TE OGH 1978/11/14 3Ob148/78

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Veröffentlicht am 14.11.1978
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Norm

EO §6
EO §54 Abs1 Z3
EO §63
EO §294 Abs4
Kraftfahrzeuggesetz 1967 §63
Versicherungsvertragsgesetz §149
Versicherungsvertragsgesetz §158c
ZPO §226

Kopf

SZ 51/157

Spruch

Hat der Geschädigte nur den Schädiger auf Schadenersatz belangt und gegen ihn einen Exekutionstitel erwirkt, kann ihm die Exekution auf den dem Schädiger gegen den Haftpflichtversicherer gemäß § 149 VersVG zustehenden Befreiungsanspruch nicht mit der Begründung verweigert werden, daß ihm ein Rechtsschutzbedürfnis hiefür wegen des Direktanspruches gegen den Haftpflichtversicherer fehle

OGH 14. November 1978, 3 Ob 148/78 (OLG Wien 9 R 84/78; LGZ Wien 47 d Nc 178/78)

Text

Auf Grund des Versäumungsurteiles des Landgerichtes Traunstein vom 22. Dezember 1977, 2 O 1981/76, und des Kostenfestsetzungsbeschlusses desselben Gerichtes vom 24. Jänner 1978, bewilligte das Erstgericht der betreibenden Gläubigerin zur Hereinbringung ihrer Forderungen von 6398.80 DM und 800 je samt Anhang antragsgemäß u. a. die Pfändung des der Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesländer Versicherungsaktiengeseilschaft auf Grund des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrages für das Kraftfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen W 621.521, Versicherungs-Nr. 568.287, angeblich zustehenden Freistellungsanspruches. Die Entscheidung über den Überweisungsantrag wurde dem Exekutionsgericht vorbehalten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Drittschuldnerin gegen die Bewilligung der Forderungspfändung nicht Folge. Es zog aus der Bestimmung des § 63 Abs. 1 KFG 1967, derzufolge der geschädigte Dritte seinen Schadenersatzanspruch auch gegen den Versicherer geltend machen kann, den Schluß, daß der Geschädigte den Versicherer nicht direkt in Anspruch nehmen müsse, sondern auch den von der betreibenden Gläubigerin gewählten Weg gehen könne. Dem Erfordernis der Spezifizierung der in Exekution gezogenen Forderung sei Genüge getan, wenn sowohl die Drittschuldnerin als auch die Verpflichtete einwandfrei erkennen könnten, welche Forderung gepfändet werde. Habe der Verpflichtete nur eine Forderung gegen die Drittschuldnerin, dann sei an die Spezifizierungspflicht kein strenger Maßstab anzulegen. Der bestimmte Vorfall, hinsichtlich dessen ein Freistellungsanspruch des Verpflichteten gegen die Drittschuldnerin bestehe, sei offensichtlich ein Vorfall, bei dem die betreibende Gläubigerin zu Schaden gekommen sei und von dem die Drittschuldnerin Kenntnis haben müsse. Damit sei allen Beteiligten klar, welche Forderung gepfändet werde.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Drittschuldners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 83 Abs. 3 EO), aber nicht berechtigt.

Gemäß § 294 Abs. 4 EO kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot im Wege des Rekurses anfechten. Das Rekursrecht steht dem Drittschuldner unabhängig von dem des Verpflichteten und ohne jede Beschränkung, also nicht nur dann zu, wenn ihn die Exekutionsbewilligung gesetzwidrig belastet oder wenn ihm ungerechtfertigte Aufträge erteilt werden. Der Drittschuldner kann vielmehr mit dem Rekurs gegen das Zahlungsverbot auch geltend machen, daß die Pfändungsbewilligung nicht dem Gesetz entspricht, obgleich sie vom Verpflichteten nicht angefochten wird (Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau, EO[4], 645, 2135; vgl. auch SZ 14/186). Das Rekursrecht der Drittschuldnerin ist daher zu bejahen.

Dem Revisionsrekurs ist zuzugeben, daß nach § 3d Pflichtversicherungsgesetz vom 5. April 1965, DBGBl. 213, und nicht nach § 63 Abs. 1 KFG 1967 zu beurteilen ist, ob die betreibende Gläubigerin den Haftpflichtversicherer des Schädigers in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf Schadenersatz belangen konnte. Für die Rechtsmittelwerberin ist damit nichts gewonnen, weil nach beiden Rechtsordnungen der geschädigte Dritte seinen Schadenersatzanspruch auch gegen den Versicherer geltend machen kann. Der Geschädigte kann - muß aber nicht - den Weg der Direktklage gegen den Versicherer beschreiten; er kann die Ersatzpflichtigen gleich wie andere Gesamtschuldner einzeln, sukzessive oder gemeinsam klagen und ebenso den Umweg über die Drittschuldnerklage gegen den Haftpflichtversicherer wählen. Beide Wege stehen dem Geschädigten jetzt sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich nebeneinander offen (Prölss - Martin, VersVG[21], 767 zu § 3 des deutschen PflichtversicherungsG; SZ 47/38). Der Revisionsrekurs geht selbst davon aus, daß der Geschädigte ungeachtet des Direktanspruches den Versicherer auch den Schädiger allein auf Schadenersatz in Anspruch nehmen kann. Die Drittschuldnerin bejaht also das Rechtsschutzbedürfnis des Geschädigten für die nur gegen den Schädiger erhobene Schadenersatzklage. Um so unverständlicher ist es, daß sie den Beschädigten die Exekution auf den dem Schädiger gegen seinen Versicherer zustehenden Befreiungsanspruch mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses verweigern will. Abgesehen davon ist der Exekutionsordnung, nach deren Bestimmungen die Zulässigkeit der beantragten Exekutionsführung zu beurteilen ist, ein "Rechtsschutzbedürfnis" als - besondere - Voraussetzung der Exekutionsbewilligung fremd. Hat der Geschädigte nur den Schädiger auf Schadenersatz belangt und gegen ihn einen Exekutionstitel erwirkt, dann kann ihm die Exekution auf den dem Schädiger gegen den Haftpflichtversicherer gemäß § 149 VersVG zustehenden Befreiungsanspruch nicht mit der Begründung verweigert werden, daß ihm ein Rechtsschutzbedürfnis hiefür wegen des Direktanspruches gegen den Haftpflichtversicherer fehle. Das zwischen dem Schädiger und seinem Versicherer bestehende Gesamtschuldverhältnis ist für die Zulässigkeit der beantragten Exekutionsführung ohne Bedeutung. Dasselbe hat für die Frage zu gelten, ob im Drittschuldnerprozeß eine Bindung des Gerichtes an das gegen den Schädiger erwirkte Versäumungsurteil besteht.

Dem Erfordernis des § 54 Abs. 1 Z. 3 EO nach Bezeichnung des Exekutionsobjektes ist bei einer Forderungspfändung, wie das Rekursgericht unter Hinweis auf die Lehre zutreffend dargelegt hat, entsprochen, wenn sowohl der Drittschuldner als auch der Verpflichtete erkennen können, welche Forderung in Exekution gezogen wird. Daß der Verpflichtete den Angaben der betreibenden Gläubigerin im Exekutionsantrag entnehmen konnte, welche Forderung in Exekution gezogen wird, steht wohl außer Zweifel. Die Drittschuldnerin bestreitet auch gar nicht, daß sie selbst wußte, auf welche Forderung des Verpflichteten Exekution geführt werden soll. Im Gegenteil, aus ihren Rechtsmittelausführungen geht hervor, daß ihr bekannt war, auf Grund welchen Verkehrsunfalles dem Verpflichteten gegen sie ein Befreiungsanspruch zusteht. Der Revisionsrekurs räumt ein, daß die Ereignung von mehreren Verkehrsunfällen zwischen der betreibenden Gläubigerin und dem Verpflichteten als unwahrscheinlich anzusehen ist. Dieser Fall hat daher außer Betracht zu bleiben, so daß nur ein Verkehrsunfall und damit nur ein Befreiungsanspruch als Exekutionsobjekt in Betracht kommt.

Anmerkung

Z51157

Schlagworte

Anspruch gegen Haftpflichtversicherer, Rechtschutzbedürfnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0030OB00148.78.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19781114_OGH0002_0030OB00148_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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