TE OGH 1978/9/13 10Os97/78

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Veröffentlicht am 13.09.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 24.November 1977, GZ. 12 Vr 149/76-143, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sterneder und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

520 Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Juni 1929 geborene Polizeibeamte (Polizeimajor) Alfred A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er Ende 1971

und im Jahre 1972 in Linz als Beamter, und zwar als Leiter der technischen Abteilung (Verkehrsabteilung) der Bundespolizeidirektion Linz, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf die Dienstleistung des Polizeirayonsinspektors Othmar B zu schädigen, die Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbrauchte, indem er von Othmar B zwecks Durchführung privater Arbeiten auf seiner (des Angeklagten) Baustelle in Alt-Lichtenberg, Gemeinde Lichtenberg, in mindestens zwei Fällen verlangte, in den Krankenstand zu gehen und diese Krankenstände begünstigte und deckte.

Von weiteren Anklagepunkten in Richtung der Verbrechen des Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB., der schweren Nötigung nach den § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 3 StGB. und des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. wurde er rechtskräftig freigesprochen. Den gegen ihn ergangenen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 1, 3, 5, 9 lit. a und 10

des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsgrund nach der Z. 1 des § 281 Abs. 1 StPO. liegt allein schon deshalb nicht vor, weil die am Beginn der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 15.November 1977 (Band IV, S. 41) an die Stelle des nach § 2 Abs. 1 Z. 9 des Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes ausgeschlossenen Hauptschöffen Josef C eingetretene Ersatzschöffin Gertrude D an der Hauptverhandlung bereits seit deren Beginn am 14. November 1977

(Band IV, S. 1, Beeidigung S. 2) mitgewirkt hat und das Gericht daher unbeschadet des erstmals in der Beschwerde - daher an sich verspätet - geltend gemachten Umstandes gehörig besetzt war. Auch der Nichtigkeitsgrund der Z. 3 des § 281 Abs. 1 StPO. im Zusammenhang mit der Beeidigung des Zeugen Othmar B ist in keiner der behaupteten Erscheinungsformen (Eideshindernis nach dem § 170 Z. 1, 5, 6 und 7 StPO.) gegeben.

Das Wort 'teilnehmen' im § 170 Z. 1 StPO. ist zwar im weitesten Sinn zu verstehen, doch muß es sich jedenfalls um den Nachweis oder zumindest konkreten Verdacht einer strafrechtlich zu beurteilenden Teilnahme (Mitwirkung) des betreffenden Zeugen an der Tat handeln, derentwegen er abgehört wird (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/1, § 170 StPO., Nr. 25 ff.). Der Zeuge Othmar B soll jedoch vorliegend im Anklagefaktum III 1 überhaupt nur Nutznießer der angeblichen (im Urteil vom Freispruch erfaßten) Tat des Angeklagten gewesen sein und hat sich im Zusammenhang mit dem Anklagefaktum III 2 (Schuldspruchfaktum) bloß disziplinär verantwortlich gemacht. Für das ebenfalls erstmalig in der Beschwerde geltend gemachte Eideshindernis nach dem § 170 Z. 5 StPO., und zwar eine erhebliche Schwäche des Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögens des Zeugen Othmar B, liegen für den allein maßgebenden Zeitpunkt der Aussage und Beeidigung überhaupt keine objektiven Anhaltspunkte vor. Das bereits in erster Instanz behauptete Eideshindernis des § 170 Z. 6 StPO.

wieder setzt das Bestehen eines tiefwurzelnden und andauernden Feindschaftsverhältnisses zwischen dem abzuhörenden Zeugen und dem Beschuldigten (Angeklagten) voraus (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/1 § 170 StPO., Nr. 50 ff.), wovon vorliegend ungeachtet gewisser Zwistigkeiten nach der in freier Beweiswürdigung gewonnenen Annahme des Erstgerichtes jedoch nicht die Rede sein kann (vgl. die Urteilsfeststellungen Band IV, S. 342 unten, 343 oben). Das Eideshindernis des § 170 Z. 7 StPO. (wegen Widersprüchen in der Aussage) schließlich kann bei einem - wie hier abgelegten - Voreid überhaupt nicht Platz greifen (SSt. 39/24).

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO.

ist sohin in keiner Richtung gegeben.

Die weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers zum Nichtigkeitsgrund der Z. 5 der genannten Gesetzesstelle erschöpfen sich im unzulässigen Versuch, vor allem unter Darlegung nicht entscheidungswesentlicher Umstände und Erwägungen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu bekämpfen, welches seine Entscheidung ausführlich, lebensnah und im Einklang mit den Denkgesetzen begründet hat.

Eine Undeutlichkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung liegt entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerde nicht vor, weil den Urteilsfeststellungen unmißverständlich zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen das Erstgericht auf der objektiven und auf der subjektiven Tatseite als erwiesen angenommen hat.

Was die behauptete Unvollständigkeit der Begründung anlangt, so hat das Erstgericht im Gegensatz zur Meinung des Beschwerdeführers seiner Begründungspflicht voll entsprochen und in ausreichendem Umfang (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO.) dargestellt, auf Grund welcher Erwägungen es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt ansah. Das Schöffengericht war entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt der Veranwortung des Angeklagten wiederzugeben, sämtliche Verfahrensergebnisse im Detail zu erörtern und darauf zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen und sich bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen mit allen nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten zu befassen.

Für die Entscheidung wesentliche Verfahrensergebnisse, bei deren Berücksichtigung eine andere Lösung der Schuldfrage denkbar gewesen wäre und die das Erstgericht mit Stillschweigen übergangen oder ungewürdigt gelassen hätte, werden von der Beschwerde nicht aufgezeigt.

Die Behauptung, daß das Erstgericht die mit den Angaben des Zeugen Othmar B über seine persönlichen Krankmeldungen durch den Angeklagten unvereinbaren Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Josef E, Hermann F und Ernst G nicht erörtert habe, ist nicht richtig, weil sich das Schöffengericht mit diesen Aussagen ausdrücklich befaßt hat, ihnen jedoch in ihren für den Angeklagten günstigen Teilen ohne Verstoß gegen die Denkgesetze nicht gefolgt ist (Band IV, S. 342).

Mit der Verantwortung des Angeklagten, ohnehin jederzeit befugt gewesen zu sein, einem ihm unterstellten Beamten 'z.B. einen halben Tag frei zu geben', mußte sich das Erstgericht nicht näher befassen, weil diese Behauptung das vom Schuldspruch erfaßte Verhalten des Alfred A in keiner Weise ausschließt und die behauptete Befugnis im übrigen im vorliegenden Fall schon deswegen nicht zum Tragen kommen konnte, weil sie unter keinen Umständen die Ermächtigung des Angeklagten in sich schloß, auf diese Weise einen ihm unterstellten Beamten während der Dienstzeit für private Arbeiten auf seiner Baustelle heranzuziehen.

Ein Eingehen des Schöffengerichtes auf die in der Hauptverhandlung verlesenen Angaben der Zeugin Edith A gegenüber der Sicherheitsbehörde über private Besuche des Zeugen Othmar B während der Dienstzeit in der Wohnung des Angeklagten erübrigte sich ebenfalls (siehe Band II, S. 259). Die Zeugin - die vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machte - hat einen derartigen vom Beschwerdeführer bestrittenen Besuch ausdrücklich bestätigt und sich bezüglich weiterer derartiger Besuche bloß auf mangelnde Erinnerung berufen.

Daß sich der Angeklagte wechselhaft verantwortet habe, wurde ihm vom Erstgericht nicht vorgeworfen, sodaß es entgegen dem Beschwerdevorbringen auch keiner 'aktenmäßig gedeckter Feststellungen' bedurfte, daß er in dem umfangreichen Verfahren immer bei seiner gleichlautenden Verantwortung geblieben sei und diese 'nie' geändert habe.

Gleichfalls entbehrlich war eine Auseinandersetzung des Erstgerichtes mit dem Umstand, der Zeuge Othmar B habe den Angeklagten im Herbst 1975 gegenüber dem Zentralinspektor der Bundespolizeidirektion Linz, Oberst H, noch als 'korrekten, aufrechten und menschlichen Vorgesetzten' bezeichnet (Bd. III, S. 293), wenige Monate später (Band I, S. 299 ff.) aber massiv gerade das Gegenteil behauptet. Ein derartiges Verhalten ist mit den Erfahrungen des täglichen Lebens an sich durchaus vereinbar und steht mit dem Ergebnis der zum Nachteil des Angeklagten vorgenommenen unanfechtbaren erstgerichtlichen Beweiswürdigung im vorliegenden Fall daher in keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, das Erstgericht hätte hinsichtlich einzelner Umstände divergierende Aussagen der Zeugen und insbesondere auch den Erregungszustand des Othmar B im Zeitpunkt der Abfassung des belastenden Schriftsatzes besser aufklären müssen, so wäre es ihm und seinem Verteidiger im übrigen freigestanden, in der Hauptverhandlung durch entsprechende Fragen und geeignete Antragstellung auf eine solche von ihnen noch für notwendig erachtete Aufklärung hinzuwirken;

aus der Aktenlage ergibt sich eine solche Notwendigkeit nicht. Daß die unter gleichzeitiger Anführung konkreter Umstände geäußerte bloße Vermutung des Belastungszeugen Othmar B, wonach der Angeklagte seine Telefongespräche abhören ließ, durch die gerichtlichen Erhebungen nicht verifiziert werden konnte (vgl. ON. 107 u. 121 in Bd. III) und dieses für den Beschwerdeführer - bei isolierter Betrachtung - günstige Verfahrensergebnis sowie ein - seiner Ansicht nach - für ihn sprechender Erlaß des Bundesministeriums des Inneren betreffend die Anzeige gegen einen gewissen Kurt I (vgl. die Beilage G zum Hauptverhandlungsprotokoll in Bd. IV) im angefochtenen Urteil keine Erwähnung fanden, ist für die im vorliegenden einzigen Schuldspruchfaktum allein entscheidende Frage, ob der Angeklagte dem Zeugen Othmar B pflichtwidrig private Tätigkeiten während der Dienstzeit und ungerechtfertigte Krankmeldungen aufgetragen hat, ohne entscheidenden Belang. Dies gilt auch für die Frage des Betriebs eines Fernsehgeräts durch den Angeklagten ohne Entrichtung der entsprechenden Gebühren.

Mit einer Unvollständigkeit der Begründung relevanter Tatsachen ist das angefochtene Urteil daher in keiner Richtung behaftet. Der aus Eintragungen im Wachdienstbuch des Verkehrsunfallskommandos der Bundespolizeidirektion Linz abgeleitete Vorwurf der Aktenwidrigkeit geht gleichfalls ins Leere, weil selbst der Beschwerdeführer in übereinstimmung mit den Urteilsannahmen zumindest bezüglich zweier sogenannter 'Krankmeldungen' das Fehlen entsprechender ärztlicher Bescheinigungen zugestehen muß (Band IV S. 422, 425, 426).

Da es dem Erstgericht entgegen der Beschwerdeansicht schließlich auf Grund des Rechtes der freien Beweiswürdigung unbenommen blieb, in das Erkenntnisverfahren (siehe das Hauptverhandlungsprotokoll) und in die Urteilsgründe auch - nicht bzw. nicht mehr strafbare - durch einen diesbezüglichen Einstellungsbeschluß bereits erledigte Vorfälle (mit einer Rodel, einer Lampe und einer Dachrinne) zur Charakterisierung des Angeklagten einzubeziehen, ist das angefochtene Urteil in keiner Richtung mit dem Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet.

Aber auch die Rechtsrüge versagt.

Bei den Rechtsrügen ist davon auszugehen, daß Mißbrauch der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. zu verantworten hat, wer als Beamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen in seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht.

Nach den vorliegenden Urteilsfeststellungen war der Angeklagte zur Tatzeit als Polizeimajor mit der Leitung der technischen Abteilung bei der Bundespolizeidirektion Linz (Verkehrsabteilung) betraut, welche den gesamten Kraftfahrzeug- und Werkstättenbetrieb, den Fernmeldebetrieb, die Funkstreife, die Verkehrsgruppe (mot) und das Verkehrsunfallkommando (VuK) umfaßt. Der Zeuge Othmar B war als Polizeirayonsinspektor dem Verkehrsunfallkommando, Dienstgruppe B, der Bundespolizeidirektion Linz zugeteilt und somit Untergebener des Angeklagten (vgl. Band IV/S. 315 f., 322, 323).

Die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, der zwar seinen Status als Beamter nicht in Zweifel zieht, aber vermeint, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nicht mißbraucht zu haben, als er die inkriminierten Tathandlungen setzte, ist verfehlt. Zu den amtlichen Obliegenheiten - und damit den 'Amtsgeschäften' - eines in leitender Stellung tätigen Polizeibeamten gehört unter anderem auch die Dienstaufsicht über die ihm unterstellten Beamten, welche eine geeignete Vorsorge und überwachung der vollen und pflichtgemäßen Erfüllung der diesen untergeordneten Beamten je nach der Art ihrer Verwendung zukommenden Dienstpflichten und damit ihrer spezifischen Beteiligung an den Amtsgeschäften ihrer jeweiligen Behörde einschließt. Wenn daher ein Beamter in der dienstlichen Stellung des Angeklagten einen Untergebenen in für ihn klar erkennbarer und ihm auch bewußter Verletzung dieser Amtspflicht ausdrücklich auffordert, seine Dienstpflichten im Sinne des § 28 DP. insoweit zu verletzen, als er seine Dienststunden nicht einhalten, sondern für eine rechtens im Dienst zu verbringende Zeit unberechtigte Krankenstände in Anspruch nehmen und während dieser vom Staat entlohnten Zeit für ihn selbst - den Vorgesetzten - private Arbeiten verrichten möge, und diese Pflichtverletzung des Untergebenen auch noch dadurch deckt, daß er die Eintragungen über die angeblichen Krankenstände im Wachdienstbuch abzeichnet und damit wider besseres Wissen bestätigt, dann mißbraucht er wissentlich seine Befugnis zur Verrichtung von Amtsgeschäften als Organ des Bundes im Rahmen der Gesetzesvollziehung im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB., zumal er damit in mißbräuchlicher Weise seine Amtsgewalt einsetzt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Angeklagte und sein Untergebener privat befreundet waren und der letztere gegen die ihm aufgetragene pflichtwidrige private Tätigkeit während der Dienstzeit und die damit verbundenen ungerechtfertigten Krankmeldungen nichts einzuwenden hatte, sondern damit einverstanden war. Denn wie das Erstgericht zutreffend ausführt, kommt es bloß darauf an, daß die in Rede stehenden Verrichtungen über Aufforderung und im Interesse des Beschwerdeführers während der Dienstzeit durchgeführt wurden (vgl. LSK. 1977/63 = 12 Os 84/76). Wenn der Angeklagte vermeint, es mache einen Unterschied, ob etwa - wie im vorzitierten Verfahren 12 Os 84/76 - ein hochrangiger Offizier des Bundesheeres mehrere Heeresbeamte, mehrere Grundwehrdiener und Militärfahrzeuge durch Jahre für sich in privaten Einsatz bringe oder ob es sich um einen Sachverhalt wie den vorliegenden handle, so ist ihm zu entgegnen, daß hier in Wahrheit bloß ein Unterschied quantitativer Art vorliegt.

Soweit der Beschwerdeführer aber geltend macht, das Recht auf pflichtgemäße Ausübung eines Amtes an sich könne nicht als (konkretes) 'Recht' des Staates im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB. angesehen werden, so geht sein Vorbringen an der zutreffenden Annahme des Erstgerichtes vorbei, das Verhalten des Angeklagten habe den Staat (darüber hinaus) an seinem konkreten Recht auf Dienstleistungen für das ausbezahlte Gehalt überhaupt - sohin auch materiell, wenngleich nicht im großen Ausmaß - geschädigt und dieser Umstand sei vom Vorsatz des Angeklagten (welcher insoweit bloß in Form des dolus eventualis vorausgesetzt wird) umfaßt gewesen. Das Erstgericht hat demnach das unter Punkt III 2

der Anklageschrift inkriminierte Verhalten des Angeklagten ohne Rechtsirrtum - hiebei ungeachtet der vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches gelegenen Tatzeit richtigerweise gemäß dem § 61 StGB. das neue Recht anwendend - als Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB. beurteilt.

Sohin war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred A auch insoweit, als sie die materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. heranzieht, nicht im Recht und daher zur Gänze zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten und sah diese gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nach. Als erschwerend wertete es hiebei die Wiederholung der strafbaren Handlung und berücksichtigte demgegenüber den bisher tadellosen Lebenswandel des Alfred A sowie den Umstand als mildernd, daß die Straftat bereits längere Zeit zurückliegt.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die außerordentliche Strafmilderung, die Verhängung einer (bedingten) Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe, die Verkürzung der gemäß § 43 Abs. 1 StGB. vom Erstgericht bestimmten Probezeit auf 1 Jahr sowie die Nachsicht der mit der Verurteilung 'allenfalls' verbundenen Rechtsfolgen. Die Berufung ist nicht begründet.

Die vom Erstgericht ohnehin an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens ausgemessene Freiheitsstrafe wird dem Verschulden des Angeklagten gerecht; ihr Ausmaß war trotz des relativ geringen effektiven Schadensgehalts nicht zu hoch. Eine weitere Herabsetzung unter Anwendung des § 41 StGB. kam nicht in Betracht, weil die bei den durch das Strafgesetzbuch geschaffenen realen Strafrahmen für die Anwendung des § 41 StGB. grundsätzlich erforderliche besondere Fallgestaltung nicht vorliegt, somit die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen. Die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten fällt nicht übermäßig ins Gewicht, weil sie wohl Voraussetzung für das vom Angeklagten ausgeübte (höhere) Amt ist.

Entgegen dem Berufungsbegehren hatte es auch bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe zu bleiben, weil der an sich nach dem Gesetz möglichen Anwendung des § 37 Abs. 1

StGB., wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, generalpräventive Erwägungen entgegenstehen. Es ist u.a. auch Aufgabe der Strafrechtspflege, die Einhaltung peinlichster Korrektheit im Bereich des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten und jede Art von Korruption im höheren Beamtenstand mit Deutlichkeit als verwerflich zu kennzeichnen; dies umsomehr, als sich die Rechtsbegriffe gerade der dem Angeklagten untergebenen Polizeibeamten an dem Verhalten ihres Vorgesetzten orientierten und weil sich sein schlechtes Beispiel auf einen anderen auswirkte.

Für die Verkürzung der Probezeit fehlt jede sachliche Rechtfertigung.

Eine bedingte Rechtsfolgennachsicht wurde nicht ausgesprochen. Nach Bundesgesetzen - und nur auf diese ist abzuheben (vgl. § 27 Abs. 2 StGB.) - ist mit der gegenständlichen Verurteilung des Angeklagten weder der Amtsverlust (§ 27 Abs. 1 StGB.) noch der Verlust des Wahlrechtes (§ 22 Nationalrats-Wahlordnung 1971) verbunden. Es könnte - der Angeklagte ist noch aktiver Beamter - auch eine Rechtsfolge nach dem Pensionsgesetz nicht eintreten (§ 11 lit. f Pensionsgesetz 1965). Die Rechtsfolge nach § 2 Z. 8 des Geschwornen- und Schöffenlistengesetzes trifft ihn als Polizeibeamten nicht. Ihn vor Rechtsnachteilen nach § 13 GewO. zu bewahren, ist nach der Lage des Falles entbehrlich (§ 42 Abs. 2 StGB.).

Es war daher auch der Berufung des Angeklagten in keiner Richtung Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01447

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00097.78.0913.000

Dokumentnummer

JJT_19780913_OGH0002_0100OS00097_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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