TE OGH 1978/6/29 12Os73/78

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Veröffentlicht am 29.06.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.Juni 1978 unter dem Vorsitz des Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Haindl als Schriftführer in der Strafsache gegen Sabbas A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 20. Februar 1978, GZ. 12 Vr 1136/

77-59, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Klaus Grösswang und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sabbas A wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu den Punkten III.) und IV.) des Urteilssatzes (wegen der Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB und des Vergehens nach dem § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG) sowie demgemäß auch im Strafausspruch und im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter gemäß dem § 23 Abs. 1 StGB aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Mai 1930 geborene beschäftigungslose Sabbas A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 und 15 StGB (Punkte I. und II. des Urteilssatzes), des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Punkt III. des Urteilssatzes), des Vergehens nach dem § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG (Punkt IV. des Urteilssatzes) und des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG (Punkt V. des Urteilssatzes) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

Gemäß dem § 23 Abs. 1 StGB wurde überdies seine Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter angeordnet. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5 und 10, der Sache nach auch auf den der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund darin, daß seinem Verteidiger für die Hauptverhandlung am 20.Februar 1978 nicht die dreitägige Vorbereitungsfrist des § 221 Abs. 1 StPO zur Verfügung gestanden sei. Denn in dieser Bestimmung ist nur die Zustellung der Vorladung zur - ersten und nicht auch zu einer späteren - Hauptverhandlung an den Angeklagten, nicht aber jener an den Verteidiger spätestens drei (bzw. acht Tage) vor der Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit vorgeschrieben. Daß dem Verteidiger - etwa, wie hier, infolge Verteidigerwechsels - keine zur Vorbereitung der Hauptverhandlung ausreichende Frist zu Gebote steht, vermag nur im Falle der Ablehnung eines deshalb in der Hauptverhandlung gestellten Vertagungsantrages Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO zu begründen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Entscheidungen Nr. 5, 15, 23 und 26 zu § 221 StPO); ein solcher Vertagungsantrag wurde aber vorliegend nicht gestellt. Zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bezeichnet der Beschwerdeführer das Urteil im Schuldspruchfaktum III.) als mangelhaft begründet. Inhaltlich dieses Schuldspruchs wird dem Angeklagten das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB angelastet, weil er am 2.Mai 1977 in Hochfeistritz den Raimund B durch die Worte: 'Wirst du jetzt auch noch nicht verschwinden', wobei er eine - einer echten Waffe täuschend ähnlich sehende - Pistolenatrappe in seiner Hand hielt, sohin durch gefährliche Drohung, zum Verlassen eines Genossenschaftsweges nötigte. Das Erstgericht habe, so meint der Beschwerdeführer, übersehen, daß er infolge räumlicher Entfernung unmöglich an demselben Abend diese Nötigung und die ihm laut den Punkten I.) 2.) a) und b) des Urteilssatzes zur Last fallenden Einbruchsdiebstähle (in Kaltenberg und St. Ulrich) begangen haben könne, daß er sich dahin verantwortet habe, er könne sich nicht an diese Tat, sondern nur an einen ähnlichen Vorfall erinnern, und daß der Zeuge B selbst erklärt habe, er (Angeklagter) hätte die Waffe nicht gegen ihn gerichtet. Die Mängelrüge versagt. Die Annahme der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der an Raimund B (ebenso wie die am gleichen Tag verübten Einbruchsdiebstähle im Gebiet des Gendarmeriepostenkommandos Brückl) begangene Nötigung ist nicht nur durch die - in der Hauptverhandlung verlesene - Zeugenaussage des Genötigten (vgl. S 53 f d. A), sondern auch durch die eigene Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (vgl. S 69 c verso d. A) und in der Hauptverhandlung (vgl. S 218, 249 d. A) gedeckt. Diese Annahme steht aber auch mit den örtlichen Gegebenheiten der genannten Tatorte im Einklang, da Hochfeistritz und Kaltenberg zur selben Gemeinde (Gemeinde Eberstein) gehören und St. Ulrich (am Johannesberg) in einer Nachbargemeinde (Gemeinde Brückl) liegt (vgl. S 19 in ON 6 und S 83 d. A).

Daß der Angeklagte der Aussage des Zeugen B zufolge die einer echten Waffe täuschend ähnlich sehende Pistolenatrappe - in Nötigungsabsicht - bloß in seiner Hand hielt, nicht aber, wie das Erstgericht in der Urteilsbegründung - insoweit aktenwidrig und zum Urteilsspruch in Widerspruch -

feststellte, gegen den genannten Zeugen richtete (vgl. S 262 d. A), ist nicht entscheidungswesentlich, weil die inkriminierte Tathandlung als Drohung (zumindest) mit einer Verletzung am Körper in beiden Fällen gleicherweise objektiv geeignet war, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Es liegt daher im gegebenen Zusammenhang auch kein im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO erheblicher Widerspruch zwischen der in Rede stehenden Urteilsfeststellung und dem Akteninhalt vor.

Mit der Behauptung, bestimmte Beweisergebnisse hätten darauf hingewiesen, daß er sich im Zeitpunkt dieser letztgenannten Tat im Zustand der Volltrunkenheit befunden und demnach nicht das Vergehen der Nötigung, sondern bloß jenes der selbstverschuldeten vollen Berauschung nach dem § 287

StGB zu verantworten habe, macht der Beschwerdeführer der Sache nach

Feststellungsmängel im Sinne der Z 10 des § 281

1 StPO geltend.

Diesem Beschwerdevorbringen kommt Berechtigung zu.

Zutreffend verweist der Beschwerdeführer einerseits auf das Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. C, in welchem dieser - unter Verwertung eines im Verfahren 9 Vr 1972/72 des Landesgerichtes Klagenfurt erstatteten Fakultätsgutachtens der Universität Innsbruck - ausgeführt hat, die inkriminierte Nötigung könnte von ihm in einem Zustand der Volltrunkenheit begangen worden sein (vgl. S 144, 163 in Verbindung mit S 251 d. A), sowie andererseits auf die auf eine hochgradige Alkoholisierung zur Tatzeit hindeutende Urteilsfeststellung, er sei laut schreiend am Anwesen des B vorbeigegangen bzw. - in weiterer Folge - dort gesessen. Nimmt man noch hinzu, daß der Angeklagte nach den Gendarmerieerhebungen in den Abendstunden des 2.Mai 1977 in einem Nachbaranwsen einige Flaschen Sekt konsumiert haben soll (vgl. S 43 d. A), so war durch die Verfahrensergebenisse konkret indiziert, daß beim Angeklagten - mag sich dieser selbst auch nicht ausdrücklich auf Vollktrunkenheit oder auf eine durch Alkoholisierung bewirkte Erinnerungslücke berufen haben (vgl. S 69 c verso, 218 d. A) - zur Tatzeit eine seine Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ausschließender Zustand (selbstverschuldeter) voller Berauschung vorgelegen sein könnte. Mit dieser Frage hat sich das Erstgericht jedoch in den Urteilsgründen überhaupt nicht befaßt und keinerlei Feststellungen über den Grad der Alkoholisierung des Angeklagten im Zeitpunkt der begangenen Nötigung getroffen. In dieser Richtung erscheint das angefochtene Urteil daher mit Feststellungsmängeln behaftet.

Begründet ist die Beschwerde ferner auch, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG (Punkt IV. des Urteilssatzes) gerichtet ist, inhaltlich dessen dem Angeklagten zur Last fällt, in der Zeit vom 2. Mai 1977 bis 17.Juni 1977, wenn auch nur fahrlässig, ohne die nach § 40 Abs. 3 lit. b WaffenG erforderliche Erlaubnis militärische Waffen, nämlich einen Steyr Karabiner und zwei Bajonette geführt zu haben.

Die Annahme des Erstgerichtes, daß der Angeklagte die genannten militärischen Waffen durch Diebstahl in seinen Besitz gebracht hat, ist zwar in den im Urteil als Feststellungsgrundlage bezogenen Geständnis des Angeklagten, mithin in den Verfahrensergebnissen gedeckt (vgl. S 69 verso, 69 b verso, 95, 101, 217 und 249 unten), sodaß insoweit dem Urteil ein Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht anhaftet. Ebensowenig kommt dem sachlich aus dem Grunde der Z 9 lit. a der zitierten Gesetzesstelle erhobenen Beschwerdeeinwand Berechtigung zu, es habe sich bei dem den Verfahrensergebnissen zufolge nicht funktionsfähigen (vgl. S 9, 51 d. A) Steyr Karbiner nicht um eine Waffe im Sinne des § 1 WaffenG gehandelt; denn dem Beschwerdeführer wird vorliegend das unerlaubte Führen militärischer Waffen im Sinne des - von vornherein nicht auf die Funktionsfähigkeit einer bestimmten Waffe, sondern auf den Begriff 'Kriegsmaterial' abstellenden - Annexes I des Österreichischen Staatsvertrages, BGBl. Nr. 152/1955, zur Last gelegt. Im übrigen kommt es nach § 1 WaffenG nur darauf an, ob ein Gegenstand seinem Wesen nach dazu bestimmt ist, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen oder bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden, aber gleichfalls nicht auf seinen Zustand und auf den Grad seiner Einsatzfähigkeit (vgl. Czeppan-Szirba4, 44).

Wie der Beschwerdeführer aber zutreffend aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO geltend macht, fehlen in der Urteilsbegründung zureichende Feststellungen darüber, daß er diese Waffen geführt hat. Nach dem § 5 Abs.2

lit. b WaffenG, der auch auf militärische Waffen (worunter im Sinne des Annexes I des Staatsvertrages, BGBl. 1955/152, u.a. auch Karabiner und Bajonette zu verstehen sind) sinngemäß anzuwenden ist, führt eine Waffe nicht, wer sie - im Falle einer Schußwaffe - ungeladen und lediglich zu dem Zweck, diese Waffe von einem Ort zu einem anderen zu bringen, bei sich hat (vgl. auch Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, 678, und die dort zitierte Entscheidung 13 Os 67/72).

Vorliegend stellt das Erstgericht nun fest, der Angeklagte habe die gestohlenen Gegenstände, ausgenommen die erbeuteten Lebensmittel und Getränke, überwiegend im Wald oder in einsamen Gebäuden versteckt (vgl. S 261 d. A). Damit kann aber nicht von vornherein die Möglichkeit von der Hand gewiesen werden, daß die Innehabung der Waffen durch den Angeklagten sich auf deren Transport vom Tatort in ein Versteck beschränkte und sohin ausschließlich dem Zweck diente, sie von einem Ort zu einem anderen zu bringen. In einem solchen Fall könnte jedoch von einem Führen der Waffen füglich noch nicht gesprochen werden. (Zur Qualifikation /-u.a./- eines Karabiners als militärische Waffe bzw. Kriegsmaterial vgl. Pkt. 1. der Kategorie I. des - schon zitierten - Annexes I des Österreichischen Staatsvertrages und Leukauf-Steininger, Nebengesetze, 677.) Die aufgezeigten Feststellungsmängel machen eine Urteilsaufhebung in den Schuldspruchfakten III.) und IV.) sowie die Anordnung einer neuerlichen Hauptverhandlung erforderlich. Es war daher spruchgemäß zu erkennen, ohne daß es eines Eingehens auf die den Ausspruch gemäß dem § 23 Abs. 1

StGB betreffenden, zum Teil sachlich die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden - wenn auch erst in der Berufung enthaltenen - Ausführungen des Beschwerdeführers bedürfte. Nur der Vollständigkeit halber ist hiezu jedoch zu bemerken, daß eine Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter, wenn sie unter Verletzung des § 23 Abs. 2 StGB erfolgt, in bezug auf die zeitlich unbegrenzte freiheitsentziehende vorbeugende Maßnahme des § 21 Abs. 2 StGB dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht (vgl. 11 Os 4/77, 10 Os 33/77 u.a.), sodaß eine Anordnung dieser letztgenannten vorbeugenden Maßnahme schon wegen des Verbotes der reformatio in peius (§ 290 Abs. 2 StPO - vgl. u.a. 11 Os 124/76) im erneuerten Verfahren nicht in Betracht kommen wird. Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruche angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00073.78.0629.000

Dokumentnummer

JJT_19780629_OGH0002_0120OS00073_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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