TE OGH 1978/1/26 7Ob743/77

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Veröffentlicht am 26.01.1978
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Norm

Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken P. 17 Abs1
ABGB §863
ABGB §871
ABGB §886
ABGB §901
ABGB §915
ABGB §1353
ABGB §1357
Grundbuchsgesetz §14 Abs2
Handelsgesetzbuch §346

Kopf

SZ 51/9

Spruch

Die bloße Vereinbarung der ergänzenden Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der kreditgebenden Bank genügt nicht, um vom Bürgen (und Zahler) die Bestellung von Pfändern zu fordern

OGH 26. Jänner 1978, 7 Ob 743/77 (OLG Wien 5 R 150/77; LG ZRS Wien 39 c Cg 153/75)

Text

Die Beklagte übernahm durch Unterfertigung der Bürgschaftserklärung Beilage B vom 6. November 1972 gegenüber einem Bankenkonsortium unter der Führung der klagenden Bank die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Forderungen, welche dem Konsortium bzw. den an ihm beteiligten Banken aus dem an die "Firmengruppe Wilhelm A" eingeräumten Konsortialkredit von rund 20 Mill. sfr jetzt oder künftig zustehen. Nach der Vereinbarung sollte für das Bürgschaftsverhältnis ausschließlich deutsches Recht gelten, das Konsortium jedoch auch berechtigt sein, sein Recht in jedem anderen Land und nach dem dort gültigen Recht zu suchen. Ergänzend sollten die jeweiligen "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der am Konsortium beteiligten Banken gelten, in Zweifelsfällen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der S-Bank KG in Hamburg. Punkt 19 Abs. 1 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt, daß die Bank ihren Kunden gegenüber jederzeit Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten hat, auch soweit sie bedingt und befristet sind. Die Klägerin begehrt nun die Verurteilung der Beklagten zur Stellung eines Anbots auf Verpfändung ihrer Liegenschaft EZ 1139 KG H zur Sicherstellung aller Forderungen und Ansprüche an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten aus der Bürgschaftserklärung vom 6. November 1972 bezüglich des der Firmengruppe Wilhelm A gewährten Kredites im Gegenwert von rund 20 Mill. sfr unter gleichzeitiger Einwilligung in die Einverleibung eines Pfandrechtes für die vorbezeichneten Forderungen an Haupt- und Nebenverbindlichkeiten mit dem Betrag von 50 Mill. S.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den dargestellten Sachverhalt hinaus fest, daß die Beklagte die vom Leiter einer Niederlassung der S-Bank entworfene Bürgschaftserklärung im November 1972 in W nach Vorlage und auf Ersuchen ihres damaligen Ehemannes unterfertigt hat. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen lagen der Beklagten in diesem Zeitpunkt nicht zur Einsicht vor. Nach Ansicht des Erstgerichtes ist mit Rücksicht auf die Rechtswahlvereinbarung österreichisches Recht anzuwenden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der S-Bank seien wohl durch die ausdrückliche Vereinbarung ihrer Geltung Vertragsinhalt geworden, auch wenn sie bei der Unterfertigung durch die Beklagte nicht vorlagen; insoweit sei der Fall nicht anders als bei unbesehener Unterfertigung einer Urkunde zu behandeln. Punkt 19 Abs. 1 AGB gewähre jedoch der Bank den Anspruch auf nachträgliche Bestellung einer Sicherheit nur gegenüber ihren Kunden. Ein solcher sei nur der Kreditnehmer der Bank, nicht aber der Bürge, so daß der Klagsanspruch aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht abgeleitet werden könne. Eine gegenteilige Ansicht würde dem Sinn und Zweck der Schutzbestimmung über die Schriftform der Bürgschaftserklärung widersprechen, zumal gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorsicht am Platz sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte einen Verfahrensmangel und trat auf der Grundlage der unbekämpften Tatsachenfeststellungen der Rechtsansicht des Erstgerichtes über die Anwendbarkeit des österreichischen Rechtes sowie über die Wirksamkeit der ausdrücklichen Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei, bejahte aber auch die Wirksamkeit des Punktes 19 Abs. 1 dieser AGB. Die Vertragsklausel könne sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, daß die AGB ohne Rücksicht darauf ergänzend gelten sollen, ob die Beklagte Kundin der Klägerin sei, und binde sie dann auch im strittigen Punkt. Das Berufungsgericht gelangte dennoch zur Bestätigung des klagsabweisenden Ersturteiles aus der Erwägung, daß die Klägerin inhaltlich den Erwerb einer Höchstbetragshypothek anstrebe, die jedoch wegen der taxativen Aufzählung der auf solche Weise sicherstellbaren Grundforderungen im § 14 Abs. 2 GBG für eine Bürgschaftsschuld nicht begrundet werden könne. Es erübrige sich bei dieser Rechtslage, auf die weiteren Einwendungen der Beklagten einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Ein Eingehen auf die Revisionsausführungen der Klägerin zu dem vom Berufungsgericht herangezogenen grundbuchsrechtlichen Klagsabweisungsgrund erübrigt sich, weil der Revisionsgegnerin dahin zu folgen ist, daß der Klägerin überhaupt kein Anspruch auf Bestellung nachträglicher Sicherheiten durch die Bürgin zusteht:

Unbekämpft und zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß mindestens zufolge der Rechtswahl der Parteien, jeweils die lex fori anzuwenden, die Rechtssache vorn österreichischen Gericht nach inländischem Recht zu beurteilen ist (Schwind, Handbuch des österreichischen IPR, S. 314 in Verbindung mit S. 290 f., 293 f.).

Nicht gefolgt werden kann auf dieser Grundlage allerdings der Meinung der Revisionsgegnerin, daß die im Bürgschaftsvertrag ergänzend bezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der S-Bank zumindest im entscheidenden Punkt schon deshalb nicht Vertraginhalt geworden seien, weil dieser strittige Punkt 19 Abs. 1 AGB den Anspruch der Bank auf Bestellung oder Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten auf die Verbindlichkeiten der Kunden der Bank beschränke, die Beklagte als Bürgin aber nicht Kundin der Bank geworden sei. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Vereinbarung der ergänzenden Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Beklagte, auch wenn sie als Bürgin noch nicht Kundin der Bank wurde (Schinnerer, Bankverträge[2] II, 115), doch grundsätzlich so wie einen Bankkunden stellte. Auch die Meinung des Berufungsgerichtes, daß im anderen Falle diese Vereinbarung geradezu wirkungslos würde, ist insofern richtig, als die gesamten AGB schon nach ihrem Eingangssatz für den Geschäftsverkehr der Bank mit ihre "Kundschaft" gelten. Die Revisionsgegnerin muß sich deshalb im allgemeinen wie eine Kundin der Bank behandeln lassen. Es kommt ihr auch nicht zugute, daß sie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Geltung im Vertrag ausdrücklich vereinbart und deren Kenntnis dort zugestanden wurde, nicht kannte oder nicht las. Insofern hat schon das Erstgericht mit Recht die Regeln über die unbesehene Unterfertigung einer Urkunde angewendet (EvBl. 1973/17 u. v. a.).

Die Revisionsgegnerin bekämpft aber mit Recht die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die bloße Verweisung auf die ergänzende Geltung der Allgeminen Geschäftsbedingungen der S-Bank genügend deutlich auch die jetzt strittige Verpflichtung der beklagten Bürgin wirksam begrundet habe, im Sinne des Punktes 19 Abs. 1 AGB auf Verlangen des Kreditgebers jederzeit bankmäßige Sicherheiten zu bestellen. Das Berufungsgericht ist selbst richtig davon ausgegangen, daß die Bürgschaftserklärung wegen der Bestimmung des § 1353 ABGB - die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat - strenge auszulegen und daß im Zweifel nach § 915 ABGB anzunehmen ist, der Bürge habe sich eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollen "ausdrücklich" bedeutet dabei allerdings, wie an anderen Stellen des Gesetzes, auch hier nicht mehr als deutlich erkennbar (Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 219). Die zweite Instanz hat auch zutreffend die Frage gestellt, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht etwa im strittigen Punkt eine Bestimmung enthielten, die in ihnen nicht zu vermuten war. Ungewöhnliche Geschäftsbedingungen werden nämlich, etwa wenn bloß auf der Vorderseite eines Bestellscheines auf sie hingewiesen wird, selbst durch die Unterfertigung der Verweisung nicht zum Geschäftsinhalt (JBl. 1961, 635; HS 4/18; SZ 41/16 u. a.). Im vorliegenden Fall ist diese Frage zum Nachteil der Klägerin aber noch enger zu formulieren: Ausgehend vom Wesen der Bürgschaft und der dargestellten Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung der Bürgschaftserklärung in Zweifelsfällen ist zu prüfen, ob der Beklagten - die nicht einmal Kaufmann ist - nicht im Wege einer scheinbar unverdächtigen Verweisung auf Nebenabreden laut den Allgemeinen Bankbedingungen wichtige neue Hauptpflichten auferlegt werden sollten. Gerade eine Bank darf das Vertrauen ihrer Kunden (auch in dieser Beziehung) nicht verletzen (vgl. Schinnerer, Bankverträge[3] I, 22) und sie muß denselben Grundsatz auch gegenüber solchen Personen gelten lassen, denen sie die Verpflichtungen eines Kunden auferlegen will.

In diesem Sinn kann dem Berufungsgericht, ungeachtet seiner Übereinstimmung mit Schinnerer, Bankverträge[2] II, 115 nicht dahin gefolgt werden, daß schon die Vereinbarung der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bürgschaftsvertrag genüge, um vom Bürgen entsprechend der in den AGB enthaltenen Bestimmung jederzeit Sicherheitsleistung verlangen zu können. Der Bürge ist grundsätzlich nicht verpflichtet, neben seiner Personalhaftung ein Sachpfand zu geben. Die Klägerin selbst beansprucht ein solches auch nicht etwa für die Hauptschuld ihres Kreditnehmers. Eine Verpflichtung des Bürgen zur Bestellung eines Pfandes für die eigene Bürgschaftsschuld ist zwar gewiß möglich, aber doch ungewöhnlich. Der Bürge ist ja selbst eine Sicherheit für den Gläubiger und hat diese Sicherheit in der Regel nicht nochmals zu besichern. Dazu kommt, daß ein Bürge, der sich wie hier "selbstschuldnerisch", d. i. als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB verpflichtet (vgl. hiezu HS 3/6; RG 148, 66 und Palandt, BGB[36], 728) und daher nach Willkür des Gläubigers noch vor dem Hauptschuldner belangt werden kann, durch eine ebenfalls bloß von der Willkür des Gläubigers abhängige Verpflichtung zur Pfandbestellung (wenn auch für die eigene Verpflichtung) wirtschaftlich völlig gleich belastet wird, wie wenn er zusätzlich die Sachhaftung für die Hauptschuld übernimmt.

Eine derart gewichtige Verschlechterung der Rechtsstellung eines Vertragspartners, der ausdrücklich nur zu bürgen erklärt hat, ist im Zweifel nicht anzunehmen. Es genügt deshalb nicht, mit dem Bürgen bloß allgemein die ergänzende Geltung der Geschäftsbedingungen der (oder einer) kreditgebenden Bank zu vereinbaren, die das Recht beinhalten, von ihre "Kunden" jederzeit bankmäßige Sicherheiten zu verlangen. Die Interessenlage ist gegenüber dem tatsächlichen Kunden der Bank, nämlich ihrem Kreditnehmer, von der des Bürgen (und Zahlers) dieser Kreditforderung deutlich verschieden. Die bloß generell vereinbarte Gleichstellung des Bürgen mit einem Kunden ändert nichts daran, daß die Verpflichtung zur nachträglichen Pfandbestellung ihm gegenüber ein weit schwereres Gewicht hat. Von der Bank ist deshalb, will sie dennoch auch gegenüber dem Bürgen (und Zahler) einen Anspruch auf jederzeitige Pfandbestellung nach ihrer Willkür begrunden, eine besondere Vereinbarung oder wenigstens ein ausdrücklicher Hinweis auf jene Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu fordern, die unmittelbar nur auf den kreditnehmenden Kunden der Bank anwendbar ist und aus den dargestellten Gründen für den Bürgen eine ungewöhnliche, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu vermutende Belastung enthielte.

Daß ein Vertrag über 20 Mill. sfr "keine Bagatelle ist", kann nicht zugunsten der Revisionswerberin ausschlagen. Je höher die Forderung ist, für die sich die Beklagte verbürgte, um so weniger konnte die Klägerin mit der Bereitschaft der Beklagten zur zusätzlichen Pfandbestellung rechnen und um so mehr wäre sie selbst zu besonderer Vorsicht und zum Abschluß unzweideutiger Vereinbarungen verpflichtet gewesen. Geradezu unverständlich ist die weitere Behauptung der Klägerin (in ihrer Berufung), daß ihre Klage auf Einräumung eines Pfandes mit Rücksicht auf die Möglichkeit, wegen bereits eingetretenen Verzuges des Kreditnehmers die Schuldklage gegen die Bürgin einzubringen und auf Grund des "ergangenen" Urteils zwangsweise Pfandrechtsbegründung zu erwirken, ein Minus darstelle. Hier geht es doch nur darum, ob die Klägerin schon auf Grund der getroffenen Vereinbarung den Anspruch darauf hat, zusätzliche Sicherheiten durch ein Pfand des Bürgen noch vor Erlangung eines zur Zahlung verpflichtenden Exekutionstitels zu erhalten.

Bei dieser Rechtslage erübrigt sich ein Eingehen auf die sonstigen Rechtsfragen.

Anmerkung

Z51009

Schlagworte

Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken, Pfandbestellung durch Bürgen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0070OB00743.77.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19780126_OGH0002_0070OB00743_7700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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