TE OGH 1978/6/20 9Os84/78

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Veröffentlicht am 20.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter soie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach § 15, 202 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Schöffengericht vom 9.März 1978, GZ. 10 Vr 897/77-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Böhmdorfer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.April 1953 geborene (seit etwa dreieinhalb Jahren beschäftigungslose) Hilfsarbeiter Hans A a) des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 StGB., b) des Verbrechens der schweren Nötigung nach den § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte Ende September 1977 an einem Nachmittag gegen 15 Uhr auf einem Feldweg neben der Admonterstraße im unbewohnten Gebiet von Krems-Lerchenfeld die am 17.Dezember 1963 geborene Schülerin Helga B, die auf Grund ihrer körperlichen Entwicklung nicht mehr den Eindruck einer Unmündigen erweckte, verfolgt, um mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Er erfaßte Helga B im Laufen, stieß sie zu Boden und zerrte sie zu einem Gebüsch, wo er ihr, nachdem er ihre Unterhose ein Stück herunterzogen hatte, zwischen die Oberschenkel und auf den Geschlechtsteil griff. Das Mädchen schrie zwar nicht um Hilfe, setzte sich jedoch heftig zur Wehr, indem es den Angeklagten biß, kratzte und an den Haaren zog. Dabei gelang es B, sich vom Angeklagten loszureißen und davonzulaufen (Punkt a) des Schuldspruches).

Aus Angst, entdeckt zu werden, verfolgte der Angeklagte Helga B nicht weiter, sondern rief ihr nach:

'Wenn du irgendwem was sagst, dann bring ich dich um'. Auf Grund dieser Drohung und unter dem Eindruck des Vorfalles wagte es Helga B vorläufig nicht, sich irgend jemandem anzuvertrauen (Punkt b) des Schuldspruches). Erst einige Zeit später erzählte sie einer Freundin vom Vorfall und auf deren Drängen schließlich auch ihrem Schuldirektor.

Dieses Urteil wird von der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Schuldspruches Punkt a) aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 10, 'eventuell Z. 5', des § 281 Abs. 1 StPO.

und vom Angeklagten hinsichtlich beider Schuldsprüche unter ziffernmäßiger Anrufung der Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO. angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Zum Schuldspruch Punkt a):

Diesbezüglich ist sowohl der unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO. erhobene Vorwurf des Angeklagten, der Feststellungsmängel zum subjektiven Tatbestand geltend macht, als auch die Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft, welche, der Sache nach, auch unter Behauptung von Feststellungsmängeln in Ansehung des Ausspruches über die subjektive Tatseite die rechtliche Subsumtion des zu Punkt a) des Schuldspruches festgestellten Verhaltens unter das Tatbild des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 StGB. statt unter jenes der versuchten Notzucht nach den § 15, 201 Abs. 1 StGB. bekämpft, berechtigt.

Die inneren Tatseiten der Verbrechen nach den § 201 und 202 StGB. unterscheiden sich darin, daß der erste Tatbestand den Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) des Täters voraussetzt, die Widerstandsunfähigkeit einer Frau herbeizuführen - das heißt sie in eine extreme Lage der Hilflosigkeit zu versetzen, in der sie aus physischen oder psychischen Gründen außerstande ist, Widerstand zu leisten, oder ihr ein solcher wegen Aussichtslosigkeit nicht zugemutet werden kann - und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, während beim anderen Tatbestand der Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) des Täters darauf gerichtet ist, den Willen der Frau zu beugen und zu erreichen, daß sie letztlich, ohne extrem hilflos zu sein, als Folge der Willensbeugung in den außerehelichen Beischlaf einwilligt (ÖJZ-LSK. 1975/42, 44 = EvBl. 1975, 613/270;

ÖJZ-LSK. 1976/237 u.a.).

Diesbezüglich enthält nun das Ersturteil außer der im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Konstatierung, der Angeklagte habe vor der Gendarmerie 'ein Geständnis in der Richtung abgelegt, daß er mit Gewalt an dem Mädchen einen Geschlechtsverkehr durchführen wollte' (S. 195), und dem in der rechtlichen Beurteilung enthaltenen (S. 199) Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie, wonach er dem Mädchen nachgegangen sei, um mit ihm geschlechtlich zu verkehren (S. 11 ff. = 77 f.), keine eindeutigen Feststellungen darüber, ob der Vorsatz des Angeklagten auf die Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit (§ 201 StGB.) oder auf die Willensbeugung (§ 202 StGB.) gerichtet war, beziehungsweise, ob er überhaupt den Geschlechtsverkehr unter Gewaltanwendung erreichen wollte. Zudem ist die Annahme des Gerichtes, der Angeklagte habe eingestanden, den Geschlechtsverkehr 'mit Gewalt' ausführen zu wollen, aktenwidrig. Denn die Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie beschränkte sich zur subjektiven Tatseite lediglich auf das - vom Erstgericht in der rechtlichen Beurteilung richtig wiedergegebene - Eingeständnis eines beabsichtigten Geschlechtsverkehrs (des 'Pudern'), den er seinen weiteren Angaben zufolge jedoch nicht verwirklichen konnte, weil sich das Mädchen wehrte, ihn an den Haaren zog, sich befreite und davonlief (S. 11). Die in diesem Zusammenhang vom Erstgericht angestellte Erwägung, die Gewaltanwendung des Angeklagten sei 'nicht so massiv gewesen, daß man bereits von einem Versuch sprechen könnte, er habe den Widerstand des Mädchens voll brechen wollen' (S. 199), stellt lediglich eine rechtliche Schlußfolgerung aus dem vom Angeklagten gesetzten Verhalten dar, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht ersetzt.

Da sohin das angefochtene Urteil im Schuldspruch Punkt a) mit Feststellungsmängeln im Sinne der Z. 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. in Ansehung der subjektiven Tatseite behaftet ist, die eine neuerliche Verhandlung in erster Instanz notwendig machen (§ 288 Abs. 2 Z. 3

letzter Satz StPO.), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen des Angeklagten zum selben Schuldspruch. Im zu erneuernden Verfahren wird - falls ein auf Gewaltanwendung gerichteter Vorsatz des Angeklagten festgestellt werden sollte - insbesondere auch zu prüfen und zu erörtern sein, ob das äußere Tatverhalten, nämlich das Erfassen des Opfers, dessen Zubodenstoßen und Zerren zu einem Gebüsch und offenbares Festhalten dortselbst, im Zusammenhang mit der Lage des Tatortes in einem unbewohnten Augebiet (vgl. S. 13, 44, 165 oben, 195 unten) objektiv einen Widerstand hätte aussichtslos erscheinen lassen und dies vom Bewußtsein und Willensentschluß (§ 5 Abs. 1 StGB.) des Angeklagten umfaßt war.

Zum Schuldspruch Punkt b):

Zu diesem Schuldspruch macht der Angeklagte mit Recht eine mangelhafte Begründung der Feststellung betreffend die von ihm stets geleugnete nötigende Drohung geltend. Denn das Erstgericht begründet diese Annahme lediglich mit der Erwägung, es sei nicht 'daran zu zweifeln', daß die Drohung gefallen ist (S. 195), und unterläßt eine Erörterung der Tatsache, daß die Zeugin B in der Hauptverhandlung (dem Inhalt des Protokolls über diese zufolge), im Gegensatz zu ihren Angaben vor der Gendarmerie (S. 13, 14, 81, 83) und vor dem Untersuchungsrichter (ON. 12, S. 45), wohl die Unterlassung der Mitteilung des Vorfalles an ihre Eltern und der Anzeigeerstattung damit begründete, Angst gehabt zu haben, jedoch nichts mehr von einer Drohung erwähnte (S. 165, 167). Da die Furcht des Mädchens vor einem Aufkommen des Vorfalls aber auch andere Ursachen haben konnte, hätte das Erstgericht den Umstand, daß die Zeugin ihre (in der Hauptverhandlung schließlich verlesenen /S. 184 /) Angaben vor der Gendarmerie über die Drohung bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht wiederholte, einer Würdigung unterziehen müssen.

Somit leidet in Ansehung des Schuldspruches Punkt b) der erstgerichtliche Ausspruch über entscheidende Tatsachen an einem den Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1

StPO. verwirklichenden Begründungsmangel, der ebenfalls zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in diesem Punkte und zur Rückverweisung der Sache an die erste Instanz führen muß (§ 288 Abs. 2 Z. 1 StPO.).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die vom Angeklagten aus dem Gesichtspunkt der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. vertretene Ansicht in der Rechtsrüge zum Schuldspruch Punkt b), wonach das diesfalls festgestellte Verhalten eine straflose Nachtat zur versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs. 1 StGB.

darstelle (S. 210), verfehlt ist (vgl. insbesondere EvBl. 1976/44; 10 Os 200/77).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E01342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00084.78.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19780620_OGH0002_0090OS00084_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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