TE OGH 1978/8/1 12Os89/78

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Veröffentlicht am 01.08.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. April 1978, GZ. 4 a Vr 136/78-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ernst Prausa und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. November 1959 geborene Fleischhauerlehrling Robert A I/ des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und II/ des Vergehens des schweren Betruges nach § 146, 147

Abs. 1 Z. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er zu I/ fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch diese Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar 1.) am 15. Dezember 1977 in Grünberg (richtig: Grünbach) am Schneeberg dem Ernst B eine Geldbörse mit einem Bargeldbetrag von 900 S und einen Autoschlüssel,

2.) im Dezember 1977 in Wien dem Emmerich C durch Einbruch in die Wohnung der Anna A (Mutter des Angeklagten) drei Pakete Zigaretten im Werte von 63 S und eine Herrenarmbanduhr, Marke Toxa, im Wert von 800 S;

II/ am 27. Dezember 1977 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte einer Wechselstube durch Täuschung über Tatsachen, indem er unter dem Anschein eines redlichen Scheckinhabers einen Scheck über einen Betrag von 1.000 S zur Einlösung vorlegte, auf dem er die Unterschrift des Franz D nachgemacht hatte, somit unter Benützung einer falschen Urkunde, zu einer Handlung, nämlich zur Einlösung dieses Schecks verleitete, die Franz D um 1.000 S am Vermögen schädigte.

Die ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 8 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich ihrem Inhalt nach nur gegen seinen Schuldspruch im Urteilsfaktum Punkt I/2.) (Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Emmerich C).

Den erstangeführten Nichtigkeitsgrund erachtet der Beschwerdeführer deshalb als verwirklicht, weil der Urteilsbegründung (gemeint wohl: dem Hauptverhandlungsprotokoll) nicht zu entnehmen sei, daß er in Ansehung dieses Diebstahlsfaktums die gemäß § 263 (Abs. 1) StPO. erforderliche Zustimmung zu der insoweit vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vorgenommenen Ausdehnung der Anklage erteilt habe, sodaß durch seinen Schuldspruch (auch) in diesem Diebstahlsfaktum die Anklage überschritten wurde.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rüge schlägt nicht durch:

Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles (vgl. Seite 131 und 132 d.A.) wurde der Beschwerdeführer nach Ausdehnung der Anklage durch den öffentlichen Ankläger auf das vorerwähnte Diebstahlsfaktum hiezu in der Hauptverhandlung ausdrücklich vernommen, wobei er auch zu diesem weiteren Anklagevorwurf ein Geständnis ablegte. Gemäß dem § 263 Abs. 1 zweiter Satz StPO. ist im Falle einer Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung auf eine weitere, von der Anklageschrift nicht erfaßte Tat nur dann die Zustimmung des Angeklagten erforderlich, wenn er bei seiner Verurteilung wegen des ausgedehnten Faktums unter ein strengeres als auf die in der Anklageschrift angeführten Straftaten anzuwendendes Strafgesetz fiele. Dies trifft zwar im vorliegenden Fall zu, weil das von der Anklageausdehnung betroffene Diebstahlsfaktum mit strengerer Strafe (Strafsatz des § 129 Abs. 1 StGB.) als die in der Anklageschrift, ONr. 15 d.A., angeführten, (nur) nach dem § 147 Abs. 1 StGB. strafbaren Delikte bedroht ist. Die obzitierte Bestimmung des § 263 Abs. 1 StPO. verlangt jedoch nicht, daß der Angeklagte die Zustimmung ausdrücklich erteilt, er kann sie vielmehr auch durch ein konkludentes Verhalten geben, indem er sich etwa - so wie vorliegend - zu dem ausgedehnten Faktum in der Hauptverhandlung ohne Vorbehalt verantwortet und sich nicht ausdrücklich gegen die Ausdehnung der Verhandlung und Entscheidung auf diese neue Tat ausspricht (RZ. 1938, Seite 38). Da somit der behauptete, im Fehlen der Zustimmung des Beschwerdeführers gelegene, im übrigen aber auch nicht mit Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO. bedrohte Verfahrensmangel und demnach ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 263 Abs. 1 zweiter Satz StPO. in Wahrheit gar nicht vorliegt, kann schon deshalb von einer Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 8 des § 281 Abs. 1 StPO. durch überschreitung der Anklage keine Rede sein. Es kommt aber auch der - sachlich den Nichtigkeitsgrund nach der Z. 9 lit. c des § 281 Abs. 1 StPO. relevierenden - Rechtsrüge keine Berechtigung zu:

Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, daß gemäß dem § 72 Abs. 2 StGB. auch die Kinder (und Enkel) einer Person, die mit einer anderen (verschiedenen Geschlechts) in außerehelicher Lebensgemeinschaft lebt, wie Angehörige dieses Lebensgefährten zu behandeln sind, sodaß der Angeklagte nach dieser Bestimmung als Angehöriger des von ihm im Urteilsfaktum I/2.) bestohlenen Emmerich C gilt, der in den Urteilsgründen als Lebensgefährte der Mutter des Angeklagten bezeichnet wird (vgl. Seite 139 und 140 d.A.). Er übersieht jedoch, daß u.a. ein durch eine mildere Strafdrohung privilegierter und überdies nur über Privatanklage verfolgbarer Diebstahl (soweit dieser nicht mit den hier nicht in Betracht kommenden Qualifikationen nach den § 129 Z. 4, 131 StGB. beschwert ist), der zum Nachteil eines anderen Angehörigen (der nicht Ehegatte, Verwandter in gerader Linie, Bruder oder Schwester des Täters ist) begangen wird, nur dann den (privilegierenden) Bestimmungen des § 166 Abs. 1 und 3 StGB. unterstellt werden kann, wenn der Täter mit diesem anderen Angehörigen in Hausgemeinschaft lebt. Im vorliegenden Fall lassen aber die Verfahrensergebnisse keinesfalls die Feststellung einer zur Tatzeit bestehenden Hausgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und dem Lebensgefährten seiner Mutter, Emmerich C, zu. Denn der damals aus der Strafhaft entwichene Beschwerdeführer, der im übrigen eine eigene Wohnung in Wien 14., Hütteldorferstraße 127/5, besaß (vgl. insbesondere Seite 13 d.A.), lebte zumindest zur Tatzeit gar nicht bei seiner Mutter Anna A in deren Wohnung in Wien 20., Klosterneuburgerstraße 61/1/9 (vgl. Seite 13 und ON. 6 d.A.), in welcher er den unter Punkt I/2.) des Urteilssatzes angeführten Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Emmerich C verübte. Bemerkt sei noch, daß Emmerich C nach der Aktenlage (vgl. Seite 113 und 117 d.A.) in Klosterneuburg, Leopoldsstraße 21/16/2, wohnt (und unter dieser Anschrift auch zur Hauptverhandlung geladen wurde; siehe Rückschein der Ladung in ON. 18

d. A.). Es kann aber im Hinblick darauf, daß eine zur Tatzeit aufrechte Hausgemeinschaft zwischen ihm und dem Beschwerdeführer jedenfalls auszuschließen ist, dahingestellt bleiben, ob der Genannte tatsächlich - wie das Erstgericht ersichtlich annahm - mit der Mutter des Angeklagten eine dem § 72 Abs. 2 StGB. entsprechende außereheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer auf längere Dauer ausgerichteten, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommenden Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (vgl. ÖJZ-LSK 1975/198) unterhielt.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die Wiederholung der diebischen Angriffe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und den Umstand an, daß der Angeklagte die Möglichkeit, in der Strafhaft tagsüber außerhalb der Vollzugsanstalt einer Arbeit nachzugehen, ausgenützt hat, erneut strafbare Handlungen zu begehen;

als mildernd hingegen wertete es das Geständnis und das Alter unter 21 Jahren.

Die Berufung des Angeklagten, die Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt, ist nicht begründet.

Selbst wenn man den vom Erstgericht angenommenen Milderungsgründen noch die vernachlässigte Erziehung hinzuschlägt und ein gewisses Naheverhältnis zu einem Teil der Opfer berücksichtigt, ist damit für den Standpunkt des Berufungswerbers nichts gewonnen. Denn die Begehung der in Rede stehenden, wenn auch nicht gravierenden Straftaten beweist eindringlich die Wirkungslosigkeit des bisherigen, sogar privilegierten Strafvollzuges und die damit dokumentierte halt- und kritiklose Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten (siehe hiezu auch Bericht der Jugendgerichtshilfe Wien vom 30. Dezember 1976, ON. 10 in 2 Vr 2059/76 des Jugendgerichtshofes Wien).

Da die gegenständlichen, noch innerhalb eines Strafvollzuges begangenen Straftaten, die seinerzeit erstellte ungünstige Prognose voll bestätigt haben, erweist sich die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe gerade aus spezialpräventiven Gründen für notwendig, um den Angeklagten in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten, wobei die Strafe der Dauer nach auch dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Delikte angepaßt erscheint. Es war somit spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E01416

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00089.78.0801.000

Dokumentnummer

JJT_19780801_OGH0002_0120OS00089_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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