TE OGH 1977/11/24 7Ob691/77

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Veröffentlicht am 24.11.1977
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Norm

ABGB §1489
ABGB §1494
ABGB §1497
deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §209
Handelsgesetzbuch §160
KO §9 Abs1
KO §144

Kopf

SZ 50/155

Spruch

Die Verjährung und ihre Unterbrechung sind nach dem Vertragsstatut zu beurteilen

Der Gesellschafter einer OHG kann die Beschaffenheit einer im Konkurs der Gesellschaft unbestritten gebliebenen Forderung als Konkursforderung gemäß § 129 Abs. 1 HGB nicht mehr bestreiten, wohl aber die Verjährung der Gesellschaftsschuld ihm gegenüber einwenden.

- Zur Unterbrechung der Verjährung durch die mit der Konkurseröffnung bewirkte Auflösung der Gesellschaft auch gegen den Gesellschafter nach deutschem Recht

OGH 24. November 1977, 7 Ob 691/77 (OLG Linz 2 R 74, 83/77; LG Salzburg 11 Cg 492/76)

Text

Der Beklagte war persönlich haftender Gesellschafter der Firma Christian W, graphische Betriebe OHG in F, Bundesrepublik Deutschland, über deren Vermögen mit Beschluß des Amtsgerichtes F vom 8. März 1973 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die klagende Partei meldete am 2. November 1973 eine Forderung von 29 114.48 DM (zuzüglich nicht mehr streitverfangenen 20 DM Mahnspesen) für Warenlieferungen auf Grund von Rechnungen aus der Zeit vom 15. August 1972 bis 30. März 1973 an, die von der Gemeinschuldnerin anerkannt, vom beklagten Gesellschafter nicht bestritten und vom Amtsgericht F in voller Höhe festgestellt wurde. Diese Forderung konnte nach Aufhebung des Konkurses am 29. April 1976 nicht einmal teilweise befriedigt werden, so daß sie zur Gänze aufrecht ist. Die Klägerin begehrt nun Zahlung durch den persönlich haftenden Beklagten. Dieser wendete insbesondere Verjährung ein.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren zum Teil, nämlich hinsichtlich des Teilbetrages von 12 725.39 DM statt (welcher Zuspruch unangefochten blieb) und wies das Mehrbegehren auf 16 389.09 S samt Nebengebühren ab. Diese unterschiedliche Erledigung beruhte auf der Feststellung, daß die Rechnungen nur in der Höhe des zugesprochenen Betrages aus der Zeit zwischen dem 23. November 1972 und dem 28. Feber 1973 stammten, in Verbindung mit der rechtlichen Beurteilung, daß ältere Forderungen außerhalb der nach deutschem Recht zu beurteilenden vierjährigen Verjährungsfrist lägen und hinsichtlich der jüngsten Rechnungen nicht erwiesen sei, daß es sich um Konkurs- (und nicht Masse-)Forderungen handle, für die der Gesellschafter hafte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab. Es vertrat - ebenfalls in Anwendung des deutschen Rechts - die Ansicht, daß die Feststellung der Konkursforderung die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils habe, sofern die Gesellschafter die angemeldete Forderung nicht bestritten haben. Das Unterlassen des Widerspruchs durch den am Konkursverfahren gesetzmäßig beteiligten Beklagten schneide ihm dann das Recht ab zu bestreiten, daß es sich bei den Forderungen aus den nach Konkurseröffnung ausgestellten Rechnungen um Konkursforderungen gehandelt habe. Aber auch hinsichtlich der älteren Forderungen habe die ausländische Gerichtsentscheidung sogenannte Tatbestands- oder Reflexwirkung derart, daß die gesamte Forderung mangels Erhebung eines Widerspruches des Beklagten auch gegenüber ihm rechtswirksam festgestellt sei und er nicht mehr Verjährung einwenden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Rücksicht darauf, daß die Klagsforderungen auf Rechtsgeschäften beruhen, die in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen wurden, haben die Vorinstanzen zutreffend und auch unbekämpft das deutsche materielle Recht angewendet (§ 37 ABGB). Danach ist auch die Verjährung und ihre allfällige Unterbrechung zu beurteilen (Schwind, Handbuch des IPR, 345 ff.; SZ 38/24; SZ 40/88).

Nicht gefolgt werden kann der Meinung des Revisionswerbers, daß er im Konkurs über die Gesellschaft keine Möglichkeit gehabt habe, die Forderung der Klägerin als Gesellschafter anzuerkennen oder zu bestreiten, sodaß ihm weiterhin alle Einreden offen stunden. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß einer auch vom Gesellschafter unbestrittenen Feststellung der Gesellschaftsschuld in der Konkurstabelle wie bei einem rechtskräftigen Urteil (§ 145, 2 dKO) die Wirkung einer rechtskräftigen Feststellung des Bestehens dieser Gesellschaftsschuld auch gegen den persönlich haftenden Gesellschafter zukommt (Baumbach - Duden HGB[22], 485; Jaeger, KOB[8] II/1, 474 f.), so daß der Gesellschafter im Prüfungstermin Widerspruch gegen die Forderung erheben muß (§ 144 dKO), wenn er verhindern will, daß die Rechtskraft des Tabelleneintrags nach Maßgabe des § 129 Abs. 1 HGB gegen ihn wirkt (Mentzel - Kuhn, KO[8], 740, 754; Jaeger a. a. O.; Schlegelberger, HGB[4] II, 1109; vgl. SZ 44/160). Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht die bindende Wirkung der Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle der Gesellschaft insoweit angenommen, als es um die Eigenschaft einer Konkursforderung gegen die Gesellschaft geht. Einwendungen gegen diese Beschaffenheit der Klagsforderung fallen nicht unter § 129 Abs. 1 HGB, weil sie von der Gesellschaft nicht mehr erhoben werden können und nicht in der Person des Revisionswerbers begrundet sind. Er kann sie deshalb auch in dem gegen ihn geführten Rechtsstreit nicht mehr geltend machen. Der Zuspruch des aus den letzten Rechnungen abgeleiteten Klagsteilbetrages von 1 085.33 DM entspricht demnach dem Gesetz, zumal insoweit Verjährung nicht in Betracht kommt.

Hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von 15 303.76 DM bekämpft der Revisionsbewerber allerdings mit Recht die Meinung des Berufungsgerichtes, daß er Verjährung schon wegen der Rechtskraftwirkung der Feststellung der Gesellschaftsschuld nicht mehr geltend machen könne. Die Einrede, daß eine Gesellschaftsschuld gegenüber dem einzelnen Gesellschafter verjährt sei, stellt nämlich eine Einwendung dar, die nur in seiner Person begrundet ist und deshalb nach § 129 Abs. 1 HGB unabhängig von der Rechtslage gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden kann, selbst wenn gegen die OHG bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen oder gegen sie die Forderung zur Konkurstabelle festgestellt ist (Hueck, Das Recht der OHG[4], 525; Schlegelberger a. a. O., 1146, 1327; RGZ 70, 323; RGZ 74, 63 f; vgl. auch SZ 32/95; SZ 44/144 u. a.). Die nachträgliche Verlängerung der Verjährungsfrist gegen die Gesellschaft durch Schaffung einer Judikatsschuld kommt dem Gläubiger gegen den einzelnen Gesellschafter mangels Verwendbarkeit des Exekutionstitels (§ 129 Abs. 4 HGB) ebenfalls nicht zugute (Hueck a. a. O.; Schlegelberger a. a. O., 1325; SZ 44/114; SZ 45/105). Schließlich ist dem Revisionswerber auch noch dahin zu folgen, daß die Klägerin durch das Konkursverfahren gegen die Gesellschaft nicht gehindert war, die Forderung gleichzeitig gegen ihn geltend zu machen (§ 128 HGB; Hueck a. a. O., 386).

Damit ist jedoch im Ergebnis für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Die Klägerin beruft sich nämlich mit Recht auf § 160 HGB. Nach dieser Gesetzesbestimmung wirkt die Unterbrechung der Verjährung gegenüber einer aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber jenen Gesellschaftern, welche der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben. Der Zweck der Gesetzesbestimmung überflüssige Prozesse zu vermeiden, solange der Gläubiger noch mit einer wenigstens teilweisen Befriedigung durch die Gesellschaft rechnen kann (Hueck a. a. O., 527 f.; Schlegelberger a. a. O., 1327; vgl. auch den vierten Abs. der Entscheidung SZ 44/142).

Im vorliegenden Fall wurde die OHG gemäß § 131 Z. 3 HGB durch die Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen aufgelöst. Damals gehörte ihr der Beklagte als Gesellschafter an. Gegenüber der aufgelösten Gesellschaft wurde die vom Erstrichter gemäß § 196 Abs. 1 in Verbindung mit § 196 Abs. 1 Z. 1 BGB zutreffend mit 4 Jahren angenommene und damals daher (früheste Rechnung vom 15. August 1972) noch nicht abgelaufene Verjährung durch die Anmeldung des Anspruches in deren Konkurs am 2. November 1973 unterbrochen (§ 209 Abs. 2 Z. 2 BGB) und diese Unterbrechung dauerte fort, bis der Konkurs am 29. April 1976 durch Aufhebung beendet wurde (§ 214 Abs. 1 BGB), Der Beklagte muß diese Unterbrechung der Verjährung gegen sich gelten lassen. Da die Klage am 17. November 1976 erhoben wurde, ist nach der im Ergebnis zutreffenden rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes auch der älteste Teil der Klagsforderung nicht verjährt. Das materielle Zu-Recht-Bestehen dieser Forderung ist nach dem eingangs Gesagten nicht zu prüfen.

Anmerkung

Z50155

Schlagworte

Konkurstabelle, Wirkung der Feststellung einer Forderung, Verjährung und Unterbrechung nach Vertragsstatut, Verjährungsunterbrechung durch Konkurseröffnung auch nach deutschem, Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0070OB00691.77.1124.000

Dokumentnummer

JJT_19771124_OGH0002_0070OB00691_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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