TE OGH 1978/3/30 12Os14/78

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Veröffentlicht am 30.03.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. David-Labor als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4.Oktober 1977, GZ. 5 Vr 313/77-53, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Datzik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der vom Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß § 290 Abs. 1 StPO. im Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1

StGB. (Punkt 3) des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfange dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

'Wolfgang A wird für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB. und das Verbrechen der schweren Nötigung nach § 105, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB., nach § 28, 207 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren verurteilt.

Gemäß § 23 StGB. wird die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.'

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Juni 1941 geborene Tischlergeselle Wolfgang A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB., des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpft. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits vom Obersten Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung am 9.März 1978, GZ. 12 Os 14/78-5, zurückgewiesen und ausgesprochen, daß über die Berufung bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden wird, zu dem sich der Oberste Gerichtshof auch eine Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO. vorbehalten hat. Dieser Entscheidung kann der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt entnommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Das angefochtene Urteil ist zum Nachteil des Angeklagten mit einer von ihm nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. behaftet, die nach dem § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen wahrzunehmen war.

Das Erstgericht hat nämlich den Angeklagten - u.a. - nicht nur des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 26.November 1976 in Graz den Unmündigen Helmut B auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte, indem er ihn mit Gewalt und Bedrohung mit dem Tod, nämlich dadurch, daß er ihn am Hals würgte, am Oberkörper erfaßte und in den Keller zerrte und dabei wiederholt äußerte, er werde ihn erwürgen und umbringen, dazu nötigte, bei ihm einen Oralverkehr bis zum Samenerguß durchzuführen, während er selbst den Geschlechtsteil und in der Folge auch den After des Unmündigen betastete, sondern die im Zuge dieser Tathandlungen dolos erfolgten Verletzungszufügungen am Körper des Unmündigen in Form von Blutunterlaufungen und Rötungen an der linken Halsseite und am Rücken dem Angeklagten überdies gesondert als Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB. zugerechnet. Diese Annahme des Vorliegens einer Idealkonkurrenz zwischen dem Verbrechen nach § 207 Abs. 1 StGB. und dem Vergehen nach § 83 Abs. 1 StGB. erfolgte rechtsirrig.

Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt klargestellt, daß dann,

wenn eines der in den § 201 bis 204 StGB.

umschriebenen Delikte, sohin auch das Verbrechen der Nötigung zur Unzucht nach der letztgenannten Gesetzesstelle, oder auch ein Raub unter Anwendung körperlicher Gewalt begangen wird und diese Gewaltanwendung bei den Betroffenen leichte Verletzungen nach sich zieht, dem Täter nicht noch - außer einer der obigen strafbaren Handlungen - zusätzlich das Vergehen nach dem § 83 StGB. als - damit in Tateinheit verwirklichtes - selbständiges Delikt zuzurechnen ist. Denn nach dem jeweiligen Absatz 2 der § 201 bis 204 StGB. und ebenso nach dem § 143 StGB. führt der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen stets zur Ausmessung der Strafe nach den dort normierten höheren Strafsätzen für die solcherart qualifizierten Taten. Hieraus folgt aber, daß der Tatbestand der auf diese Weise beschwerten obgenannten Delikte auch die eingetretene schwere körperliche Beschädigung in sich schließt, weshalb eine leichte Verletzung umsomehr von den betreffenden Tatbeständen erfaßt wird und nicht als eigenes und idealkonkurrierendes Delikt zu behandeln ist (EvBl. 1976/174).

Vorliegendenfalls verwirklicht das inkriminierte Verhalten des Angeklagten an sich alle objektiven und subjektiven Tatbildmerkmale des Vergehens der Nötigung zur Unzucht (§ 204 Abs. 1 StGB.) und ist nur deshalb nicht dieser Gesetzesstelle, sondern § 207 Abs. 1 StGB. zu unterstellen, weil es sich beim Genötigten um eine unmündige Person handelte, Unzuchtshandlungen (ohne Unterschied, ob freiwillig oder abgenötigt) mit Unmündigen schlechthin aber nach der letztgenannten Gesetzesstelle mit strengerer Strafe bedroht werden, als die Vorschrift des § 204 Abs. 1

StGB. für die Nötigung einer Person zur Unzucht in Aussicht nimmt und die Bestimmung des § 207 Abs. 1 StGB. daher in diesem Falle gegenüber jener des § 204 Abs. 1 StGB. die Stellung einer lex specialis gegenüber der lex generalis einnimmt (vgl. Leukauf-Steininger, Komm., S. 945, ferner EvBl. 1977/136). Die oben zu § 204 StGB. (u.a. ähnlich gelagerten Straftaten) dargelegten Erwägungen gelten daher hier in gleicher Weise, zumal auch der Absatz 2 des § 207 StGB. einen höheren Strafsatz für den Fall schwerer Verletzungsfolgen normiert und daraus erhellt, daß auch der im Rahmen dieser Gesetzesstelle normierte Tatbestand sogar eingetretene schwere körperliche Beschädigungen - diesfalls freilich unter Anwendung des höheren Strafsatzes - in sich schließt und dies sohin umsomehr, und zwar hier im Rahmen des im § 207 Abs. 1 StGB. umschriebenen Grundtatbestandes, für leichte Verletzungen gilt. Da das Erstgericht mithin durch die Verurteilung des Angeklagten (auch) wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1

StGB. zu einer den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. verwirklichenden, jedoch in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügten Weise zu dessen Nachteil das Strafgesetz unrichtig angewendet hat, war der Schuldspruch nach § 83 Abs. 1 StGB. und demzufolge auch der Strafausspruch aufzuheben und die Strafe nach § 28, 207 Abs. 1 StGB. neu zu bemessen. Erschwerend waren die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen zweier Verbrechen und der Umstand, daß das Opfer - leichte - Körperverletzungen erlitten hat, mildernd war kein Umstand.

Unter Berücksichtigung dieser Strafbemessungsgründe entspricht eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 Jahren dem Unrechtsgehalt der Straftaten und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten und nicht zuletzt seiner Schuld.

Auf Grund der äußerst ungünstigen Zukunftsprognose und der Gefährlichkeit des Angeklagten wurde, da sämtliche Voraussetzungen des § 23 StGB. vorliegen, die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wurde aus dem Ersturteil übernommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01036

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00014.78.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19780330_OGH0002_0120OS00014_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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