TE OGH 1977/6/14 4Ob348/77

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Veröffentlicht am 14.06.1977
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Norm

ABGB §1489
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §20

Kopf

SZ 50/87

Spruch

Die Verjährungsfrist nach § 20 Abs. 1 UWG beginnt zu laufen, wenn der Verletzte die Person des Verletzers, zumindest aber solche Umstände kennt, die es ihm ermöglichen, den Verletzer in zumutbarer Weise ohne besondere Mühe festzustellen oder sich die zur Erhebung einer Klage allenfalls noch fehlenden Angaben über die Person des Verletzers jederzeit leicht zu verschaffen; im letzterwähnten Fall gilt die Kenntnis als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie dem Verletzten bei entsprechender Erkündigung zuteil geworden wäre

OGH 14. Juni 1977, 4 Ob 348/77 (OLG Linz 5 R 179/76; KG Wels 4 Cg 280/76)

Text

Am 7. August 1975 erschien im "V-Wochenspiegel" nachstehendes Inserat des Beklagten: "Ofen-W drückt den PreisÜ V, Bahnhofstraße 11, Osteinfahrt der Stadt - Telefon 07672/2656. Exklusivstützpunkt der Leichtküchen von Schwäbisch-Gmund, AUGUST AKTION AEG-Einbaupaket bestehend aus Backrohr, rostfreier Kochmulde, Dunstabzug, Kühlschrank mit Abtauautomatik und Dekorrahmen S 10 900 exkl. MwSt."

Das Inserat enthält außerdem noch ein Bildzeichen, bestehend aus den stilisierten Buchstaben "JW" mit dem Beisatz "Küche + Herd"

Der klagende Verband erblickt in dieser Ankündigung einen Verstoß gegen §§ 1 und 2 UWG, weil der Letztverbraucher den Hinweis, daß sich der angegebene Preis "exkl. MwSt." verstehe, übersehen oder zumindest mißverstehen könne und dadurch über die tatsächliche Höhe des von ihm zu zahlenden Kaufpreises irregeführt werde. Der Kläger begehrt daher in seiner am 15. Juli 1976 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Verurteilung des Beklagten, in seiner Kundenwerbung für den Verkauf von Elektrogeräten, insbesondere in

Inseraten und Werbeprospekten, sofern sich diese nicht ausschließlich an Wiederverkäufer richten, die Angabe von Nettopreisen - ohne Einbeziehung der 16%igen Umsatzsteuer - zu unterlassen; außerdem verlangt der Kläger die Befugnis zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Beklagten in zwei namentlichangeführten Zeitungen. Die Klage könne erst jetzt eingebracht werden, weil der Kläger sie Urheberschaft des Beklagten an dem beanstandeten Inserat erst vor kurzem in Erfahrung gebracht habe.

Der Beklagte wendete u. a. Verjährung des Unterlassungsanspruches gemäß § 20 UWG ein: Das beanstandete Inserat enthalte die genaue Firmenbezeichnung, die genaue Adresse und die Telefonnummer des Beklagten. Schon ein Anruf beim "V-Wochenspiegel" hätte genügt, um die Urheberschaft zu klären; auch durch einen Blick in das Amtliche Telefonbuch für Oberösterreich 1975 wäre die Firma des Beklagten jederzeit aufzufinden gewesen. Im übrigen stehe einer Klageführung nach Ablauf eines so langen Zeitraums der Einwand der Sittenwidrigkeit entgegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte zur Verjährungsfrage folgendes fest:

Nachdem der Klagevertreter im September 1975 das beanstandete Inserat vom Kläger mit dem Auftrag zur Klageführung übermittelt erhalten hatte und ihm auf seine Frage mitgeteilt worden war, daß der Kläger die genaue Bezeichnung des Urhebers dieses Inserates nicht erhoben habe, nahm er zunächst in den sogenannten Handelskompaß - ein Verzeichnis aller im Handelsregister eingetragenen Betriebe - Einsicht. Da diese Nachforschungen erfolglos blieben, wandte sich der Klagevertreter mit Schreiben vom 15. Dezember 1975 an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich und ersuchte um Mitteilung des Inhabers der Firma "Ofen-W, V, Bahnhofstraße 11". Nachdem er die Beantwortung dieses Ersuchens am 2. Feber 1976 urgiert hatte, teilte ihm die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich mit Schreiben vom 6. Feber 1976 den Vornamen, das Geburtsdatum und die Daten der Gewerbeberechtigungen des Beklagten mit. Im Amtlichen Telefonbuch für Oberösterreich 1974/75 findet sich bei der Telefonnummer 2656 folgende Eintragung:

"Johann W, M-Öfen, Herde, Heizungen, Lohberger Mattighofen, V, Bahnhofstraße 11".

Rechtlich war das Erstgericht der Meinung, daß der Urheber des beanstandeten Inserates schon aus diesem selbst eindeutig zu entnehmen gewesen sei. Von allen zur Bezeichnung des Beklagten bei Verfassung einer Klage notwendigen Daten habe lediglich der Vorname gefehlt; dieser hätte aber - ganz abgesehen davon, daß sein Anfangsbuchstabe "J" dem Inserat gleichfalls zu entnehmen gewesen wäre - durch einfache Erhebungen innerhalb kürzester Zeit in Erfahrung gebracht werden können. Im übrigen genüge es, daß der Verletzte die Person des Verletzers kenne und sich in zumutbarer Weise ohne besondere Mühe die zur Klageerhebung fehlenden Angaben jederzeit verschaffen könne. Das bloße Fehlen des Vornamens des Beklagten könne den Beginn der Verjährungsfrist keinesfalls hemmen, zumal es sonst praktisch im Belieben des Klägers stunde, die Verjährung auf unbegrenzte Zeit hinauszuschieben. Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 UWG sei somit am 7. Feber 1976 abgelaufen, die am 15. Juli 1976 überreichte Klage daher verspätet eingebracht.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Wie das Berufungsgericht ausführte, sei dem Kläger zwar einzuräumen, daß es nach § 20 Abs. 1 UWG ebenso wie nach § 1489 ABGB nicht darauf ankomme, ob der Anspruchsberechtigte die Handlung und die Person des Verpflichteten habe kennen können oder kennen müssen, sondern allein darauf, in welchem Zeitpunkt er sie tatsächlich kannte. Dennoch dürfe sich der Verletzte nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen,ob die Kenntnis der maßgebenden Umstände eines Tages zufällig an ihn herangetragen werde, oder sich gar einer solchen Kenntnisnahme bewußt verschließen, gehe doch die Absicht des Gesetzes dahin, Wettbewerbsverstöße im Interesse aller Beteiligten möglichst rasch zu klären. Es genüge daher, daß dem Verfetzten Umstände bekannt seien, die ohne besondere Mühe die Feststellung der Person des Verpflichteten ermöglichten; könne er auf Grund solcher Umstände zumutbarerweise ohne nennenswerte Mühe den Namen und die Anschrift des Verpflichteten in Erfahrung bringen oder sich die sonst zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Angaben verschaffen, dann gelte die Kenntnisnahme dieser Umstände als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie dem Berechtigten bei entsprechender Erkündigung zuteil geworden wäre. Im konkreten Fall hätte der Kläger schon durch einen einzigen Blick in das Amtliche Telefonbuch für Oberösterreich erfahren, daß das Inserat von Johann W in V, Bahnhofstraße 11, aufgegeben worden war. Allfällige Zweifel an der Identität dieses Johann W mit dem Inhaber der inserierenden Firma hätten durch ein einfaches Telefongespräch mit der zuständigen Gewerbebehörde endgültig beseitigt werden können. Da es dem Kläger - welcher im übrigen auch die von ihm angestellten Erhebungen bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich viel rascher und energischer hätte vorantreiben müssen - solcherart ein leichtes gewesen wäre, die Identität des Beklagten jedenfalls bis zum Jahresende 1975 klarzustellen, habe die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 20 Abs. 1 UWG spätestens mit dem Beginn des Jahres 1976 zu laufen begonnen. Die erst am 15. Juli 1976 eingebrachte Unterlassungsklage sei somit mit Recht wegen Verjährung abgewiesen worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 20 Abs. 1 UWG verjähren die in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz in sechs Monaten von der Zeit an, zu welcher der Anspruchsberechtigte "von der Handlung und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat". Name und Anschrift des Verfetzers brauchen dem Verletzten dabei ebensowenig bekannt zu sein wie im vergleichbaren Fall einer Schadenersatzklage nach § 1489 ABGB; hier wie dort muß es genügen, daß er die Person des Verletzers, zumindest aber solche Umstände, kennt, die es ihm ermöglichen, den Verfetzer in zumutbarer Weise ohne besondere Mühe festzustellen oder sich die zur Erhebung einer Klage allenfalls noch fehlenden Angaben über die Person des Verletzers jederzeit leicht zu verschaffen (Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht[11] I, 1283 § 21 dUWG Anm. 15; zu § 1489 ABGB vgl. auch SZ 44/115 = EvBl. 1972/87; Klang[2] VI, 637). Die nach dem Gesetz erforderliche Kenntnis der Person des Verletzers gilt im letzterwähnten Fall als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie dem Verletzten bei entsprechender Erkündigung zuteil geworden wäre (SZ 44/115 = EvBl. 1972/87; ZVR 1972/157; ZVR 1976/209 u. v. a.).

Im konkreten Fall waren dem Kläger schon aus der Zeitungsanzeige vom 7. August 1975 die Unternehmensbezeichnung ("Ofen-W"), die Adresse und die Telefonnummer des Inserenten bekannt. - Der Kläger kannte damit also nicht nur den (vermeintlichen) Wettbewerbsverstoß, sondern auch die Person dessen, der ihn begangen hatte; was er zunächst nicht wußte, war lediglich der genaue Firmenwortlaut dieses Unternehmens bzw. - für den Fall des Vorliegens eines nichtprotokollierten Handelsgewerbes - der Name des Unternehmensinhabers. Die Kenntnis dieser für die Verfassung einer Klageschrift notwendigen Daten konnte der Kläger aber, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, rasch und auf einfache Weise aus dem Handelsregister und dem Amtlichen Telefonbuch für Oberösterreich sowie gegebenenfalls durch geeignete Erhebungen bei der zuständigen Gewerbebehörde oder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich erlangen. Wenn sich der Klagevertreter aus den in der Revision angeführten Gründen mit der bloßen Einsichtnahme in das Amtliche Telefonbuch nicht begnügen, sondern durch eine Anfrage an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich volle Gewißheit über die Identität des Inhabers der nichtprotokollierten Firma "Ofen-W" schaffen wollte, dann war diese Vorgangsweise an sich durchaus zweckmäßig; die dadurch bis zur Überreichung der Klage eingetretene Verzögerung von elf Monaten ist aber nach den Feststellungen der Untergerichte allein vom Kläger zu vertreten: Daß das beanstandete Inserat dem Klagevertreter erst "etliche Wochen nach seinem Erscheinen zugekommen ist," geht ebenso zu Lasten des Klägers wie der Umstand, daß wegen der Notwendigkeit "entsprechender interner Rückfragen" und infolge der Verbindung mit drei weiteren Namenserhebungen das Ersuchschreiben an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich erst am 15. Dezember 1975 - mehr als vier Monate nach dem Erscheinen des Inserates - abgeschickt und seine Beantwortung erst nach weiteren sieben Wochen am 2. Feber 1976 - also unmittelbar vor dem Ablauf der Verjährungsfrist - urgiert wurde. Warum der Klagevertreter, welchem die Antwort der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich am 11. Feber 1976 zugegangen war, in der Folge mit der Überreichung der Klage noch weitere fünf Monate bis zum 15. Juli 1976 zugewartet hat, wird im übrigen auch in der Revision mit keinem Wort erklärt. Der Kläger kann jedenfalls selbst nicht behaupten, daß es seinem Vertreter bei unverzüglicher Inangriffnahme der notwendigen Erhebungen und entsprechendem Nachdruck nicht möglich gewesen wäre, den Vornamen des Beklagten rechtzeitig innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist in Erfahrung zu bringen; auch das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte in dieser Richtung ergeben. Geht man aber davon aus, daß dem Kläger die "Person des Verpflichteten" im Sinne des § 20 Abs. 1 UWG bereits aus dem Inserat vom 7. August 1975 bekannt war und es ihm überdies ohne jede Schwierigkeit möglich gewesen wäre, sich die zur Erhebung einer Klage erforderlichen, aus dem Inserat selbst nicht ersichtlichen Daten - hier: den Vornamen des Beklagten - innerhalb kürzester Zeit zu verschaffen, dann war der Unterlassungsanspruch des Klägers - gleichgültig ob man die sechsmonatige Verjährungsfrist schon mit der Kenntnis des beanstandeten Inserates oder im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erst mit dem Zeitpunkt beginnen läßt, in welchem der Kläger bei entsprechender Erkündigung Kenntnis von den maßgebenden Umständen erlangt hätte - im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage am 15. Juli 1976 in jedem Falle verjährt. Die Untergerichte haben daher das Klagebegehren mit Recht wegen Verjährung

Anmerkung

Z50087

Schlagworte

Verjährung nach UWG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0040OB00348.77.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19770614_OGH0002_0040OB00348_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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