TE OGH 1978/6/6 4Ob16/78

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Veröffentlicht am 06.06.1978
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Norm

ABGB §1295
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 Abs4
Dienstnehmerhaftpflichtgesetz §3

Kopf

SZ 51/75

Spruch

Bei einer Verletzung am Körper durch einen Arbeitsunfall ist die Ersatzpflicht nach bürgerlichem Recht nur für den Arbeitgeber (§ 333 Abs. 1 ASVG) und die ihm gleichgestellten Personen (§ 333 Abs. 4 ASVG) auf vorsätzliche Schadenszufügung beschränkt; Mitbedienstete des Verletzten, die diesem Personenkreis nicht angehören, haften nach allgemeinen Grundsätzen für die Folgen der von ihnen zugefügten Verletzungen

OGH 6. Juni 1978, 4 Ob 16/78 (LG Innsbruck 3 Cg 20/77; ArbG Landeck Cr 13/76)

Text

Der Kläger wurde am 6. Mai 1974 als Bediensteter des Sägewerks P in I bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt.

Dieser Betrieb verfügt unter anderem über einen Doppelrollgang, welcher die besäumten Bretter weiterbefördert, sortiert und auswirft. Am Unfallstag war der Beklagte als Besäumer für den oberen der beiden Rollgänge eingeteilt; für den unteren Rollgang war Bernhard K zuständig. Beide Rollgänge können von einem Schalterkasten im Inneren des Sägewerks ein- und ausgeschaltet werden. Auf diesem Schalterkasten befinden sich in der untersten Reihe zwei rund 10 cm voneinander entfernte Schalter, welche gut sichtbar mit "Unterer Rollgang" bzw. "Oberer Rollgang" beschriftet sind.

Am 6. Mai 1974 gegen 11.40 Uhr bemerkte der - erst wenige Monate im Betrieb beschäftigte - Kläger, daß am unteren Rollgang die Kette ausgesprungen war. Er verständigte den Platzmeister Erich A, welcher erklärte, daß man die Kette auseinandernehmen und neu auflegen müsse; anschließend half A dem Kläger beim Auflegen der Kette. Während dieser Arbeit wurde der zum Zweck der Reparatur angehaltene untere Rollgang plötzlich von Bernhard K wieder eingeschaltet, doch konnten der Kläger und Erich A ihre Hände noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. A beschimpfte daraufhin K wegen der Inbetriebnahme des Rollganges. Kurz darauf schaltete dann der Beklagte, welcher "seinen", also den oberen Rollgang hatte einschalten wollen, versehentlich den unteren Rollgang ein; dadurch setzte sich die Kette erneut in Bewegung, und der Kläger geriet mit der linken Hand zwischen Kette und Zahnrad. Er erlitt dabei eine traumatische Abtrennung der Mittelhandknochen 3 bis 5, einen offenen Bruch des Zeigefingergrundgelenks mit Durchtrennung der Strecksehne sowie ausgedehnte Hautquetschungen.

Wegen dieses Vorfalles wurde der Beklagte mit Urteil des Bezirksgerichtes Imst vom 24. September 1974, U 302/74-16, der Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG schuldig erkannt, weil er sich vor dem Ingangsetzen des Rollganges nicht davon überzeugt habe, ob Personen dadurch gefährdet werden, und weil er eine von ihm nicht zu bedienende Maschine durch Drücken des falschen Knopfes in Tätigkeit gesetzt habe. Dieser Schuldspruch ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit der Behauptung, daß den Beklagten das Alleinverschulden an dem Arbeitsunfall vom 6. Mai 1974 treffe, verlangt der Kläger im vorliegenden, seit 15. Juli 1975 anhängigen Rechtsstreit die Zahlung eines Schmerzengeldes von 250 000 S sowie eines weiteren - der Höhe nach unbestrittenen - Betrages von 11 419.96 S siehe Anhang an Verdienstentgang und Fahrtkostenersatz; außerdem begehrt er die Feststellung, daß ihm der Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem Unfallsereignis zur Gänze hafte.

Der Beklagte lehnt jede Schadenersatzleistung ab. Da er dem Kläger gegenüber die Stellung eines Aufsehers im Betrieb gehabt habe, komme ihm der Haftungsausschluß des § 333 Abs. 4 ASVG zugute. Der Kläger habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet, weil er sich vor Durchführung der Reparatur nicht davon überzeugt habe, ob der Schutzschalter ausgeschaltet war, und weil er überhaupt die primitivsten Schutzbestimmungen vernachlässigt habe. Ein erhebliches Mitverschulden treffe aber auch die gemeinsame Dienstgeberin, welche das Sägewerk vor Rechtskraft der gewerbepolizeilichen Genehmigung in Betrieb genommen habe, ohne die durch das Gesetz und den Bescheid der Gewerbebehörde vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Demgegenüber sei das vom Strafgericht festgestellte Verschulden des Beklagten so gering zu veranschlagen, daß es zivilrechtlich außer Betracht bleiben könne. Die Schmerzengeldforderung des Klägers sei bei weitem überhöht, das Feststellungsbegehren aber deshalb nicht berechtigt, weil die Dauerschäden des Klägers durch die Invaliditätsrente abgegolten würden.

Die Inhaberin des Sägewerkes P, Barbara P, ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf der Seite des Beklagten beigetreten.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 161 419.96 S samt Anhang und stellte fest, daß der Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 6. Mai 1974 zur Gänze hafte; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 100 000 S samt Anhang wurde - insoweit rechtskräftig - abgewiesen. Der Beklagte habe gegenüber dem Kläger nicht die Stellung eines Aufsehers im Betrieb gehabt. Ein Mitverschulden des Klägers an seinem Unfall sei nicht erwiesen, weil die im Beweisverfahren zutage getretene mangelhafte Einhaltung der Sicherheitsvorschriften im Betrieb der Nebenintervenientin dem Kläger, welcher damals erst kurze Zeit dort gearbeitet hatte, nicht vorgeworfen werden könne und überdies sein Vorgesetzter Erich A bei der Reparatur der Kette mitgewirkt hatte. Ein allfälliges Mitverschulden der Dienstgeberin könne den Beklagten im Hinblick auf § 333 Abs. 1 ASVG nicht entlasten. Angesichts der Verletzungen des Klägers erscheine ein Schmerzensgeld von 150 000 S angemessen. Auch das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil bei so schweren Verletzungen, wie sie der Kläger erlitten habe, zukünftige Komplikationen, die durch die Leistungen der Unfallversicherung nicht voll abgegolten werden, nicht ausgeschlossen werden könnten.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu folgenden Sachverhaltsfeststellungen:

Der Kläger stand bei der Reparatur frontal vor der zu reparierenden Kette des unteren Rollganges, und zwar derart, daß seine rechte Schulter in die Laufrichtung des Rollganges zeigte, während die linke Schulter in die entgegengesetzte Richtung wies. Die Kette war bei der Reparatur oberhalb der Zahnräder ziemlich gespannt. Die von den beiden Zahnrädern herunterhängenden Kettenteile hatte der Kläger links mit der linken Hand und rechts mit der rechten Hand erfaßt; dabei hielt er mit der linken Hand knapp vor Beendigung der Reparatur die Kette mit einem Zugriff von oben. Das ist eine durchaus gängige, erlaubte und richtige Art, eine gebrochene oder ausgesprungene Kette zu reparieren, weil die Kette doch mit einer gewissen Kraft von beiden Seiten zusammengezogen werden muß, um ihre beiden Enden zusammenfügen zu können. Von einer Fehlhaltung kann bei einem solchen Zugriff von oben nicht gesprochen werden. Wie lang die beiden Kettenenden jeweils, gemessen von den Zahnrädern aus, waren, kann nicht mehr festgestellt werden; ebensowenig kann festgestellt werden, ob sich die linke Hand des Klägers, von ihm aus gesehen, knapp vor dem linken Zahnrad oder aber etwa in der Mitte zwischen den Zahnrädern befand, als der Beklagte den Rollgang einschaltete. Die Zahnräder des Rollganges sind jeweils rund 60 bis 70 cm voneinander entfernt. Die Reparatur einer gebrochenen oder abgesprungenen Kette kann grundsätzlich von beiden Seiten her durchgeführt werden. Das Reparaturglied kann von beiden Seiten her repariert werden, beides ist fachgerecht.

Nachdem der Kläger auf die beschriebene Art die Reparatur bereits so weit abgeschlossen hatte, daß schon das Gegenblättchen auf die beiden Bolzen des Kettenschlosses geschoben war und als letztes nur noch die Sicherungsfeder auf das Kettenschloß zu schieben war, setzte sich die Kette durch das versehentliche Einschalten des Beklagten neuerlich in Bewegung. Dem Kläger gelang es nicht mehr, seine linke Hand in Sicherheit zu bringen; er geriet mit dieser Hand zwischen die Kette und das - von ihm aus gesehen - linke Zahnrad.

Sowohl der Kläger als auch der Beklagte waren gleichgeordnete Arbeiter im Betrieb. Sie standen zueinander in keinem Verhältnis der Über- und Unterordnung; lediglich im technischen und zeitlichen Arbeitsablauf waren sie voneinander abhängig. Der Beklagte hatte gegenüber dem Kläger kein Weisungsrecht und konnte ihm nichts anschaffen. Der gemeinsame Vorgesetzte beider Parteien war der Platzmeister Erich A.

Am Rollgang waren zum Unfallszeitpunkt folgende sicherheitstechnische Mängel vorhanden:

Die Eingriffsstellen der Kettenräder waren nicht geschützt. Eine Sicherung gegen unbeabsichtigtes Wiedereinschalten an der Antriebs- oder Arbeitsmaschine war nicht vorhanden; ebenso fehlte eine Signalvorrichtung zum Anzeigen eines beabsichtigten Wiedereinschaltens. Darüber hinaus mangelte es auch an den für gefährliche Betriebe notwendigen Unterweisungen und Belehrungen der Mitarbeiter über das Verhalten an Arbeitsmaschinen, insbesondere bei Fehlern an diesen, und an der Bestellung einer verantwortlichen Aufsicht als eines integralen Bestandteils sicherheitstechnischer Maßnahmen. Bei Einhalten der gesetzlichen Bestimmungen und der behördlichen Vorschriften wäre der Unfall nach menschlichem Ermessen vermeidbar gewesen.

Der Kläger erlitt beim gegenständlichen Unfall eine schwerste Teilabtrennung der linken Hand. Hiebei wurden der kleine Handballen der Mittelhand und der Fingerstrahl des dritten bis fünften Fingers völlig abgetrennt. Das bedeutet einerseits eine wesentliche Entstellung der Handform, andererseits den Verlust jeglichen Breitgriffs sowie der Möglichkeit die Hand bei Benützung des erhalten gebliebenen Zeigefingerstrahls und des Daumens ruhig zu lagern. Die Verletzung ermöglicht dem Kläger mit dem bescheidenen Handrest nur noch einen unsicheren und kraftlosen Spitzgriff zwischen dem Zeigefinger und dem Daumen. Der Daumenstrahl selbst ist unverletzt geblieben, der Zeigefinger wurde im Grundgliedbereich knöchern schwer verletzt und mußte operativ versorgt werden. Die schwere Weichteilwunde bedurfte primär einer plastischen Deckung durch Hautentnahme von der Beugeseite des rechten Oberarms. Der Heilungsverlauf wurde durch eine langanhaltende Störung der Wundheilung viele Monate lang verzögert. Der wiederhergestellte Zeigefingerstrahl ist hochgradig bewegungseingeschränkt verblieben. Der bei der Begutachtung am 30. September 1976 erhobene Zustand ist ein Endzustand. Hinsichtlich des Bewegungsausmaßes und der Kräfteverhältnisse hat sich seit dem Abschlußbefund des Rehabilitationszentrums Häring vom 7. Jänner 1975 keine wesentliche Besserung mehr ergeben; es hat lediglich eine gewisse Abhärtung stattgefunden. Der Versuch einer prothetischen Versorgung der Hand erbrachte keine Verbesserung der Funktion, das funktionslose Kunstglied hat nur die Bedeutung eines optischen Platzhalters.

Nach dem Unfall war der Kläger zunächst bis 25. Mai 1974 in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen. Zwischen dem 17. Juni und dem 18. Juni 1974 bedurfte es einer neuerlichen stationären Aufnahme, da die offenen Stellen leicht entzundet waren. Vom 17. Oktober bis 20. Dezember 1974 befand sich der Kläger im Rehabilitationszentrum Bad Häring. Zwischen den stationären Anstaltsaufenthalten war der Kläger in ambulanter Behandlung.

Die schwere Teilamputation hatte während der ersten Tage des stationären Krankenhausaufenthaltes zu schweren Schmerzen geführt; der Kläger bedurfte schwerer schmerzstillender Medikamente. Die Wundflächen im Bereich des primär angeschwollenen Amputationsareals sezernierten; es kam weiters zu Hautnekrosen, zu offenen eiternden Wundflächen, zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des verbliebenen Handrestes und zu einer vielwöchigen und mehrmonatigen intensiven schmerzhaften Wundpflege. Dieser Zustand im Frühjahr/Sommer 1974 hatte eine langanhaltende Schmerzhaftigkeit mit Schmerzen leichten, aber auch länger anhaltenden Schmerzen mittleren Grades zur Folge. Während dieses Zeitraums mußte bereits eine intensive Bewegungstherapie durchgeführt werden. Diese Therapie war überdurchschnittlich schmerzhaft und auch zeitweilig - bis zu mehreren Stunden täglich - mit Schmerzen schwersten Grades verbunden. Der Aufenthalt im Rehabilitationszentrum Bad Häring war wiederum mit einer bewegungsintensiven Behandlung verbunden; auch während dieses Aufenthaltes waren Schmerzen leichten und mittleren Grades vorhanden. Die Schmerzen waren und sind einerseits lokale Wundschmerzen im Bereich eines durchblutungsverminderten Amputationsstumpfes mit eingeheilten Hautplastiken, andererseits aber auch Phantomschmerzen, welche dem Kläger immer wieder das Gefühl gaben, Schmerzen im Bereich der amputierten Finger zu verspüren. Phantomschmerzen können lang anhaltend sein, sich letztlich bessern und nur noch zu gelegentlich ausstrahlenden Beschwerden führen. Eine überdurchschnittliche Phantomschmerzhaftigkeit kann auf Grund der Unterlagen nicht angenommen werden. Der Kläger hat auch nach der Wiederaufnahme seiner Arbeit diesbezügliche Schmerzen und Beschwerden gespürt. Diese Schmerzen werden weiter abklingen, eine genaue Prognose ist aber hier nicht möglich. Die Schmerzperioden des Klägers können wie folgt komprimiert werden: Schmerzen schweren Grades als dauernde zwei bis drei Wochen, Schmerzen mittleren Grades als dauernde vier bis fünf Wochen, Schmerzen leichten Grades als dauernde drei bis vier Monate. Dazu kommen Phantomschmerzen, welche mit derzeit ein bis zwei Wochen leichte Schmerzen pro Jahr komprimiert werden können und voraussichtlich eher abnehmen werden.

Der erhaltene Handrest kann nur noch zu kleinen Hilfestellungen herangezogen werden. Außerdem hat der Kläger im linken Zeigefinger noch eine Drahtschlinge, welche operativ entfernt werden muß.

Der Kläger hat durch seine Verstümmelung auch seelische Schmerzen erlitten, welche sich in einer gewissen Existenzangst wegen der verminderten Zukunftschancen auswirken. Durch den Unfall hat der Kläger einen Verdienstentgang von 10 158.96 S erlitten. Während seines Aufenthaltes im Rehabilitationszentrum Bad Häring mußte er zu Besuchsfahrten zu seiner Familie 1261 S an Fahrtkosten aufwenden.

Rechtlich verneinte auch das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers. Der Kläger habe sich bei Vornahme der Reparatur keine Fehlleistung zuschulden kommen lassen; er habe weder die Kette zu lange gehalten noch sonst unvorsichtig oder unrichtig hantiert. Ebensowenig habe das Beweisverfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Kläger bei größerer Aufmerksamkeit seine Hand noch rechtzeitig vor dem Zahnrad hätte herausziehen können. Auch die Nichteinhaltung der Sicherungsvorschriften im Betrieb der Nebenintervenientin könne dem Kläger als einem der jüngsten Arbeitnehmer nicht zum Verschulden angerechnet werden. Der Haftungsausschluß nach § 333 Abs. 4 ASVG komme dem Beklagten deshalb nicht zugute, weil er nicht bevollmächtigter Vertreter des Arbeitgebers oder Aufseher im Betrieb, sondern ein dem Kläger völlig gleichgestellter Arbeitskollege gewesen sei; aus dem gleichen Grund sei auch ein allfälliges Mitverschulden der gemeinsamen Dienstgeberin oder des Platzmeisters Erich A ohne rechtliche Bedeutung. Inwiefern aber die Berufung auf § 3 DHG zu einem für den Beklagten günstigeren Ergebnis führen könnte, sei nicht recht verständlich, gehe es doch im konkreten Fall nicht um die Schädigung eines außenstehenden Dritten, sondern um den Ersatzanspruch eines Arbeitskollegen des Schädigers. Der Höhe nach scheine mit Rücksicht auf die Dauer und Intensität der Schmerzen in ihrer Gesamtheit, auf die Schwere der Verletzung des Klägers, aber auch auf die Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes und seiner Lebensfreude das vom Erstgericht mit einem Globalbetrag von 150 000 S bemessene Schmerzensgeld nicht überhöht. Der vom Beklagten überdies zu ersetzende Verdienstentgang sowie die Fahrtauslagen des Klägers stunden ziffernmäßig außer Streit.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Daß dem Kläger kein Eigenverschulden an seinem Arbeitsunfall angelastet werden kann, wird vom Beklagten in der Revision ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß er im Unfallszeitpunkt gegenüber dem Kläger nicht die Stellung eines "Aufsehers im Betrieb" hatte; der OGH kann sich daher insoweit mit einem Hinweis auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils begnügen. Soweit der Beklagte aber in weiterer Ausführung seiner Revision ergänzende Feststellungen in der Richtung eines allfälligen Mitverschuldens seiner Dienstgeberin oder des - im Verhältnis zum Kläger als "Aufseher im Betrieb" anzusehenden - Erich A vermißt und in diesem Zusammenhang die Rechtsansicht vertritt, daß ein solches Mitverschulden zu einer Einschränkung seiner eigenen Haftung, ja im Hinblick auf § 3 DHG allenfalls sogar zu einem gänzlichen Ausschluß seiner Ersatzpflicht führen könnte, ist ihm nachstehendes zu erwidern:

Nach der neueren Judikatur des OGH (SZ 44/48 = Arb. 9007 = EvBl.

1971/267 = JBl. 1972, 91 = ZVR 1972/84 (verstärkter Senat); ZVR

1972/14 = SozM I A e 934) schließt § 333 ASVG die Geltendmachung von

Ersatzansprüchen nach dem ABGB gegen einen Zweitschädiger nicht aus, ohne daß letzterer ein Mitverschulden des Dienstgebers (oder eines ihm nach dem Gesetz Gleichgestellten) einwenden könnte (ebenso JBl. 1972, 202 zum sogenannten "Familienregreß" nach § 67 VersVG). Wie der OGH gleichfalls schon mehrfach ausgesprochen hat, wird die Ersatzpflicht nach bürgerlichem Recht bei einer Verletzung am Körper durch einen Arbeitsunfall nur für den Dienstgeber (§ 333 Abs. 1 ASVG) oder einen ihm Gleichgestellten (§ 333 Abs. 4 ASVG) auf vorsätzliche Schadenszufügung eingeschränkt; ein Mitbediensteter des Verletzten, dem eine solche Stellung nicht zukommt, haftet auch dann nach allgemeinen Grundsätzen für die Folgen einer von ihm zugefügten Verletzung, wenn diese als Arbeitsunfall zu beurteilen ist (Arb. 9123 = SozM I A e 1066 = ZAS 1974, 59), und zwar ohne Rücksicht auf ein allfälliges Mitverschulden des (gemeinsamen) Dienstgebers (SZ 35/132 = Arb. 7669). Die - insoweit übrigens recht unklaren und widersprüchlichen - Rechtsausführungen der Revision sind nicht geeignet, diese Auffassung zu widerlegen:

Daß eine "gesetzmäßige und gerechte" Auslegung des § 333 Abs. 1 ASVG nicht zur Entlastung eines Mitschädigers um die dem Dienstgeber des Beschädigten zuzurechnende Mitverschuldensquote führen kann, der Mitschädiger vielmehr ohne Rücksicht auf das Ausmaß seines eigenen Verschuldens für den ganzen Schaden einstehen muß, hat der OGH bereits in SZ 44/48 eingehend begrundet; auch die Revision vermag dazu keine neuen rechtlichen Gesichtspunkte vorzubringen. Der Beklagte kann sich aber auch nicht mit Erfolg auf seine Stellung als Arbeitskollege des verletzten Klägers berufen:

Die Frage, wie weit Arbeitnehmer für Verletzungen haften, die sie durch schuldhaft verursachte Arbeitsunfälle ihren Arbeitskollegen zufügen, ist seit dein Inkrafttreten des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes im Schrifttum mehrfach erörtert worden: Zunächst hat es Steininger (Schadenersatz bei Arbeitsunfällen, Gschnitzer-GedS (1969), 393 ff.) unter Hinweis auf die durch § 333 Abs. 1 ASVG angeordnete Haftungsfreistellung der Dienstgeber und auf die Rückgriffsregelung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes als "naheliegend" bezeichnet, die Beiträge der Arbeitgeber zur Unfallversicherung nach § 51 Abs. 3 Z. 2 ASVG zugleich auch - im Ergebnis - als Prämien für eine Haftpflichtversicherung (nicht nur der Arbeitgeber selbst, sondern zugleich auch) der Arbeitnehmer in bezug auf die Verletzungen, die sie ihren Arbeitskollegen durch leicht fahrlässig verschuldete Arbeitsunfälle etwa zufügen, anzusehen; demgemäß "könnte wohl" - zumindest seit dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, dessen Auswirkungen auf das ASVG nicht unbeachtet bleiben dürften - "die Ansicht vertreten werden", daß die Arbeitnehmer für die von ihnen leicht fahrlässig verschuldeten Arbeitsunfälle, soweit hiedurch Verletzungen von Arbeitskollegen entstehen, genau so haftungsfrei seien wie die Arbeitgeber, und daß dieses Haftungsprivileg in § 332 Abs. 5 ASVG (in Verbindung mit § 333 Abs. 1 ASVG und dem DienstnehmerhaftpflichtG) seinen gesetzlichen Ausdruck gefunden habe (a. a. O., 413 f.).

Abweichend davon, vertrat zunächst Mayer - Maly (Österr. Arbeitsrecht (1970), 70) die Auffassung, daß die Schädigung von Arbeitskameraden, deren Eigenart durch die Regreßbeschränkung des § 332 Abs. 5 ASVG deutlich gemacht werde, "nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz offenbar ebenso behandelt werden (solle) wie die Schädigung beliebiger Dritter"; auch Dirschmied (DHG (1972), 99 § 3 Anm. 10) war der Ansicht, die Verletzung eines Dienstnehmers durch einen anderen habe zur Folge, daß der Dienstnehmer selbst bei entschuldbarer Fehlleistung voll in Anspruch genommen werden könne, ohne vom Dienstgeber Rückersatz begehren zu können; er sei hier hinsichtlich von Körperschäden nur dann von der Ersatzpflicht befreit, wenn ihm gegenüber dem Verletzten die Qualifikation eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs. 4 ASVG zukomme.

Erst Grillberger (Die Haftung bei Arbeitsunfällen unter Arbeitskollegen, RdA 1974, 256 ff.) hat dann in der Folge die von Steininger (a. a. O.) angedeuteten Gedankengänge wieder aufgegriffen und weitergeführt: Seit der Erlassung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes stehe fest, daß bei Schädigung Dritter durch den Arbeitnehmer in gewissen Fällen letztlich der Arbeitgeber den Schaden zu tragen habe; auch sei nicht zu bezweifeln, daß zu den "Dritten" im Sinne des § 3 DHG auch die Arbeitskollegen des Schädigers zählten. Gerade bei Schädigung eines Arbeitskollegen käme aber eine Schadensüberwälzung niemals in Frage, weil es ja im Hinblick auf § 333 Abs. 1 ASVG immer an der Voraussetzung fehle, daß der Arbeitgeber dem geschädigten Arbeitskollegen für das Verhalten des schädigenden Arbeitnehmers haftet. Dieses Ergebnis erscheine, vom Zweck des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes gesehen, völlig unbefriedigend, weil es den Arbeitnehmer nur deshalb mit einem Schaden belaste, den eigentlich der Arbeitgeber tragen müßte, weil der Geschädigte unfallversichert ist. Da eine Überwälzung des Schadens auf den Arbeitgeber in diesen Fällen schon durch den Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen sei, könne der Wertung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes nur dadurch zum Durchbruch verholfen werden, daß man Ersatzansprüche des Geschädigten gegen seinen Arbeitskollegen ausschließe. Das sei durch analoge Anwendung des § 333 Abs. 4 ASVG möglich: Da das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz dem Arbeitgeber im beschränkten Umfang auch das Risiko der Tätigkeit gewöhnlicher Arbeitnehmer auferlege, sei es wertungsmäßig allein konsequent, auch dieses Risiko als durch die Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers abgedeckt anzusehen. Werde überdies berücksichtigt, daß § 332 Abs. 5 ASVG schon jetzt einen Regreßanspruch des Sozialversicherungsträgers nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Schädigers zulasse und daß auch in § 10 Abs. 3 EFZG eine gleichartige Regelung getroffen wurde, dann müßten Schadenersatzansprüche aus Arbeitsunfällen zwischen Arbeitskollegen insoweit als ausgeschlossen angesehen werden, als nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz der Schaden auf den Arbeitgeber überwälzt werden könnte. Als rechtliche Grundlage einer solchen (Mit-)Haftung des Arbeitgebers komme bei Beschädigung eines Arbeitskollegen in erster Linie die - in § 3 DHG ausdrücklich bezogene - Bestimmung des § 1313a ABGB in Betracht. Zwar genüge hier nicht der bloße Hinweis auf das bestehende Arbeitsverhältnis, zu dessen Erfüllung gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer sich der Arbeitgeber (u. a.) auch des schädigenden Arbeitnehmers bediene; die für eine Anwendung des § 1313a ABGB notwendige Vertragspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem geschädigten Arbeitnehmer sei aber in seiner Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB) zu sehen, welche nicht zuletzt auch den Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers umfasse und bezüglich deren Erfüllung jeder Arbeitnehmer gegenüber seinen Kollegen als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers anzusehen sei. Als Ergebnis dieser Überlegungen sei daher festzuhalten, daß der Arbeitgeber für das Verschulden seines Arbeitnehmers, der bei Erbringung seiner Arbeitsleistung seinen Arbeitskollegen schädigt, diesem nach § 1313a ABGB hafte. Sei der Schaden durch eine noch entschuldbare Fehlleistung verschuldet worden, dann falle er nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz endgültig und vollständig in den Risikobereich des Arbeitgebers, welcher diesen durch seine Unfallversicherungsbeiträge abgedeckt habe; die Haftung unter den Arbeitnehmern sei in diesem Fall ausgeschlossen. Sei der Schaden hingegen durch leichte Fahrlässigkeit verursacht worden, dann könne er nach den Kriterien des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes ganz oder teilweise in den Risikobereich des Arbeitgebers fallen, weshalb die Haftung unter Arbeitskollegen hier gleichfalls ganz oder teilweise zu entfallen habe.

In die gleiche Richtung geht der Lösungsvorschlag Spielbüchlers (in Floretta - Spielbüchler - Strasser, ArbeitsrechtI (1976), 105):

Auch er bejaht für den Bereich des leichten Verschuldens die Möglichkeit einer Schadensüberwälzung auf den Arbeitgeber, welcher sich zur Erfüllung seiner Fürsorgepflicht der anderen Arbeitnehmer bediene und daher dem geschädigten Arbeitnehmer gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden des Schädigers einzustehen habe. § 333 ASVG komme dabei nicht zum Tragen, weil er nur direkte Ersatzansprüche gegen den Arbeitgeber ausschließen wolle, solche aber hier nicht in Frage stunden. Dem leicht fahrlässig handelnden Arbeitnehmer stunde demnach gemäß § 3 DHG ein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu; wolle man den Arbeitgeber davor bewahren, dann müsse man eben die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitskollegen in analoger Anwendung des § 333 ASVG ausschließen. Das gegenteilige Ergebnis wäre insbesondere mit der in § 332 Abs. 5 ASVG zu Lasten des Sozialversicherungsträgers normierten Rückgriffsbeschränkung nicht zu vereinbaren.

Ähnliche Gedankengänge sind schließlich auch in den Ausführungen Koziols (Österr. Haftpflichtrecht II, 180 f.) zu dem hier interessierenden Problem zu finden: Die Ansicht Edlbachers (Wandel und Krise des Haftungsgrundes des Verschuldens, Wilburg-FS (1965), 81 ff.), wonach § 332 Abs. 5 ASVG im Ergebnis bedeute, daß der Dienstnehmer für leichte Fahrlässigkeit nicht hafte, treffe allerdings nicht zu, weil eine so weitgehende generelle Haftungsfreistellung des Dienstnehmers, der einen Arbeitskollegen desselben Betriebes geschädigt hat, aus dem Gesetzeswortlaut keineswegs abzuleiten sei. Dem Versicherer werde nur der Rückgriff abgeschnitten, so daß von der Sozialversicherung nicht erfaßte Schäden von der Begünstigung nicht betroffen seien. Für Sachschäden und Schmerzengeld hafte der Dienstnehmer daher jedenfalls auch bei leichter Fahrlässigkeit, doch könnten sich gerade bei diesen Schäden im Zusammenhalt mit dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz noch Haftungsfreistellungen für den Schädiger ergeben: Hätte nämlich auch der Dienstgeber nach §§ 1313a, 1315 ABGB für den Schaden zu haften, dann trage er den Schaden endgültig, wenn dem Schädiger nur eine entschuldbare Fehlleistung unterlaufen sei oder die Anwendung des § 2 Abs. 1 DHG zu einer gänzlichen oder teilweisen Haftungsfreistellung führe (§§ 3, 4 DHG). Die herrschende - von Koziol an anderer Stelle (a. a. O., 167) als bedenklich bezeichnete - Rechtsprechung, welche einen Anspruch des verletzten Dienstnehmers gegen seinen Dienstgeber auf Ersatz des Schmerzengeldes wegen § 333 Abs. 1 ASVG verweigere, gerate dabei allerdings in erhebliche Schwierigkeiten, weil der Dienstgeber, welcher den von einem Dienstnehmer einem Arbeitskollegen verursachten Schaden nach §§ 3 und 4 DHG zu tragen habe, auch das Schmerzengeld ersetzen müsse; das widerspreche aber der gängigen Auslegung des § 333 ASVG.

Alle hier erwähnten Versuche, auch solche Arbeitnehmer, die weder gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers noch Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs. 4 ASVG sind, von der Ersatzpflicht für eine bloß leicht fahrlässige Schädigung eines Arbeitskollegen bei einem Arbeitsunfall freizustellen, finden jedoch nach Ansicht des erkennenden Senates im geltenden Gesetz keine Deckung:

§ 333 Abs. 4 ASVG dehnt das dem Dienstgeber in Abs. 1 und 2 dieser Gesetzesstelle eingeräumte Haftungsprivileg ausdrücklich auf "gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers" und "Aufseher im Betrieb" aus. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auch auf alle anderen, nicht zum Kreis der Repräsentanten des Unternehmers oder der Betriebsaufseher gehörenden Arbeitnehmer muß schon daran scheitern, daß von einer planwidrigen, nach dem Zweck der Regelung einer Ergänzung bedürftigen Unvollständigkeit des Gesetzes - als der Grundvoraussetzung jedes Analogieschlusses (siehe dazu Koziol - Welser[4] I, 21 ff.) - gerade bei § 333 Abs. 4 ASVG keine Rede sein kann. Die Entstehungsgeschichte dieser - dem österreichischen Recht zunächst unbekannten, vielmehr erstmals in § 95 des deutschen Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884, RGBl. 69, enthaltenen und von dort über § 899 RVO in das geltende Recht übernommenen (s. dazu Grillberger a. a. O., 257) - Haftungsbeschränkung läßt keinen Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers, nur den dort angeführten Personenkreis dieser Begünstigung teilhaft werden zu lassen; lediglich die hier genannten Bevollmächtigten und sonstigen "Vertreter" des Betriebsinhabers sollten im Hinblick auf die von ihnen auszuübenden unternehmerischen Funktionen den Unternehmern gleichgestellt und wie diese von der Ersatzpflicht für bloß fahrlässig herbeigeführte Arbeitsunfälle befreit werden (Näheres auch dazu bei Grillberger a. a. O.).

Entgegen der von Grillberger (a. a. O., 258 ff.) und Spielbüchler (a. a. O.) vertretenen Auffassung kann aber auch aus § 3 DHG keine Beschränkung der Ersatzansprüche eines Arbeitnehmers gegen einen "gewöhnlichen" - also nicht dem Personenkreis des § 333 Abs. 4 ASVG zugehörigen - Arbeitskollegen abgeleitet werden: Wie bereits erwähnt, gehen diese beiden Autoren davon aus, daß nach den Grundgedanken der Haftungsbefreiung des "Aufsehers im Betrieb" sowie unter Bedachtnahme auf § 332 Abs. 5 ASVG (und auf § 10 Abs. 3 EFZG) Schadenersatzansprüche aus Arbeitsunfällen zwischen Arbeitskollegen insoweit als ausgeschlossen angesehen werden müßten, als nach dem Dienstnehmerhaftpflichtgesetz der Schaden auf den Arbeitgeber überwälzt werden könnte. Ob eine solche Schlußfolgerung durch das geltende Gesetz gedeckt ist, braucht hier schon deshalb nicht weiter untersucht zu werden, weil gerade bei Arbeitsunfällen unter ("gewöhnlichen") Arbeitskollegen eine derartige Schadensüberwälzung auf den Arbeitgeber von vornherein ausscheidet: § 3 Abs. 2 und 3 DHG lassen einen Regreß des Dienstnehmers, der im Einverständnis mit dem Dienstgeber oder auf Grund eines rechtskräftigen Urteils einem Dritten den durch einen minderen Grad des Versehens oder durch eine entschuldbare Fehlleistung zugefügten Schaden ersetzt hat, gegen den Dienstgeber nur dann zu, "wenn der Dienstgeber auf Grund der §§ 1313a bis 1316 ABGB oder auf Grund einer anderen gesetzlichen Verpflichtung vom Dritten zum Ersatz des Schadens in Anspruch hätte genommen werden können". Grillberger und Spielbüchler bejahen eine solche Haftung des Arbeitgebers, weil sich dieser zur Erfüllung seiner gesetzlichen Fürsorgepflicht (§ 1157 ABGB) der anderen Arbeitnehmer bediene und daher dem geschädigten Arbeitnehmer - als dem "Dritten" im Sinne des § 3 DHG - gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden des schädigenden Arbeitskollegen (als seines Erfüllungsgehilfen) einzustehen hätte. Ob diese - auf einen noch vor der Schaffung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes entwickelten Gedankengang Gschnitzers (Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 184) zurückgehende - Rechtsansicht richtig ist, kann hier gleichfalls auf sich beruhen; selbst wenn man ihr nämlich folgen wollte, stunde einer Anwendung des § 3 DHG jedenfalls die Haftungsbeschränkung des § 333 Abs. 1 ASVG entgegen: Nach der ständigen, auch von Grillberger (a. a. O., 260 FN 35) ausdrücklich

gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Arb, 9115 =

EvBl. 1973/264 = ZVR 1974/146 mit weiteren Hinweisen) schließt diese Bestimmung insbesondere auch eine Haftung des Arbeitgebers nach § 1313a ABGB aus; schon aus diesem Grund fehlt es an der Möglichkeit einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch den von einem Arbeitskollegen geschädigten Arbeitnehmer und damit an einer wesentlichen Voraussetzung für den in § 3 Abs. 2 und 3 DHG vorgesehenen Rückgriffsanspruch. Damit verliert aber die auf die Gehilfenhaftung des Arbeitgebers nach § 1313a ABGB aufgebaute Argumentation Grillbergers und Spielbüchlers ihre rechtliche Grundlage.

Der erkennende Senat sieht sich unter diesen Umständen nicht veranlaßt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen; er hält vielmehr auch weiterhin daran fest, daß die Ersatzpflicht nach bürgerlichem Recht bei einer Verletzung am Körper durch einen Arbeitsunfall nur für den Arbeitgeber (§ 333 Abs. 1 ASVG) und die ihm gleichgestellten Personen (§ 333 Abs. 4 ASVG) auf vorsätzliche Schadenszufügung beschränkt ist, während Mitbedienstete des Verletzten, die diesem Personenkreis nicht angehören, auch dann nach allgemeinen Grundsätzen für die Folgen der von ihnen zugefügten Verletzungen haften, wenn es sich um einen Arbeitsunfall handelt.

Der OGH verschließt sich dabei durchaus nicht den von den genannten

Autoren für eine künftige Neuregelung dieses Fragenkomplexes - etwa

in der Richtung einer generellen Freistellung des Arbeitnehmers von

der Haftung für leicht fahrlässig verursachte Schäden; siehe dazu

die bereits mehrfach zitierten Bestimmungen des § 332 Abs. 5 ASVG

und des § 10 Abs. 3 EFZG; vgl. aber auch die neue Fassung des § 637

dRVO - ins Treffen geführten, durchwegs beachtlichen und

erwägenswerten Gründen; auf dem Boden des geltenden Gesetzes ist

aber eine andere als die hier vertretene Lösung nicht möglich. Die

Änderung einer als unbefriedigend empfundenen Rechtslage ist allein

Sache der Gesetzgebung; die Gerichte haben nur das geltende Gesetz

anzuwenden, nicht aber im Wege der Rechtsfortbildung oder einer

allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu

berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher nicht veranlaßt haben,

eine Gesetzesänderung vorzunehmen (SZ 45/41 = EvBl. 1972/159 = JBl.

1972, 538; SZ 45/90 = EvBl. 1973/29 u. a.).

Die Bemessung des dem Kläger zuerkannten Schmerzengeldes mit 150 000 S wird in der Revision des Beklagten ebensowenig bekämpft wie der Feststellungsausspruch der Vorinstanzen; angesichts der schweren Verletzungen des Klägers und der Dauer und Intensität der durch sie verursachten Schmerzen scheint auch dem OGH der Zuspruch des angeführten Betrages unbedenklich.

Anmerkung

Z51075

Schlagworte

Arbeitsunfall, Ersatzpflicht, Mitbedienstetenhaftung bei Arbeitsunfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0040OB00016.78.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19780606_OGH0002_0040OB00016_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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