seiner Ehre und seines Rufes als korrekter und untadeliger Mensch und Impresario zur Folge hätte. Die beanstandete Behauptung sei daher eine Beleidigung der Ehre des Klägers im Sinne des § 1330 Abs. 1 ABGB. Darüber hinaus habe der Beklagte durch seine unrichtige Mitteilung auch den Kredit, den Erwerb und das Fortkommen des Klägers als Impresario schwer gefährdet und geschädigt, zumal Gertrude F zu denjenigen Personen gehöre, auf deren Wertschätzung, Respektierung und Wohlwollen der Kläger beruflich angewiesen sei und allergrößten Wert lege; das Verhalten des Beklagten verstoße daher auch gegen § 1330 Abs. 2 ABGB. Da der Beklagte die Aufforderung des Klagevertreters, seine unwahren Äußerungen schriftlich zurückzunehmen, mit der Begründung abgelehnt habe, daß kein Tatbestand vorliege, der Gegenstand einer gerichtlichen Verfolgung sein könnte, sei auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben.

Im Zuge des Verfahrens hat der Kläger sein Begehren hilfsweise auch auf § 7 UWG gestützt, weil der Beklagte die beanstandete Äußerung als Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde und designierter Direktor der Wiener Staatsoper gemacht habe; als solcher sei er aber an der Förderung der Wiener Philharmoniker interessiert, welche mit den Wiener Symphonikern im Wettbewerb stunden.

Demgegenüber behauptet der Beklagte, daß die von ihm am 29. November 1972 an Gertrude F weitergeleitete Mitteilung der Wahrheit entspreche; Karl P habe gegenüber dem Dirigenten Prof. Carl M in der Tat eine solche Äußerung getan. Prof. M habe davon der Sekretärin des Beklagten, Johanna L, am 28. November 1972 telefonisch Mitteilung gemacht. Mit Rücksicht auf die Personen, von denen er über die Äußerung des Karl P erfahren hatte, habe der Beklagte keinen Anlaß gehabt, Erhebungen über die Richtigkeit dieser Mitteilung zu pflegen. Er habe im übrigen auch gar nicht behauptet, daß P tatsächlich vom Kläger Provisionen genommen habe, sondern der für kulturelle und künstlerische Angelegenheiten Wiens zuständigen Stadträtin Gertrude F lediglich das weitergegeben, was er von Prof. M erfahren hatte; dazu habe er sich aber verpflichtet gefühlt. Von einem "Verbreiten" einer Tatsache könne bei einer solchen persönlichen Mitteilung keine Rede sein, zumal sich der Beklagte auf Prof. M durchaus habe verlassen können. Zwischen den Orchestern der Wiener Philharmoniker und der Wiener Symphoniker bestehe kein Wettbewerbsverhältnis; beide würden - ebenso wie andere Orchester - von der Gesellschaft der Musikfreunde engagiert.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, die von ihm verbreitete Tatsache, Karl P habe für die Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland vom Kläger Provisionen genommen, binnen 14 Tagen schriftlich gegenüber Vizebürgermeister Gertrude F als unwahr zu widerrufen; das auf Unterlassung dieser Behauptung gerichtete Mehrbegehren (einschließlich des Eventualantrages) wurde abgewiesen. Der Entscheidung des Erstgerichtes liegen folgende wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:

Prof. Carl M und Karl P waren befreundet gewesen und hatten noch bis 1972 gesellschaftlichen Kontakt gehabt. Anläßlich eines Besuches bei Prof. M im Frühjahr oder Frühsommer (wahrscheinlich Mai) 1972 hatte P, welcher damals schon etwas getrunken hatte, aus einer gewissen Trotzsituation heraus plötzlich erklärt, ihm sei alles "wurscht", er habe das ORF-Orchester zum Holland Festival vermittelt, es sei nur wichtig, daß er seine Provisionen bekommen habe. Dabei hatte P jedoch nicht gesagt, von wem er die erwähnten Provisionen erhalten habe. Tatsächlich hatte Karl P für eine allfällige Vermittlung des ORF-Orchesters zum Holland Festival keine Provisionen bekommen.

Etwa im Juli 1972 erzählte Prof. M diese - von ihm ernst genommene - Erklärung des Karl P dem Beklagten weiter, welcher bis Ende August 1972 Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde und dann ab 1. September 1972 amtierender Direktor der Wiener Staatsoper war. Er teilte dem Beklagten die erwähnte Äußerung nur einmal mit und sprach dann nicht mehr mit ihm darüber; den Namen des Klägers hatte Prof. M gegenüber dem Beklagten in diesem Zusammenhang nicht genannt.

Am 29. November 1972 richtete der Beklagte auf einem Briefpapier mit dem offiziellen Briefkopf der Wiener Staatsoper das eingangs wiedergegebene, mit dem Vermerk "PersönlichÜ" versehene Schreiben an Vizebürgermeister Gertrude F. Karl P war als Direktor der Wiener Symphoniker Angestellter dieses Vereins; in seinem Vertrag war die Frage der Annahme von Provisionen für die Vermittlung anderer Orchester nicht geregelt. Gertrude F hatte ein Interesse daran, zu erfahren, ob P allenfalls für die Vermittlung fremder Orchester Provisionen nimmt, nicht aber daran, von wem er solche Provisionen bekommt.

Der Brief des Beklagten führte zu einer Einschaltung des Kontrollamtes der Stadt Wien und zur Einvernahme des Karl P durch Hofrat M, einen leitenden Beamten der Stadt Wien, welcher auch dem Vorstand der Wiener Symphoniker angehört. Da P dabei erklärte, daß von einer Provisionsannahme keine Rede sein könne, war die Sache damit für Vizebürgermeister Gertrude F erledigt.

Die Mitteilung des Beklagten an Gertrude F kam in der Folge auch dem Kläger zu Ohren. Sein Anwalt forderte den Beklagten mit Schreiben vom 22. Feber 1973 u. a. zum Widerruf dieser unwahren und ehrenrührigen Behauptung auf. Der Beklagtenvertreter erwiderte am 12. März 1973, er sei nach Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, daß kein wie immer gearteter Tatbestand vorliege, der Gegenstand einer Privatanklage sein könnte.

Einem Orchesterdirektor ist es mangels einer gegenteiligen Vertragsbestimmung grundsätzlich nicht untersagt, ein anderes Orchester als sein eigenes zu vermitteln; ein solches Verhalten ist jedoch, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, außergewöhnlich. Nimmt ein Orchesterdirektor für eine solche Vermittlung eine Provision, ohne eine entsprechende Konzession zu besitzen, dann macht er sich strafbar; vermittelt er ein Konkurrenzorchester gegen Provision, dann ist dieses Verhalten unehrenhaft. In einem solchen Fall wäre auch das Verhalten eines Impresarios, der einem Orchesterdirektor eine Vermittlungsprovision gibt, als unkorrekt und unehrenhaft zu bezeichnen. Orchesterdirektoren besitzen im allgemeinen keine Vermittlungskonzession, auch bei Karl P konnte nichts Gegenteiliges festgestellt werden. Im Fall des Bekanntwerdens einer solchen unkorrekten Vorgangsweise eines Impresarios muß dieser mit finanziellen Verlusten rechnen, weil viele Konzert-, Opern- und Festspieldirektoren eine weitere Zusammenarbeit mit ihm ablehnen werden. Das Orchester der Wiener Symphoniker steht mit dem ORF-Orchester in einem Konkurrenzverhältnis.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß Prof. M am 28. November 1972 mit der Sekretärin des Beklagten, Johanna L, telefoniert und ihr, wie in der Gesprächsnotiz, Beilage 2, festgehalten, die Äußerung des Karl P mitgeteilt hätte. Es sei auch nicht festzustellen, daß Prof. M Frau L gebeten hätte, diese Mitteilung unbedingt dem Beklagten auszurichten. Prof. M sei auch nicht tags darauf persönlich zum Beklagten in dessen Büro gekommen; er habe ihn nicht gefragt, ob er die Mitteilung schon gelesen habe, und habe ihn auch nicht dringend gebeten, diese Nachricht an Vizebürgermeister F weiterzuleiten.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs. 1 ABGB im konkreten Fall schon deshalb nicht angenommen werden könne, weil der Beklagte in seinem Schreiben vom 29. November 1972 nicht selbst eine Behauptung aufgestellt, sondern nur eine entsprechende Äußerung des Karl P weitergegeben habe. Dagegen komme es für die Anwendung des § 1330 Abs. 2 ABGB nicht darauf an, ob es sich um die Mitteilung einer eigenen Überzeugung oder einer fremden Behauptung handle. Auch die nur an eine einzige Person gerichtete Mitteilung falle unter den Begriff des "Verbreitens" im Sinne der angeführten Gesetzesstelle, wenn sie dadurch einem größeren Personenkreis bekannt werde. Damit habe aber der Beklagte im konkreten Fall insbesondere deshalb rechnen müssen, weil auf Grund seiner Mitteilung an Gertrude F die Einleitung einer Untersuchung gegen Karl P zu erwarten war. Nach dem festgestellten Sachverhalt habe die Gefahr einer Beeinträchtigung des Klägers in seinem Erwerb oder Fortkommen bestanden. Die vom Beklagten als Äußerung eines Dritten weitergegebene Behauptung, Karl P habe vom Kläger Provisionen genommen, sei erwiesenermäßen unwahr; da der Beklagte den Namen des Klägers jedenfalls nicht von Prof. M erfahren habe, fehle es auch an einer vertrauenswürdigen Person, auf deren Mitteilung sich der Beklagte ohne Bedenken hätte verlassen können. Der Beklagte habe daher zumindest fahrlässig gehandelt, ohne beweisen zu können, daß er Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Mitteilung gehabt hätte. Die Ausnahmebestimmung des § 1330 Abs. 2 Satz 3 ABGB sei hier nicht anwendbar, weil weder Vizebürgermeister Gertrude F daran interessiert war, zu erfahren, von wem Karl P Provisionen genommen habe, noch der Beklagte ein Interesse daran hatte, sie von diesem Umstand in Kenntnis zu setzen. Da der Anspruch auf Widerruf einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung nur eine einmalige Mitteilung voraussetze, sei diesem Teil des Klagebegehrens in etwas modifizierter Form stattzugeben gewesen; das Unterlassungsbegehren des Klägers habe hingegen wegen Fehlens einer Wiederholungsgefahr abgewiesen werden müssen. Eine Anwendung der Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb komme im konkreten Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger außerhalb eines allfälligen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Wiener Philharmonikern und den Wienern Symphonikern stehe und daher nicht "Verletzter": im Sinne des § 7 UWG sein könne. Ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Impresario und einem Orchester sei aber denkunmöglich.

Während die Berufung des Klägers gegen den abweisenden Teil des Ersturteils erfolglos blieb, gab das Berufungsgericht der gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung erhobenen Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht wiederholte das Beweisverfahren hinsichtlich des Zustandekommens der Gesprächsnotiz vom 28. November 1972 und der Information des Beklagten, welche zu seinem beanstandeten Schreiben vom 29. November 1972 geführt hatte, und kam dabei zu folgenden, von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichenden Tatsachenfeststellungen:

Prof. M versuchte am 28. November 1972 um zirka 20.30 Uhr den Beklagten in der Wiener Staatsoper zu erreichen. Er wurde dabei mit der langjährigen Sekretärin des Beklagten, Johanna L, verbunden, bei welcher er sich mit seinem Namen meldete und von der er auch an seiner mit ungarischem Akzent gefärbten Stimme erkannt wurde. Prof. M ersuchte Johanna L, folgende Mitteilung für den Beklagten zu notieren; Johanna L nahm darauf die nachstehende Gesprächsnotiz wortwörtlich in Langschrift auf:

"P hat vor Zeugen (Fr. M) gesagt, daß er für Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland Provision nimmt, und zwar von Hr. T, über den er alle Künstleragenden betreibt."

Sie legte diese Notiz in die Postmappe des Beklagten, welche diesem immer um 10 Uhr vorgelegt wird. Am folgenden Tag (29. November 1972) suchte Prof. M den Beklagten auf und erkundigte sich, ob der Beklagte seine Mitteilung schon habe; er verlangte, daß sich der Beklagte wegen dieser Angelegenheit an Vizebürgermeister Gertrude F wenden solle. Der Beklagte versuchte daraufhin, in Anwesenheit von Prof. M, Vizebürgermeister Gertrude F telefonisch zu erreichen, was ihm aber nicht gelang. Prof. M bestand in der Folge ausdrücklich darauf, daß seine Mitteilung an Vizebürgermeister Gertrude F weitergeleitet werde. Der Beklagte richtete hierauf den Brief vom 29. November 1972, welchen er Johanna L diktierte, an Vizebürgermeister Gertrude F. Weder Johanna L noch der Beklagte hegten wegen der insistierenden Art von Prof. M - welchen sie überdies seit geraumer Zeit kannten - Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit oder an der Richtigkeit seiner Mitteilung.

Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichtes, daß eine Haftung des Beklagten nach § 1330 Abs. 1 ABGB mangels Vorliegens einer Ehrenbeleidigung nicht in Betracht komme. Hinsichtlich des Tatbestandes nach § 1330 Abs. 2 ABGB sei aber auf Grund des nunmehr feststehenden Sachverhalts davon auszugehen, daß dem Beklagten im Zeitpunkt seines Schreibens an Vizebürgermeister Gertrude F nicht nur die von seiner langjährigen Sekretärin Johanna L verfaßte Gesprächsnotiz zur Verfügung stand, sondern daß er sich dabei auch auf die Information des ihm durchaus vertrauenswürdig erscheinenden Prof. Carl M stützen konnte, welcher geradezu darauf bestanden hatte, daß seine Mitteilung an Vizebürgermeister Gertrude F weitergegeben werde. Der Beklagte habe daher ausreichende Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen gehabt und die Mitteilung von Prof. M mit Grund für wahr ansehen können. Da damit aber der Annahme einer Fahrlässigkeit des Beklagten der Boden entzogen sei, müßten das Haupt- und das Eventualbegehren des Klägers schon aus diesem Grund abgewiesen werden. Für den Kläger sei aber auch durch die Berufung auf § 7 UWG nichts gewonnen, weil diese Bestimmung gleichfalls eine Fahrlässigkeit des Verbreiters der herabsetzenden Tatsachenbehauptung voraussetze, der Beklagte aber hinlängliche Gründe gehabt habe, die Mitteilung des Prof. M als wahr anzusehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger hat sein Unterlassungs- und Widerrufsbegehren einerseits auf § 1330 Abs. 1 und Abs. 2 ABGB andererseits aber auch auf § 7 UWG gestützt. Keiner dieser Rechtsgrunde erweist sich bei näherer Prüfung als stichhältig:

I. Gemäß § 1330 Abs. 1 ABGB ist derjenige, dem durch Ehrenbeleidung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, berechtigt, den Ersatz zu fordern. Ob der Begriff der "Ehrenbeleidigung" im Sinne dieser Gesetzesstelle auf die strafrechtlichen Tatbestände des § 115 StGB einzuschränken ist - was offenbar dem Willen der Verfasser dieser Bestimmung entspräche (vgl. dazu Kaiserliche Verordnung über die III. Teilnovelle zum ABGB mit Materialien (1916) 401) - oder einen darüber hinausgehenden, umfassenden Schutz der Ehre gewährleistet (so Rummel in Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 142; im gleichen Sinne auch Wolff in Klang[2] VI, 161; EvBl. 1955/395), braucht hier nicht weiter erörtert zu werden; aus dem Zusammenhang der Abs. 1 und 2 des § 1330 ABGB muß jedenfalls im Sinne der überzeugenden Ausführungen Rummels (a. a. O.) abgeleitet werden, daß ehrenrührige Tatsachenbehauptungen allein nach der Sonderbestimmung des § 1 330 Abs. 2 ABGB zu beurteilen sind, während der erste Absatz dieser Gesetzesstelle nur für jene Ehrenbeleidigungen im engeren Sinn gelten kann, die nicht unter die Sondernorm des zweiten Absatzes fallen. Da es im konkreten Fall ausschließlich um die Weitergabe einer den Kläger betreffenden Tatsachenbehauptung durch den Beklagten geht, haben die Untergerichte - von der Revision im übrigen insoweit unbekämpft - die Anwendbarkeit des § 1330 Abs. 1 ABGB schon aus diesem Grund im Ergebnis mit Recht verneint.

II. Auch die Berufung des Klägers auf § 7 Abs. 1 UWG führt unter den gegebenen Umständen nicht zum Erfolg: Nach dieser Gesetzesstelle - welche allerdings entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes keineswegs ein Verschulden des Beklagten voraussetzt - kann auf Unterlassung, Schadenersatz und Widerruf in Anspruch genommen werden, wer zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Nicht jedes Verhalten eines Unternehmers im Geschäftsverkehr verfolgt aber Zwecke des Wettbewerbs; es wird erst dann zur Wettbewerbshandlung, wenn es im Rahmen des Wettstreites mit den Konkurrenten vorgenommen wird. Die Handlung muß einerseits objektiv geeignet sein, den Absatz eines - meist des eigenen - Unternehmens auf Kosten des Mitbewerbers zu fördern, was vor allem das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses voraussetzt; sie muß darüber hinaus auch in subjektiver Hinsicht von der entsprechenden Wettbewerbsabsicht getragen werden (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 18 f.; Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[11] I, 212 EinlUWG Anm. 201).

Im konkreten Fall scheidet die Annahme eines unmittelbaren Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien von vornherein aus; auch der Kläger selbst hat in erster Instanz nur behauptet, daß ein solches Verhältnis einerseits zwischen den Wienern Philharmonikern und den Wiener Symphonikern, andererseits aber auch zwischen diesen beiden Orchestern und ihm selbst bestehe. Dem Beklagten könnte infolgedessen, wenn überhaupt, nur ein Eingriff in fremden Wettbewerb angelastet werden. Nun ist dem Kläger durchaus einzuräumen, daß "zu Zwecken des Wettbewerbs" auch derjenige

handelt, der den Wettbewerb eines anderen fördern will (SZ 9/254 =

Rspr. 1928/188 = ZBl. 1928/132; JBl. 1931, 442 = ZBl. 1931/280; ÖBl.

1965, 85; ÖBl. 1970, 97; ÖBl. 1975, 33; ÖBl. 1976, 97; ÖBl. 1976, 151). Auch wer selbst kein Geschäft betreibt - oder in einer anderen Branche tätig ist -, aber in den Wettbewerb fremder Unternehmen zugunsten des einen und zum Nachteil eines anderen eingreift, kann nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb belangt werden; auch er handelt "zu Zwecken des Wettbewerbs", mögen auch diese Zwecke im Einzelfall nicht seine eigenen sein (SZ 14/103 = JBl. 1932, 523; SZ 22/141; ÖBl. 1963, 72; ÖBl. 1971, 12; ÖBl. 1972, 40 u. a.; Hohenecker - Friedl a. a. O., 19 f.).

Daß eine bestimmte Handlung in der Absicht vorgenommen wurde, den - eigenen oder fremden - Wettbewerb zu fördern, hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der daraus irgendwelche Rechtsfolgen ableitet. Nach der Lebenserfahrung wird zwar bei Äußerungen von Gewerbetreibenden, die miteinander im Wettbewerb stehen, die Wettbewerbsabsicht vielfach zu vermuten sein (vgl. SZ 25/18; SZ 25/100; ÖBl. 1958, 46; ÖBl. 1962, 88; ÖBl. 1963, 9; ÖBl. 1963, 50 u. a.; Hohenecker - Friedl a. a. O., 20; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 214 Anm. 204). Geht es aber, wie hier, um die Förderung fremden Wettbewerbs durch einen außenstehenden Dritten, der selbst nicht Konkurrent der beteiligten Unternehmer ist, dann ist für eine solche tatsächliche Vermutung kein Raum; in diesem Fall hat vielmehr der Kläger die Absicht des Beklagten nachzuweisen, in den fremden Wettbewerb zugunsten des einen und zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers einzugreifen (in diesem Sinne bereits 4 Ob 328/77; ebenso Baumbach - Hefermehl a. a. O.,214 f. Anm. 205).

Selbst wenn man aber nun im vorliegenden Fall das vom Kläger behauptete Konkurrenzverhältnis zwischen den Wiener Philharmonikern und den Wiener Symphonikern bzw. zwischen diesen beiden Orchestern und dem Kläger als richtig unterstellt, hat das Verfahren doch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beklagte die beanstandete Äußerung (auch oder nur) deshalb gemacht hätte, um in diesen fremden Wettbewerb zugunsten der Wiener Philharmoniker - als des "Hausorchesters" der Wiener Staatsoper - und damit zum Nachteil der Wiener Symphoniker oder des Klägers einzugreifen. Die bloße Behauptung des Klägers, der Beklagte sei "als Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde und designierter Direktor der Wiener Staatsoper an der Förderung der Wiener Philharmoniker interessiert" gewesen, kann eine solche Annahme nicht rechtfertigen; darüber hinausgehendes, konkretes Tatsachenvorbringen ist aber der Kläger nicht nur im Verfahren erster Instanz, sondern auch noch im Rechtsmittelverfahren schuldig geblieben. Ist aber ein Handeln des Beklagten "zu Zwecken des Wettbewerbs" nicht erwiesen, dann ist damit auch einer Beurteilung seiner Handlung nach § 7 Abs. 1 UWG von vornherein der Boden entzogen.

III. Zu prüfen bleibt daher noch die Frage, ob dem Unterlassungs- und Widerrufsbegehren des Klägers aus dem Gründe des § 1330 Abs. 2 ABGB Berechtigung zukommt. Auch diese Frage ist aber aus nachstehenden Erwägungen zu verneinen:

Nach dem ersten Satz der angeführten Bestimmung haftet, wer Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte; "in diesem Fall" können nach dem zweiten Satz auch der Widerruf und dessen Veröffentlichung verlangt werden. Unter den Begriff des "Verbreitens" fällt dabei jede Mitteilung einer Tatsache, mag sie im Einzelfall als eigene Überzeugung hingestellt werden oder als bloße Weitergabe einer fremden Behauptung auftreten (SZ 34/159 = EvBl. 1962/30; ZBl. 1927/319; Ehrenzweig[2] II/1, 659; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 145); auch die Mitteilung an eine einzige Person reicht aus (SZ 2/125; ÖBl. 1965, 102; Ehrenzweig a. a. O.; Koziol a. a. O.). Im konkreten Fall hat der Beklagte die ihm von Prof. Carl M zunächst am 28. November 1972 telefonisch bekanntgegebene und dann am folgenden Tag persönlich bestätigte Mitteilung, Karl P habe vor Zeugen gesagt, daß er für die Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland Provisionen nehme, "und zwar von Herrn T, über den er alle Künstleragenden betreibt", mit Schreiben vom 29. November 1972 an Vizebürgermeister Gertrude F weitergeleitet; er hat dadurch die - nach den Feststellungen der Untergerichte nicht den Tatsachen entsprechende - Behauptung, daß der Kläger dem Karl P für die Vermittlung des ORF-Orchesters nach Holland eine Provision gegeben habe, durch Mitteilung an eine dritte Person weitergegeben und damit im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB "verbreitet". Daß diese Tatsachenbehauptung geeignet war, den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen des Klägers zu gefährden, ergibt sich aus dem vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Umstand, daß das Verhalten eines Impresarios, der dem Direktor eines Orchesters für die Vermittlung eines Konkurrenzorchesters eine Provision zahlt, als unehrenhaft und unkorrekt bezeichnet werden muß. Nach den Feststellungen der Untergerichte steht aber das Orchester der Wiener Symphoniker, dessen Direktor Karl P war mit dem ORF-Orchester in einem Konkurrenzverhältnis.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes greift jedoch die Haftung nach § 1330

Abs. 2 ABGB nur dann Platz, wenn derjenige, der die

kreditschädigende Tatsachenbehauptung verbreitet, deren Unwahrheit

"kannte oder kennen mußte"; das bedeutet, daß der Verletzer nach

dieser Gesetzesstelle nur dann in Anspruch genommen werden kann,

wenn er schuldhaft gehandelt hat (Koziol a. a. O., 146). Der Kläger

muß also, um einen Anspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB erheben zu

können, nicht nur beweisen, daß die verbreiteten Tatsachen unwahr

sind, sondern auch dartun, daß die Unkenntnis des Beklagten von der

Unrichtigkeit seiner Mitteilung zumindest auf Fahrlässigkeit beruht,

dem Beklagten also bei durchschnittlicher, jedermann zumutbarer

Aufmerksamkeit die Unrichtigkeit seiner Behauptungen erkennbar

gewesen wäre. Behauptet der Beklagte, daß ihn trotz der vom Kläger

dargetanen Umstände bei der Verbreitung der - erwiesenermaßen

unrichtigen - Tatsachenbehauptungen keine Fahrlässigkeit treffe,

dann muß er von sich aus behaupten und beweisen, daß er trotzdem

Anhaltspunkte für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen

hatte (SZ 23/354; SZ 37/176 = ÖBl. 1965, 69 = RZ 1965, 60; SZ 44/45

= JBl. 1972, 312 = ÖBl. 1971, 104 = RZ 1971, 121; SZ 46/114; EvBl.

1975/146; 1 Ob 344/71; 5 Ob 202/75).

Gegen die von der Rechtsprechung wiederholt vertretene, aber bereits von Wolf f in Klang[2] VI, 163 abgelehnte Auffassung, daß der Beklagte nach § 1330 Abs. 2 ABGB nur für grobe Fahrlässigkeit zu

haften habe (so z. B. SZ 23/354; SZ 37/176 = ÖBl. 1965, 69 = RZ

1976, 60,; SZ 40/4 = ÖBl. 1967, 70; ÖBl. 1970, 53), sind in letzter

Zeit vor allem von Ostheim (in JBl. 1972, 316 und JBl. 1974, 1 ff.) und von Koziol (a. a. O., 146) gewichtige Bedenken erhoben worden. Auf die damit zusammenhängenden Fragen braucht aber hier nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Umstände des vorliegenden Falles schon die Annahme einer auch nur leichten Fahrlässigkeit des Beklagten ausschließen: Dem Beklagten stand bei der Abfassung seines Schreibens an Vizebürgermeister Gertrude F nicht nur die Gesprächsnotiz seiner langjährigen, bewährten Sekretärin Johanna L, sondern auch die mündliche Bestätigung ihres Inhalts durch den ihm seit langer Zeit persönlich bekannten Dirigenten Prof. Carl M zur Verfügung. Umstände, die dem Beklagten Anlaß gegeben hätten, an der Glaubwürdigkeit von Prof. M im allgemeinen oder zumindest an der Wahrheit der in Rede stehenden Mitteilung im besonderen zu zweifeln, sind vom Kläger weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen. Da Prof. M überdies ausdrücklich auf der Weiterleitung seiner Information an Vizebürgermeister Gertrude F als Präsidentin des Vereins der Wiener Symphoniker bestand, konnte es auch der Beklagte als seine Pflicht ansehen, Gertrude F von der ihm zugekommenen, den Direktor dieses Orchesters betreffenden Mitteilung in Kenntnis zu setzen. Eine Verpflichtung des Beklagten, sich vor der Absendung des in Rede stehenden Briefes durch eine Anfrage bei Karl P oder beim Kläger Gewißheit über die Richtigkeit der betreffenden Behauptungen zu verschaffen, bestand bei dieser Sachlage nicht: Das Nichtausnützen einer - wenn auch objektiv gegebenen - Möglichkeit, sich von der Unrichtigkeit einer Tatsachenmitteilung zu überzeugen, ist für sich allein noch nicht als fahrlässiges Unterlassen zu werten (SZ 40/4 = ÖBl. 1967, 70; EvBl. 1957/64; ÖBl. 1970, 53); vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Beklagte auf Grund der gegebenen Umstände ausreichende Anhaltspunkte ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der von ihm sodann weiter verbreiteten Tatsachenmitteilungen hatte und sie daher mit Grund als wahr ansehen konnte (ÖBl. 1965, 102). Diese Frage muß jedoch aus den angeführten Erwägungen im konkreten Fall bejaht werden.

Fehlt es aber somit an einem Verschulden des Beklagten bei der Weiterleitung der ihm von Prof. M zugekommenen Tatsachenbehauptung an Vizebürgermeister Gertrude F, dann ist damit nicht nur einem auf § 1330 Abs. 2 Satz 2 ABGB gestützten Widerrufsanspruch, sondern auch einem aus dieser Gesetzesstelle abgeleiteten Anspruch auf Unterlassung der wahrheitswidrigen Behauptungen der Boden entzogen:

a) § 1330 Abs. 2 Satz 2 ABGB knüpft bei der Regelung des Anspruches auf Widerruf ausdrücklich an den ersten Satz dieser Gesetzesstelle an, welcher nur dann einen Anspruch auf Ersatz des wirklichen Schadens oder des entgangenen Gewinnes vorsieht, wenn derjenige, der die kreditschädigenden Tatsachenbehauptungen verbreitet hat, deren Unwahrheit kannte oder kennen mußte. Die daran unmittelbar anschließende Anordnung, daß "in diesem Fall ..... auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden" kann, läßt nach der eigentümlichen Bedeutung dieser Worte in ihrem Zusammenhang (§ 6 ABGB) nur die Auslegung zu, daß der Gesetzgeber damit den Anspruch oder Widerrufsveröffentlichung unter den gleichen Voraussetzungen gewähren wollte wie den unmittelbar vorher geregelten Anspruch auf Schadenersatz, daß also mit anderen Worten auch auf Widerruf einer kreditschädigenden Tatsachenbehauptung nur derjenige in Anspruch genommen werden kann, der die Unwahrheit der von ihm verbreiteten Mitteilung zumindest kennen mußte. Demgemäß hat auch der OGH, wie die Revision im übrigen selbst einräumen muß, für den Widerrufsanspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB bisher immer ein Verschulden des Verletzers verlangt (so z. B. in SZ 23/4; SZ 23/354;

SZ 25/169; SZ 37/176 = ÖBl. 1965, 69 = RZ 1965, 60; SZ 40/4 = ÖBl. 1967, 70; SZ 46/114; ZBl. 1931/245; EvBl. 1957/64; ÖBl. 1965, 102;

ÖBl. 1970, 53; im gleichen Sinne ausdrücklich Zimbler, Der Widerruf nach § 1330 ABGB und § 7 UWG, JBl. 1934, 523 ff. (525) Wolff in Klang[2] VI, 164). Auch der in der zweiten Revision unternommene Versuch des Klägers, unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zu § 824 dBGB aus "allgemeinen Rechtsgrundsätzen" und den "Erfordernissen der Gerechtigkeit" auch für den österreichischen Rechtsbereich einen vom Verschulden des Verletzters unabhängigen Anspruch auf Widerruf kreditschädigender Tatsachenbehauptungen abzuleiten, muß am klaren Wortlaut des § 1330 Abs. 2 Satz 2 ABGB scheitern. Aus dem Hinweis auf die Ausführungen Rummels (in Koziol a. a. O., 222 f.) ist dabei für den Standpunkt des Klägers schon deshalb nichts zu gewinnen, weil es dort primär um die Rechtsnatur des Widerrrufsanspruches nach § 7 Abs. 1 UWG geht, welcher aber nach einhelliger Rechtsprechung - anders als der Anspruch auf Widerruf nach § 1330 Abs. 2 ABGB - kein Verschulden des Beklagten voraussetzt (so auch Rummel a. a. O.). Auch wenn man aber mit Rummel grundsätzlich darin übereinstimmt, daß ein Widerrufsbegehren ganz allgemein nicht nur als verschuldensabhängiger Schadenersatzanspruch, sondern auch als - vom Verschulden des Verletzers unabhängiger - Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann - und zwar je nachdem, ob eine noch fortwirkende Störung oder ein bereits abgeschlossener, durch Naturalrestitution rückgängig zu machender Schaden vorliegt, läßt doch der Wortlaut des § 1330 Abs. 2 ABGB die vom Kläger vertretene Auslegung, der österreichische Gesetzgeber habe in dieser Bestimmung den Widerrufsanspruch "als Folgenbeseitigungsanspruch nur für den Fall eines abgeschlossenen Schadensfalles" geregelt, ohne einen darüber hinausgehenden, für den Fall einer fortdauernden Beeinträchtigung anzunehmenden, verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch auszuschließen, nicht zu. Daß dem österreichischen Recht ein solcher verschuldensunabhängiger Folgenbeseitigungsanspruch in anderen Fällen durchaus nicht unbekannt ist (vgl. dazu etwa § 364 Abs. 2, § 523 ABGB; § 15 UWG; § 82 UrhG), kann nichts daran ändern, daß nach der insoweit völlig klaren und unmißverständlichen Fassung des § 1330 Abs. 2 Satz 2 ABGB ein Anspruch auf Widerruf der kreditgefährdenden Tatsachenbehauptungen eben nur "in diesem Fall" - nämlich unter den Voraussetzungen des ersten Satzes und damit nur bei verschuldeter Unkenntnis der Unwahrheit der betreffenden Behauptungen - gegeben ist. Soweit der Revisionswerber aber darauf verweist, daß man nicht einerseits bei drohender Wiederholungsgefahr zur Hintanhaltung künftiger Schädigungen einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch anerkennen, bei einer fortwirkenden, Störung aber einen gleichfalls vom Verschulden des Verletzers unabhängigen Beseitigungsanspruch verweigern könne, geht diese Argumentation schon deshalb ins Leere, weil § 1330 Abs. 2 ABGB, wie im folgenden begrundet werden wird, auch keinen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch gewährt

b) Wie der Revisionswerber insoweit zutreffend ausführt, stimmen Lehre und Rechtsprechung darin überein, daß aus § 1330 Abs. 2 ABGB nicht nur ein Anspruch auf Widerruf und Widerrufsveröffentlichung, sondern auch ein Anspruch auf - Unterlassung der kreditgefährdenden Tatsachenmitteilungen abzuleiten ist (SZ 3/51; SZ 23/354; SZ 36/146 = EvBl. 1964/204; JBl. 1958, 233; JBl. 1974, 527 = ÖBl. 1975, 86; 5 Ob 5, 6/68; 7 Ob 56/69; 5 Ob 502/75; 4 Ob 10/77; Ehrenzweig a. a. O., 661; Wolff a. a. O., 165; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 180). Der Kläger meint nun, daß für diesen Unterlassungsanspruch - ebenso wie für denjenigen nach § 7 Abs. 1 UWG - kein schuldhaftes Verhalten des Verletzers, sondern bloß objektive Rechtswidrigkeit seines Verhaltens sowie Wiederholungsgefahr erforderlich sei; er beruft sich dabei nicht nur auf Lehre und Rechtsprechung zu § 824 dBGB, sondern auch auf einen Teil des österreichischen Schrifttums zu § 1330 Abs. 2 ABGB, wonach der Unterlassungsanspruch nach dieser Gesetzesstelle als negatorischer Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen kein Verschulden des Beklagten erfordere (so tatsächlich Ehrenzweig a. a. O., 661; Wolf a. a. O., 165). Demgegenüber hat aber der OGH schon mehrfach (zuletzt in SZ 47/62 = EvBl. 1974/295 = JBl. 1974, 523 = NZ 1975, 28 ausdrücklich darauf verwiesen, daß das österreichische bürgerliche Recht keine allgemeine Regelung der (vorbeugenden) Unterlassungsklage enthält, sondern nur in bestimmten Fallen einer rechtswidrige Beeinträchtigung oder Gefährdung ausdrücklich einen Unterlassungsanspruch vorsieht (so etwa in §§ 43, 339 und 523 ABGB). Der von einem Teil der Rechtslehre vertretenen Auffassung, die Unterlassungsklage sei nicht nur bei vertraglichen Unterlassungspflichten und bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung, sondern darüber hinaus - nach dem Vorbild des deutschen Rechtes - auch überall zuzulassen, wo eine Unterlassungspflicht besteht und ein dringendes Rechtsschutzbedürfnis ihre vorsorgliche Geltendmachung verlangt (so vor allem Ehrenzweig a. a. O., 10;

ähnlich auch noch EvBl. 1963/45), ist die neuere Rechtsprechung des OGH (SZ 36/146 = EvBl. 1964/204; EvBl. 1964/300 = RZ 1964, 139;

EvBl. 1971/317 = ÖBl. 1972, 32) nur mit Einschränkungen gefolgt:

Nach ihr läßt das Gesetz (vorbeugende) Unterlassungsklagen sowohl zum Schutz vor Eingreifen in dingliche Rechte, insbesondere im Rahmen des Nachbarrechtes (§§ 339, 364, 523 ABGB), als auch im Rahmen bestehender Schuldverhältnisse zu; außerhalb von Schuldverhältnissen gewährt der Gesetzgeber aber einen derartigen Unterlassungsanspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen, so insbesondere zum Schutz des Namens (§ 43 ABGB), zur Untersagung der weiteren Führung einer Firma (§ 37 Abs. 2 HGB) oder bei Verletzung gewerblicher Schutzrechte (§ 14 UWG; § 148 PatG; § 81 UrhG usw.).

Läßt sich aber im Sinne dieser Rechtsauffassung der Anspruch auf Unterlassung kreditschädigender Tatsachenbehauptungen entgegen der für den deutschen Rechtsbereich vertretenen Ansicht nicht schon aus einer allgemeinen Rechtspflicht zur Unterlassung rechtswidriger Handlungen, sondern im Sinne der vor allem in SZ 3/51 und SZ 23/354 ausführlich dargelegten Erwägungen allein im Wege eines Größenschlusses aus dem von § 1330 Abs. 2 ABGB ausdrücklich anerkannten Widerrufsanspruch ableiten, dann folgt daraus, daß auch die rechtlichen Voraussetzungen dieser beiden Ansprüche die gleichen sein müssen, der Verletzer also nur dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn er die Unwahrheit der von ihm Tatsachenbehauptungen kannte oder kennen mußte. Auch der oberste Gerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur die Ansprüche auf Unterlassung und auf Widerruf kreditschädigender Tatsachenbehauptungen ausnahmslos gleichgestellt und an den Nachweis eines Verschuldens des Verletzers gebunden (SZ 21/35; SZ 23/4; SZ 23/354; SZ 37/176 = ÖBl. 1965, 69 = RZ 1965, 60; SZ 40/4 = ÖBl. 1967, 70; SZ 46/114; ZBl. 1931/245; EvBl. 1957/64; ÖBl. 1965, 102; ÖBl. 1970, 53);, er hat darüber hinaus in SZ 36/146 = EvBl. 1964/204 eine (vorbeugende) Unterlassungsklage an Stelle oder neben der nach § 1330 Abs. 2 ABGB. Auch der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen, zumal der Kläger dagegen auch in seiner Revision nichts Stichhältiges vorzubringen vermag. Seine hier abgelehnte, gegenteilige Auffassung hätte im übrigen auch eine völlige Entwertung der Bestimmung des dritten Satzes des § 1330 Abs. 2 ABGB zur Folge, würde doch die Anerkennung eines vom Verschulden des Verletzers unabhängigen Unterlassungsanspruches - welcher dann folgerichtig auch bei nichtöffentlich vorgebrachten Mitteilungen, an denen der Verletzer oder der Empfänger der Mitteilung ein berechtigtes Interesse hat, gelten müßte (so tatsächlich Wolff a. a. O., 165) - den Zweck der genannten Bestimmung, solche Mitteilungen unter den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle ohne weitere Nachprüfung zu gestatten und auf diese Weise vor allem den ungestörten Geschäftsbetrieb berufsmäßiger Auskunftsstellen zu sichern (siehe dazu die Begründung zu Art. I § 168 der III. Teilnovelle bei Schey 47), praktisch zunichte machen.

Zusammenfassend kommt der OGH daher zu dem Ergebnis, daß sowohl der Unterlassungs- als auch der Widerrufsanspruch des § 1330 Abs. 2 ABGB im Sinne des ersten Satzes dieser Gesetzesstelle ein Verschulden des Beklagten voraussetzt und daher nur dann gegeben ist, wenn der Verletzer die Unwahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachenbehauptungen kannte oder kennen mußte. Da dem Beklagten, wie erwähnt, im konkreten Fall ein solches Verschulden nicht angelastet werden kann, haben die Untergerichte das Klagebegehren im Ergebnis mit Recht abgewiesen.

Anmerkung

Z50086

Schlagworte

Ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, Tatsachenbehauptungen, ehrenrührige -, Unterlassungsanspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB, Verbreiten, Begriff des - im Sinne des § 1330 Abs. 2 ABGB, Widerspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB, Zu Zwecken des Wettbewerbs

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00320.77.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19770614_OGH0002_0040OB00320_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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