TE OGH 1978/6/22 2Ob536/78

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Veröffentlicht am 22.06.1978
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Norm

ZPO §236 Abs1
ZPO §236

Kopf

SZ 51/96

Spruch

Die Feststellung von Tatsachen, mögen sie auch rechtserheblich oder rechtserzeugend oder Voraussetzung für einen an sich zulässigen Feststellungsantrag sein, kann - ebenso wie die Heraushebung einzelner Rechtsfragen - nicht Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrages sein

OGH 22. Juni 1978, 2 Ob 536/78 (OLG Graz 6 R 27/78; LG Klagenfurt 23 Cg 192/77)

Text

Die Klägerin war bis 31. Dezember 1973 Gesellschafterin der V L OHG, mit welchem Zeitpunkt sie das Gesellschaftsverhältnis aufkundigte. Auf Grund der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen greift - nach Übernahmeverzicht der damaligen weiteren Gesellschafter Margarethe L und Firma G - der Beklagte Dr. Valentin L den Anteil der Klägerin am Stammkapital (20/48) auf. Der Beklagte schuldet der Klägerin den hiefür gebührenden Abfindungsbetrag. Über dessen Höhe Streit herrscht.

Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin, ihre gesamte Abfindungsforderung einschließlich Wertsicherung und Zinsen betrage rund 415.4 Mill. S. Bisher seien durch Zahlung bzw. Abtretung rund

43.1 Mill. S. getilgt worden, so daß noch eine restliche Abfindungsforderung von rund 372.3 Mill. S aushafte. Bis 31. Dezember 1976 seien drei Abfindungsteilbeträge (1 X 25% und 2 X 15%) fällig geworden. Von dem zum 31. Dezember 1976 fällig gewordenen dritten Abfindungsteilbetrag begehrt die Klägerin vorerst "aus prozeßökonomischen Gründen" nur die Zahlung von 300 000 S. In der Tagessatzung vom 15. November 1977 stellte sie den Zwischenfeststellungsantrag, "es werde festgestellt, der wertzusichernde und zu verzinsende Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Abfindung in der Höhe von 5/12 vom Wert des Reinvermögens der V L OGH zum 31. Dezember 1973 berechne sich von der Summe aller einzelnen Positionen des Gesellschaftsvermögens mit den Zeitwerten als Wiederbeschaffungsaltwerten, und zwar einschließlich des Wertes der Mietrechte und der Kartellquote, wobei der Ertragswert des Unternehmens in keiner Weise zu berücksichtigen sei und demnach nicht die Zerschlagungswerte maßgebend seien". Der Beklagte beantragte die Abweisung des Zahlungsbegehrens und des Zwischenfeststellungsantrages mit der sinngemäßen Einwendung, daß die von der Klägerin gewünschte Art der Berechnung der Abfindungssumme nicht dem Gesellschaftsvertrag entspreche.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf die Verhandlung und Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag ein und wies mit dem angefochtenen Zwischenurteil den Antrag ab. Es hielt den Zwischenfeststellungsantrag zwar für zulässig, kam jedoch nach Beweisaufnahme zum Ergebnis, daß nach dem Willen der Vertragsteile zur Errechnung der Abfindungsforderung des ausscheidenden Gesellschafters die Gegenstände des Anlagevermögens der OHG mit ihrem gemeinen Wert (Zerschlagungswert) und nicht etwa mit dem Wiederbeschaffungswert anzusetzen seien. Mietrechte und Kartellquoten seien ein Teil des ideellen Firmenwertes und daher bei der Ermittlung der Abfindungssumme nicht anzusetzen. Nach dem Willen der Vertragsteile sei ein negativer Ertragswert allerdings zu berücksichtigen.

Das Gericht zweiter Instanz hob aus Anlaß der Berufung des Beklagten das Zwischenurteil des Erstgerichtes auf, wies den Zwischenfeststellungsantrag zurück und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auf.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Beklagte führt aus, der Zwischenfeststellungsantrag der Klägerin solle grundsätzlich Fragen im Zusammenhang mit der Berechnung ihres Abfindungsbetrages klären, nämlich, ob der Abschichtungsbilanz die Wiederbeschaffungsaltwerte - und nicht, wie der Beklagte vorbringt, die Zerschlagungswerte - zugrundezulegen seien, sowie, ob die Mietrechte und der Wert der Kartellquote zu bewerten seien, obwohl ein Firmenwert nicht anzusetzen sei. Es stehe außer Zweifel, daß eine grundsätzliche Klärung dieser Fragen den Streit über die Höhe der Abfindungsforderung der Klägerin ungemein vereinfachen, wenn nicht überhaupt entbehrlich machen würde; denn selbst, wenn sich dann die Streitteile nicht über den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände einigen sollten und diese daher von einem unzweckmäßig und unökonomisch, einen Sachverständigen mit einer solchen Schätzung zu betrauen, bevor eindeutig feststehe, von welchen Grundsätzen er dabei auszugehen habe. Eine Bewertung der Mietrechte und - was noch viel schwieriger wäre - der Kartellquote könnte überhaupt entfallen, wenn bzw. soweit die Klägerin mit ihrem Zwischenantrag keinen Erfolg haben sollte. Das rechtliche Interesse der Parteien an einer Sachentscheidung über einen Zwischenfeststellungsantrag könne daher ebensowenig bestritten werden wie die Präjudizialität der Rechtsfragen, die seinen Gegenstand bilden. Soweit ersichtlich sei in Österreich über einen ähnlichen Sachverhalt noch nicht entschieden worden. Hingegen sei es nach ständiger deutscher Lehre und Praxis zulässig, bei der Bemessung des Auseinandersetzungsguthabens eines ausscheidenden Gesellschafters die Abrechnungsgrundlage durch Feststellungsklage zu klären, insbesondere, ob und inwieweit umstrittene Ansprüche und Einzelposten im Auseinandersetzungsverfahren zu berücksichtigen seien. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß Gegenstand des Zwischenantrages nur die Absicht der Vertragsparteien, also eine Beweisfrage sei, sei zum Teil unrichtig, zum Teil sogar aktenwidrig. Für die Auslegung des Begriffes "Zeitwert" sei die Absicht der seinerzeitigen Parteien sicherlich von Bedeutung, soweit sie überhaupt noch festgestellt werden kann. Aber die Parteienabsicht sei auch hier nur ein Element für die Vertragsauslegung, und diese sei grundsätzlich eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Ob der Wert von Mietrechten und der Wert einer Kartellquote Teil des Firmenwertes sind, sei hingegen ohne jeden Zweifel eine Rechtsfrage.

Gemäß § 236 Abs. 1 ZPO kann der Kläger ohne Zustimmung des Beklagten im Verfahren den Antrag stellen, daß ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, das also für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell ist, mit Urteil festgestellt werde. Ein besonderes Feststellungsinteresse wird zwar für einen solchen Antrag nicht gefordert; da aber darzutun ist, daß die Wirkung der begehrten Feststellung über den konkreten Rechtsstreit hinausreicht, ist das für Feststellungsklagen geforderte rechtliche Interesse für Zwischenfeststellungsanträge gleichwohl - wenn auch in anderer Form - nachzuweisen (vgl. SZ 29/77; EvBl. 1974/223; 1 Ob 501/78 u. a.; Fasching III, 133 f.). Die Stellung eines Zwischenantrages auf Feststellung nur zu dem Zweck, eine Rechtsfrage für sich allein herauszuheben und zum Gegenstand eines Urteiles zu machen, ist ebenso unzulässig (vgl. JBl. 1961, 327; JBl. 1958, 556 u. a.; 1 Ob 501/78 u. a.), wie die Feststellung von Tatsachen, mögen sie auch rechtserheblich oder rechtserzeugend oder Voraussetzung für einen an sich zulässigen Feststellungsantrag sein (vgl. SZ 47/36; 1 Ob 501/78 u. a.; Fasching III,61).

Mit ihrem Feststellungsantrag strebt die Klägerin die Klärung der Fragen an, ob zur Errechnung ihres Abfindungsbetrages der Abschichtungsbilanz die Wiederbeschaffungsaltwerte und nicht die Zerschlagungswerte zugrundezulegen sowie, ob die Mietwerte und der Wert der Kartellquote in Anschlag zu bringen sind, obgleich der Firmenwert nach Punkt 7 lit. d) aa) des Zusatzvertrages vom 30. August 1958 nicht anzusetzen ist. Mittels des Feststellungsantrages soll somit eine Auslegung der in der genannten Vertragsbestimmung verwendeten Begriffe "Zeitwerte" und "ideeller Geschäftswert (Firmenwert)" erreicht werde, wobei der Wortlaut der genannten schriftlichen Vereinbarung nicht bestritten ist.

Soweit im Sinne des § 914 ABGB bei Auslegung der Vertragsbestimmungen die Absicht der Parteien zu erforschen ist, handelt es sich um die Feststellung einer Tatsache (vgl. die in der MGA 6[13] zu § 498 ZPO unter B a 3. zitierte Entscheidung, die, wie oben dargelegt, nicht Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrages sein kann. Selbst wenn man aber die Auslegung der in der Vereinbarung verwendeten Begriffe "Zeitwerte " und "ideeller Geschäftswert (Firmenwert)" ausschließlich der rechtlichen Beurteilung zuordnen wollte, wäre für den Beklagten nichts gewonnen, weil auch die Heraushebung einzelner Rechtsfragen, um sie zum Gegenstand eines Urteiles zu machen, nicht Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrages sein kann (vgl. hiezu insbesondere JBl. 1961, 327 u. a.). Der OGH vermag sich daher der in der bundesdeutschen Rechtsprechung vertretenen, in der Revision zitierten Auffassung nicht anzuschließen. In der Zurückweisung des unzulässigen Zwischenfeststellungsantrages kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.

Anmerkung

Z51096

Schlagworte

Zwischenfeststellungsantrag, nicht zur Tatsachenfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0020OB00536.78.0622.000

Dokumentnummer

JJT_19780622_OGH0002_0020OB00536_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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