TE OGH 1978/11/15 10Os175/78 (10Os176/78)

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Veröffentlicht am 15.11.1978
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Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Neutzler und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Langenlois vom 4. November 1975, GZ. U 290/75-5, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Bezirksgerichtes Langenlois vom 4. November 1975, GZ. U 290/75-5, verletzt insoweit, als damit Karl A auch des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der § 2 Abs. 1, 267

StPO und des § 9 Abs. 1 Z. 1 StPO Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im vorerwähnten Schuldspruch (Punkt 2 des Urteilssatzes) und im Strafausspruch, weiters werden alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 13. Jänner 1976, ON. 6, und die Anordnung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe vom 18. Juli 1978

aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO unter Ausscheidung des bezeichneten Schuldspruchs in der Sache selbst erkannt:

Karl A wird für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs (Punkt 1 des Urteilssatzes) zur Last fallende Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB gemäß dieser Gesetzesstelle unter Bedacht auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Juni 1976, GZ. 1 c E Vr 9226/75, und vom 9. September 1976, GZ. 1 c Vr 5742/76, (§ 31, 40 StGB) zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40 (vierzig) Tagessätzen zu je S 50,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 20 (zwanzig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Text

Gründe:

Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil des Bezirksgerichtes Langenlois wurde Karl A neben dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB auch des Vergehens des Imstichlassens eines Verletzten nach dem § 94 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, obwohl die Staatsanwaltschaft mit der Erklärung, daß zu seiner weiteren Verfolgung wegen dieses Delikts kein Grund gefunden werde, nur seine Bestrafung wegen § 88 Abs. 1 StGB beantragt (S. 35), das Gericht dementsprechend das Verfahren gegen ihn insoweit gemäß dem § 90 Abs. 1 StPO eingestellt (S. 36) und der staatsanwaltschaftliche Funktionär in der Hauptverhandlung nur seine Bestrafung im Sinn des Gesetzes begehrt (S. 40) hatte.

Rechtliche Beurteilung

Durch diesen Schuldspruch wurde das Gesetz zweifach verletzt. Zum einen verstieß das Gericht damit gegen die gemäß dem § 447 Abs. 1 StPO anzuwendenden § 2 Abs. 1, 267 StPO, wonach die gerichtliche Verfolgung strafbarer Handlungen nur auf Antrag eines Anklägers eintritt und der Gerichtshof an dessen Anträge (nur) insoweit gebunden ist, als er den Beschuldigten nicht einer Tat schuldig erklären darf, auf die die Anklage weder ursprünglich gerichtet noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt worden ist. Denn von einer Identität des in Rede stehenden Urteilsfaktums, welches das Verhalten des Beschuldigten nach dem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall betrifft, mit dem Gegenstand der Anklage, die ausschließlich das Unfallgeschehen erfaßte, kann nicht gesprochen werden, weil das Imstichlassen eines Verletzten durch den Täter, der diese Verletzung fahrlässig verursacht hat, - anders als nach altem Recht, nach dem es (bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Begehung) im Sinn des § 337 lit. c StG. zu einer Qualifizierung der Fahrlässigkeitstat führte - gemäß dem § 94 Abs. 1 StGB den Tatbestand einer mit dem vorangegangenen Fahrlässigkeitsdelikt real konkurrierenden Vorsatzstraftat verwirklicht und eine Ausdehnung der (durch die Erklärung nach dem § 90 StPO in bezug auf den § 94 Abs. 1 StGB ausdrücklich) auf den Verkehrsunfall beschränkten (ursprünglichen) Anklage nach dem § 88 Abs. 1 StGB auf einen darüber hinaus reichenden Sachverhalt auch durch den Antrag des staatsanwaltschaftlichen Funktionärs auf Bestrafung des Beschuldigten im Sinn des Gesetzes nicht erfolgt ist. Zum anderen aber war das Bezirksgericht gemäß dem § 9 Abs. 1 Z. 1 StPO zur Aburteilung eines (alternativ mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohten und nicht den Geschwornengerichten zugewiesenen) Vergehens nach dem § 94 Abs. 1 StGB (hier: auch) wegen sachlicher Unzuständigkeit gar nicht befugt.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren diese Gesetzesverletzungen festzustellen und gemäß dem § 292 letzter Satz StPO das Urteil im verfehlten Schuldspruch sowie im Strafausspruch ebenso wie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen aufzuheben; sodann war unter Ausscheidung des Schuldspruchs nach dem § 94 Abs. 1 StGB die über Karl A wegen des aufrecht bleibenden Schuldspruchs nach dem § 88 Abs. 1 StGB gemäß dieser Gesetzesstelle zu verhängende Strafe neu zu bemessen. Dabei waren die mehreren Sorgfaltsverletzungen und vier Vorverurteilungen des Angeklagten wegen Delikten gegen die körperliche Integrität erschwerend, sein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung durch ein Teilgeständnis hingegen mildernd. Eine Geldstrafe in der Höhe von vierzig Tagessätzen entspricht unter Bedacht auf die im Spruch bezeichneten Urteile (§ 31, 40 StGB) seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB), die Höhe des Tagessatzes seinen persönlichen Verhältnissen und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs. 2 StGB), wie sie vom Bezirksgericht angenommen wurden. Die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe fußt auf dem § 19 Abs. 3 StGB

Anmerkung

E01583

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0100OS00175.78.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19781115_OGH0002_0100OS00175_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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