TE OGH 1978/10/11 10Os139/78

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Veröffentlicht am 11.10.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1978

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens des Raubs nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB. über die vom Angeklagten Wolfgang A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Wolfgang A gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengericht vom 3.Juli 1978, GZ. 1 a Vr 508/78-45, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lischka und der Auführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die über Wolfgang A verhängte Strafe unter Ausschaltung des § 41 StGB. auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre erhöht.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Wolfgang A auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Wolfgang A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 13.April 1961 geborene Hilfsarbeiter Wolfgang A und der am 10.Juni 1960 geborene Friseurlehrling Günther B des Verbrechens des schweren Raubs nach den § 142 Abs. 1, 143 (erster Fall) StGB. schuldig erkannt. Das Schöffengericht legt ihnen im wesentlichen zur Last, daß sie am 8. April 1978 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte den Schüler Markus C, welchen sie zunächst unter Androhung von Schlägen und durch Versetzen einiger Stöße zum Mitgehen gezwungen hatten, unter Vorzeigen eines Rasiermessers gefährlich bedrohten, und ihm dadurch 50 S Bargeld sowie eine Armbanduhr abnötigten und ein Halskettchen samt Anhänger wegnahmen, jeweils mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung dieser Gegenstände (im Gesamtwert von ca. 1.100 S) und des Geldbetrags unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte A bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; er will die Abnötigung des Geldbetrags und der Uhr bloß als Erpressung und die Wegnahme des Kettchens samt Anhänger lediglich als Diebstahl (in eventu ebenfalls als Erpressung) beurteilt wissen. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Zunächst übersieht der Beschwerdeführer, soweit er bei Ausführung der Mängelrüge Feststellungsmängel behauptet, daß die (als fehlend) relevierten Urteilskonstatierungen, wonach er und Günther B dem Markus C das Bargeld, die Armbanduhr und das Halskettchen samt Anhänger (jeweils) unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben abgenötigt bzw. abgenommen haben (sollen), ohnedies im Urteil enthalten sind (siehe S. 264, 265; 268).

Im übrigen fiel die Entscheidung, ob die von den Angeklagten als Mittel zur Verwirklichung der Sachwegnahme und Sachabnötigung gegen das Opfer angewendeten Pressionen - wie für die Annahme eines Raubs im Sinn des zweiten Deliktsfalls des § 142 Abs. 1 StGB. erforderlich - eine 'Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben' darstellen, allein in den Bereich der rechtlichen Beurteilung; sie kann daher - was der Beschwerdeführer gleichfalls übersieht - aus dem formellen Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO., der die mangelhafte Begründung einer Urteilsfeststellung tatsächlicher Art voraussetzt, nicht bekämpft werden. Aber auch der vom Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang geltend gemachte materielle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. liegt nicht vor.

Unter einer Raubdrohung ist, wie aus dem Zitat des § 89 StGB. im § 142 Abs. 1 StGB. hervorgeht, eine Bedrohung mit einer Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder körperliche Sicherheit (des Betroffenen) zu verstehen, die überdies 'gegenwärtig', d.h. mit dem Eindruck der sofortigen Verwirklichung des angedrohten übels verbunden sein muß, und die hinsichtlich einer präsenten Sache die Erzwingung des unverzüglichen Gewahrsamsübergangs an den (die) mit Bereicherungsvorsatz handelnden Täter zum Ziel hat. Diese den Raub von einer Erpressung unterscheidenden Kriterien wurden nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen im gegebenen Fall erfüllt.

Das Erstgericht nahm, u.a. gedeckt durch dke eigene Verantwortung der beiden der Verübung eines Raubs geständigen Angeklagten als erwiesen an, daß diese von Anfang an beschlossen hatten, Markus C unter Gewaltanwendung und durch Drohungen zur Geldherausgabe zu zwingen. In Ausführung dieses (Raub-) Vorhabens zwangen sie den Jungen zunächst unter Androhung von Schlägen - wobei sie ihm auch einige Stöße versetzten - mit ihnen in den Augarten zu gehen. In der Nähe des Flakturms zeigte dann der Angeklagte B dem C sein Rasiermesser und schnitt, um den ohnedies schon Verängstigten noch gefügiger zu machen, mit diesem Messer nahe dem Hals des C einen kleinen Ast ab. Sodann nahmen die beiden Angeklagten dem kurzsichtigen Jungen die Brille ab und forderten ihn zur Herausgabe seiner Geldbörse auf, welchem Verlangen das durch die vorangegangenen Drohungen und Aktionen der Angeklagten eingeschüchterte Opfer nachkam. B entnahm der Geldbörse eine 50- Schilling-Banknote. A verlangte von C dessen Armbanduhr und erhielt sie auch. Schließlich riß B vom Hals des C dessen Halskettchen (samt Anhänger) herunter und nahm dieses an sich. Anschließend versetzten die beiden Angeklagten dem Markus C mehrere wuchtige Faustschläge, wobei sie ihm einschärften, er solle ja nicht zur Polizei gehen. Ausgehend von diesen Sachverhaltskonstatierungen konnte das Erstgericht ohne Rechtsirrtum zu der Annahme gelangen, daß Markus C von den (als Mittäter zusammenwirkenden) Angeklagten - bedenkt man insbesondere das unter den gegebenen Umständen besorgniserregende Hantieren BS mit einem scharfen Rasiermesser in Halsnähe C, welches für diesen durchaus die gegen ihn gerichtete, sofortige Verwendung des Messers als Waffe befürchten ließ, falls er sich ihren Forderungen widersetze - durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit und körperliche Integrität - tätergewollt - nicht allein zur Herausgabe seiner Barschaft, sondern auch seiner Armbanduhr gezwungen wurde, sowie daß er sich nur unter dem Eindruck der imminenten Drohungen der Angeklagten von B die Halskette wegnehmen ließ.

Mithin bleibt für die vom Beschwerdeführer in seiner auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Rechtsrüge angestrebte Tatbeurteilung bloß als Erpressung bzw. - in Ansehung der Wegnahme des Halskettchens - allenfalls als Diebstahl, ohne Zusammenhang mit den vorangegangenen Drohungen der Angeklagten, kein Raum.

Auch bestand für das Erstgericht, zumal selbst der Angeklagte B zugegeben hatte, daß er C 'abgetastet', mit einer Hand dessen Rollkragen abgehoben und ihm mit der anderen Hand das Kettchen absichtlich vom Hals gerissen habe - wäre das Kettchen dabei nicht abgerissen, so hätte er von C die Herausgabe des Kettchens verlangt (s. S. 249;

252/253) - kein Anlaß, sich mit der in der Mängelrüge isoliert bezogenen Angabe des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung (S. 246), B habe bloß am Hemd des C gerissen und dabei sei das Ketterl 'automatisch mitgegangen', unter dem Aspekt einer allenfalls bloß diebischen Wegnahme des Kettchens im Urteil zu befassen. Ein solcher Anlaß bestand umso weniger, als sich weder in der im Zusammenhang gewürdigten Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung noch in der Tatablaufschilderung des Markus C Hinweise darauf finden, daß sich B zur Wegnahme des Kettchens etwa ohne Zusammenhang mit den vorangegangenen wörtlichen und tätlichen Bedrohungen C entschlossen habe. Was die Beschwerde insoweit vorbringt, ist nichts als urteilsfremde Spekulation, die keines weiteren Eingehens bedarf.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte Wolfgang A nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 11 JGG. und des § 41 StGB. zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe. Dabei wertete es die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall des Angeklagten als erschwerend, sein Geständnis, die ungünstigen häuslichen Verhältnisse und die Zustandebringung des (geraubten) Guts hingegen als mildernd.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der über Wolfgang A verhängten Strafe an;

dieser wieder begehrt für den Fall der Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde eine Strafermäßigung und für den Fall der Beurteilung seiner Tat als Erpressung bzw. Diebstahl (was aber schon Gegenstand einer Strafneubemessung wäre und nicht mehr in den Berufungsrahmen fiele) die Verhängung einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe.

Der Berufung der Anklagebehörde war Folge zu geben, weil die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB. nicht vorliegen. Im Hinblick auf die wiederholten einschlägigen Vorstrafen A kann nicht gesagt werden, es bestehe begründete Aussicht, daß er auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Die aus der kriminellen Vorbelastung hervorgehende schlechte Prognose des Angeklagten wird unterstützt durch das psychiatrische Gutachten (S. 145) und durch den Bericht der Jugendgerichtshilfe, der den Angeklagten als bereits in seiner kriminellen Haltung fixiert bezeichnet (ON. 22). Die über A verhängte Strafe war daher bis zu der sich aus § 143, erster Strafsatz, StGB.

und aus § 11 JGG. ergebenden Untergrenze anzuheben. Der Angeklagte war mit seiner Berufung hierauf zu verweisen.

Anmerkung

E01522

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00139.78.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19781011_OGH0002_0100OS00139_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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