TE OGH 1978/9/7 6Ob9/78

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Veröffentlicht am 07.09.1978
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Norm

Freiwillige Gerichtsbarkeit - Gesetz §140
Freiwillige Gerichtsbarkeit - Gesetz §§142 ff
Gesellschaft-mit-beschränkter- Haftungs-Gesetz §5
Handelsgesetzbuch §§17 ff
Handelsgesetzbuch §18 Abs2
Handelsgesetzbuch §30 Abs1
Handelsgesetzbuch §37

Kopf

SZ 51/120

Spruch

An die Unterscheidbarkeit von Firmen sind bei (teilweise) gleichen Unternehmensgegenständen besonders strenge Anforderungen zu stellen

OGH 7. September 1978, 6 Ob 9/78 (OLG Wien 21 R 62/78; HG Wien 7 HRB 22 056)

Text

Im Handelsregister des Erstgerichtes ist seit 10. November 1976 unter 7 HRa 21 107 die Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft" registriert, die laut ihrer Eintragungsanmeldung mit dem Sitz in Wien 15/7, u. a. den Handel mit Waren aller Art zum Gegenstand ihres Unternehmens gemacht hat.

Am 30. März 1978 hat das Erstgericht die Eintragung der Firma "W Handelsgesellschaft m.b.H." in das Handelsregister verfügt. Diese Verfügung wurde am 31. März 1978 vollzogen. Gegenstand des Unternehmens dieser Gesellschaft ist der Handel mit Waren aller Art.

Dem gegen die genannte Eintragungsverfügung von der Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft"erhobenen Rekurs hat das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach den §§ 142 bis 144 FGG aufgetragen wurde. Hingegen wurde dem Rekurs soweit in ihm die Aufhebung der Eintragungsverfügung und der Auftrag an das Erstgericht, die Firma "W Handelsgesellschaft m.b.H." zu löschen, begehrt wurden, nicht Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gegen den stattgebenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses richtet sich der Revisionsrekurs der Firma "W Handelsgesellschaft m. b.H."; er ist zwar zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich nach den gemäß Art. 9 Abs. 1 EVHGB auf Eintragungsverfügungen des Registergerichtes anzuwendenden Bestimmungen der §§ 1 bis 19 AußStrG (SZ 48/43 = EvBl. 1976/84; EvBl. 1977/269). Der Umstand, daß eine bereits im Handelsregister vollzogene Eintragungsverfügung (insbesondere eine solche, durch die eine Gesellschaft entstanden ist), wenn ihre. Überprüfung auf Grund eines nach den genannten Bestimmungen erhobenen Rechtsmittels ihre Unzulässigkeit ergibt, wegen des zu beachtenden Grundsatzes der Erhaltung der Eintragung nicht mehr im Sinne einer Abweisung des ihr zugrunde gelegenen Antrages abgeändert werden kann, sondern dem Registergericht aufzutragen ist, je nach der Lage des Falles von den im Handelsgesetzbuch und in den dazugehörigen Vorschriften des 7. Abschnittes des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit geschaffenen Möglichkeiten der Anhaltung zur Unterlassung des Gebrauches einer nicht zustehenden Firma (§ 37 Abs. 1 HGB, § 140 FGG) oder der Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach den §§ 142 bis 144 FGG Gebrauch zu machen (EvBl. 1977/269; RZ 1978, 5), vermag daran - wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1978, 6 Ob 5/78, ausgesprochen hat - nichts zu ändern. Der in der hier angefochtenen Entscheidung des Rekursgerichtes enthaltene Auftrag an das Registergericht, das Amtslöschungsverfahren nach den §§ 142 bis 144 FGG einzuleiten, hat also nicht zur Folge, daß die Anfechtbarkeit der rekursgerichtlichen Entscheidung (auch) nach den zuletzt genannten Bestimmungen zu beurteilen wäre; diese beziehen sich vielmehr nur auf das eigentliche Amtslöschungsverfahren, das erst mit der Benachrichtigung des Betroffenen von der beabsichtigten amtswegigen Löschung im Sinne des § 142 Abs. 2 FGG beginnt. Der gegenständliche Revisionsrekurs ist daher nach § 14 AußStrG zulässig.

In der Sache selbst führt die Revisionsrekurswerberin aus, auf Grund des erstgerichtlichen Aktes HRB 16 448 stehe fest, daß lediglich in der Zeit vom 3. November 1976 bis zum 16. März 1977 der "Groß- und Kleinhandel mit Waren aller Art" Gegenstand des Unternehmens der Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H." und damit auch der Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft" gewesen sei. Daraus gehe hervor, daß nicht nur eine möglicherweise einmal bestandene Handelsgewerbeberechtigung im Hinblick auf die §§ 9 und 11 Abs. 2 GewO 1973 bereits längst geendigt habe, sondern auch der Firmenwortlaut der Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft" gemäß § 18 Abs. 2 HGB unzulässig sei. Die Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft" könne sich daher gegenüber der Revisionsrekurswerberin nicht auf eigene rechtswidrige Umstände berufen, auch wenn diese noch nicht Anlaß für ein Vorgehen nach § 37 HGB gewesen seien. Im übrigen sei aber der im § 30 Abs. 1 HGB geforderten Unterscheidbarkeit durch die Aufnahme des Unternehmensgegenstandes in den Firmenwortlaut - Handelsgesellschaft gegenüber Wohnungseigentumsgesellschaft - hinreichend Rechnung getragen worden, wodurch auch jedwede Täuschung im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB hintangehalten werde. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Firmenwortlauten komme es allerdings entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht darauf an, ob - wenn keine Verwechslungsgefahr vorliege - der Eindruck einer Zusammengehörigkeit oder Verflechtung an sich selbständiger und branchenverschiedener Firmen entstehe. Eine derartige Rechtslage könne der Bestimmung des § 18 Abs. 2 HGB jedenfalls nicht entnommen werden. Abgesehen davon, wäre eine solche Zusammengehörigkeit oder Verflechtung im Sinne einer wechselseitigen Beteiligung schon deshalb nicht anzunehmen, weil dies nach § 5 Abs. 1 erster Satz GmbHG auszuschließen wäre.

Diesen Ausführungen ist nachstehendes entgegenzuhalten:

Für die Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten neben § 5 GmbHG auch die firmenrechtlichen Vorschriften der §§ 17 ff. HGB (Gellis, Kommentar zum GmbHG, 28; Hachenburg, Kommentar zum GmbHG[7], Anm. 1 zu § 4 dGmbHG; ÖBl. 1971, 18; NZ 1977, 13; 6 Ob 5/78 u. a.). Der Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung darf daher kein Zusatz beigefügt werden, der geeignet ist, eine Täuschung über die Art und über den Umfang des Geschäftesherbeizuführen (§ 18 Abs. 2 HGB). Auch jede neue Firma einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muß sich demnach von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden (§ 30 Abs. 1 HGB).

Die im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, der Firmenwortlaut der "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft" sei zumindest seit März 1977 zufolge Wegfalles der Gewerbeberechtigung zum Handel mit Waren aller Art nach § 18 Abs. 2 HGB unzulässig, kann nicht als unbeachtliche Neuerung abgetan werden, weil gemäß der bereits genannten Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 EVHGB für das Handelsregisterverfahren auch § 10 AußStrG gilt (2 Ob 138/55; 7 Ob 240/56), wonach in einem ordentlichen Revisionsrekurs vor der Entscheidung erster Instanz eingetretene Tatsachen neu vorgebracht werden dürfen (JBl. 1958, 100; JBl. 1961, 367 u. v. a., zuletzt etwa 6 Ob 656/76; 3 Ob 581/78).

Es ist auch nicht gänzlich bedeutungslos, ob der Wortlaut einer an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister eingetragenen Firma, die sich durch die neu einzutragende Firma in ihrem Recht auf Firmenausschließlichkeit verletzt fühlt, im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Eintragung der neuen Firma selbst den Vorschriften über die Firmenbildung entspricht oder nicht, weil die im § 30 Abs. 1 HGB normierte ausschließende Wirkung der eingetragenen Firma u. a. auch davon abhängt (so schon Staub - Pisko, Kommentar zum AHGB[3] I, 171 § 5 zu Art. 20 AHGB; Schlegelberger, Kommentar zum HGB[5]I, 269; Großkommentar zum HGB[3] I, 394). Hiebei ist zu beachten, daß eine zunächst den Firmenvorschriften entsprechende Firma durch nachträgliche Änderungen unzulässig werden kann (Schlegelberger a. a. O., 199; Großkommentar a. a. O., 300) und der Umstand, daß die unzulässige Firma im Handelsregister eingetragen ist, diese noch nicht zulässig macht (Großkommentar a. a. O., 419 Anm. 4 zu § 37 HGB).

Der Grundsatz der Firmenausschließlichkeit dient aber nicht nur dem Schutz des Inhabers der bereits bestehenden und eingetragenen Firma, sondern wurde auch im Interesse des Dritten, der mit dem einen oder dem anderen Firmeninhaber Geschäfte macht, oder - allgemein gesagt - im Interesse des Rechtsverkehrs aufgestellt (so schon Staub - Pisko a. a. O., 169 § 2 zu Art. 20 AHGB; Großkommentar a. a. O., 393; vgl. auch SZ 31/102 und 6 Ob 8/77). Das vom Registergericht wahrzunehmende Verkehrsinteresse verlangt, daß die gleichzeitige Führung gleicher oder ähnlicher Firmen durch verschiedene Kaufleute vermieden werde, gleichviel, ob die Firmen vorschriftsmäßig sind oder nicht. Dies bedeutet zwar nicht, daß auch die vorschriftswidrige Firma den Schutz des § 30 Abs. 1 HGB genießt - sie hat vielmehr der neuen Firma zu weichen -, doch muß der Registerrichter die Eintragung der neuen Firma zum Schutz der Verkehrsinteressen so lange ablehnen, bis die Änderung oder Löschung der vorschriftswidrigen eingetragenen Firma bewirkt ist (Staub - Pisko a. a. O., 171 § 5 zu Art. 20 AHGB; Rspr. 1928/285).

Daraus folgt, daß bei der Beurteilung der Frage, ob die zur Eintragung angemeldete neue Firma dem Grundsatz der Firmenausschließlichkeit entspricht, von dem im Beurteilungszeitpunkt eingetragenen Wortlaut der alten Firmen auszugehen ist.

Vergleicht man aber die Firma der Revisionsrekurswerberin "W Handelsgesellschaft m.b.H." mit der Firma "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft", so wie sie derzeit (noch) im Handelsregister eingetragen ist, dann ist dem Rekursgericht beizupflichten, daß - aus den im angefochtenen Beschluß zutreffend dargelegten Gründen - die Firma der Revisionsrekurswerberin gemäß §§ 18 Abs. 2 und 30 Abs. 1 HGB unzulässig ist und dem Erstgericht die Einleitung des Amtslöschungsverfahrens nach den §§ 142 bis 144 FGG aufzutragen war.

Daß Firmenzusätze, die den Anschein einer wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammengehörigkeit oder Verflechtung mehrerer Firmen erwecken, als zur Täuschung über die Verhältnisse des Geschäftsinhabers geeignet gemäß § 18 Abs. 2 HGB unzulässig sind, hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 2. Mai 1977, 6 Ob 3/77, EvBl. 1977/269, ausgesprochen. Eine zumindest wirtschaftliche Zusammengehörigkeit oder Verflechtung wird auch durch § 5 Abs. 1 erster Satz GmbHG nicht ausgeschlossen.

An die Unterscheidbarkeit der Firma, die § 30 HGB ohne Rücksicht darauf verlangt, ob deren Unternehmensgegenstände gleich oder verschieden sind (Baumbach - Duden, HGB[22], 135), sind bei (teilweise) gleichen Unternehmensgegenständen besonders strenge Anforderungen zu stellen (Gellis, Kommentar zum GmbHG, 32): dies vor allem dann, wenn diese Gleichheit - wie hier ("W Handelsgesellschaft": "W Wohnungseigentumsgesellschaft m.b.H. und Co. KG Handelsgesellschaft") - sogar im Firmenwortlaut zum Ausdruck kommt.

Anmerkung

Z51120

Schlagworte

Firmenausschließlichkeit, Firmenentscheidbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0060OB00009.78.0907.000

Dokumentnummer

JJT_19780907_OGH0002_0060OB00009_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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