TE OGH 1978/9/26 11Os126/78

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Veröffentlicht am 26.09.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kral, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den § 127 Abs. 1, 129 Z 2 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 9. Juni 1978, GZ. 25 Vr 168/78-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Rudolf A wird von der Anklage, er habe am 29. November 1977 in Linz durch Öffnen eines Haartrockenautomaten im Bezirkshallenbad Linz, Schörgenhubstraße 16, eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von 5 S, dem Verfügungsberechtigten des Bezirkshallenbades durch Öffnen eines Behältnisses mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht und habe hiedurch das Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den § 15, 127 Abs. 1, 129 Z 2 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 4 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. Mai 1960 geborene kfm. Lehrling Rudolf A des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den § 15, 127 Abs. 1, 129 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 29. November 1977 in Linz durch Öffnen eines versperrten Haartrockenautomaten im Bezirkshallenbad Linz, Schörgenhubstraße 16, eine fremde bewegliche Sache, nämlich 5 S Bargeld, dem Verfügungsberechtigten des Bezirkshallenbades durch Öffnen eines Behältnisses mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versuchte.

Den Urteilsfeststellungen zufolge hat Rudolf A den im Gang zu den Kabinen aufgestellten Föhnautomaten durch Einwurf einer Einschillingmünze in Tätigkeit gesetzt und hiebei den Entschluß gefaßt, das versperrte Türl des Geldfachkästchens zu öffnen, was ihm auch gelang, worauf er aus dem Geldfach die darin befindlichen fünf Einschillingmünzen entnahm; es konnte jedoch nicht mehr geklärt werden, ob Rudolf A sich zum Öffnen dieses Türls eines harten Gegenstandes (zum Beispiel eines Schlüssels oder eines Kamms) bediente oder das Öffnen durch Druck mit zwei Fingern bewerkstelligte. Der Zeuge (Polizeioberwachmann) Werner B, der am versperrten Türl des Geldfaches eine Druck- und Fingerprobe durchführte, konnte mit seinen zwei Daumen durch einen geschickten Gegendruck das vorhandene Sperrverhältnis überwinden (Seiten 57-58). In rechtlicher Beziehung erachtete das Erstgericht die Qualifikation nach § 129 Z 2 StGB für gegeben, weil bei der Beurteilung eines Sperrverhältnisses nicht darauf abzustellen sei, ob dasselbe leicht oder schwer zu öffnen ist, sondern darauf, ob es sich überhaupt um eine funktionsfähige Sperrvorrichtung handelt, die nicht von jedermann ohne Mühe geöffnet werden kann, sondern eben nur mit Hilfe eines Werkzeugs oder durch Gebrauch eines entsprechenden geschickten Gegendrucks mit Hilfe der beiden Daumen (Seite 65 d. A). Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Rudolf A mit seiner ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt zunächst insofern Berechtigung zu, als der Angeklagte sich gegen die Heranziehung der Qualifikationsnorm des § 129 Z 2 StGB wendet.

Nach dieser Bestimmung macht sich des Diebstahls durch Einbruch schuldig, wer die Tat begeht, indem er ein Behältnis aufbricht oder mit einem nachgemachten oder widerrechtlich erlangten Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug öffnet.

'Aufbrechen' im Sinne des § 129 Z 2 StGB bedeutet, daß der Täter sich mit Gewalt, 'Öffnen' hingegen, daß er sich ohne Gewalt, aber mit Hilfe eines der in § 129 Z 1

StGB genannten Mittel die Möglichkeit verschafft, sich des bis dahin seinem unmittelbaren Zugriff entzogenen Inhalts eines Behältnisses zu bemächtigen (EvBl. 1976/275).

Ein Automat ist ein Behältnis im Wortsinn des § 129 Z 2 StGB (Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 660) und grundsätzlich solange als verschlossen anzusehen, als die Absicherung nach außen nicht so ungenügend (geworden) ist, daß der Inhalt ohne weitere Veränderung an diesem Automaten - wenn auch allenfalls unter Verwendung eines Hilfsmittels - entnommen werden kann (vgl. EvBl. 1976/ 275).

Im vorliegenden Fall ist der rechtlichen Beurteilung als für den Angeklagten günstigere Annahme zugrundezulegen (9 Os 218/61, abgedruckt bei Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2 unter Nr. 42 zu § 258 StPO), daß der Angeklagte das Öffnen des Geldfaches ohne Zuhilfenahme eines Werkzeuges nur durch Druck mit zwei Fingern bewerkstelligt hat, worin ein (gewaltsames) Aufbrechen - als unter den gegebenen Umständen allein in Frage stehende Alternative einer Diebstahlsqualifikation nach dem § 129 Z 2 StGB - nicht zu ersehen ist. Denn den Urteilsfeststellungen zufolge genügte dazu ein durch einen entsprechenden geschickten Druck mit den zwei Daumen herbeizuführender Gegendruck (Seiten 64 und 65 d. A), in welchem Zusammenhang sich aus den Angaben des Zeugen (Polizeioberwachmanns) Werner B ergibt, daß sich das betreffende Kästchen durch einen solchen Daumendruck leicht öffnen ließ (Seiten 49-50 d. A). Die Anwendung der Qualifikationsbestimmung des § 129 Z 2 StGB erweist sich somit als rechtsirrig.

Schließlich ist dem Beschwerdevorbringen aber auch darin beizupflichten, daß der Schuldspruch letzten Endes mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behaftet ist, da nach dem Wegfall der vom Erstgericht rechtsirrig angenommenen Einbruchsqualifikation auf den Angeklagten die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1

StGB zutreffen.

Nach dieser Gesetzesstelle ist eine von Amts wegen zu verfolgende, nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohte Tat nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, weil die Tat nach § 127 Abs. 1 StGB nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, das Verschulden des Angeklagten (übereinstimmend mit der Auffassung des Erstgerichtes) als gering anzusehen, die Tat als einmaliges Fehlverhalten zu werten und der Schade als unbedeutend zu bezeichnen ist (Seite 66 d. A). Zudem könnte keineswegs mit Grund gesagt werden, daß ein Strafausspruch - etwa in der ersatzweisen Form der vom Erstgericht für gerechtfertigt gehaltenen Ermahnung - geboten wäre, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und Rudolf A wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 42 StGB gemäß dem § 259 Z 4 StPO von der Anklage freizusprechen.

Anmerkung

E01459

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00126.78.0926.000

Dokumentnummer

JJT_19780926_OGH0002_0110OS00126_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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