Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.September 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerhard A und andere wegen des Vergehens des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Angeklagten Gerlinde B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 22.Februar 1978, GZ 10 Vr 1490/77-25, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Musil und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und über die Angeklagte unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 17.November 1977, GZ 10 E Vr 811/77-16, sowie unter Anwendung des § 37 StGB
eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen verhängt.
Der Tagessatz wird mit 50 S bestimmt.
Für den Fall der Uneinbringlichkeit wird die Ersatzfreiheitsstrafe
mit 120 Tagen festgesetzt.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (u.a.) die am 8.August 1957 geborene Gerlinde B der Vergehen des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der Beleidigung nach dem § 115 StGB schuldig erkannt, weil sie am 19. Oktober 1977
in Leoben versucht hatte, drei Polizeibeamte durch Versetzen von mehreren Tritten und Faustschlägen sowie durch Umklammern und Reißen an den Haaren an der Festnahme des Gerhard A zu hindern und in diesem Zusammenhang die Polizeibeamten auch beschimpft hatte. Das Schöffengericht verhängte hiefür über die Angeklagte nach dem § 269 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten. Es berücksichtigte bei der Strafbemessung hinsichtlich ihrer Person als erschwerend:
den schlechten Leumund, das Zusammentreffen zweier Vergehen und den Rückfall innerhalb der Probezeit, hingegen wertete es als mildernd:
das Geständnis zum Anklagevorwurf der Beleidigung, die Tatbegehung (zwar) nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres und den Umstand, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt nur bis ins Versuchsstadium gediehen war. Dieses Urteil hat die Angeklagte Gerlinde B mit den Rechtsmitteln der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angefochten.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mit dem in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß vom 26. Juni 1978, GZ 12 Os 91/78-4, zurückgewiesen, sodaß im Gerichtstag nur mehr über die Berufung zu entscheiden war, mit welcher die Angeklagte die Herabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe oder die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe begehrt.
Die Berufung ist begründet.
Schon mit Rücksicht darauf, daß das Erstgericht dem rechtskräftig verurteilten Mittäter Gerhard A die Berauschung (unangefochten) als mildernd zubilligte, ist auch hinsichtlich der - wie das Erstgericht annahm (S. 159), zur Tatzeit gleichfalls alkoholisiert gewesenen - Angeklagten B der von ihr reklamierte Milderungsgrund des § 35 StGB anzuerkennen.
Der schlechte Leumund ist - im Gegensatz zur Meinung des Erstgerichtes - nicht als Erschwerungsumstand zu werten. Denn der - bei der Angeklagten laut Mitteilung der Bundespolizeidirektion Leoben (ON. 10) gegebene - schlechte Leumund vermag einen besonderen Erschwerungsumstand im Sinne des § 33 StGB nicht zu begründen, insbesondere auch nicht in Verbindung mit der zum AZ. 10 E Vr 482/77 des Kreisgerichtes Leoben wegen Diebstahls verhängten (Vor)Strafe, weil die Z. 2 der zitierten Gesetzesstelle eine Vorverurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verlangt.
Zu der am 17.November 1977 zur GZ 10 E Vr 811/77-16 des Kreisgerichtes Leoben wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs 1 StGB erfolgten Verurteilung (zu zwei Monaten bedingt aufgeschobener Zusatzfreiheitsstrafe zu 10 E Vr 482/77 desselben Gerichtes - Tag der Rechtskraft: 21.November 1977
/s. S. 329 und 333 des Aktes 10 E Vr 811/77 /) steht die den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildende Verurteilung mit Rücksicht auf die mit 19.Oktober 1977
gegebene Tatzeit ihrerseits wieder im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB
Diese - vom Erstgericht unterlassene -
Bedachtnahme auf das zitierte Urteil vom 17.November 1977 wurde vom Obersten Gerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Berufung nachgeholt.
Der vom Schöffengericht als Erschwerungsumstand angenommene 'Rückfall innerhalb einer Probezeit' kann sich demnach nur auf die (zu 10 E Vr 482/77 des Kreisgerichtes Leoben erfolgte) Verurteilung wegen Diebstahls am 26.Mai 1977 beziehen.
Unter Berücksichtigung der sohin richtiggestellten Strafzumessungsgründe und bei Bedachtnahme gemäß den §§ 31 und 40 StGB auf die zitierte Verurteilung der Berufungswerberin am 17. November 1977 zu zwei Monaten (bedingt nachgesehener) Zusatzfreiheitsstrafe wegen des Vergehens nach dem § 288 Abs 1 StGB erschienen dem Obersten Gerichtshof die Voraussetzungen des § 37 StGB gegeben und eine Zusatzstrafe von 240 Tagessätzen schuldangemessen. Auf Grund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten, nämlich der ihr im Zeitpunkte der Urteilsfällung in erster Instanz zumutbaren - und übrigens nunmehr tatsächlich ausgenützten - Verdienstmöglichkeiten, sowie ihrer persönlichen Verhältnisse wurde der Tagessatz mit 50 S bemessen (§ 19 Abs 2 StGB ).
In diesem Sinne war der Berufung Folge zu geben.
Der Ausspruch in Ansehung der Ersatzfreiheitsstrafe beruht auf § 19 Abs 3 StGB , jener über die Kosten auf § 390 a StPO
Anmerkung
E01464European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00091.78.0907.000Dokumentnummer
JJT_19780907_OGH0002_0120OS00091_7800000_000